Protocol of the Session on June 21, 2013

da es für die Ausweitung der Aufgabenstellung der Landesbeauftragten in Thüringen keine Notwendigkeit gibt.“ Frau Präsidentin, ich habe mit einem Zitat von Prof. Veen begonnen.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wie wir jetzt entnommen haben aus der Berichterstattung am 15. November vergangenen Jahres, hat die Koalition, haben Sie, meine Damen und Herren aus CDU und SPD, dem Landtag ein Gesetz vorgelegt, das diesem Tagesordnungspunkt den Namen gibt - obwohl, jetzt ja nicht mehr -, den Gesetzentwurf über den Beauftragten des Freistaates Thüringen zur Aufarbeitung des Stalinismus in der DDRDiktatur. Am 23. November hatten wir bereits die erste Lesung hier in diesem Haus. Aufgrund der bis dahin eingegangenen Mails von Initiativen, Vertretern öffentlicher Institutionen und unterstützt von der Kritik der Opposition haben Sie sich auf eine Überweisung an die Ausschüsse und dort auf eine schriftliche Anhörung eingelassen, die zwischen Januar und April dieses Jahres stattgefunden hat. Schade, Kollege Döring, schade, dass Sie uns und unserem Vorschlag, eine mündliche Anhörung durchzuführen, nicht entgegengekommen sind und nicht den Mut hatten.

(Beifall DIE LINKE)

Aber ich denke, wir wissen warum. Sie wollten der zu erwartenden Peinlichkeit in einer öffentlichen Anhörung aus dem Weg gehen.

(Beifall DIE LINKE)

Im Ergebnis ist festzustellen, die Anhörung hat ihren Weg, meine Damen und Herren der Koalitionsfraktionen, vor dem wir und die anderen Oppositionsparteien Sie in erster Lesung gewarnt haben, ebenfalls weit überwiegend als Irrweg klargestellt und das auch ausargumentiert. Daran ist nach der schriftlichen Anhörung kein Zweifel mehr. Die Schlussfolgerungen aber haben Sie weitgehend nicht gezogen.

Ich darf einige Kernaussagen aus der Anhörung zitieren, weil sie in ihrem Inhalt und der damit verbundenen Bewertung an Genauigkeit und Klarheit nichts vermissen lassen. „Dieser Gesetzentwurf ist,“ - schreibt Prof. Dr. Volkhard Knigge, Direktor der Stiftung Gedenkstätte Buchenwald-Dora - „ indem er dem in Thüringen erreichten Stand der öffentlichen und institutionellen Auseinandersetzung mit der SED-Diktatur keine Rechnung trägt, antago

(Abg. Meißner)

nistisch, überflüssig. Abgesehen davon überdehnt der Gesetzentwurf Aufgabenfeld, Wirkung und Kompetenz des Landesbeauftragten, indem er ihm Aufgaben zuweist, die ausgewiesenermaßen didaktisch und pädagogisch Qualifikationen und darauf basierende Professionalität erfordern. Die Arbeit der Landesbeauftragten sollte sich auf jene Kernfunktion konzentrieren, die der Gesetzgeber einst zu Recht als Alleinstellungsmerkmal des Amtes und gewichtiges demokratiepolitisches Zeichen erkannte, die Beratung und Betreuung von Verfolgten und Opfern der SED-Diktatur sowie die Förderung ihrer Anerkennung in Verbindung mit der Verfügbarmachung der Akten des Staatssicherheitsdienstes der DDR. Mit diesem Aufgabenprofil verbunden ist die Einsicht in die mit der Aufgabenstellung gegebene Endlichkeit von Funktion und Amt.“

Prof. Dr. Klaus-Dietmar Henke, Universität Dresden und Mitglied in vielen Thüringer Gremien der Geschichtsaufarbeitung urteilt in seiner schriftlichen Zusendung wie folgt: „Eine Generation nach dem Sturz der staatssozialistischen Herrschaft durch die Bürger der DDR ist die Zeit reif, dem demokratisch bürgerschaftlichen Prinzip der Aufarbeitung wieder mehr Geltung zu verschaffen und Sonderstrukturen abzubauen. Je rascher und je breiter die vielfältigen Aufgaben und Kompetenzen auf dem Feld der Auseinandersetzung mit der SED-Diktatur in die klassischen Strukturen eines demokratischen Gemeinwesens zurückfließen, desto besser und angemessener für eine Bürgergesellschaft. Die Verwaltung der Akten in die klassischen Archive, die politische Bildung in die klassischen Bildungseinrichtungen, die Beratung und Betreuung der Diktaturopfer an die klassischen medizinisch-psychologischen Stellen.“

Prof. Dr. Gunther Mai, Universität Erfurt gibt zu bedenken. „Der von der Stiftung Ettersberg jährlich organisierte Schülerwettbewerb zeigt, dass das Interesse an der DDR-Geschichte nicht nur lebendig ist, sondern wächst. Wenn der Freistaat etwas zu intensivieren hat, dann ist es die landesgeschichtliche Forschung zur SED-Diktatur bzw. zur Geschichte der sowjetischen Besatzungszone und der DDR. So soll er das Geld hier und nicht bei der Landesbeauftragten investieren. Weder an der Universität Jena, noch an der Universität Erfurt wird zurzeit systematisch zur DDR-Geschichte geforscht. Der Verbund einer regulären, auf Dauer angelegten Professur mit der Stiftung Ettersberg wäre zu empfehlen.“

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Professoren müssen doch nicht recht haben.)

Meine Damen und Herren, doch nicht nur die Historiker an dieser Stelle und Wissenschaftler, die in vielen Gremien der Aufarbeitungslandschaft engagiert sind, auch die meisten der im Land arbeitenden Vereine und Gedenkstätten können die Linie Ihres Gesetzentwurfs nicht teilen. So stellt der Ver

ein Freiheit e.V. fest zur schriftlichen Anhörung: „Das bestehende Gesetz umschreibt die Aufgaben klar und deutlich. Wesentlicher Teil der Aufgaben des Landesbeauftragten ist es, die Beratung und Betreuung von Opfern der SED-Diktatur sicherzustellen und entsprechend zu koordinieren, ihre Ansprechpartner und Interessenanwalt im politischen Betrieb zu sein. Darüber hinaus ist eine Mitwirkung in der politisch-historischen Arbeit angedacht. Das nun vorliegende Gesetz“ - so die Bemerkung weiter - „erweitert den Handlungsspielraum der/des Landesbeauftragten und kollidiert dabei mit den Aufgaben des Thüringer Geschichtsverbundes.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Längst aus- geräumt.)

Dort arbeiten die im Freistaat existierenden Aufarbeitungsinitiativen und Vereine zusammen und kooperieren entsprechend. Wir sehen“ - so der Verein - „die Ausweitung des bestehenden Thüringer Landesbeauftragtengesetzes kritisch.“

Und zum Abschluss, wenn Ihnen das sozusagen als Kern der Bewertungen aus - wie gesagt - den Zusagen nicht ganz reicht, möchte ich einen weiteren Aspekt geben, der für mich auch durchaus Sinn macht, wenn man ihn hier noch einmal nennt.

Prof. Richard Schröder sagt in seiner Zusendung unter anderem: „Es scheint eine Tendenz aller Behörden und Institutionen zu sein, bei Erledigung ihrer ursprünglichen Aufgabe nicht zu verschwinden, sondern durch Erfindung neuer Aufgaben zu überleben und sich zu sichern.“

(Zwischenruf Abg. Scherer, CDU: Noch lan- ge nicht erledigt.)

Meine Damen und Herren, so der Tenor der Stellungnahmen. Sehen Sie es mir nach, wenn ich an dieser Stelle nicht weiter fortfahre und entsprechend aus den zahlreichen Zuschriften Zitate bringe und auch wenn ich jetzt keine der wenigen den Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen durchaus befürwortenden Zitate bringe. Das überlasse ich natürlich ausdrücklich den Rednern der Koalition.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Es gibt doch einen neuen Entwurf.)

Ja, Ihre Änderung, meine Damen und Herren der Koalitionsfraktionen, haben äußerlich die peinliche Überhebung an Ihrem Gesetzentwurf beseitigt. Die behördliche Aufarbeitung des Stalinismus wird nun nicht mehr angestrebt. Der Begriff der präventiven Aufklärung ist verschwunden. Sie wollen die zivile Aufarbeitungslandschaft nun nicht mehr koordinieren, sondern nur noch scheinbar unterstützen. Die zwei Hauptmängel aber sind geblieben. Nicht beseitigt ist der Umstand, dass die Thüringer CDU und SPD noch immer eine Ausweitung der Befugnisse der Unterlagenbeauftragten in dem Bereich

der allgemeinen Aufarbeitung der Zeitgeschichte anstreben. Das ist, so wie Sie aus den Zitaten entnehmen, falsch und unnötig.

(Beifall DIE LINKE)

Nicht beseitigt ist aber vor allem auch der Umstand, dass die Thüringer CDU und SPD mit dieser äußerst wackeligen inhaltlichen Konstruktion im Gegensatz zum jetzt geltenden Gesetz eine generelle Entfristung des Gesetzes vornehmen will. Im Klartext: Sie wollen den Landesbeauftragten vom Bundesgesetz und vom Bundesbeauftragten loslösen.

(Beifall DIE LINKE)

Ihr Ursprungsentwurf war da ehrlicher. Da hatten Sie den Bezug auf den Bundesbeauftragten gleich gestrichen.

(Beifall DIE LINKE)

Die Frage ist zu stellen, meine Damen und Herren, wozu tun Sie das, wenn nicht mit der Absicht, 2019, wenn möglicherweise die Tätigkeit des Bundesgesetzes und der Bundesbehörde auslaufen, dann als Land mit Ihrer eigenen Behörde weiterzumachen, eine Landesunterlagenbehörde ohne Unterlagen, die auf Feldern tätig werden sollen, auf deren Akteure bereits erfolgreich und vernetzt, wenn auch häufig unterfinanziert tätig sind und auf den Sie nach deren eigener Bewertung völlig überflüssig reagieren. Ich will Ihnen sagen, worum es geht. Ihnen ist die Behörde ein willkommenes Werkzeug der staatlichen, Ihrer parteilichen Geschichtspolitik.

(Beifall DIE LINKE)

(Unruhe CDU)

Eine solche Vorgehensweise - gestatten Sie mir die Anmerkung - scheint uns nicht die notwendigen Schlussfolgerungen aus dem Scheitern früherer Politiker zu sein. Einen solchen Versuch hatten wir schon mal, ja mehr, er ist für eine demokratisch, pluralistisch verfasste Gesellschaft höchst problematisch. Da teilen wir die Bedenken von Prof. Henke. Weil ich - doch ich werde es tun, wiederholend seine Stellungnahme zitieren: „Eine Generation nach dem Sturz der staatssozialistischen Herrschaft durch die Bürger der DDR ist die Zeit reif, dem demokratisch-bürgerlichen Prinzip der Aufarbeitung wieder mehr Geltung zu verschaffen und Sonderstrukturen abzubauen.“

(Beifall DIE LINKE)

Wir, meine Damen und Herren, lehnen jedenfalls eine fristlose Verlängerung der Arbeit und eine Erweiterung der Aufgabenbereiche und -befugnisse der Behörde des/der Landesbeauftragten für StasiUnterlagen ab.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Das haben wir nicht anders erwartet.)

Wenn es so ist, Kollege Fiedler, dass die bisherigen Aufgaben zu einem großen Teil abgearbeitet sind, dann hilft es nicht, im Bereich der zivilgesellschaftlichen Aufarbeitung und Auseinandersetzung mit Zeitgeschichte, die an Hochschulen, durch Medien, in Museen, an Gedenkorten und durch Vereine und basisbezogene Akteure geleistet wird, nun auch noch eine staatliche Behörde zu verankern. Das ist - ich wiederhole mich - falsch und überflüssig.

(Beifall DIE LINKE)

Ein solches Handeln läuft auch der Aussage der Anzuhörenden völlig entgegen. Denn von den 28 Stellungnahmen sprachen sich in diesem Fall nur sieben für die CDU/SPD-gezielte Ausweitung der Aufgaben der Landesbeauftragten aus, dagegen 18.

Meine Damen und Herren, es gibt weitere, aus unserer Sicht erhebliche Mängel. Sie schaffen einen Beirat. Welche Aufgaben und Befugnisse soll dieser haben? Welche Kriterien führen zu der von ihm vorgenommenen Zusammensetzung? Warum lassen Sie nicht die dafür infrage kommenden fachkundigen Personen, Vereine, Institutionen, aus deren Reihen die Anzuhörenden kamen, hier wohl ziemlich außer Frage stehen, nicht selbst entscheiden, wen sie aus ihrer Mitte in den Beirat senden? Dass Sie sich auf die ernsthafte Ausschussberatung, und das ist der zweite große Mangel, nicht eingelassen und am Ende sogar die Form verletzt haben, ist ein weiterer schwerer Mangel, den ich hier kennzeichnen möchte.

(Beifall DIE LINKE)

Sie haben vor einer Woche per Tischvorlage eine Reihe von Änderungen auf, wie gesagt, den Tisch des Justizausschusses gelegt, die offensichtlich die Schlüsse auch aus den Kritiken der Anhörung ziehen sollten. Die Kollegen der mitberatenden Ausschüsse haben diese bis heute nicht als Drucksache bekommen, obwohl sie dafür und darüber abgestimmt haben sollen und müssen. Doch dies nur am Rande.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine solche, lassen Sie es mich formulieren, stümperhafte und ignorante Arbeit habe ich hier in diesem Haus selten gesehen und wurde selten abgeliefert.

(Beifall DIE LINKE)

Da ändert es auch durch diese paar Korrekturen in letzter Minute nichts. Aus Sicht der Fraktion DIE LINKE wäre die nochmalige Verlängerung des geltenden Gesetzes über den Landesbeauftragten eine mögliche sachgerechte Verfahrensweise gewesen. An dieser Stelle fällt mir kein besseres Zitat ein, als das von Christian Morgenstern, was sinngemäß da lautet: Auf diesen Ritt auf einer wild gewordenen Sau, den sie hier abliefern, auf diesen wollen und können wir uns allerdings nicht einlassen.

Um es in aller Deutlichkeit zu wiederholen, Kollege Fiedler,

(Zuruf Abg. Fiedler, CDU: Ich höre.)

weil darauf heben Sie dann auch immer ab. Für uns war, ist und bleibt die Aufarbeitung der Geschichte der DDR und der damit verbundenen Ergebnisse eine plurale gesellschaftspolitische Aufgabe der Gegenwart und der Zukunft.

(Beifall DIE LINKE)

Wir werden uns und wir haben uns dieser Aufgabe nie entzogen. Jeder, der hier vorn am Pult oder wo auch immer in dieser Gesellschaft behauptet, dass wir es tun wollen, spricht nicht die Wahrheit. Wenn Sie die politische Bildung zur Aufarbeitung der DDR-Geschichte und hoffentlich auch der Geschichte des Nationalsozialismus verstärken wollen, finanzieren Sie entsprechende Lehrstühle an den Universitäten, sorgen Sie für einen stabilen Finanzsockel für die Aufarbeitungsinitiativen, unterstützen Sie die Arbeit im Geschichtsverbund, kümmern Sie sich weiter um die Qualität der Grenzmuseen und kürzen Sie nicht bei der Landeszentrale für politische Bildung.

(Beifall DIE LINKE)

Da es aus unserer Sicht keine vernünftige Ausschussberatung gegeben hat und Sie diese auch in keiner Weise angestrebt haben sowie aus den von mir hier vorgetragenen Gründen, lehnen wir diesen Gesetzentwurf ab.