Protocol of the Session on September 11, 2008

Aus dieser Konkurrenzsituation scheint für mich deutlich zu werden, dass der DGB zwei Handlungsstrategien verfolgt. Die eine ist, sie streben die Allgemeinverbindlichkeit ihrer Verträge an durch die Aufnahme in das Entsendegesetz, werden dabei natürlich auch von Arbeitgebern unterstützt, die nicht nur uneigennützige Interessen verfolgen. Auf der anderen Seite verfolgt man die Strategie der Diffamierung der

Christlichen Gewerkschaften durch die Absprache jeder Tariffähigkeit. In diesem Zusammenhang möchte ich noch mal darauf hinweisen, das Argument der sozialen Mächtigkeit geht, glaube ich, auch beim DGB fehl, wenn es hier um die Frage der Zeitarbeitsbranche geht.

Im Übrigen möchte ich auch darauf hinweisen, dass bei der Frage des angeblichen Widerspruchs zu elementaren Gerechtigkeitsanforderungen auch das Bundesarbeitsgericht im Jahr 2003 ausdrücklich unter Bezugnahme auf den Entgelttarifvertrag Ost der Christlichen Gewerkschaften diesen zum Maßstab erhoben hat und zum Maßstab nahm, um festzustellen, dass ein Tarifvertrag hier elementaren Gerechtigkeitsanforderungen durchaus genügt und kein Hungerlohn geregelt werde. Im Vordergrund steht deshalb nicht eine wünschbare Verbesserung der Situation der Beschäftigten, sondern es geht klar um einen Verdrängungswettbewerb zwischen beiden Gewerkschaften. Das ist aus Sicht des DGB nicht verwerflich, aber es ist fahrlässig und unseriös, moralische Argumente vorzuschieben, um die banalen eigenen Interessen einer Gewerkschaft durchzusetzen. Dieser Landtag und diese Landesregierung sind deshalb gut beraten, sich nicht zum billigen Jakob einer Gewerkschaft zu machen, wie es DIE LINKE in bekannter Manier tun möchte.

Dass dabei natürlich auch die Arbeitgeberverbände dann wieder angeführt werden, darauf habe ich schon hingewiesen. Das hat etwas damit zu tun, dass sie auch natürlich nicht uneigennützige Interessen bei der Vermeidung eigener Konkurrenz verfolgen. Das macht die Sache aber nicht unbedingt besser, deswegen sollte diese Landesregierung die Koalitionsfreiheit und die Tarifautonomie hochhalten, anstatt sie dem Alleinvertretungsanspruch Einzelner zu opfern. Ich empfehle daher die Ablehnung dieses Antrags. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Für die Fraktion DIE LINKE hat sich Frau Abgeordnete Leukefeld zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Carius, ich musste jetzt tief durchatmen. Ich fand es zum Teil unverschämt, was Sie hier gesagt haben.

(Beifall DIE LINKE)

Es geht hier nicht um irgendwelche Lobbyisten für irgendwelche Gewerkschaften, es geht hier um die

Frage der Rechtsstaatlichkeit und, ich denke,

(Unruhe CDU)

dafür müssten Sie genauso eintreten. In einer Sache, Herr Carius, da gebe ich Ihnen recht, das ist hochpolitisch. Wir haben ja in dieser Woche die vom DGB vorgestellte Studie zur Kenntnis nehmen können. In Thüringen gibt es die niedrigsten Durchschnittsstundenlöhne und die längsten Arbeitszeiten. Wenn Sie das gut finden und wenn Sie sagen, da stehen die Interessen der Beschäftigten gar nicht im Mittelpunkt, also ich kann die Auffassung nicht teilen und ich muss das namens meiner Fraktion ganz deutlich zurückweisen.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Einen Anteil an diesem Wettbewerb um Dumpinglöhne haben nun einmal auch die Christlichen Gewerkschaften. Ich will mich aber hier ausschließlich auf die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen beziehen, weil in der Tat unser Antrag resultiert aus der Anhörung im Wirtschaftsausschuss zu dem hier bereits zitierten Antrag der SPD.

In Reaktion auf die vorgestellte Studie hat der Wirtschaftsminister, Herr Reinholz, ja die Kritik zurückgewiesen und gesagt, in Deutschland werden Löhne und Gehälter ausschließlich von den Tarifparteien ausgehandelt. Recht hat er, ausdrücklich, aber dann muss man schon einmal nach der Rechtsstaatlichkeit und der Rechtlichkeit der Tarifpartner fragen und da gibt es eben erhebliche Zweifel bei der CGZP. Deswegen, denke ich, ist unser Antrag hier nötig. Politik steht ja auch in der Verantwortung und ich komme dann darauf zurück. Wir haben auch das gute Recht, hier diesen Antrag zu stellen und den Auftrag zu erteilen, wenn Sie dem zustimmen würden, diese Tariffähigkeit zu überprüfen.

Lassen Sie mich noch etwas zur Rechtslage sagen. Die Arbeitsbedingungen von den Beschäftigten in Leiharbeit müssen grundsätzlich dem des Stammpersonals in den Einsatzunternehmen entsprechen. Das ist der Gleichstellungsgrundsatz. Seit einer Gesetzesnovelle im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz in § 9 ist das geregelt. Wir wollen keine Arbeitnehmer erster und zweiter Klasse. Das sagt noch gar nichts aus, ob man im Einzelfall auch für Leiharbeit sein kann. Aber Arbeitnehmer erster und zweiter Klasse wollen wir nicht. Es muss der Grundsatz gleicher Lohn für gleiche Arbeit gelten und das ist auch gesetzlich geregelt.

(Beifall DIE LINKE)

Allerdings gilt das eben nur für einen Bruchteil aller Leiharbeiter. In der Mehrzahl sind Leiharbeitsbeschäftigte deutlich schlechter gestellt als Stammbelegschaften. Warum? In der Novelle des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes, das durch die damalige rotgrüne Bundesregierung im Rahmen von Hartz I auf den Weg gebracht wurde, ist geregelt, dass Abweichungen vom Gleichheitsgrundsatz im Rahmen von Tarifverträgen möglich sind. Experten halten das geradezu für eine Einladung zur Umgehung und die Praxis gibt ihnen recht dabei.

Herr Carius, es wäre vielleicht schön, wenn Sie noch bis zum Schluss zuhören würden. Tarifverträge wurden geschlossen als Erstes von der CGZP. Sie ist auch für eine Vielzahl von Haustarifverträgen mit stets noch schlechteren Arbeits- und Lohnbedingungen als in den Flächentarifverträgen verantwortlich. Über die genaue Zahl der Haustarifverträge schweigt die angebliche Gewerkschaft aber, und um es ganz deutlich zu sagen, die aus vier Einzelvereinigungen bestehende CGZP ist für Dumpinglöhne in der Branche verantwortlich. Wir reden hier von Tariflöhnen, die teils weit unter 6 € pro Stunde beim Flächentarifvertrag und sogar bis unter 5 € bei Haustarifverträgen reichen. Kollege Pilger hat hier verwiesen auf die etwa 12 €, die von dem DGB ausgehandelt wurden. Das ist äußerst bedenklich, denn an die Stelle des gesetzlichen Normalfalles mit gleichem Lohn und gleichen Arbeitsbedingungen hätte nur eine ausgewogene Regelung treten dürfen, was eben hier eindeutig nicht zutrifft. Der CGZP wird deshalb aus gutem Grund vorgeworfen, mehr den Interessen der Unternehmen als denen der Beschäftigten verpflichtet zu sein. Was ist das für eine Gewerkschaft?

In der Anhörung im Wirtschaftsausschuss ist das übrigens auch von Leiharbeitsunternehmen und Branchenverbänden als Lohndumping kritisiert worden, die gesagt haben, man muss ohne Not solche Tarifverträge nicht abschließen. Zu der erwähnten Tarifgemeinschaft, lassen Sie mich das noch einmal sagen, gehören die „Christliche Gewerkschaft Metall“, die „DHV - Die Berufsgewerkschaft“, die bis 2007 Deutscher Handlungsgehilfenverband hieß, die Gewerkschaft öffentlicher Dienst und Dienstleistungen sowie die Christliche „Gewerkschaft Postservice und Telekommunikation“. Die CGZP wiederum gehört zu dem christlichen Gewerkschaftsbund Deutschlands, der nach eigenen Angaben 280.000 Mitglieder hat. Lassen Sie mich das nur noch einmal im Verhältnis zum DGB sagen, dem gehören 6,4 Mio. Mitglieder an. Zu einer der Mitgliedsgewerkschaften des Christlichen Gewerkschaftsbundes gehört übrigens auch der Ministerpräsident Dieter Althaus. Meine Fraktion schätzt es als sehr problematisch ein, wenn ein Ministerpräsident sich öffentlich für Organisationen einsetzt, die im Zusammenhang mit Lohndumping und Gefälligkeitstarifen eine dubiose Rol

le spielen. Seine Solidarität mit genau diesen Gewerkschaften hat Herr Althaus ja auch bewiesen, indem er beim Bundeskongress des Christlichen Gewerkschaftsbundes in Erfurt aufgetreten ist und auch beim Betriebsräteseminar in Eisenach. Ich möchte ihn auffordern, sich unbedingt von solchen Vereinigungen zu distanzieren, die auf Dumpinglöhne setzen.

Meine Damen und Herren, es bestehen ernsthafte Zweifel, ob die CGZP überhaupt eine tariffähige Vereinigung darstellt. Es wurde schon gesagt, dass das Arbeitsgericht Berlin Anfang des Jahres - Zitat: „Erhebliche Zweifel an der Tariffähigkeit“ geäußert hat, unter anderem deshalb, weil die CGZP sich weigerte, die Mitgliederstärke ihrer Teilverbände - die Tarifgemeinschaft selbst hat ja überhaupt keine Mitglieder - gegenüber dem Gericht zu benennen. Leider konnte das Arbeitsgericht Berlin aus formalen Gründen in der Sache nicht abschließend entscheiden. Die Signale des Gerichts sind aber deutlich. Es zieht die für die Tariffähigkeit notwendige Sozialmächtigkeit, also Mitgliederstärke und Durchsetzungskraft, klar in Zweifel, und Kollege Pilger hat ausführlich zu dieser Frage schon gesprochen.

Einen weiteren Hinweis hat Ministerpräsident Althaus unbewusst übrigens selbst gegeben. Gegenüber dem ARD-Politmagazin „Panorama“ hat er im Februar 2007 geäußert, ich zitiere: „Ich bin auch deshalb mit in einer Christlichen Gewerkschaft, weil ich glaube, dass wir weitgehend versuchen müssen, mit Konsensverhandlungen zum Erfolg zu kommen.“ Das ist, wie ich meine, sehr aufschlussreich, denn nach Urteilen des Bundesarbeitsgerichts gehört zur Tariffähigkeit einer Gewerkschaft auch die Bereitschaft zum Arbeitskampf, um die Interessen seiner Mitglieder durchzusetzen. Darüber hinaus spricht gegen die Tariffähigkeit der CGZP die Tatsache, dass zwei ihrer Mitgliedsvereinigungen entsprechend ihrer Satzungen überhaupt nicht für die Leiharbeitsbranche zuständig sind. Unsere Fraktion fordert deshalb die Landesregierung auf, die Tariffähigkeit der CGZP gerichtlich prüfen zu lassen.

Meine Damen und Herren, wir haben ja in der heutigen Debatte von den Kritikern, Herr Carius hat das ja deutlich gemacht, gehört, dass auf die Tarifautonomie verwiesen wurde. Ich meine, das Thema ist schon ernst zu nehmen und deswegen lassen Sie mich dazu noch mal was sagen.

Natürlich gehört das Aushandeln der Tarifverträge in den Bereich der Tarifautonomie. Doch selbst da gibt es Vorgänge, bei denen staatliche Stellen - z.B. Bundes- und Landesministerien - beteiligt sind, etwa bei der Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen. Hinsichtlich der Tariffähigkeit, also der Frage, ob eine Gewerkschaft rechtlich befugt ist, als Ver

tragspartner Tarifverträge auszuhandeln und wirksam abzuschließen, sind staatliche Stellen auf gesetzlicher Grundlage ausdrücklich zur Prüfung befugt. Nach § 97 des Arbeitsgerichtsgesetzes ist die oberste Arbeitsbehörde eines Landes berechtigt, beim Arbeitsgericht einen Antrag zur Überprüfung der Tariffähigkeit zu stellen. Von einem Verstoß gegen die Tarifautonomie kann also gar keine Rede sein - im Gegenteil, das Kriterium der Tariffähigkeit ist unverzichtbar für den Abschluss wirksamer Tarifverträge. Der Antrag auf Überprüfung der Tariffähigkeit ist daher auf den Schutz der Tarifautonomie gerichtet. Hinzu kommt im vorliegenden Fall, dass die CGZP Dumpingverträge abschließt und so offensichtlich gegen weitere arbeitsrechtliche Vorgaben verstößt. Das ist auch der Standpunkt des Arbeitsjuristen Prof. Schüren, den wir ja im Wirtschaftsausschuss gehört haben und der Institutsdirektor an der Universität Münster ist. Die Dumpingtarifverträge sind auch unter Beachtung des Artikel 36 der Thüringer Landesverfassung zu bewerten. Dort wird die öffentliche Hand in Form eines Staatsziels verpflichtet, Maßnahmen zu ergreifen, die dazu beitragen, jedem die Möglichkeit zu schaffen, durch frei gewählte und dauerhafte Arbeit seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Ich glaube, dieses Verfassungsziel ist mit dieser Form prekärer Beschäftigung und Niedriglöhnen im Land Thüringen nicht gewährleistet.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Genau dem soll die Überprüfung der Tariffähigkeit dienen. Nicht unwichtig ist auch, dass die Finanzierung der CGZP sich äußerst intransparent darstellt. In der Sendung „Report Mainz“ im Dezember 2007 wurde über eine Leiharbeiterin berichtet, die bei der Einstellung in ihrer Firma eine Beitrittserklärung zur CGZP unterschreiben musste. Der Mitgliedsbeitrag soll gleich direkt vom Lohn abgezogen worden sein. Das sind, meine Damen und Herren, unhaltbare Zustände gerade im Hinblick auf Nachrichten über weitere Pseudogewerkschaften wie die AUB, die von Unternehmen schlicht gekauft wurde. Das hat Herr Pilger hier auch zum Ausdruck gebracht.

Meine Damen und Herren, der Landtag als Gesetzgeber und Kontrollorgan für das Handeln der Exekutive hat nicht zuletzt wegen seiner Bindung an Verfassungsvorgaben die Pflicht, dann politisch aktiv zu werden, wenn ihm Anhaltspunkte benannt werden, die auf eine Verletzung von Grundrechten oder anderen zwingenden Rechtsvorgaben hinweisen. So darf meines Erachtens es der Landtag nicht sehenden Auges geschehen lassen, dass möglicherweise nicht tariffähige Gewerkschaften in rechtswidriger Weise Tarifverträge abschließen und die Folgen dann von den Betroffen auszubaden sind. Daher hat der Landtag die oberste Arbeitsbehörde des

Landes zum Handeln aufzufordern.

Schließen möchte ich mit einer Einschätzung des Arbeitsrechtlers Prof. Dr. Markus Stoffels von der Universität Osnabrück, der zur Tariffähigkeit der CGZP äußerte, Zitat: „Eine baldige gerichtliche Klärung dieser äußerst praxisrelevanten Frage wäre sehr wünschenswert.“ Deshalb dieser Antrag und deshalb, meine Damen und Herren, bitte ich um Ihre Zustimmung.

(Beifall DIE LINKE)

Seitens der Abgeordneten liegen keine weiteren Redeanmeldungen vor. Für die Landesregierung … Doch, Herr Buse?

(Zuruf Abg. Buse, DIE LINKE: Ja, gern.)

Dann bitte Herr Abgeordneter Buse für die Fraktion DIE LINKE. Ich hatte zwar die Landesregierung schon aufgerufen, aber Herr Minister würde sich an Ihren Beitrag hinten anschließen.

Frau Präsidentin, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren der CDU, wenn sie nicht auf die Opposition hier im Hause hören wollen, wenn es um dieses Thema geht, dann verschließen sie sich doch bitte nicht den Bedenken, die die deutschen Arbeitsgerichte zur Tariffähigkeit der CGZP haben. Ich glaube, Herr Carius, wenn er hier mit seiner ideologischen Keule rumwirft, wird er doch den Gerichten nicht unterstellen können, dass die kommunistisch unterwandert sind.

(Unruhe im Hause)

Deshalb würde ich gern einige Aspekte zu dieser Problematik sagen. Eine Erhebung der Universität Münster im vergangenen Jahr unter den 121 deutschen Arbeitsgerichten, an der 100 teilnahmen, ergab zur Problematik der Tariffähigkeit der Christlichen Gewerkschaft für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen folgende Ergebnisse: Die 100 Arbeitsgerichte meldeten seinerzeit insgesamt 180 Verfahren, bei denen es um die Tariffähigkeit der CGZP geht. In keinem Verfahren an diesen Arbeitsgerichten ging es um die Tariffähigkeit einer Einzelgewerkschaft des DGB. Von diesen 180 Verfahren wurden bis zum Zeitpunkt der Erhebung 151 Verfahren verglichen, von den restlichen damals 29 waren 15 Verfahren nach § 97 Abs. 5 Arbeitsgerichtsgesetz ausgesetzt, 13 weitere Verfahren hatten seinerzeit diesen oder einen anderen abgefragten Verfahrensstand noch nicht erreicht und lediglich eine einzige Klage wurde von

einem Arbeitsgericht abgewiesen, das war in Nordrhein-Westfalen, ein Verfahren unmittelbar nach der Gesetzesreform. Der Vergleich in 151 Verfahren sowie die seinerzeitige Aussetzung von weiteren 15 Verfahren berühren meines Erachtens nach sehr stark die Tariffähigkeit der CGZP. Man kann die These aufstellen: Von denen an der Umfrage der Universität Münster teilgenommenen Arbeitsgerichten haben scheinbar, bis auf eine Ausnahme, seit 2003 nahezu alle Zweifel an der Tariffähigkeit der CGZP. Anders sind doch diese Zahlen nicht zu interpretieren. Meine Kollegin Leukefeld und auch Herr Pilger haben ja auch auf Einzelbeispiele verwiesen, zum Beispiel auf das Arbeitsgerichtsurteil in Berlin, ich will mir das alles schenken. 151 Verfahren endeten bis zum Zeitpunkt dieser Erhebung mit einem Vergleich.

Was bedeutet das? Ich würde Sie bitten, darüber mal nachzudenken. Aus der Sicht des einzelnen Leiharbeiters macht natürlich ein Vergleich mehr Sinn als ein Aussetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts und die Beantragung eines Beschlussverfahrens nach § 2 a Abs. 1 Nr. 4 des Arbeitsgerichtsgesetzes, Entscheidungen über die Tariffähigkeit und die Tarifzuständigkeit einer Vereinigung heißt der. Durch den Vergleich erhält der klagende Leiharbeiter sofort die geforderte Lohndifferenz oder wenigstens einen Teil davon oder auch einen sonstigen Ausgleich und der Streit ist beendet. Demgegenüber kann ein durch einen Leiharbeitnehmer nach § 97 Abs. 5 Arbeitsgerichtsgesetz angestrengtes Verfahren zur Feststellung der Tarifunfähigkeit der betreffenden Gewerkschaft bekanntlich Jahre dauern. Ich glaube, das kennen Sie. Ist es deshalb dem Leiharbeiter zu verdenken, dass der Spatz in der Hand ihm lieber ist als die Taube auf dem Dach? Ich glaube nicht. Aber auch die Verleiher scheinen mit den Vergleichen gut bedient zu sein, denn sie können die Tarifverträge unbeschadet bei anderen Leiharbeitnehmern weiterverwenden und auch die Anwaltskosten bleiben in einem gewissen Rahmen. Selbst die CGZP befürchtet doch, dass ihr im Rahmen eines Verfahrens nach § 97 Abs. 5 Arbeitsgerichtsgesetz eine Tariffähigkeit abgesprochen werden könnte, denn ansonsten ist die Einlassung auf Vergleiche durch diese Gewerkschaft nicht nachzuvollziehen. Nichts wäre ihr doch oder dem einzelnen Verleiher wünschenswerter als eine rechtskräftige Entscheidung, die die Tariffähigkeit bestätigt und damit den Bestand der Arbeitverträge bestätigen würde.

Abgeordneter Buse gestatten sie eine Anfrage durch den Abgeordneten Carius?

Nein. Sie brauchen nicht zu lachen. Ich entscheide darüber, wen ich anfragen lasse.

(Heiterkeit CDU)

Sie laufen rein und raus, kommen herein, meinen eine Anfrage zu stellen. Herr Carius, bereiten Sie sich ordentlich auf Ihre Redebeiträge vor, da können wir darüber diskutieren.

(Beifall DIE LINKE)

Herr Pilger sagte den Satz: Irgendwer muss ja den Anfang einmal machen bei der Feststellung der Tariffähigkeit oder Tarifunfähigkeit; warum nicht hier in Thüringen. Ich glaube, wir in Thüringen haben allen Grund dazu. Die Verteilung dieser 180 Verfahren ist nicht proportional zur Einwohnerzahl. An der Spitze steht Niedersachsen mit 53 Verfahren, dann folgt Thüringen mit 27, Nordrhein-Westfalen mit 25 und Rheinland-Pfalz mit 23 dieser Verfahren. Thüringen hält also, gemessen an der Einwohnerzahl, bei dieser Umfrage einen traurigen Rekord unter den deutschen Bundesländern, denn auf die Einwohner bezogen, haben wir doppelt so viele Verfahren wie im „zweitplatzierten“ Bundesland. Unter den ostdeutschen Bundesländern sind wir gewissermaßen eine Ausnahmeerscheinung in dieser Frage. Während in Thüringen 27 solcher Verfahren verzeichnet wurden, waren es in Brandenburg und Sachsen jeweils 1 Verfahren. Und aus Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern wurden keine Verfahren im Rahmen dieser Umfrage gemeldet.

Wir haben also hier in Thüringen aus einem ganz anderen Blickwinkel als den theoretischen Streit über gerechte Löhne allen Grund, uns dieser Frage zuzuwenden, zumal als gesichert angesehen werden kann, dass derzeit nur ein geringer Teil der betroffenen Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer vor Arbeitsgerichte überhaupt ziehen und ihre gesetzlichen Ansprüche einklagen. In diesem Sinne, Herr Carius, machen wir uns nicht zum „billigen Jakob der DGB-Gewerkschaften“,

(Beifall DIE LINKE)

sondern zu Lobbyisten der betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. In diesem Sinne verstehen wir diesen Antrag und ich werbe nochmals um Zustimmung; er ist für die Menschen in diesem Land, die schon oft genug gebeutelt worden sind. Ich danke Ihnen.

(Beifall DIE LINKE)

Bitte, Herr Abgeordneter Carius für die CDU-Fraktion.