Protocol of the Session on December 10, 2004

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich gehe davon aus, dass hiermit das Berichtsersuchen gemäß § 106 Abs. 2 Geschäftsordnung erfüllt ist. Es gibt keinen Widerspruch. Damit ist das Berichtsersuchen erfüllt.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 16

Die PISA-Folgestudie im Kontext der Thüringer Bildungspolitik Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 4/398

Wird eine Begründung durch den Einreicher gewünscht? Das ist nicht der Fall. Ich bitte Herrn Minister um seinen Sofortbericht.

Vielen Dank. Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, schon Wochen vor der offiziellen Bekanntgabe der Ergebnisse der jüngsten PISAStudie lieferten Scharen selbst ernannter Experten alle möglichen und unmöglichen Interpretationen,

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Sie wa- ren auch dabei.)

als ginge es nicht um die Analyse einer wissenschaftlichen Untersuchung - wenn Sie genau aufgepasst haben, Herr Matschie, dann haben Sie mitbekommen, dass ich mich sehr zurückgehalten habe -, deren Datenapparat noch gar nicht vorlag, sondern um die Deutung eines Orakels. Andererseits ist das große öffentliche Interesse am Bildungsfortschritt der Jugend in unserem Land sehr zu begrüßen. Lange Jahre hatten schulische Bildungs- und Erziehungsbemühungen in unserer Gesellschaft einen eher nachgeordneten Stellenwert.

(Zwischenruf Dr. Sklenar, Minister für Land- wirtschaft, Naturschutz und Umwelt: Drau- ßen!)

Draußen. Andererseits ist es gerade im Interesse unserer Kinder wichtig, die Debatte sachlich und zielorientiert zu führen und aus den Daten herauszulesen, was drinsteht, und nicht das, was man gern herauslesen möchte.

Was also sind die Fakten, was sind die Kernaussagen von PISA 2003? Meine Damen und Herren, mit PISA untersucht ein internationales Wissenschaftlerteam im Auftrag der OECD und damit auch in unserem Auftrag - das möchte ich durchaus unterstreichen - in einem Abstand von drei Jahren Fähigkeiten und Fertigkeiten der Fünfzehnjährigen in Lesekompetenz, Mathematik und Naturwissenschaften. Die so gewonnenen Informationen ermöglichen Rückschlüsse über Stärken und Schwächen der Bildungssysteme, der Bildungslandschaften in den OECD-Mitgliedstaaten. Die erste Studie fand im Jahr 2000 statt, die jetzt vorgelegte im Jahr 2003, die nächste erfolgt 2006. In PISA 2000 stand die Lesekompetenz im Zentrum, in PISA 2003 ist es die Mathematik und erstmals wurde die Fähigkeit unserer Jugendlichen zum Problemlösen untersucht und verglichen. Aus PISA kann nicht ohne weiteres ein Ranking der Länder abgeleitet werden. Bei den Einzelergebnissen einen konkret erreichten Platz zu nennen, ist schon deshalb nicht zielführend, weil es bei einer Stichprobenerhebung immer einen statistischen Mess

fehler gibt, ein Residuum, das die Festlegung einer genauen Platzierung für ein Land wenig sinnvoll macht. So geht dann auch die Wissenschaftlerkommission, die die Studie erarbeitet hat, vor und bildet Bereiche. Deutschland liegt mit den Leistungen seiner Schüler in einer Gruppe von Ländern im Mittelbereich. In Mathematik gehören zu dieser Gruppe zum Beispiel Österreich, Irland und die Slowakische Republik. Anstelle des Platzes müsste man vielleicht konkreterweise die Anzahl der Länder nennen, die vor dem jeweiligen Feld liegen. In Mathematik liegen vor Deutschland 14 Länder, in den Naturwissenschaften 11 und in der Lesekompetenz 9 Länder. Das ist das Ergebnis der neuesten Studie, die zu Beginn der Woche vorgestellt wurde. Deutschland liegt in den drei Kompetenzbereichen Mathematik, Lesen und Naturwissenschaften im internationalen Durchschnittsbereich. In allen drei Bereichen haben die deutschen Schüler höhere Leistungen gezeigt als bei PISA 2000 gemessen. In der Lesekompetenz ist der Unterschied allerdings eher nicht signifikant. Auch andere Länder haben sich verbessert. Es gibt aber auch Länder, deren Jugendliche dieses Mal schwächere Leistungen gezeigt haben. Der Mittelwert Deutschlands für die fächerübergreifende Kompetenz "Problemlösen" befindet sich signifikant über dem OECD-Durchschnitt. Insgesamt sind die Veränderungen praktisch aller Länder moderat, was bei zwei relativ kurzfristig aufeinander folgenden Untersuchungen zu erwarten war und damit auch ein Indiz für die Robustheit der statistischen Verfahren ist und auf eine gute Reproduzierbarkeit der Ergebnisse schließen lässt.

Als Fazit der Analyse zitiere ich als quasi neutrale Quelle der Fachwissenschaft aus der Kurzzusammenfassung des PISA-Konsortiums Deutschlands. Das IPN-Institut der Universität Kiel schreibt: "Der Vergleich der PISA-Befunde aus 2000 und 2003 zeigt, dass sich die Bildungsergebnisse für Deutschland in keiner Weise verschlechtert haben. Im Bereich Lesekompetenz kann von einer Stabilisierung gesprochen werden, in Teilbereichen der mathematischen Kompetenz und in der naturwissenschaftlichen Kompetenz sind signifikante Zuwächse zu beobachten. Die im internationalen Vergleich überdurchschnittlichen Kompetenzwerte im Problemlösen lassen ein kognitives Potenzial der Jugendlichen in Deutschland erkennen, das nur zum Teil in fachbezogenes Wissen und Verständnis umgesetzt wurde." Soweit das Zitat.

Ein Faktum ist also, Deutschland hat sich in den drei untersuchten Kompetenzbereichen Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften leicht verbessert. Immerhin liegen wir hier jetzt nicht mehr unter dem Durchschnitt, sondern im Durchschnitt. Beim Problemlösen liegen die deutschen Jugendlichen oberhalb des Durchschnitts. Diese positive Tendenz ist

eine Bestätigung für die Arbeit der deutschen Schulen in den vergangenen Jahren, nicht nur für die Arbeit nach PISA 2000. Bereits nach den Ergebnissen der TIMS-Studie ab dem Jahr 1997 sind entscheidende Schritte eingeleitet worden. Deutschland hat an der jüngsten Studie mit 216 Schulen teilgenommen. Davon kommen neun aus Thüringen. Die Ergebnisse für Deutschland sind also nicht 1 : 1 auf Thüringen oder irgendein anderes Bundesland übertragbar. Realistische Länderergebnisse werden erst im Herbst des nächsten Jahres mit der PISA-Ergänzungsstudie vorliegen. An ihr haben dann immerhin 85 Thüringer Schulen teilgenommen. Unabhängig von diesen Detailergebnissen zum Leistungsbereich liegt aber auch ein anderes Ergebnis klar auf dem Tisch, es gibt keine eindeutigen Zusammenhänge zwischen dem Differenzierungsgrad des Schulsystems bzw. dem Alter der Differenzierung und dem erreichten Kompetenzniveau der Schüler. Oder anders ausgedrückt, Systeme, in denen Schüler länger in einer Schule zusammen sind und die Schüler weniger stark in leistungsbezogen angelegten Schularten fördern, sind nicht a priori überlegen, wie man uns jetzt wieder einmal einzureden versucht. Wer Gegenteiliges behauptet, vernachlässigt für Deutschland wichtige Erkenntnisse aus dem Ländervergleich zu PISA 2000. Aus diesem wissen wir aber auch, dass in allen Schularten - ich betone in allen - ein hoher Entwicklungsbedarf in Bezug auf die Unterrichtsqualität liegt. Das Kompetenzniveau der Schüler hängt in erster Linie von der Qualität der Schule und des Unterrichts ab. Die Qualität des Unterrichts und die Qualifikation des pädagogischen Personals müssen wir also zuallererst in den Blick nehmen und nicht das System. Angesichts dieser Tatsachen ist unsere Antwort auf PISA 2003 klar: Wir brauchen eine Qualitätsdebatte und keine Strukturdebatte.

(Beifall bei der CDU)

Die Koordinatoren der PISA-Studien 1 und 2 in Deutschland, die Bildungsexperten Manfred Brenzel und Jürgen Baumert haben erklärt, dass mit einem Umstülpen der Schulstruktur keine Leistungsverbesserungen zu erzielen sind. Und wenn trotz dieser inzwischen wissenschaftlich belegten Erkenntnis PDS und SPD in Thüringen kein originellerer Kommentar einfällt als die Forderung nach längerem gemeinsamen Lernen im Sinne der Einheitsschule

(Zwischenruf Abg. Döring, SPD: Die Struk- turdebatte ist nun mal Voraussetzung.)

und billiger Pauschalkritik an der angeblich zu frühen Selektion, dann empfehle ich einen Blick in die nationalen Ergänzungsstudien zu PISA 2000. Danach haben Länder wie Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen mit einem gegliederten Schulwesen die besten Resultate erzielt und auch Thüringen mit seinem

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: Immer die alte Leier.)

eigenprofilierten Schulwesen kann sich im innerdeutschen Ländervergleich gut sehen lassen. Ja, wir müssen es immer wieder sagen, Herr Matschie, in der Hoffnung, dass auch Sie

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Sie wie- derholen immer das Gleiche.)

Einsicht zeigen.

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: Lesen Sie mal nach, was Herr Schleicher dazu sagt.)

Aber auch der Blick über die Grenzen lohnt sich. Da konnte man nämlich feststellen, Herr Matschie, dass der Abstand zwischen dem Sieger bei PISA 2000 und Bayern geringer war als der zwischen Bayern und dem deutschen PISA-Schlusslicht Bremen, einem Bundesland, das wie seine Nachbarn seit Jahrzehnten auf das Konzept der integrierten Gesamtschule setzt.

Aber, meine Damen und Herren, Bildung darf nicht von der Struktur, sie muss vom Kind her gedacht werden. Das ist unser Ansatz, das ist der Ansatz von Thüringer Schule, der ist richtig, denn es geht um die persönliche und die berufliche Entwicklung des jeweiligen individuellen Menschen. Wenn jetzt wieder der Ruf nach der Einheitsschule erschallt, dann heißt es nichts anderes als Egalisierung auf mittlerem Niveau. Das kann keinesfalls Antwort auf PISA sein. Wir wollen nicht die eine Schule für alle, sondern die richtige Schule für jeden.

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: Sie sind in der Debatte 30 Jahre zurück.)

Wir müssen die Starken fordern, die Schwachen fördern. Wir führen die Debatte von vor 30 Jahren, eine ideologische Debatte, heute nicht wieder neu.

(Zwischenruf Abg. Taubert, SPD: Ma- chen wir doch auch.)

Dieser Tage wurde in Interviews die These vertreten, das erfolgreiche Finnland habe Anleihen beim DDRSchulsystem genommen. Auch hier darf ich an die Fakten erinnern. Finnland hat in einer tiefen ökonomischen Krise, die vor allem auf eine Bildungskrise zurückgeführt wurde, sein Schulsystem radikal umgestellt. Es gleicht aber nur scheinbar dem der DDR, denn es betont gerade nicht das Kollektiv, sondern die Individualität jedes einzelnen Kindes. Es ist nicht zentralistisch gesteuert, sondern für Schulen ist die kommunale Ebene zuständig.

(Beifall bei der CDU)

In der finnischen Schule wird jedem jungen Menschen deutlich vermittelt, du musst dich anstrengen, du wirst gebraucht. Man darf sich schon kritisch fragen, machen wir in Deutschland dies auch, wenn immer wieder vor allem Defizite, aber nicht die Stärken unserer Schulabgänger aufgelistet werden.

Aber zurück zu PISA 2003 und zu den Schlussfolgerungen für uns: Essenziell ist die Frage etwa der frühen Förderung, um Nachteile im Elternhaus auszugleichen, damit auch sozial Schwache, damit Kinder aus bildungsfernen Schichten oder mit Migrationshintergrund bessere Bildungschancen haben. PISA 2003 zeigt uns deutlich, es gibt noch große Herausforderungen für die Bildungspolitik, vor allem bei den so genannten Risikogruppen, also bei Schülern mit nur geringen Kompetenzen, bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Der starke Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Kompetenzerwerb, das ist auf keinen Fall hinzunehmen. Hier besteht in der Tat Handlungsbedarf und jeder hat das gleiche Recht auf Bildung nicht nur auf dem Papier.

Es gibt auch Positives in PISA 2003. Die Steigerung in Mathematik und Naturwissenschaft ist das Resultat bundesweiter gemeinsamer Anstrengungen. Etwa mit dem Modellversuchsprogramm "Sinus". Dieser Trend ist erfreulich und zeigt,

(Zwischenruf Abg. Döring, SPD: Aber erst mal dagegen wehren.)

dass der bereits nach TIMSS begonnene Weg in den Schulen systematisch weitergegangen wird. Aber die Ergebnisse bieten keinen Anlass für überschwengliche Freude. Damit der Standort Deutschland im internationalen Wettbewerb auch in Zukunft konkurrenzfähig bleibt, brauchen wir mehr als Durchschnitt. In der Kultusministerkonferenz sind wir uns über die Parteigrenzen hinweg einig, dass die Erkenntnis von PISA 2000 unverändert fortgilt. Mit der Heterogenität unserer Schüler sowohl bei den Voraussetzungen als auch bei den Schülerleistungen besser, konstruktiver und effektiver umzugehen und auf die Verschiedenheit intensiver einzugehen. Wir müssen die Zielsetzung einer verbesserten individuellen Förderung weiter mit Nachdruck verfolgen. Dieser Problembereich lässt sich aber nicht durch eine Strukturdebatte lösen. Hier ist jede einzelne Lehrerin und jeder einzelne Lehrer in seinem Unterricht gefordert und sie oder er kann jetzt und heute beginnen. Bei einer jetzt losgetretenen Strukturdebatte sehen sich die Pädagogen erst einmal veranlasst sich zurückzulehnen, um auf strukturelle Entscheidungen zu warten, deren Segen sowohl wissenschaftlich aber auch historisch und gesellschaftspolitisch betrachtet äußerst zweifelhaft ist. Selbstver

ständlich ist mir auch bewusst, dass eine Stärkung der individuellen Förderung notwendig mit einer Verbesserung der Lehrerausbildung und Lehrerfortbildung einhergehen muss. Wir werden dabei unsere Lehrer nicht allein lassen. Wir unterstützen sie vielmehr nach Kräften, brauchen aber auch ihre Bereitschaft und Offenheit für dieses Anliegen. Wir alle müssen unseren Lehrerinnen und Lehrern vor Ort deutlich machen, dass die an jeder Schule unseres Freistaats realisierte Förderung eines jeden einzelnen Schülers der entscheidende Gradmesser für Qualität ist. Dies ist völlig unabhhängig von Strukturen, die wir in den letzten Jahren entwickelt haben. Für uns ist und bleibt guter Unterricht der Schlüssel zum Erfolg. Auch wenn die Thüringer Zahlen noch nicht vorliegen, sehen wir aus den jetzt vorliegenden Erkenntnissen für Deutschland und unter Einbeziehung der Ergebnisse der Kompetenztests, etwa in Deutsch und Mathematik, in der Altersklassenstufe 6 Ansatzpunkte vor allem in drei Feldern: in der Verbesserung des Unterrichts zur gezielten individuellen Förderung in allen Kompetenzbereichen, in der frühzeitigen Förderung von Kindern aus schwierigem sozialen Umfeld sowie in gezielten Ausgleichsmaßnahmen bei ungünstigen Entwicklungen in der Bildungsbiographie und in der Weiterentwicklung der Lehrerausbildung und Lehrerfortbildung, vor allem beim Umgang mit Heterogenität, bei der Verbesserung der Diagnosefähigkeit und bei der gezielten Förderung der einzelnen Schüler.

Was hat Thüringen getan? Thüringen hat mit der Einführung der neuen Lehrpläne nach dem Kompetenzmodell im Jahre 1999 und nach PISA 2000 vielfältige Maßnahmen ergriffen, um die Kompetenz der Schüler im Freistaat zu stärken und zu verbessern. Neu aber wurde der Blick auf die Stärkung der Lesekompetenz in den weiterführenden Schulen gerichtet. Die im Jahr 2002 eingeleitete Leseinitiative hat inzwischen eine sehr große Breitenwirkung erreicht und macht beispielhaft deutlich, wie Verantwortung für schulisches Lernen in unsere Gesellschaft hineingetragen werden kann. Noch deutlicher wünsche ich mir allerdings das klare Bekenntnis aller weiterführenden Schulen in allen Fächern und durch alle Lehrer, an der Sicherung und dem anforderungsbezogenen Ausbau der Lesekompetenz jedes einzelnen Schülers zu arbeiten. Die systematische Schulentwicklung stellt einen zweiten Aspekt dar, der vor allem durch die gemeinsam von den Ländern entwickelten nationalen Bildungsstandards einen neuen entscheidenden Impuls erhalten hat. Die im Jahr 2002 in Thüringen eingeführten Kompetenztests haben den Schulen gezeigt, wo sie in den entsprechenden Fächern stehen. Ist-Stand-Erhebung, Leitbild, Arbeitsvorhaben, Zielvereinbarungen und Selbstevaluation gehören in den Thüringer Schulen zum Alltagsgeschäft. Dabei werden den Schulen auch soziale Benachteiligungen, die offensichtlich ein ent

scheidendes Problem der deutschen Schule sind, immer stärker bewusst. Die Schulen werden in die Lage versetzt, geeignete Maßnahmen und Fördermöglichkeiten zu ergreifen.

Meine Damen und Herren, eine Bemerkung sei mir noch gestattet: PISA erfasst natürlich nur einen Ausschnitt eines umfassenden Bildungsauftrags, den auch die OECD immer wieder unterstreicht. Die Auswahl der untersuchten Kompetenzbereiche erfolgte unter der Prämisse, dass - ich zitiere aus der OECDStudie - "der Wohlstand von Ländern heute zu einem Großteil von seinem Humankapital herrührt." Dieser Ansatz blendet ganz bewusst wesentliche Teile aus, er setzt auf Nützlichkeit, auf Tauglichkeit für die Berufswelt. Der wichtige Bereich etwa der Werteerziehung bleibt unberücksichtigt. Mit Blick auf die Gewinnung objektiver Vergleichsgrößen ist das sicher eine richtige Entscheidung, sie schränkt allerdings die Interpretationsfähigkeit der gewonnenen Daten bezogen auf eine ganzheitliche Bildungslandschaft ein. Unsere Schulen in Thüringen vermitteln ganz bewusst Wissen und Werte. Unsere Bildung ist auch Menschenbildung, ausgehend von dem Menschenbild des Grundgesetzes und unserer Verfassung. Zu diesem Werteverständnis gehört auch der Vorrang des Elternrechts bei der Erziehung. Die Eltern müssen das faktische Recht haben, über den Bildungsweg ihrer Kinder zu entscheiden. Tatsächliche Mitwirkungsmöglichkeiten, echte Wahlfreiheit, lassen sich in einem differenzierten Schulwesen klarer gestalten als mit einer Einheitsschule. Das ist nicht zuletzt auch unserer Bildungstradition geschuldet, die wir nicht ohne weiteres über Bord werfen wollen und können.

Lassen Sie mich zusammenfassen: Insgesamt zeigen die Ergebnisse von PISA 2003, dass in Deutschland Veränderungen in Gang gekommen sind, die sich in leichten Kompetenzverbesserungen bei den Schülern widerspiegeln. Aufgrund der langen Zeit, die Veränderungen im Bildungsbereich brauchen, um wirklich deutliche Verbesserungen zu erzielen, geben die Ergebnisse von PISA 2003 Grund zu vorsichtigem Optimismus. Wir sind in Thüringen auf dem richtigen Weg, aber natürlich noch nicht am Ziel. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Ich danke dem Minister für seinen Sofortbericht. Mir liegen Wortmeldungen aus jeder Fraktion vor, so gehe ich davon aus, dass von allen drei Fraktionen die Aussprache gewünscht wird. Ich rufe auf Frau Reimann von der Fraktion der PDS.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, sehr geehrter Herr Emde, ich bin Ihnen ja so dankbar, dass Sie sich zu diesem Antrag durchgerungen haben.

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Es war mir ein Bedürfnis.)

Er hätte ja sonst von uns kommen müssen, aber dann hätte ich ja nicht als Erste reden dürfen, noch vor Ihnen. Außerdem hätte ich mir nach der vorigen Plenumsdebatte am 11.11. zu unserem KMK-Antrag ja niemals gewagt, die Landesregierung noch einmal um die Darstellung ihrer KMK-Position aufzufordern, wie es in Ihrem Antrag steht. So schnell lässt sich ja kein neuer Thüringer Standpunkt aus dem Internet ziehen, nicht wahr, Herr Goebel?

(Beifall bei der PDS)

Dass jedoch ein solch plötzlicher Sinneswandel bei der Fraktion der CDU stattfindet und derart schnell in Form eines Berichtsersuchens durch Ihre Fraktion bei dem Minister seinen Niederschlag findet, ist schon erstaunlich und lässt hoffen. Dass Sie PISA II in Verbindung mit der Reform der KMK bringen, auch das lässt hoffen. Nur ob Sie die gleichen Schlüsse daraus ziehen wie wir, lässt sich nach den Äußerungen des Ministers zu PISA II leider nicht mehr vermuten.

(Zwischenruf Abg. Dr. Klaubert, PDS: Die Hoffnung stirbt zuletzt.)

Aber zurück zur, wie es in der Begründung heißt, Diskussion auf sachlicher Ebene. Ich verzichte darauf, hier die Ergebnisse von PISA 2003 in ihrer Gesamtheit auszubreiten, auch wenn ich die erste Rednerin bin. Herr Minister hat es ja auch schon getan und jeder hatte, wenn er wollte, genügend Zeit zur Internet-Recherche. Eines dürfte weiterhin klar unumstritten sein: Deutschland als Land der Dichter und Denker ist auf der ganzen Linie Mittelmaß oder sollte sich lieber sagen endlich Mittelmaß?

(Zwischenruf Abg. Wehner, CDU: Bei solchen Lehrern kein Wunder! Irgendwo muss es ja herkommen!)

Natürlich sollte nicht der Eindruck entstehen, dass ich die leichten Verbesserungen, insbesondere im Bereich Mathematik, nicht zur Kenntnis genommen habe, scheint es doch diesmal zumindest gelungen zu sein, die ausgewählten Testschüler besser zu motivieren, den Test doch diesmal ernster zu nehmen und nicht etwa zu boykottieren wie es vor drei Jahren wohl passiert sein soll. Dank den Gymnasiasten, die