Protocol of the Session on June 6, 2008

Verehrte Abgeordnete, die Empfehlungen der Gutachter sind in Kurzfassung folgende: Es wird mit Nachdruck die Einrichtung von sechs übergreifenden Planungsraumregionen empfohlen. Zum Zweiten wird vorgeschlagen, Fachklassen auf der Stufe der beruflichen Grundbildung zusammenzulegen. Es sollen zum Dritten eine Reduktion und Schwerpunktbildung von Ausbildungsgängen ausgewogen erfolgen und grundlegende politische Entscheidungen - für die sicher nicht der Landtag zuständig ist - bis zum Jahr 2010 getroffen sein. Bisherige finanzielle Regelungen zur Finanzierung sollen neu gefasst werden, auch das hat das Ministerium bis jetzt abgelehnt. Gefordert wird eine Qualitätsoffensive für berufliche Bildung, die die Lehrer in die Lage versetzen, die pädagogische Leistungsfähigkeit der Einrichtung zu steigern. Wer sich erinnern kann, wir haben vor Kurzem ein Lehrerbildungsgesetz beschlossen, was dem nicht gerecht wird. Und mit Bildungsmarketing soll die künftige Nachfrage im Ausbildungsbereich beeinflusst werden, sprich, möglicherweise junge Menschen aus den alten Bundesländern nach Thüringen zu holen.

Insgesamt habe ich zumindest den Eindruck, dass die Landesregierung nicht ein besonders großes Interesse daran hat, das Parlament in diese Entscheidungsprozesse einzubinden. Gesetzesänderungen werden abgelehnt. In einem Fachgespräch der Fraktion DIE LINKE im Februar 2008 sagte der Leiter der Stabsstelle Dr. Grae noch, dass lediglich versucht wird, über die Klassenzahlen, sprich eine Begrenzung oder eine Mindestzahl von 15, und über Förderzuschüsse Einfluss auf die Berufsschulnetzplanung zu nehmen.

Der Bildungsausschuss wird nur dürftig bis falsch informiert, obwohl ich „falsch informiert“ da wirklich nicht so meine, wie ich sage, sondern wir bekommen einfach eine Auskunft: Der Staatssekretär sagt, am 31.12.2007 werden Schwerpunkte veröffentlicht und sie werden diskutiert und dann sagt Herr Dr. Grae fast wortwörtlich, man kann das eine sagen und das andere erreichen. Ich will damit nur sagen: Zusagen sind an der Stelle einfach nicht eingehalten worden, was mit Sicherheit mit der Schwierigkeit der Materie zusammenhängt.

Gleichzeitig laufen Abstimmungen in den vorgeschlagenen Bildungsregionen und Anhörungen des Kul

tusministeriums der Schulträger finden statt. Dazu muss man sagen, ich habe mich davon auch selbst überzeugt, einzelne Bildungsregionen sind auf einem guten Weg, aber eben nicht alle. Deswegen wird Sie sicherlich an dieser Stelle auch interessieren, wie DIE LINKE-Fraktion im Landtag überhaupt die Situation im berufsbildenden Bereich beurteilt. Die Entwicklung der berufsbildenden Schulen in Thüringen steht aus Sicht der Fraktion DIE LINKE vor einem Neustart und bedarf gerade aufgrund der bildungs- und gesellschaftspolitischen Bedeutung für Thüringen der Einbindung des Thüringer Landesparlaments.

Es handelt sich eben nicht nur um einen strukturellen, sondern auch um einen notwendigen inhaltlichen Neustart, obwohl es schade ist, das betone ich an dieser Stelle auch, dass der entscheidende Auslöser der notwendigen Umstrukturierung der berufsbildenden Schulen eher die demographische Entwicklung ist, weil es ansonsten bis jetzt keinen Anstoß gegeben hat.

Die Personalpolitik der Landesregierung hat mit dem beginnenden Floating in den berufsbildenden Schulen und gleichzeitig propagierten Überhang in anderen Schularten zur Folge, dass wichtige Fachleute aufgrund zu geringer Bezahlung die berufsbildenden Schulen möglicherweise verlassen und damit entscheidende Lücken im Ausbildungsangebot gerissen werden. Nur ein Beispiel dazu: Ich habe mich mit Fachpraxislehrern unterhalten, die etwa zu 80 bis 90 Prozent auch theoretischen Unterricht abhalten und mit Floating und 70 Prozent noch auf 1.100 € netto kommen. Sollte das nicht so sein, würde ich Sie an der Stelle einfach um Prüfung bitten.

Die Idee der Bildungsregion ist generell sinnvoll, muss aber perspektivisch meiner Meinung nach in einer Verwaltung mit Funktional- und Gebietsreform in Thüringen münden. Die Abstimmungen zur zukünftigen Schulnetzplanung in den einzelnen Schulregionen dürfen nicht weiter geprägt sein von wirtschaftlicher Stärke, politischen Gemengelagen und regionalen Entscheidungen, denn es besteht die Gefahr, dass übergreifende Kriterien, die bildungspolitisch wichtig sind, dabei unter die Räder kommen. Es bedarf deswegen einer landesweiten Moderation mit bundes- und europaweitem Blick unter Einbeziehung aller Beteiligten und die Chancen demographischer Entwicklung müssen genutzt werden. Um Qualität und Ausbildungsangebot weiterhin bieten zu können, muss die regionale Zuständigkeit übernommen werden. Dass wir an der Stelle nicht allein auf weiter Flur stehen, hat zuletzt Gerald Grusser von der IHK Erfurt eindrücklich gezeigt. Ich würde gern mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin, aus einer dpa-Meldung vom 04.06. zitieren, da heißt es: „Nur wenn dies bei den erreichbaren Klassenstärken nicht möglich sei, sollten Standorte zusammengelegt wer

den.“ Und jetzt der Satz, auf den ich abziele: „Die Planung für ein künftiges Berufsschulnetz angesichts drastisch sinkender Schülerzahlen sollte vom Land moderiert werden, da eine Planung nur in den einzelnen Kreisen zu Kleinstaaterei führen werde.“ Jetzt kann ich mir nun etwa schon vorstellen, was der Kultusminister zu „Kleinstaaterei“ sagt, aber es ist nicht mein Zitat.

(Zwischenruf Müller, Kultusminister: Ein- mal gesagt reicht.)

Einmal gesagt reicht, das stimmt an der Stelle.

Zum neuen Lehrerbildungsgesetz habe ich mich schon geäußert und ich glaube, dass es tatsächlich Handlungsbedarf auch vonseiten des Kultusministeriums gibt, was die unterschiedlichen Arbeitsverträge in den Lehrerzimmern angeht. Was eine zweite wichtige Komponente ist, glaube ich, die bis jetzt völlig außer Acht gelassen wurde, dass längere Fahrtwege und Internatsunterbringungen für Auszubildende einer völlig neuen gesetzlichen Grundlage bedürfen, weil es jedem Schüler, egal wie groß sein Geldbeutel ist, möglich sein muss, die Ausbildung machen zu können, die er oder sie machen wollen. Selbstverständlich gehört Schulsozialarbeit an jede berufsbildende Schule, was auch bedeutet, dass ein Landesprogramm „Schulsozialarbeit“ wieder aufgelegt wird.

(Beifall DIE LINKE)

Es muss unbedingt vermieden werden, Regionen auszudünnen und Fachklassen nur an der Linie der A 4 anzusiedeln. Die letzten Beispiele haben wir in Richtung Hildburghausen, der Abzug der Landesfachklassen an die A 4, sprich Erfurt. Der Schaden für die einzelnen Regionen dürfte erheblich sein, wenn wir so vorgehen. Gleichzeitig muss die Entwicklung berufsbildender Schulen zu regionalen Bildungszentren vorangetrieben werden, um die Einrichtungen zu füllen und ihr Potenzial zu nutzen.

Angebote im ländlichen Raum, da haben wir schon an verschiedenen Tagesordnungspunkten heute diskutiert, und in strukturschwachen Regionen müssen unbedingt erhalten bleiben. Dazu hat es auf der Tagung der Fraktion DIE LINKE am 22. Mai zum Thema „Berufsschule vor dem Neustart“ einen sehr beeindruckenden Beitrag von einer Professorin aus Kassel gegeben zum Thema „Selbstgesteuertes Lernen“ und damit der Erhalt von kleinen berufsbildenden Schulen. Ich kann Ihnen den sehr empfehlen, würde Ihnen auch den Reader der Fraktion zu der Veranstaltung zur Verfügung stellen, damit wir an der Stelle auch auf gleicher Augenhöhe diskutieren können.

Die Diskussion zur Entwicklung berufsbildender Schulen muss unbedingt in einen Zusammenhang mit der Situation auf dem Ausbildungsmarkt, dem schon lange diskutierten regionalen Fachkräftebedarf und der Arbeitsmarktsituation gerade für junge Menschen in Thüringen gestellt werden. Deswegen heute unser Antrag und damit die Frage: Was wollen wir eigentlich mit unserem Antrag? Wir wollen erste Schritte zu einer kreisübergreifenden Berufsschulnetzplanung in Thüringen gehen. Das sogenannte Zedler-Gutachten, ich habe das schon oft genug zitiert oder auch genannt, weist seit Langem auf die Dringlichkeit einer umfangreichen, die Kreisgrenze überschreitenden abgestimmten Planung hin, die nicht den einzelnen Schulträgern allein überlassen werden kann. Es geht eben um die Erarbeitung von Lösungen, die sich nicht nach regionaler politischer Opportunität richten, sondern inhaltlichen Kriterien folgen, wie etwa die Nähe zur regionalen Wirtschaftsstruktur, baulicher Zustand der Schulen, Wirtschaftlichkeit des Betriebes, Attraktivität für die Auszubildenden, Verkehrswege etc. Daher soll nach Meinung der LINKEN die Landesregierung auf vertraglicher Basis eine geeignete universitäre Einrichtung in die vorhandene Stabsstelle im Kultusministerium einbinden und dieser die notwendigen Kompetenzen übertragen, um mit den Akteuren der Berufsausbildung auf regionaler Ebene und zunächst bilateral das Standortproblem zu erörtern und alle planungsrelevanten Informationen zu sammeln. Neben den Vertretern des Ministeriums und der Universität sollen auch Vertreter der Kammern und der Gewerkschaft in der erweiterten Stabsstelle mitarbeiten. Die erweiterte Stabsstelle muss durch die zügige Ergänzung personeller Ressourcen schnell arbeitsfähig gemacht werden, deswegen auch der Antrag, dass Sie, Herr Kultusminister, uns im Oktober 2008 dazu berichten. Denn die Landesregierung soll die neue Stabsstelle beauftragen, bis zum 28.02.2009 den Entwurf einer inhaltlich begründeten Schulnetzplanung für die Thüringer Berufsschulen vorzunehmen. Wir haben das Datum so eng gefasst, weil wir glauben, dass wir weiß Gott keine Zeit mehr haben, um das länger einfach so in den Sand laufen zu lassen. Sicherlich, wenn Sie der Ausschussüberweisung nachher zustimmen, können wir über das Datum noch mal verhandeln. Aber ich glaube, wir haben das gleiche Problembewusstsein.

Die inhaltlichen Stellungnahmen der Landkreise und kreisfreien Städte, die ja schon existieren, müssen berücksichtigt werden, ebenso wie die freien Träger im Bereich der Berufsausbildung im Planungsprozess stärker als bisher zu berücksichtigen sind. Auf Vorschlag der Stabsstelle soll die Landesregierung zeitnah eine Richtlinie zur Planung und künftigen Gestaltung berufsbildender Schulen erlassen, die für alle Schulträger bindend ist und die freien Träger der Berufsbildung stärker als bisher einschließen soll.

Ich hatte das gerade schon einmal erwähnt. Sie haben ja ähnlich, wie ich mir das vorstelle für die berufsbildenden Schulen, auch mit den kommunalen Spitzenverbänden eine Empfehlung abgeschlossen, wie allgemeinbildende Schulen auszusehen haben, wo Ziele, Größe, Verkehrswege bzw. die Entfernung zur Schule festgeschrieben sind. Vielleicht kann man so etwas Ähnliches auch mit allen Beteiligten an der Berufsausbildung aushandeln.

An dieser Stelle sage ich auch ganz klar, sollte es für die Berufsschulnetzplanung notwendig sein, kreisübergreifend, muss das Schulgesetz einfach geändert werden. Die Stabsstelle ist gehalten, im Planungsprozess die Einführung pädagogischer Konzepte anzuregen, die sich positiv auf den Erhalt auch kleinerer berufsbildender Schulen und die Qualität der Berufsausbildung auswirken können, wie z.B. - ich habe es schon erwähnt - das Konzept des selbstgesteuerten Lernens in berufsfeld- und fächerübergreifenden Klassen oder aber auch Produktionsschulen.

In Konsequenz aus der unsicheren Situation für die Schulträger zeigt die Fraktion DIE LINKE Forderungen nach mehr Verantwortungsübernahme durch das Land. Das sollte hier besonders deutlich geworden sein. Die Beteiligung aller Betroffenen an einer landesweiten Planung ist in diesem Prozess zu sichern. Pädagogische Konzepte zum Erhalt auch kleiner Berufsschulstandorte werden z.B. in Hessen bereits erfolgreich angewandt. Produktionsschulen sind insbesondere für benachteiligte Jugendliche in strukturschwachen Regionen eine perspektivische Angebotsform, wie z.B. die Erfahrungen in Mecklenburg-Vorpommern zeigen.

Werte Kolleginnen und Kollegen, wir haben tatsächlich die Chance, die demographische Entwicklung positiv für die berufsbildenden Schulen zu nutzen. Ergreifen Sie sie zusammen mit der Fraktion DIE LINKE, überweisen Sie unseren Antrag an den Innen- und Bildungsausschuss und stimmen Sie unserem Antrag zu. Danke.

(Beifall DIE LINKE)

Das Wort hat Abgeordneter Pilger, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich meine Ausführungen mit einem aufschlussreichen Zitat beginnen:

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Oh, Zitat von Herrn Döring?)

„Die aus dem künftigen Schüleraufkommen zu bedenkenden Konsequenzen für das bisherige Standortnetz der Schulen aller Schularten, das bisherige Unterrichtsangebot und den Personalbestand der Schularten sind gravierend. Reduzierungen in einem nicht unerheblichen Maße im regionalen Netz der Schulangebote dürften bei zurückgehenden Schülerzahlen unvermeidbar sein. Eigenständige Hauptschulklassen in der Regelschule dürften ebenso selten werden wie ein regional und sektoral differenziertes Angebot weiterführender beruflicher Schulformen. Das Fachklassenprinzip der Teilzeitberufsschule dürfte in weiten Teilen des Landes nicht mehr umsetzbar sein.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Einschätzung ist nicht etwa jüngeren Datums. Sie stammt aus dem vom Kultusministerium in Auftrag gegebenen und von Prof. Dr. Zedler erarbeiteten Grundschulgutachten, das im September 1995 veröffentlicht wurde. Die Tatsache, dass die Schülerzahlen an den berufsbildenden Schulen in Thüringen mit dem Beginn des 21. Jahrhunderts drastisch zurückgehen werden und dass dieser Prozess auf absehbare Zeit irreversibel sein dürfte, ist also der Landesregierung seit mehr als 12 Jahren bekannt - aber nicht nur das. Kultusminister war 1995 bekanntlich Dieter Althaus und der hat auf die Zedler-Prognose seinerzeit in keiner Weise reagiert. Zwar ist unter dieser Althaus’schen Riege noch ein weiteres Gutachten zur Entwicklung der Thüringer Regelschulen und Gymnasien - erschienen im März 1999 - in Auftrag gegeben worden,

(Heiterkeit CDU)

zu einer Studie über die Perspektiven für die berufsbildenden Schulen kam es jedoch nicht. So hat die Landesregierung in den nachfolgenden Jahren keiner einzigen Neugründung berufsbildender Schulen durch kommunale Schulträger widersprochen und sie hat Millionen Landes-, Bundes- und EU-Fördergelder in den Neubau bzw. die Renovierung und Erweiterung von Berufsschulstandorten gelenkt.

(Heiterkeit CDU)

Noch der auf einen Geltungszeitraum von 10 Jahren angelegte Landesentwicklungsplan von 2004 benennt auf Seite 57 als verbindliche Zielsetzung der Landesplanung: „Berufsbildende Schulen sind in Oberzentren und Mittelzentren mit Teilfunktion eines Oberzentrums zur Verfügung zu stellen. Bei einem tragfähigen Einzugsbereich und einer guten Erreichbarkeit mit dem öffentlichen Personennahverkehr sind berufsbildende Schulen in den Mittelzentren fortzuführen.“ So weit die Landesplanung. Wenn das die zukunftsweisende Landesplanung sein soll, wird es höchste Zeit, dass diese Regierung von den Wählerinnen und Wählern endlich in die Wüste ge

schickt wird.

(Beifall SPD)

Sie, meine Damen und Herren von der CDU, haben wider besseres Wissen die Entwicklung bei den berufsbildenden Schulen bis vor Kurzem einfach treiben lassen. Ich erinnere mich noch sehr gut an einen Auftritt des damaligen Kultusministers Prof. Dr. Goebel hier im Plenum im Dezember 2004. Seinerzeit ging es um einen Antrag der PDS - ich glaube, damals hieß es auch noch PDS -, bei den Berufsschulstandorten endlich eine Bedarfserhebung für die kommenden kritischen Jahre vorzunehmen. Herr Prof. Goebel hat das damals rundheraus und mit großen Worten abgelehnt, weil in die Entscheidungshoheit der kommunalen Schulträger auf keinen Fall eingegriffen werden dürfe. Wohin eine derart passive Haltung des Landes führt, haben wir bei einem massiven Abbau der Grund- und Regelschulstandorte in den vergangenen Jahren leider nur allzu oft erlebt. Ein ähnliches, wenn nicht schlimmeres Szenario droht nun in naher Zukunft bei der Ausgestaltung des Berufsschulnetzes.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Befürchtungen kommen nicht von ungefähr. Seit April 2007 liegt der Landesregierung ein weiteres Gutachten von Prof. Dr. Zedler vor. Es befasst sich dezidiert mit der Entwicklung der berufsbildenden Schulen in Thüringen. Ähnlich wie schon 1995 geht er darin von einer Halbierung der Berufsschülerzahlen bis 2012 aus. Nach Ansicht von Prof. Zedler hat diese demographische Entwicklung dramatische Konsequenzen für die weitere Existenz der derzeit 55 staatlichen berufsbildenden Schulen. Ihm scheint eine Reduzierung der Zahl staatlicher Berufsschulstandorte um etwa ein Drittel unumgänglich. Um einen solchen Konzentrationsprozess nicht ungesteuert verlaufen zu lassen, schlägt der Gutachter zum einen konsensorientierte Entscheidungsfindungen in den betroffenen Regionen vor. Von den jeweiligen Schulträgern nicht einvernehmlich zu lösende Konfliktfälle sollen zum anderen einem schulrechtlich abgesicherten Entscheidungsgremium übertragen werden. So weit die wissenschaftlich verbriefte Faktenlage.

Wie aber reagiert darauf die Landesregierung? Ich bin fast geneigt zu sagen: Wie immer! So erklärt uns das Kultusministerium im Bildungsausschuss vollmundig, Gutachten seien keineswegs dazu da, von ihren Auftraggebern auch umgesetzt zu werden. Daher sehe man wieder einmal keinerlei Handlungsbedarf des Landes und schon gar nicht wolle man die im Gutachten als „schulrechtlich abgesichertes Entscheidungsgremium“ umschriebene Moderatorenrolle einnehmen. Da frage ich mich doch, warum die Landesregierung überhaupt Geld für Gutachten ausgibt, wenn sie offenbar gar nicht an deren spätere

Realisierung denkt.

(Beifall SPD)

Schon jetzt zeichnet sich ab, wohin die Inaktivität des Landes führt. Im Februar musste das Kultusministerium im Bildungsausschuss eingestehen, dass man derzeit lediglich in den Regionen Nord- und Südthüringen von einer Kooperation der Schulträger bei der künftigen Ausgestaltung des regionalen Berufsschulnetzes sprechen kann. In der Region Mittelthüringen verweigern sich die kreisfreien Städte jeglichem abgestimmten Vorgehen. In der Region Ostthüringen ist Gera nicht zu Gesprächen bereit. Die Kannibalisierung der kleinen durch die großen Schulträger wird also nicht mehr lange auf sich warten lassen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in einer solchen Situation, in der von flächendeckenden kooperativen Lösungen der Betroffenen keine Rede mehr sein kann, muss das Land endlich handeln.

(Beifall SPD)

Die weitere Entwicklung darf nicht dem Selbstlauf und einer bloßen Aushandlung zwischen den betroffenen Schulträgern überlassen bleiben. Der Freistaat muss eine aktive Moderatorenrolle bei der künftigen Ausgestaltung des Berufsschulnetzes einnehmen, anders wird es nicht gehen. Die Landesregierung als überregionale Instanz ist in der Pflicht, die unterschiedlichen Positionen aufzunehmen und zu einem größeren Ganzen zusammenzubringen. Nur so wird es möglich sein, auch künftig ein regional ausgewogenes und fachlich differenziertes Berufsschulangebot in Thüringen vorzuhalten. Nur so bleiben letztlich auch die Interessen der Berufsschüler und der Ausbildungsbetriebe an wohnort- und ausbildungsortnahen Berufsschulstandorten gewahrt. Und diese Position teilen nicht allein die drei Thüringer Handwerkskammern, auch die IHK Erfurt sieht eine klare Verantwortung des Landes. Erst gestern fand sich ein Artikel über die Haltung der Wirtschaftsverbände in der TLZ. Handeln Sie also endlich entsprechend, meine Damen und Herren von der Unionsfraktion. Für einen neuen Kultusminister ist das doch eine wunderbare Aufgabe. Da kann er gleich zeigen, dass er seiner Verantwortung für das gesamte Thüringer Bildungswesen gerecht wird.

(Beifall SPD)

Ich will Ihnen, Herr Minister, auch gleich noch einen Hinweis geben, wie das gehen kann. Das Kultusministerium hatte selbst am 27.06.2007 im Bildungsausschuss die Einrichtung eines Schiedsverfahrens zur Lösung strittiger Fälle in Aussicht gestellt. Dieses Vorhaben ist jedoch wenig später wieder stillschwei

gend beerdigt worden. Warum? Eine Antwort darauf ist uns die Landesregierung bis heute schuldig geblieben. Ich kann Sie daher nur auffordern, den einmal, wenn auch nur zögerlich eingeschlagenen Weg wieder aufzunehmen und das angekündigte Schiedsverfahren endlich zu installieren. Der Entschließungsantrag der LINKEN weist hier in die richtige Richtung. Wir haben uns eigentlich gewünscht, dass wir ohne Änderungen in den Gesetzen auskommen und das Land mit einer frühzeitigen Moderatorenrolle diesen Prozess so begleiten kann. Die Zeit haben Sie verschlafen und deswegen wird meine Fraktion auch dem Antrag der Linksfraktion zustimmen. Mit Ihrem bisherigen Nichtstun, werte Kolleginnen und Kollegen von der CDU, kommen wir hingegen nicht weiter, dadurch haben wir bereits 12 Jahre, 12 wichtige Jahre verloren und Millionen an Fördergeldern versenkt. In diesem landespolitisch unverantwortlichen Stil darf es bei den Berufsschulen auf keinen Fall weitergehen. Vielen Dank.

(Beifall SPD)

Das Wort hat der Abgeordnete Emde, CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, das war nun wirklich wieder ein Trauerspiel, denn auf der einen Seite stellen Sie sich hier hin und spannen die Muskeln an und drohen mit den Pfoten, die Landesregierung soll sich bewegen, aber auf der anderen Seite sind Sie nicht in der Lage, Herr Pilger, auch nur einen wirklich konkreten Vorschlag dazu zu machen. Ich weiß nicht, was dieser Antrag der SPD eigentlich sein soll, denn er sagt ja nur, die Landesregierung möge einmal berichten und was sie in ihrem Bericht alles beachten möge, ansonsten gibt es keinen tatsächlich konkreten Vorschlag. DIE LINKE versucht wenigstens, einen Vorschlag zu machen, bloß, wenn ich mir diesen Vorschlag anschaue, dann will man den Kommunen nicht sagen, dass man sie ihrer kommunalen Selbstverwaltung berauben will. Das traut man sich da nicht, aber man will natürlich auf Landesebene eine neue Stabsstelle installieren, die zwar auf Harmonie machen soll, dann aber mittels einer Richtlinie durchzusetzen hat, was diese Stelle beschließt. Es ist im Übrigen für mich auch ein bisschen widersprüchlich, was dann dargestellt wird, denn wenn man auf der einen Seite betont, dass in einigen Regionen die Planungen vernünftig und gut vorangekommen sind, dann weiß ich nicht, warum man mit den Richtlinien einer sogenannten Stabsstelle dann über alle noch einmal den Stab brechen möchte und allen Vorschriften machen möchte. Insofern ist es für mich und für uns überhaupt nicht klar...

(Unruhe SPD)

Herr Döring, habe ich Sie jetzt an einem wunden Punkt erwischt? Aber der Antrag ist doch nicht Fisch und nicht Fleisch und ist ein reines Schattenboxen.

Das kann man doch ganz klar sagen. Die Union hat ganz klar gesagt, es bleibt bei der gesetzlichen Lage, die Schulnetzplanung ist kommunale Selbstverwaltung und, Herr Pilger, jetzt will ich Ihnen nur einmal ein Beispiel sagen, worüber Sie mit Ihren eigenen Leuten einmal reden können,