Protocol of the Session on June 6, 2008

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Es ist keine Ausschussüberweisung beantragt. Wird Ausschussüberweisung beantragt?

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Das habe ich doch eben gesagt.)

An den Justizausschuss. Es ist die Überweisung an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europangelegenheiten beantragt. Wir stimmen ab über diesen Antrag. Wer für die Überweisung dieses Gesetzentwurfs an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europangelegenheiten ist, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Wer gegen die Überweisung an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten ist, den bitte ich um das Handzeichen. Danke.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Nur verweigern, das nehmen wir nicht an.)

Wer enthält sich der Stimme? Keine Stimmenthaltung. Damit ist mit großer Mehrheit die Überweisung an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europangelegenheiten abgelehnt.

Es war ebenfalls die Überweisung an den Innenausschuss beantragt. Wer für die Überweisung an den Innenausschuss ist, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Wer ist gegen die Überweisung an den Innenausschuss, den bitte ich ebenfalls um das Handzeichen. Wer enthält sich der Stimme? Es ist keine Stimmenthaltung. Damit ist mit großer Mehrheit die Überweisung an den Innenausschuss abge

lehnt.

Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt. Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 5

Thüringer Gesetz zur Verbesse- rung des Schutzes von Kindern (Thüringer Kinderschutzgesetz - ThürKinderSchG -) Gesetzentwurf der Fraktion der SPD - Drucksache 4/4121 - ERSTE BERATUNG

Die Fraktion der SPD wünscht das Wort zur Begründung. Ich erteile der Abgeordneten Taubert das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, der Ihnen vorliegende Gesetzentwurf hat eine Geschichte. Ich will darauf nicht im Detail eingehen, aber Sie können sich vielleicht entsinnen, dass wir bereits im November 2006 - da ging es noch um die Kinderschutzdienste - uns das erste Mal im Plenum intensiver mit der Thematik beschäftigt haben. Er ist die konsequente Folge mehrerer Anträge, die die SPD-Fraktion hier zum Thema Kinderschutz eingebracht hat. Wir mussten etwas länger warten, bis auch die Mehrheitsfraktion das Thema aufgegriffen hat, aber wir sind ja durchaus bereit, auch andere anzuschieben. Ich hätte mir deshalb gewünscht, dass wir aufgrund der im vergangenen Jahr stattgefundenen Anhörung, die sehr umfangreich und auch gut war, schneller zu einer gemeinsamen Gesetzesinitiative im Parlament gekommen wären. Leider ist das im Sozialausschuss abgelehnt worden. Wir kommen nachher auch noch einmal darauf, wo unser grundsätzlicher Dissens liegt. Deswegen ist der Referentenentwurf, der von der Landesregierung vor einigen Wochen vorgelegt worden ist, auch für uns als relativ schmalspurig zu bezeichnen und er trifft nicht das, was der Kinderschutz im Lande braucht. Wir erkennen durchaus, dass die Landesregierung auf der Arbeitsebene auch Verbesserungen eingearbeitet und gerade die Frage der Früherkennungsuntersuchung ganz ordentlich behandelt hat. Leider ist es auf halber Strecke stehen geblieben. Deswegen finden Sie im SPD-Antrag auch die Einbeziehung der Gesundheitsämter in die Früherkennung. Wir sagen, Familienhebammen sind der Jugendhilfeteil, und Früherkennungsuntersuchungen sind der Teil Gesundheit. Deswegen müssen wir auch vor Ort genau diese beiden Ämter an dieser Stelle mit einbinden.

Ein wichtiger weiterer Punkt, den wir aufgegriffen haben, ist die Frage verlässlicher Netzwerke. So etwas bekommen Sie nicht zum Nulltarif. Wir wissen,

dass viele schon gut zusammenarbeiten. Trotz alledem müssen wir es verbindlich vorschreiben, damit es am Ende auch dauerhaft funktioniert. Wir müssen natürlich auch Geld in die Hand nehmen, denn die Kommunen sind nach der letzten Änderung des FAG darauf angewiesen, für jede neue Aufgabe, die sie bekommen, auch finanzielle Mittel zu erhalten. Wir halten es für unredlich, dass man einfach sagt, die Jugendhilfe liegt auf der Ebene der Landkreise und kreisfreien Städte und deswegen müssen sie das ohne finanzielle Mehrmittel einfach ausführen. Danke.

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Abgeordneten Bärwolff, Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wir, die Fraktion DIE LINKE, begrüßen den Gesetzentwurf von der SPD durchaus, der unseres Erachtens eine bessere Grundlage für die Diskussion um den Kinderschutz darstellt als die Vorlage der Landesregierung. Dass Verbesserungen im Kinderschutz dringend geboten sind, darüber sind wir uns alle einig. Die Anhörung im Sozialausschuss hat dies durchaus auch gezeigt und im Gesetzentwurf ist es ja auch dargelegt. Sie, werte Kolleginnen und Kollegen von der SPD, werden es mir aber nicht verdenken können, wenn ich auf ein Dilemma hinweise, das Sie als Oppositionsfraktion im Landtag mit der Regierungspolitik Ihrer Partei im Bund haben. Wenn wir über den Kinderschutz reden, müssen wir auch immer über gesellschaftliche Rahmenbedingungen sprechen und die haben sich dank Hartz IV nun einmal eindeutig verschlechtert - nicht nur für Kinder, aber besonders für Kinder. 2,4 Mio. Kinder sind von Armut betroffen, 4,6 Prozent mehr als ein Jahrzehnt davor, als es noch kein Hartz IV gab. In der Begründung Ihres Gesetzes steht der schöne Satz - und jetzt zitiere ich mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin -: „Offenbar gibt es... Umstände, die es insbesondere jungen Eltern mit kleinen Kindern erschweren, die an sie gestellten Anforderungen im Erziehungs- und Familienalltag zu erfüllen.“ Das ist offenbar richtig. Ich kann Ihnen solche Umstände auch nennen: die Zunahme von Armut durch den Hartz-IV-Bezug, die Absenkung finanzieller Unterstützung für Kinder durch die Bedarfsorientierung im Regelsatz an einen alleinstehenden Erwachsenen und die Streichung der einmaligen Bedarfe, bspw. für Schulmaterial. Hinzu kommen auch solche Regelungen wie der Umzug in eine kleinere Wohnung - wie gesagt dank Hartz IV - und damit psychische Belastungen in beengten Wohnverhältnissen. Hinzu kommen aber auch die Zunahme prekärer Arbeitsverhältnisse, hohe Arbeitslosenzahlen und fehlende Perspektiven für Alleinerziehende usw. Ich kann Ihnen nun meinerseits nicht verdenken,

dass Sie genau diese Umstände in Ihrem Gesetzentwurf nicht ausgeführt haben. Es sind, wie gesagt, Umstände, für die auch Sie als SPD Verantwortung tragen, und es sind Umstände, die das Leben vieler Kinder nachhaltig beeinträchtigen, nicht nur durch fehlende Perspektiven, wie wir sie im Rahmen der Bildungsdiskussion immer wieder anführen, sondern ganz konkret auch zunehmend durch die Überforderung ihrer Eltern, den ganz normalen Alltag zu bewältigen. Die Deutsche Liga für das Kind, deren Mitglieder u.a. der Kinderschutzbund, der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte, der Bund Deutscher Hebammen sowie viele Kita- und Elternvertreter sind, sagt: Misshandlung und Vernachlässigung geschehen zumeist in Überforderungssituationen. Diese gilt es rechtzeitig zu erkennen und zu verhindern. Das sehen auch wir so und es gibt zunehmend mehr Menschen, die mit ihrer Lebenssituation und der realen oder auch befürchteten Perspektivlosigkeit nicht mehr klarkommen. Dieser Umstand darf in der ganzen Diskussion um den Schutz der Kinder nicht untergehen. Den Eltern zu helfen, denen geholfen werden kann, ist die beste Prävention gegen Vernachlässigung und Misshandlung.

Meine Damen und Herren, deswegen möchte ich auch gleich zu Beginn auf den SPD-Vorschlag eingehen, mehr Familienhebammen zu beschäftigen und für die Finanzierung zu sorgen. Dies ist ein wichtiger Ansatzpunkt, Müttern und Vätern schon sehr frühzeitig Hilfe zukommen zu lassen und in kritischen Fällen auch institutionelle Hilfen einzubeziehen. Hier hat die SPD unsere volle Zustimmung. Auch wir haben eine Verstetigung der Familienhebammen stets gefordert und halten dies für ein wichtiges Instrument, mehr Menschen in Krisensituationen zu erreichen. Wir finden uns hierbei in guter Gesellschaft. Erst vor drei Tagen - also am 3. Juni - haben Experten die flächendeckende Einführung von Familienhebammen gefordert. Adolf Windorfer, Präsident der Stiftung „Eine Chance für Kinder“, sagte dazu auf dem Deutschen Präventionstag in Leipzig: „Wir brauchen kein Frühwarnsystem, um mit den Fingern auf die Bösen zu zeigen, sondern wir brauchen früh Hilfen.“ Ein Pilotprojekt in Niedersachsen habe gezeigt, dass Familienhebammen die Überforderung und Unsicherheit jeder zweiten Mutter lösen und jeder dritten Mutter verbessern könnte. Aus diesem Grund ist aus unserer Sicht der Ausbau der Netzwerke ganz essenziell. Ärzte, Hebammen, Sozialarbeiter, Erzieherinnen und all die anderen Beteiligten müssen aber immer mehr leisten. Diese Anforderungen müssen aber auch personell und finanziell untersetzt werden, so wie es der SPD-Entwurf macht. Der Entwurf der Landesregierung sagt dazu gar nichts. Überlastung der entsprechenden Personen allerdings, mehr Arbeit und höhere Anforderungen sind der Qualität des Kinderschutzes abträglich, deshalb braucht man hier konkrete personelle Untersetzung.

Jetzt möchte ich mir erlauben, den Gesetzentwurf an den Vorschlägen der Deutschen Liga für das Kind zu messen. Das macht vor allem dann Sinn, wenn man Kinderschutz nicht nur als Aufgabe für die ersten sechs Lebensjahre begreift, sondern alle Kinder damit erreichen will. Die Deutsche Liga schlägt Hausbesuche für alle Eltern nach der Geburt ihres Kindes vor. Hinzu kommen Trainingsangebote für Ersteltern bereitzustellen, Initiativen der Selbsthilfe und Hilfe zu fördern, auch die Teilnahmequoten an den Früherkennungsuntersuchungen zu steigern, das letzte Kita-Jahr gebührenfrei zu stellen, die Stärkung sozialer und emotionaler Kompetenzen der Kinder in den Kitas, die Konzepte des Kinderschutzes konsequent an den UN-Kinderrechten auszurichten, Bildungsprogramme in den Schulen zur Vorbereitung auf die Elternschaft mit aufzunehmen, Fachkräfte zu qualifizieren, einen Kriterienkatalog zur Risikoeinschätzung zu entwickeln und die Zuständigkeiten ganz konkret zu regeln und zu überprüfen. Ich habe diesen Maßnahmenkatalog zum Vergleich genommen, um deutlich zu machen, dass der vorgelegte Gesetzentwurf der SPD durchaus einen Teil dieses Weges zurücklegt, aber es weitere Schritte zu gehen gilt.

Eine gezielte Vorbereitung beispielsweise junger Menschen auf die Elternschaft sowie Trainingsangebote für Ersteltern sind sicherlich auch eine wichtige Maßnahme, junge Menschen nicht mit allzu großer Unbedachtheit in eine durchaus schwierige Familiensituation hineinstolpern zu lassen, der sie möglicherweise nicht gewachsen sind. Inititiativen vor Ort zu stärken, ermöglicht z.B. auch konkrete Nachbarschaftshilfe einzubinden und die Aufmerksamkeit auf das eigene Umfeld zu erhöhen. Es erhöht auch die Akzeptanz der Menschen, Beratungsangebote anzunehmen und dass sie sich rechtzeitig Hilfe suchen, nämlich dann, wenn sie gebraucht wird. Die Kinder in den Kitas zu stärken, Konzepte wie Maßnahmen an ihren Rechten auszurichten, nimmt sie auch als eigenständige Rechtspersönlichkeiten ernst und hilft ihnen, sich in Krisensituationen auch an Menschen außerhalb ihrer Familie zu wenden, die ihnen helfen können.

Gefordert wird von der „Deutschen Liga des Kindes“ aber auch die Entwicklung eines Kriterienkatalogs zu Risikoeinschätzungen, der in dem Gesetzentwurf fehlt. Es ist sicher nicht einfach, einen solchen Kriterienkatalog zu formulieren und damit auch noch sozial verantwortlich umzugehen. Sinn eines solchen Katalogs kann auch nicht sein, diejenigen zu stigmatisieren, auf die das eine oder andere Kriterium zutrifft. Alleinerziehend zu sein führt ja ebenso wenig zur direkten Vernachlässigung des Kindes, wie eine schwierige finanzielle Situation zu Gewaltausbrüchen führt. Dennoch ist aber unbestritten, dass diese Risikofaktoren wie Sucht, wie Drogen, wie psychische

Erkrankungen die Gefahr einer Überforderung der Eltern erhöhen. Ziel eines solchen Kriterienkatalogs muss es also sein, Schwangere, Mütter, Väter möglichst früh mit Hilfsangeboten zu erreichen und dadurch mögliche Überforderungssituationen rechtzeitig abzuwenden.

Wir sollten uns im Ausschuss genau darüber unterhalten, ob wir für Thüringen auch einen solchen Kriterienkatalog wollen und ob wir z.B. das Düsseldorfer Modell dafür als Vorbild nehmen könnten.

Nun möchte ich aber auch auf einen zentralen Punkt des Gesetzentwurfs eingehen, nämlich den der größeren Teilnahmequote an den Früherkennungsuntersuchungen: Es ist unbestritten, dass solche Untersuchungen ein Indikator für Vernachlässigung und Misshandlung sein können. Insofern ist es durchaus unterstützenswert, wenn möglichst viele Kinder daran teilnehmen.

Gleichzeitig haben wir in der Anhörung des Sozialausschusses aber auch erfahren, dass viele Ärztinnen und Ärzte gar nicht darin geschult sind, Misshandlungen als solche zu erkennen. Einige von den in Jena in einer Kinderambulanz untersuchten Kindern, die unter Misshandlungen ihrer Eltern gelitten hatten, hatten durchaus an den Früherkennungsuntersuchungen teilgenommen, ohne dass den untersuchenden Ärzten irgendetwas aufgefallen war. Wir wurden außerdem darauf hingewiesen, dass die Zeiten zwischen den Untersuchungen zum Teil zu lang sind. Wenn wir die Früherkennungsuntersuchungen verbessern wollen, sollten wir uns also auch darüber verständigen, ob diejenigen, die die Untersuchungen durchführen dürfen, dafür eine besondere Qualifikation brauchen. Und wir müssen darüber reden, wie wir die Intervalle zwischen den Vorsorgeuntersuchungen wählen. Es kann nicht sein, dass zwischen der U 6 und der U 7 - also zwischen dem 1. und dem 2. Lebensjahr - ein komplettes Jahr liegt und zwischen U 7 und U 8 ganze zwei Jahre.

Ebenfalls müssen wir uns über den Vorschlag unterhalten, wo Sie das Vorsorgezentrum angesiedelt haben möchten. Die SPD und die Landesregierung gehen davon aus, dass eine beim Ministerium eingerichtete Stelle dies übernehmen wird. Zu überlegen wäre aber auch, ob nicht, wie etwa im Saarland, diese Aufgabe an einer Universität anzusiedeln wäre, wo die Arbeit nicht durch politische Veränderungen in den Ministerien beeinträchtigt werden könnte. Wir sind auch noch nicht davon überzeugt, dass bei Nichtteilnahme an einer Früherkennungsuntersuchung das Gesundheitsamt oder das Jugendamt zu informieren ist. Hier wäre zur Vermeidung von Unklarheiten eine Regelung, eine klare rechtliche Einordnung sehr hilfreich. Zudem denken wir, dass wir eine stärkere Einbindung des Gesund

heitsdienstes und der Gesundheitsämter im Bereich des Kinderschutzes brauchen, denn wo, wenn nicht hier, liegt die fachliche Kompetenz.

Sie sehen also, in den Einzelheiten gibt es durchaus noch Beratungsbedarf. Dennoch begrüßen wir den Gesetzentwurf der SPD ausdrücklich, denn er ist um Längen fortschrittlicher, konkreter und besser als der der Landesregierung. Wir werden uns aber konstruktiv und kritisch an der Beratung beteiligen. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE)

Das Wort hat Abgeordnete Taubert, SPD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, in allen Kulturen werden Kinder als besonderer Reichtum der Gesellschaft bezeichnet. Nicht alle behandeln ihre Kinder aber wie einen Schatz. Deutschland, das soll man an dieser Stelle auch sagen, tut viel für seine Kinder, sowohl die Eltern, Verwandten oder auch der Staat. Neben Artikel 6 des Grundgesetzes wird mit einer Vielzahl von gesetzlichen Regelungen, sei es das SGB V, das SGB VIII, Kindertagesstättengesetze, Schulgesetze und spezielle Verordnungen die kindgerechte Entwicklung auch gefördert. Gemeinden, Jugendämter, Sozialämter, die SGB-II-ARGEn, die Bundesagentur für Arbeit sowie Beratungsangebote von freien Trägern helfen den Eltern, ihren Erziehungsauftrag umfassend zu erfüllen. Ich möchte den Akteuren an dieser Stelle auch mal danken, denn wir sprechen oft über die Fehlstellen im System, aber nicht davon, was funktioniert. Es funktioniert schon sehr viel, aber eben noch nicht alles. Die Menschen, die an jedem Tag mit Betroffenen arbeiten, haben unseren Dank und unsere Anerkennung verdient.

(Beifall im Hause)

Die SPD-Fraktion setzt mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zum Kinderschutzgesetz auf Vernetzung und auf Ergänzung der bestehenden Hilfebasis, denn bei aller Hilfe, die heute nicht nur möglich ist, sondern auch geleistet wird, müssen wir leider immer wieder vom Tod vernachlässigter oder misshandelter Kinder hören. Kinder benötigen eine ihnen positiv zugewandte Lebenswelt, die sie annimmt wie sie sind und ihnen helfen, gesund aufzuwachsen. Dazu benötigen die Kinder Schutz vor schädlichen Einflüssen, vor Vernachlässigung, Misshandlung oder sexuellem Missbrauch. Ich möchte Artikel 6 nochmals zitieren: „Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen

obliegende Pflicht.“ Ich denke, das bringt genau zum Ausdruck, was Eltern für Rechte, aber eben auch für Pflichten haben. Gleichfalls in Artikel 6 wird auch der Staat in seiner Wächterfunktion benannt. Deshalb benötigen die Eltern frühzeitige und auch rechtzeitige Angebote bei eigener Überforderung, damit Kinder nicht die Leidtragenden sind.

Der SPD-Gesetzentwurf leistet einen guten Beitrag dafür, dass das staatliche Netz in Thüringen engmaschiger wird. Wir setzen auf regionale Netzwerke im Kinderschutz, die bei den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe eingerichtet werden sollen. Gemeinsam mit den bereits heute aktiven Institutionen, Verbänden und Initiativen soll der Auftrag bei Kindeswohlgefährdung nach § 8 a SGB VIII wirksam umgesetzt werden. Dabei gilt wie auch in allen anderen Bereichen unseres Gesetzentwurfs: Qualität gibt es nicht zum Nulltarif und das ist auch gut so. Koordinationsaufgaben werden leider zu oft als unnötige Zeitfresser beäugt, doch kann man mit abgestimmter Arbeit letztendlich zumeist effizienter ans Ziel kommen. Wir wollen, dass dem örtlichen Jugendhilfeausschuss jährlich einmal berichtet wird. Dieser Bericht kann helfen, dass das Thema nicht nur ab und an, wenn Schaden entstanden ist, ins Bewusstsein rückt, sondern permanent im gesellschaftlichen Fokus steht und damit auch die Menschen im Kreisgebiet, in der Stadt sensibilisiert werden, auch auf ihre Nachbarn zu schauen.

Wir wollen auch, dass dem Landtag einmal jährlich berichtet wird, denn es ist auch wichtig, dass wir als Gesetzgeber davon hören, wie mit dieser Aufgabenabarbeitung umgegangen wird. Die überregionale Servicestelle auf Landesebene, das Vorsorgezentrum, soll beim Ministerium eingerichtet werden. Herr Bärwolff hat einen anderen Vorschlag gemacht, darüber kann man ja diskutieren. Ich möchte nur sagen, da es eine Verwaltungsaufgabe ist, habe ich keine Besorgnis, dass das im Ministerium nicht richtig abgearbeitet werden kann, aber man könnte darüber nachdenken, ob damit die wissenschaftliche Begleitung einfacher ist, wenn man das extern behandelt. Insofern würden wir einfach noch einmal darüber nachdenken.

Wir wollen, dass die regionalen Servicestellen aufgebaut werden, sie sollen eine Förderung erhalten, 25.000 €. Ich denke, auch das ist wichtig, dass man angemessen anfängt und dann auch mit Personal- und Sachkosten ausgestattet wird.

Im Rahmen des Kinderschutzes wollen wir die bestehenden Angebote von Familienhebammen helfen dauerhaft einzurichten. Sie kennen den Streit um das Geld. Es ist lange hin- und hergegangen, wer bezahlt denn eigentlich das sozialpädagogische Angebot, das die Familienhebammen zusätzlich zu ihrer eige

nen Arbeit als Hebamme leisten. Wir möchten, dass pro Landkreis ein Budget von 20.000 € vorhanden ist, 50-prozentige Förderung vom Land, damit hätten wir 40.000 € pro Landkreis zur Verfügung. Das halten wir für das Erste als ausreichend, um anzufangen. Wie gesagt, durch die ständige Berichterstattung im Landtag kann auch erreicht werden, dass wir zeitnah wissen, ob diese Angebote ausreichen.

Wir haben natürlich auch seit ca. anderthalb Jahren die aktuelle Diskussion zur Früherkennungsuntersuchung mit aufgenommen. Wir wissen - Herr Bärwolff hat es gesagt - aus den Anhörungen, eine stärkere Beteiligung an der Früherkennungsuntersuchung, also auch die letzten 10 Prozent, die noch nicht gehen, sind nur ein Element, um Kinder zu schützen - ein kleiner Baustein. Aber Sie wissen, wie das mit einem Puzzle ist, wenn ein Puzzlestein fehlt, dann sieht das ganze Bild hässlich aus. Beim Kinderschutz ist es eben so, wir können mit den Früherkennungsuntersuchungen zwar nicht alles ausschließen, aber sie helfen uns ein Stück weit, diese Lücken zu schließen. Nicht alle Eltern - auch das wissen wir - sind per se gegen die Früherkennungsuntersuchung oder bringen ihre Kinder nicht hin, weil sie sie misshandeln, oft ist die Erinnerung nicht da und man hat gar keine bösen Hintergründe. Deswegen ist es wichtig, dass wir freundlich auf die Eltern zugehen, sie daran erinnern und erst dann, wenn wir merken, dass da kein Interesse besteht, dass wir dann über die Gesundheitsämter beraten können. Auch das ist, denke ich, ein ganz alter Hut, das wissen alle, Gesundheitsämter stehen nicht so im „Verdacht“, sage ich mal, dass sie in die Familie eingreifen wollen, sondern sie sind ausdrücklich und immer schon eine beratende Hilfe gewesen für die Eltern. Die Eltern kennen sie zumeist, wenn sie auch zur Frühförderung gehen, wenn im Kindergarten der Amtsarzt kommt und untersucht. Das ist also eine positive Sache, deswegen sind - das ist so ein entscheidender Unterschied zwischen der CDU-Fraktion und uns - sie, denke ich, viel geeigneter, Eltern zu beraten. Erst wenn diese Beratung fehlgeht und wenn darüber hinaus auch festgestellt wird, dass man möglicherweise auch eingreifen muss, dass Kindeswohlgefährdung vorliegt, dann sollten die Jugendämter eingeschaltet werden und mit ihrem sozialen Dienst vor Ort nach dem Rechten schauen.

In Summe glauben wir, dass es ganz wichtig ist, auch im Rahmen der Jugendhilfeplanung, diesen Kinderschutz als festen Bestandteil zu nehmen. Er darf nicht ein Kostenfaktor sein. Man muss auch schauen, dass wir als Gesetzgeber auf die Verantwortlichen, also auf die Kreise und kreisfreien Städte zugehen und auch da bewusst machen, der Kinderschutz ist ganz wichtig, sowohl im niederschwelligen Bereich als auch dann in der Umsetzung

des SGB VIII. Deswegen bitten wir Sie um die Überweisung an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit und um Zustimmung zu unserem Gesetz. Danke.

(Beifall SPD)

Das Wort hat Abgeordneter Panse, CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, zunächst erst einmal herzlichen Dank an die SPDFraktion für den Gesetzentwurf, den Sie eingebracht haben. Ich meine das sehr ehrlich an dieser Stelle, weil ich glaube sagen zu dürfen, der Kinderschutz ist Anliegen aller Mitglieder hier im Hohen Haus, deswegen ist es richtig, wichtig und notwendig, dass wir kontinuierlich darüber diskutieren.

Frau Taubert, Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass wir in den vergangenen Jahren sehr häufig das Thema hier auf der Tagesordnung hatten. Das wird auch weiter so sein, deswegen auch noch mal herzlichen Dank für Ihren Gesetzentwurf.

Wir haben bei allem, was wir miteinander diskutieren - das hatten Sie deutlich gemacht - schon die Aufgabe, mögliche Problemfälle herauszufiltern. Dabei geht es im Wesentlichen um den Kinderschutz:

1. drohende Vernachlässigung und Misshandlung zu vermeiden,

2. drohende Problemfälle zu identifizieren, den Eltern tatsächlich auch Hilfen anzubieten.

Das ist das, was wir als Politik auf den Weg bringen können, das ist das, was sich als Aufgabe für die Jugendämter stellt, und das ist das, was letztendlich den Eltern helfen soll.

Wir konnten heute in einer Thüringer Zeitung lesen, wo das Ende dieser Kette dann ist. Neben den schlimmen Fällen, die wir in den Medien lesen dürfen, wenn es zu Kindesmisshandlungen, zu Kindestötungen kam, gibt es davor noch eine Stufe - 9.572 Sorgerechtsentzugsverfahren in der Bundesrepublik Deutschland. Sorgerechtsentzugsverfahren, wo den Eltern als Ultima Ratio die Sorge über ihr Kind per Familiengerichtsbescheid abgenommen wird. Die Entwicklung darüber ist in der Bundesrepublik höchst unterschiedlich, das haben wir heute auch gelesen. In einigen Bundesländern steigen diese Zahlen - um 56 Prozent in Nordrhein-Westfalen, in Berlin um 53 Prozent. In Thüringen sinken diese Zahlen um etwa 20 Prozent. Auch das konnten wir lesen. Das

ist allerdings noch kein Indiz dafür, wie es tatsächlich um den Schutz und die Hilfemöglichkeiten für Familien steht. Ich habe es gesagt, die Sorgerechtsentzugsverfahren das ist immer die Ultima Ratio am Ende einer Kette. Vorher steht im Idealfall ein dichtes System an helfenden Maßnahmen für Familien, an familienergänzenden Hilfen, die wir ihnen anbieten wollen und nicht an familienersetzenden Hilfen, die wir ihnen anbieten wollen. Erst wenn diese Mittel alle versagt haben, haben die Familiengerichte und die Jugendämter die Möglichkeit und auch das Recht, per Gesetz einzugreifen und zu intervenieren und tatsächlich den Eltern die Sorge zu entziehen. Ich habe das deshalb angesprochen, weil es durchaus einen aktuellen Bezug hat und deutlich macht, wo das hinführen kann, wenn Eltern nicht bereitwillig mitarbeiten.