Protocol of the Session on October 12, 2007

Kinder und Jugendliche.

Dies lässt mich zum ersten Themenkomplex „Vorschulische und schulische Bildung“ kommen. Zum Stichtag 15. März 2006 besuchten nach Angaben des Statistischen Landesamtes 3.487 Kinder mit ausländischer Herkunft eine Tageseinrichtung für Kinder. Gerade der Besuch einer Kindertageseinrichtung trägt maßgeblich zur Sprachentwicklung des Kindes bei und schafft die erforderlichen Grundlagen für einen guten Übergang in die Grundschule. Im Schuljahr 2006/2007 lernten 4.105 Ausländer und Spätaussiedler an Thüringer Schulen. Für diese Schüler erstellen die Schulen ein Förderkonzept und einen auf jedes Kind zugeschnittenen Förderplan. Unterstützung erfahren die Schulen durch vier Regionalberaterteams auf Landesebene, die ein Ineinandergreifen von Fragen der Beschulung, des Sprachenlernens sowie der Schullaufbahnberatung gewährleisten. Seitens der Landesregierung wurde damit ein funktionierendes System installiert. Diese Anstrengungen müssen fortgesetzt werden, um die individuelle Förderung eines Kindes, unabhängig von seiner Herkunft, im Sinne einer kontinuierlichen Bildungsbiographie zu erreichen.

Dies gilt in gleichem Maße auch für den sich anschließenden Einstieg ins Berufsleben, womit ich zum zweiten Themenkomplex „Übergang zur Berufsausbildung/Ausbildung“ komme: Die Vermittlung von Bildung ist auch hier ein entscheidender Schlüssel für eine gelingende Integration. Im Interesse der Betroffenen, aber auch im Hinblick auf die demographische Entwicklung müssen vorhandene Fähigkeiten und Potenziale von Kindern mit Migrationshintergrund verbessert und stärker genutzt werden, zumal häufig die soziale, ethnische und sprachliche Herkunft über den Verlauf des Schul- und Berufslebens entscheidet. Die Chancen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund, einen Ausbildungsplatz zu erhalten, sind wesentlich schlechter als die von Jugendlichen ohne Migrationshintergrund. Ursachen hierfür sind insbesondere ihre oftmals schlechteren Schulabschlüsse, aber auch der Mangel an passenden Ausbildungsangeboten. So ist die Anzahl der Wiederholer, der Schulabbrecher und der Schulabgänger ohne Schulabschluss bei Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund bundesweit zu hoch. Dies erschwert den Übergang in eine Ausbildung bzw. in das Berufsleben. Eine berufliche Ausbildung ist aber die Basis sowohl für eine erfolgreiche Integration in die Erwerbstätigkeit als auch für die wirtschaftliche Nutzung der Potenziale von Zuwanderern. Vor diesem Hintergrund, meine Damen und Herren, muss es darum gehen, die Zahl der Ausbildungsmöglichkeiten für Bewerber mit Migrationshintergrund zu erhöhen, Perspektiven der Berufswahl und der Ausbildungsbeteiligung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund zu erweitern

sowie öffentlich finanzierte Maßnahmen zielgruppenorientiert einzusetzen. Es muss gelingen, auch Jugendliche mit Migrationshintergrund durch eine Ausbildung in die Lage zu versetzen, sich in den Arbeitsmarkt zu integrieren, denn Integration gelingt am besten dort, wo Zuwanderer aktiv im Erwerbsleben stehen.

Damit bin ich bei meinem dritten Themenkomplex „Berufstätigkeit/Arbeitsmarkt“: Die Beschäftigungssituation von Zuwanderern hat sich in den letzten Jahren kaum verbessert. Sie sind vom Strukturwandel überproportional betroffen, da sie insbesondere in Branchen und Berufen vertreten sind, die einen starken Arbeitsplatzabbau erfahren haben. Auch den stetig steigenden Qualifikationsanforderungen bei Neueinstellungen können Menschen mit Migrationshintergrund oftmals nicht gerecht werden, da sie häufig nur über geringe Bildungs- und Ausbildungsabschlüsse verfügen. Dementsprechend ist die Arbeitslosenquote der Ausländer in Thüringen nach wie vor sehr hoch und betrug im September 2007 ca. 35 Prozent. Im Gegensatz dazu lag die Arbeitslosenquote in Thüringen insgesamt bei etwa 12 Prozent. Aufgrund dieser Ausgangslage ist es notwendig, die Beschäftigungschancen von Menschen mit Migrationshintergrund zu verbessern, arbeitsmarktpolitische Maßnahmen, wo immer dies möglich ist, an ihre Bedürfnisse anzupassen sowie ihre betriebliche Integration zu fördern. Thüringen wird sich in diesen Prozess einbringen, insbesondere durch stärkere Nutzung bestehender Förderprogramme der Europäischen Union, wie beispielsweise des Europäischen Sozialfonds.

Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, noch auf den vierten Themenkomplex „Zivilgesellschaftliches Engagement“ eingehen: Unbestreitbar funktioniert Integration nur dann, wenn sich alle gesellschaftlichen Kräfte daran beteiligen und auch die Zuwanderer selbst Integration als Aufgabe betrachten. Die gleichberechtigte Teilhabe von Zuwanderern am kulturellen und gesellschaftlichen Leben ist für eine Integration unabdingbar. Unabdingbar ist aber auch - das möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich betonen - ein klares und uneingeschränktes Bekenntnis der Zuwanderer zum Grundgesetz, zur Thüringer Verfassung sowie zu den Grundwerten unserer Gesellschaft. Fördern und fordern im Interesse einer gemeinsam gestalteten Zukunft muss das Motto aller sein, denn Integration ist keine Einbahnstraße und kein einseitiger Anspruch an den Staat und die Gesellschaft, in der zu leben man sich entschieden hat, sondern erfordert auch die Bereitschaft, mit Eigeninitiative daran zu arbeiten, Teil dieses Staates und dieser Gesellschaft werden zu wollen. Nur wo diese Bereitschaft und dieser Wille vorhanden sind, können integrationspolitische Maßnahmen Wirkung entfalten. In diesem Sinne findet Integration als kom

munale Querschnittsaufgabe vor Ort statt. Die Kreise, Städte und Gemeinden sind sich ihrer großen Verantwortung bewusst. Bereits heute haben viele Thüringer Kommunen, insbesondere die kreisfreien Städte, kommunale Integrationskonzepte erarbeitet sowie Ausländer- und Aussiedlerbeauftragte bestellt.

Die Kommunen tragen mit vielfältigen weiteren freiwilligen Maßnahmen, wie z.B. der Unterstützung der Vereinsarbeit zur Integration bei. Wie in den Antworten der Landesregierung dargestellt, bietet eine Vielzahl von Vereinen Projekte zur Integrationsförderung an. Hier ist beispielsweise das Programm „Integration durch Sport“ zu nennen. Dieses vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge geförderte bundesweite Projekt dient der Förderung der Integration von Spätaussiedlern, weiteren Zuwanderern und sozial benachteiligten Einheimischen. Weitere vom Land zur Verfügung gestellte Mittel werden im Bereich der Migrationsberatung sowie im Rahmen anderer integrationsunterstützender Projekte eingesetzt. Das Engagement der auf diesem Gebiet tätigen Organisationen gilt es auszubauen und zu vernetzen. Auch die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände hat sich im Nationalen Integrationsplan für eine Fortsetzung und Verstärkung der kommunalen Integrationsprozesse ausgesprochen, um so für die Nachhaltigkeit der Integrationsbemühungen Sorge zu tragen.

Nicht unerwähnt bleiben darf in diesem Zusammenhang das ehrenamtliche Engagement vieler einheimischer und zugewanderter Bürgerinnen und Bürger in unserem Land. Hierfür möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich meinen Dank aussprechen.

(Beifall CDU)

Die Integration durch bürgerschaftliches Engagement setzt die gegenseitige Anerkennung und gleichberechtigte Beteiligung aller voraus. Wichtig ist hierbei auch die Stärkung des Engagements gegen Fremdenfeindlichkeit. Mangelnde Kontakte und Erfahrungen zwischen Menschen unterschiedlicher ethnischer und kultureller Herkunft fördern Fremdenfeindlichkeit. Dem gilt es mit aller Entschiedenheit entgegenzutreten.

(Beifall CDU, DIE LINKE)

Einen wesentlichen Beitrag hierzu können Angebote interkulturellen Lernens leisten. Mit dem Ausländerbeauftragten des Landes haben die Zuwanderer, kommunalen Ausländerbeauftragten, Flüchtlingsbetreuer sowie Mitarbeiter der Migrationserstberatungsstellen und Jugendmigrationsdienste einen kompetenten Ansprechpartner. Unter anderem fördert der Ausländerbeauftragte Vereine, die sich für ein verständnisvolles Miteinander von Einheimischen

und Zugewanderten einsetzen.

Meine Damen und Herren, die Antworten der Landesregierung auf die Großen Anfragen zeigen deutlich, dass Integrationspolitik eine Zusammenarbeit aller staatlichen und gesellschaftlichen Kräfte erfordert und für die Landesregierung eine wichtige Aufgabe darstellt. So hat das Kabinett mit Beschluss vom 20. März 2007 unter Federführung des Thüringer Innenministeriums die interministerielle Arbeitsgruppe „Integration von Zuwanderern“ eingerichtet. Aufgabe der Arbeitsgruppe ist es, Leitlinien und Handlungsempfehlungen für eine erfolgreiche und zukunftsorientierte Integrationspolitik Thüringens zu erarbeiten. Hierbei gilt es, die im Länderbeitrag zum Nationalen Integrationsplan getroffenen Selbstverpflichtungen beispielsweise im Bereich der sprachlichen Bildung sowie der beruflichen Qualifizierung einfließen zu lassen. Die konstituierende Sitzung der interministeriellen Arbeitsgruppe „Integration von Zuwanderern“ fand bereits am 3. April 2007 statt. Alle daran beteiligten Ressorts haben sich hierbei inhaltlich eingebracht. Die nächste Sitzung dieser interministeriellen Arbeitsgruppe wird Ende November stattfinden. Zu dieser Sitzung wurden auch Vertreter der kommunalen Spitzenverbände, der katholischen und evangelischen Kirche, der Jüdischen Landesgemeinde, der LIGA der Freien Wohlfahrtspflege e.V., des DGB Thüringen sowie des Allgemeinen Arbeitgeberverbandes Thüringen e.V. eingeladen. Ziel ist es, die Erarbeitung der Leitlinien zur Integration von Zuwanderern in Thüringen im Frühjahr 2008 abzuschließen.

Meine Damen und Herren, ich möchte die Gelegenheit nutzen, um auch kurz über die Arbeit der Härtefallkommission zu berichten. Aufgabe der Härtefallkommission ist es, darüber zu entscheiden, ob im jeweiligen Einzelfall dringende humanitäre oder persönliche Gründe vorliegen, die den weiteren Aufenthalt eines Ausländers im Bundesgebiet rechtfertigen. Diese Feststellung ist Voraussetzung dafür, dass die oberste Landesbehörde anordnen darf, eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen und damit von den im Aufenthaltsgesetz festgelegten Erteilungs- und Verlängerungsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel abzuweichen. Es ist dabei gewiss nicht einfach, im jeweiligen Einzelfall die richtige Entscheidung zu finden, da stets das persönliche Schicksal der betroffenen Menschen zu werten ist. Einen Kriterienkatalog, in dem festgelegt ist, ob dringende humanitäre oder persönliche Gründe vorliegen, gibt es nicht. Die Einführung eines solchen Katalogs ist auch nicht beabsichtigt, da die Kriterien zu vielfältig und vom jeweiligen Einzelfall abhängig sind, um sich katalogisieren zu lassen. Bis zum Stichtag 22. Mai 2007, der der Beantwortung der Großen Anfragen zugrunde gelegt wurde, wurden 151 Anträge an die Härtefallkommission gerichtet, die 593 Personen

umfassen. Für 273 Personen wurde die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23 a Aufenthaltsgesetz durch das Thüringer Innenministerium angeordnet. Bei vielen weiteren Fällen konnte eine Aufenthaltserlaubnis nach anderweitigen Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes oder nach der von der Innenministerkonferenz beschlossenen Bleiberechtsregelung erteilt werden. Die 273 Personen, die eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 a Aufenthaltsgesetz erhalten haben, stellen immerhin mehr als 10 Prozent der ausreisepflichtigen Ausländer des Freistaats Thüringen dar. Ich denke, dass dies ein großer Erfolg für die Arbeit der Härtefallkommission ist. Im Ergebnis lässt sich sagen, dass sich die Entscheidung der Landesregierung, in Thüringen eine Härtefallkommission einzurichten, bewährt hat. Dadurch konnten in der Vergangenheit in besonderen Ausnahmefällen, in denen die Möglichkeit eines legalen Aufenthalts in Deutschland sonst nicht bestehen würde, durch die Gewährung einer Aufenthaltserlaubnis unbillige Härten vermieden werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wichtig ist für mich die Feststellung, dass sich die Landesregierung dem Schutz der Ausländer vor Fremdenfeindlichkeit in besonderer Weise annimmt. So organisiert die Landesstelle für Gewaltprävention zahlreiche Fachtagungen und unterstützt in den Kommunen vielfältige Maßnahmen gegen Fremdenfeindlichkeit. Verschiedene Förderprogramme und Maßnahmen des Landes sind darauf angelegt, insbesondere unter Jugendlichen Präventionsarbeit zu leisten. Im Übrigen schreitet die Polizei bei ausländerfeindlichen Aktionen strikt und konsequent jeweils ein.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Stellenwert, den die Landesregierung der Integration von Zuwanderern beimisst, spiegelt sich auch im Entwurf des Doppelhaushalts 2008/2009 wider. Hierin sind die Ansätze für die Förderung von Integrationsmaßnahmen von bislang 100.000 € auf 500.000 € jährlich erhöht worden. Ich darf Sie bitten, sich in den derzeit anstehenden Etatberatungen für diese Anhebung einzusetzen.

Abschließend möchte ich noch auf die aktuelle Entwicklung im Bereich des Ausländerrechts eingehen. Die Innenminister der Länder beschlossen auf ihrer Sitzung am 17. November 2006, dass ausreisepflichtigen ausländischen Staatsangehörigen, die faktisch wirtschaftlich und sozial integriert sind, ein Bleiberecht zu gewähren ist. Mit Ablauf der Antragsfrist am 17. Mai 2007 lagen den Ausländerbehörden 1.162 Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß Innenministerkonferenzbeschluss zur Entscheidung vor. Bis Ende August 2007 wurde 381 ausreisepflichtigen ausländischen Staatsangehörigen eine Aufenthaltserlaubnis sowie 377 ausreisepflichtigen ausländischen Staatsangehörigen eine Duldung

durch die Ausländerbehörden erteilt. 106 Anträge wurden zurückgenommen und 115 Anträge nur abgelehnt. Am 28. August 2007 trat dann das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union in Kraft. Damit enthält das Aufenthaltsgesetz nunmehr auch eine gesetzliche Bleiberechtsregelung. Demnach erhalten Geduldete, die am 1. Juli 2007 mindestens acht Jahre oder, falls minderjährige Kinder zu ihnen gehören, seit sechs Jahren in Deutschland leben sowie ein Mindestmaß an Integrationswillen zeigen, über ausreichend Wohnraum verfügen, hinreichende mündliche Deutschkenntnisse besitzen und die Ausländerbehörden nicht vorsätzlich getäuscht haben, ein zunächst bis zum 31. Dezember 2009 befristetes Aufenthaltsrecht. Dieses Aufenthaltsrecht wird verlängert, wenn ihr Lebensunterhalt durch die Betreffenden bis zum 31. Dezember 2009 gesichert werden kann. Zur Erfüllung dieser Voraussetzung erhalten sie einen gleichrangigen Zugang zum Arbeitsmarkt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die politische Bedeutung der Integration von Zuwanderern wird auch durch die vorliegenden Großen Anfragen deutlich. Ich danke den Fraktionen der CDU und der SPD dafür, dass sie mit diesen Großen Anfragen Integrationspolitik zu Schwerpunkten ihrer parlamentarischen Arbeit gemacht haben. Lassen Sie uns weiterhin gemeinsam an einer effektiven Integrationspolitik arbeiten. Vielen Dank für Ihre überwiegend vorhandene Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU)

Herzlichen Dank. Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit schließe ich die Aussprache. Wir kommen jetzt zur Frage der Fortberatung der Großen Anfragen. Bitte, Abgeordneter Höhn.

Ich beantrage namens meiner Fraktion beide Großen Anfragen an den Gleichstellungsausschuss zur Weiterberatung zu überweisen.

Danke schön. Dann liegt die Zustimmung der SPDFraktion natürlich vor. Das setze ich jetzt voraus. Liegt dazu die Zustimmung der CDU-Fraktion vor?

Ja, Frau Präsidentin, die Zustimmung liegt vor.

Danke schön. Dann lasse ich zunächst abstimmen über die Weiterberatung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD und der Antwort der Landesregierung in Drucksachen 4/2725 und 4/3243, dazu die Unterrichtung durch die Präsidentin in Drucksache 4/3390. Wer für die Fortberatung im Gleichstellungsausschuss ist, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? 1 Stimmenthaltung. Damit ist es so beschlossen.

Wir kommen jetzt zur Großen Anfrage der Fraktion der CDU und der Antwort der Landesregierung in Drucksachen 4/2696 und 4/3232 und dazu die Unterrichtung durch die Präsidentin in Drucksache 4/3392. Wer hier die Fortberatung im Gleichstellungsausschuss wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Keine. Damit ist das einstimmig so beschlossen und ich schließe diesen Tagesordnungspunkt.

Bevor ich den Punkt 6 aufrufe, möchte ich ein Abstimmungsergebnis der namentlichen Abstimmung in Tagesordnungspunkt 12 korrigieren. Es wurden nicht 60, sondern 70 Stimmen abgegeben. Jastimmen waren nicht 17, sondern 27. Neinstimmen korrigiere ich nicht, das bleibt bei 43. Damit ist trotz alledem die Nummer 2 des Antrags mit Mehrheit abgelehnt.

Jetzt rufe ich auf den Tagesordnungspunkt 6

Die Personalpolitik der Lan- desregierung: Konkurren- tenklagen, Disziplinarver- fahren und rechtswidrige Stellenbesetzungsverfahren Antrag der Fraktion der SPD - Drucksache 4/3328 -

Wünscht die SPD das Wort zur Begründung? Das ist nicht der Fall. Die Landesregierung hat einen Sofortbericht angekündigt. Ich erteile Staatssekretär Hütte das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, so viel Aufregendes habe ich seitens der Landesregierung zum Antrag der SPDFraktion gar nicht zu berichten. Ich bin der Letzte, der nicht zugestehen würde, dass Personalentscheidungen für Außenstehende, manchmal auch für die Betroffenen selbst, bisweilen überraschend und in ihren Einzelheiten nicht unmittelbar einsichtig sein können. Gelegentlich unterlaufen auch - auch das

gebe ich gern zu - Fehler, sei es, dass bestimmte Fakten nicht bekannt sind oder rechtliche Beurteilungen sich im Nachhinein als unzutreffend erweisen. Personalentscheidungen werden daher auch nicht von jedem Betroffenen natürlich sofort freudig akzeptiert. Sie werden gelegentlich auch von unabhängigen Verwaltungsgerichten nicht in jedem Punkt bestätigt. Das rechtfertigt aber noch lange nicht die kühne Behauptung, ich zitiere, „es gebe einen personellen Sumpf der Landesverwaltung.“

(Beifall CDU)

Man muss nicht alles glauben, nur weil es in der Zeitung steht - in diesem Fall im „Freien Wort“ vom 1. September 2007.

(Unruhe DIE LINKE, SPD)

Anders die SPD-Fraktion, die diese Zeitungsmeldung flugs zum Anlass nimmt, mit aufklärerischem Gestus ein fast schon absolutistisches Zerrbild der Personalpolitik der Landesregierung zu zeichnen. Dieses Bild hat mit der Realität nichts zu tun.

(Beifall CDU)

Die Landesregierung hat die Kriterien, denen sie sich für ein modernes Personalmanagement - und dazu gehören auch Stellenbesetzungs- und Beförderungsentscheidungen - verpflichtet sieht, in der Rahmenleitlinie „PERMANENT“ bereits in der vergangenen Legislaturperiode ausführlich vorgestellt. Insbesondere die Grundsätze für die Personalauswahl und die Besetzung von Stellen hat die Landesregierung wiederholt auch gegenüber dem Landtag und den Abgeordneten erläutert. Ich verweise hier insbesondere auf die Antworten zu den Kleinen Anfragen 602 und 668 aus dem Februar 2006. Man kann dort die Grundsätze, die für die Landesregierung in diesem Falle gelten, ausführlich nachlesen.

Ich will mich daher auf einige kurze Anmerkungen zu dem aktuellen Antrag beschränken.

1. Von einer Kette, ich zitiere wieder - „rechtlich zweifelhafter sowie gerichtlich überprüfter und gestoppter Stellenbesetzungen der Landesregierung“ kann keine Rede sein. Es fehlt hier bereits die Substanziierung dieses Vorwurfs. Zu unklaren, allgemein wertenden Behauptungen ohne konkreten Bezug kann die Landesregierung nicht Stellung nehmen. Damit ich aber nicht den Vorwurf bekomme, ich würde die zumindest bekannten Fakten nicht hier vortragen, will ich nur zu den statistischen Dingen drei Bemerkungen machen.

Wir haben die Stellenbesetzungen, die in der Legislaturperiode vorgekommen sind, nachgeprüft. Da

bei ergaben sich 26 gerichtlich überprüfte Dienstpostenbesetzungen, bei denen die Landesregierung sechsmal gerichtlich unterlegen ist. Es gab ferner insgesamt 14 überprüfte Beförderungsentscheidungen, davon fünfmal Unterliegen vor Gericht, und es gab bislang 12 Überprüfungsverfahren im Hinblick auf dienstliche Beurteilungen. Bei einer Beschäftigtenzahl - wenn man das jetzt nur mal auf die obersten Landesbehörden bezieht, und auf die bezieht sich die Fragestellung und der Antrag - von etwa 2.000 Mitarbeitern insgesamt ist das ein Durchschnittssatz, der nicht ungewöhnlich ist in dem Bereich.

2. Für die Beachtung der rechtlichen Anforderungen an Personalentscheidungen sind gemäß Artikel 76 Abs. 1 Satz 2 der Thüringer Verfassung grundsätzlich die jeweiligen Ministerien im Rahmen der Personalhoheit der Ressorts verantwortlich. Es ist natürlich das gute Recht jedes unterlegenen Bewerbers, die gerichtliche Überprüfung von Personalentscheidungen zu beantragen. Rechtskräftige gerichtliche Entscheidungen in Personalangelegenheiten werden selbstverständlich durch die Ressorts ausgewertet und auch beachtet. Im Übrigen werden Fehler, die entdeckt werden, auch ohne Gerichtsentscheidung korrigiert, sobald sie bemerkt worden sind. Die Einhaltung von Recht und Gesetz - auch in die Richtung zielte ja eine der Fragestellungen des Antrags - wird sichergestellt durch Organisation und Verfahren sowie eine qualifizierte Personalausstattung und die Dienstaufsicht durch die Vorgesetzten.

Ich möchte bezogen auf die Fragestellung auch darauf hinweisen, dass die Landesregierung keineswegs verpflichtet ist, freie Dienstposten ausschließlich aufgrund von Ausschreibungen und Bestenausleseverfahren zu besetzen. Sie hat vielmehr gesetzlich die Möglichkeit, auch organisatorische Personalmaßnahmen wie Umsetzungen oder Versetzungen in Betracht zu ziehen und zwischen Beförderungen nach dem Prinzip der Bestenauslese zu wählen. Eine Stellenausschreibung ist gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 des Thüringer Beamtengesetzes und § 3 Abs. 1 der Thüringer Laufbahnverordnung nicht zwingend, sondern grundsätzlich nur bei Einstellung in das Beamtenverhältnis und für Beförderungsdienstposten erforderlich. „Von einer Ausschreibung kann im Übrigen allgemein oder im Einzelfall insbesondere dann abgesehen werden, wenn Gründe der Personalplanung und des Personaleinsatzes entgegenstehen.“, so der Gesetzeswortlaut.

3. Die Landesregierung beabsichtigt nicht, die bestehenden individuellen Rechtschutzmöglichkeiten in Konkurrentenstreitverfahren einzuschränken und entsprechende Vorstöße zu unternehmen. Sie hat sich daher mit diesem Thema auch nicht befasst.

4. Derzeit sind fünf Disziplinarverfahren in den Thüringer Ministerien anhängig, lediglich fünf. Diese erklären sich daraus, dass in diesen Fällen tatsächliche Anhaltspunkte für schuldhafte Verletzungen von beamtenrechtlichen Dienstpflichten bestehen und der Dienstvorgesetzte in diesem Fall nach dem Thüringer Disziplinargesetzt verpflichtet ist, ein Disziplinarverfahren einzuleiten.

5. Die Gerichts- und Verfahrenskosten, nach denen ebenfalls gefragt war, für gerichtlich überprüfte Stellenbesetzungen lassen sich nicht genau beziffern, da hierfür umfangreiche Recherchen erforderlich wären und die Verfahren teilweise auch noch nicht abgeschlossen sind. Überschlägig belaufen sich die bisherigen Kosten in der Legislaturperiode auf eine Größenordnung von etwa 42.000 €. Nur am Rande möchte ich darauf hinweisen, dass gerichtliche Verfahren, auch sogenannte Eilverfahren, häufig viele Monate oder sogar Jahre brauchen und mitunter zu großen Problemen - weil dringend erforderliche Nachbesetzung vakanter Dienstposten - führen. Es wäre völlig weltfremd, anzunehmen, dass ein Personalverantwortlicher diese einschneidenden Konsequenzen für die Erfüllung der dienstlichen Aufgaben durch Leichtfertigkeit bei einer Entscheidung in Personalangelegenheiten einfach in Kauf nehmen würde.

6. Sofern es der SPD-Fraktion ausweislich der Begründung ihres Antrags darum geht, einzelne Personalien in der Landesverwaltung auf der Grundlage von entsprechenden Presseberichten hier im Landtag zu erörtern, mache ich darauf aufmerksam, dass die Willensbildung und das Auswahl- und Entscheidungsverfahren in konkreten Personalangelegenheiten nach Auffassung der Landesregierung zum Bereich der verfassungsrechtlichen Eigenverantwortung der Landesregierung - Stichwort Artikel 67 Abs. 3 Nr. 2 der Thüringer Verfassung - gehört und darüber hinaus konkrete Personalangelegenheiten natürlich auch regelmäßig schutzwürdige Interessen der einzelnen Mitarbeiter und Bewerber berühren. Die Landesregierung wird daher - wie bisher übrigens auch - zu derartigen Einzelheiten nicht öffentlich Stellung nehmen.