Bezogen auf Thüringen, meine Damen und Herren, konnte man nun den Eindruck haben, dass mit dem Antrag der SPD zur Auslobung eines Preises - ursprünglich für die wirtschaftsfreundlichste Kommune, nun lediglich eines Preises für die wirtschaftsfreundliche Kommune durch Ihre Änderungen im Ausschuss - durch das Land diese Probleme gelöst würden. Das Beste daran war, dass man auch die Standortwerbung der Kommunen entscheidend verbessern könne. Abgesehen davon, was nicht als Vorwurf zu verstehen ist, dass die Idee sicher nicht von Ihnen alleine, Herr Dr. Schubert, stammte, sondern sie die Abwandlung einer entsprechenden Vorbereitung der Industrie- und Handelskammern war, weist Ihr Antrag dabei den Schönheitsfehler auf, dass es einen solchen Preis ohne Ihre Initiative bereits längst gäbe. Denn in der Anhörung ist deutlich geworden, dass die Arbeitsgemeinschaften der IHK ihre Bemühungen, einen eigenen entsprechenden Preis für wirtschaftsfreundliches Verwaltungshandeln auszuloben, mit Rücksicht auf Ihren Antrag zurückgestellt haben.
Unbestreitbar ist, dass wir uns des wirtschaftsfreundlichen Verhaltens der Verwaltung und damit auch des Themas Bürokratieabbau immer wieder neu annehmen müssen. Aber gerade aus Landessicht darf man feststellen, dass erstens Ihr Antrag, hier auch in der Fassung von Ihnen, zu einseitig ist, denn gerade für Investitionsentscheidungen erleben wir doch immer wieder, dass auch wirtschaftsfreundliches Verhalten, Verwaltungshandeln der Landesbehörden notwendig ist. Gerade dann stellt sich aber auch die Frage, ob wir die Auszeichnung eigenen Verwaltungshandelns vornehmen sollten. Ein Lob pro domo, meine Damen und Herren, scheint uns nicht besonders schicklich.
Zum Zweiten ergibt sich hieraus auch ein grundsätzlicher Konflikt mit der Aufgabe des Landes, für die Kommunen die Voraussetzungen zu einer möglichst guten und effizienten Aufgabenwahrnehmung zu schaffen, denn ein solcher Preis könnte so manchem Entscheidungsträger auch als Feigenblatt dienen. Gewichtig scheinen mir zudem auch die Einwände von Gemeinde- und Städtebund und Landkreistag, die darauf abhoben, dass eine Preisverleihung, wenn sie nicht nur zur Farce werden sollte, gleiche strukturelle Rahmenbedingungen der Kommunen voraussetze. Dies sei aber nicht ohne weiteres der Fall. In der Anhörung wurde jedenfalls deutlich, dass Ihr Antrag einmal zu kurz springt, weil er staatliches Verwaltungshandeln nicht mit einbezieht. Zum anderen erschien es uns sinnvoller, wenn ein solcher Preis ausgelobt werden solle, dann sollte dies federführend durch die Wirtschaft selbst passieren und natürlich die Landesregierung, wenn es Not tut, auch begleiten.
Zur Erreichung von Fortschritten im Bürokratieabbau, meine Damen und Herren, sind andere Länder bereits den Weg über ein Modellkommunengesetz gegangen mit dem Ziel, für bestimmte Kommunen Ausnahmen von kommunalbelastenden Standards zu erreichen. Ich denke hier etwa an das niedersächsische Gesetz, das ein wichtiger Beitrag ist. Allerdings müssen wir uns hier auch darüber im Klaren sein, dass die dort vorgenommenen Änderungen Entlastungen in Bereichen bringen, in denen bei uns überhaupt keine Belastungen bestanden haben. Das heißt, die Niedersachsen erreichen jetzt mit ihren Neuregelungen in zahlreichen Gebieten den Stand, den wir schon längst haben. Hier spricht sicher einiges dafür, dass die Übernahme des süddeutschen Verwaltungsmodells für Thüringen schon dem Grunde nach ein eher bürokratiehemmendes Moment hat. Doch kann uns das sicher nicht zufrieden stellen. Deswegen hat unsere Fraktion sowohl in den vergangenen als auch in der gegenwärtigen Legislaturperiode mit zahlreichen Anträgen - insbesondere zu den Haushalten - die Landesregierung zur Ergreifung entsprechender Maßnahmen aufgefordert. Die
Landesregierung hat das immer wieder umgesetzt. Ich denke hier an das Konzept für mehr Wirtschaftsfreundlichkeit, ich denke an die Clearingstelle beim Thüringer Wirtschaftsministerium, die Arbeitsgruppe beim Innenministerium zum Abbau kommunalbelastender Standards und der Bürokratie.
Neben all diesen Maßnahmen erschien es uns sinnvoll, auch das Projekt der Industrie- und Handelskammer Erfurt zur Modellregion in Mittelthüringen zu unterstützen. Hier wurde von Seiten der IHK mit den kreisfreien Städten Erfurt und Weimar sowie den beiden Landkreisen Sömmerda und Weimarer Land eine Initiative zur wirtschaftsfreundlichen Verwaltung gestartet, die zunächst einmal zupackend vor Ort operiert. Das ist auch das, was uns letztendlich wichtig sein muss - wie etwa mit den Projekten zu Verwaltungswegweisern, Internetauftritten, einem Handwerkerparkschein für die gesamte Region -, wo der Verwaltungsablauf letztlich für den betroffenen Unternehmer spürbar erleichtert wird.
Mit dem durch uns neu gefassten Antrag ist es daher unser Ziel, diese Initiative zu unterstützen mit dem langfristigen Ziel, dass wir die dort erreichten Erfolge auch in anderen Regionen Thüringens anwenden sollten. Dazu wurden im Rahmen der Arbeitsgruppe der Kammer mit den Oberbürgermeistern und Landräten auch Vorschläge erarbeitet, wo Landesregelungen wirtschaftsfreundlichem Handeln noch entgegenstehen. Ich bin überzeugt, dass wir diese Vorschläge eingehend auf ihre Umsetzbarkeit hin überprüfen und dann auch zügig umsetzen werden, damit wir in puncto wirtschaftsfreundliches Verwaltungshandeln auch voranschreiten können.
Einen Punkt - das lassen Sie mich noch sagen -, nämlich die Frage der verlängerten Ladenöffnungszeiten zur Fußball-WM, werden wir heute oder morgen noch behandeln. In diesem Sinne, meine Damen und Herren, wir haben den Antrag der SPD vom Kopf auf die Füße gestellt und ich werbe deshalb namens meiner Fraktion um Zustimmung. Vielen Dank.
Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen von Abgeordneten vor. Ich erteile das Wort Herrn Minister Reinholz.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Landesregierung unterstützt die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft, Technologie und Arbeit, ganz einfach,
weil wir es für sehr wichtig halten, dass die Verwaltungen wirtschaftsfreundlich handeln. Wir wollen die Verwaltungen an die aktuellen Erfordernisse anpassen und dadurch zugleich wirtschaftliches Handeln unterstützen. Die meisten Vorschriften - und das haben wir hier an dieser Stelle schon mehrfach erörtert -, die die Wirtschaft belasten, beruhen nun leider einmal auf Bundesrecht. Ungeachtet dessen gilt es, die Verwaltung dort noch freundlicher zu gestalten, wo der Bürger, wo der Unternehmer sie unmittelbar erfährt, nämlich auf der kommunalen Ebene. Nicht allein Gesetze und Verordnungen machen eine wirtschaftsfreundliche Verwaltung aus, sondern, wie wir alle wissen, die handelnden Menschen beeinflussen ganz maßgeblich, ob eine Verwaltung wirtschaftsfreundlich ist oder nicht.
Ich begrüße es daher sehr, wenn Initiativen aus der Wirtschaft und den Verbänden heraus entstehen, um zusammen mit den Kommunen die Verwaltung wirtschaftsfreundlicher zu gestalten. Die Verwaltung kann bei solch einer Initiative Hand in Hand mit den unmittelbar betroffenen Bürgern arbeiten. Dieser direkte Ansatz soll gezielter zu einer wirtschaftsfreundlichen Verwaltung führen, als wenn Dritte sich überlegen, was Bürger und Wirtschaft möglicherweise stören könnte und wie die Verwaltung darauf reagieren sollte. Die Landesregierung begrüßt nicht nur ausdrücklich, wenn sich Wirtschaftsverbände und Kommunen zu Modellregionen zusammenschließen, die Clearingstelle des Thüringer Wirtschaftsministeriums hat bereits Kontakt zu den Kammern und Verbänden aufgenommen, um diesen Prozess auch aktiv mit zu begleiten. Einerseits stellt die Clearingstelle den Kammern und Verbänden bereits gewonnene Erkenntnisse zur Verfügung, andererseits nimmt sie auch neue Anregungen für ihre eigene Arbeit auf.
Wir wissen alle, meine Damen und Herren, wir können die Verwaltung nur wirtschaftsfreundlicher machen, wenn Wirtschaft und Verwaltung eng zusammenarbeiten. Ich denke, meine Damen und Herren, wir sind da in Thüringen bereits auf einem guten Weg. Herzlichen Dank.
Meine Damen und Herren Abgeordneten, wir kommen zur Abstimmung. Gemäß § 60 Abs. 2 Satz 2 der Geschäftsordnung wird nur über die Beschlussempfehlung abgestimmt, da diese eine Neufassung des Antrags empfiehlt. Ich lasse über die Neufassung des Antrags in der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft, Technologie und Arbeit in Drucksache 4/1599 abstimmen. Wer ist für diese Beschlussempfehlung, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Wer ist gegen diese Beschlussempfeh
lung? Wer enthält sich der Stimme? Keine Stimmenthaltung, keine Gegenstimme. Damit ist diese Beschlussempfehlung einstimmig angenommen.
Demografischer Wandel in Thüringen Antrag der Fraktion der SPD - Drucksache 4/1199 - dazu: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bau und Verkehr - Drucksache 4/1646 -
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, der Ausschuss für Bau und Verkehr hat sich in der 11. Sitzung am 24.11.2005 und in seiner 13. Sitzung am 02.02.2006 mit dem Antrag der SPD „Demografischer Wandel in Thüringen“ befasst, Ihnen vorliegend in der Drucksache 4/1199. Die CDU-Fraktion kündigte in der Beratung am 24.11.2005 an, einen Änderungsantrag vorzulegen. Daraufhin kamen die Ausschussmitglieder überein, die Beratung in einer der nächsten Ausschuss-Sitzungen fortzuführen. In der Sitzung am 02.02.2006 lag in der Vorlage 4/710 ein Änderungsantrag der CDU-Fraktion vor, welcher eine Präzisierung der Punkte 1 bis 3 des SPD-Antrags beinhaltete. Der Ausschuss stimmte dieser Änderung einstimmig zu. Den Punkten 3 bis 5 des SPDAntrags wurde ebenfalls einstimmig zugestimmt. Als Termin für den Demografiebericht einigten sich die Ausschussmitglieder auf den 30.06.2006, nachdem der Minister Trautvetter zugesagt hatte, die Landesregierung könne der Enquetekommission bereits vor Fertigstellung des Berichts über den demografischen Wandel in Thüringen vorhandenes Zahlenmaterial bzw. das, was in Zwischenschritten bereits erarbeitet worden sei, zur Verfügung stellen. Daraufhin beschloss der Ausschuss einstimmig die Annahme des Antrags der Fraktion der SPD mit den vorgenannten Änderungen.
Ich danke für die Berichterstattung und eröffne die Aussprache. Das Wort hat Abgeordnete Enders, Linkspartei.PDS.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, mit dem Antrag und der Beschlussempfehlung des Ausschusses, die nun hier zur Entscheidung vorliegen, wird der
Landtag wieder mal mit einem Sachverhalt beschäftigt, der uns schon seit geraumer Zeit in periodischen Abständen verfolgt. Wieder einmal wird ein Antrag zur Abstimmung vorgelegt, der die demografische Entwicklung und alle daraus abgeleiteten Schlussfolgerungen für das politische Handeln zum Inhalt hat. Damit wird die Zuständigkeit, so sehen wir das, der Enquetekommission umlaufen. Es verwundert uns schon etwas, wird doch gerade der Linkspartei.PDS fortwährend vorgeworfen, nur auf Tempo zu drücken. Von den Verschönerungsreden der CDU im Zusammenhang mit der monatelangen Nichtarbeit der eigentlich zuständigen Enquetekommission möchte ich gar nicht reden. Wir haben fast ein Jahr gebraucht von der Beschlussfassung zur Bildung einer Enquetekommission, bis die Enquetekommission überhaupt richtig arbeitsfähig geworden ist. Für uns als Fraktion gilt, dass uns die Zeit davonläuft und ein Nichthandeln der CDU-Landesregierung schädlich ist für unser Land. Bekanntlich ist die Linkspartei.PDS die einzige Partei in Thüringen, die über ein Konzept zur Funktional-, Verwaltungs- und Gebietsreform in Thüringen verfügt.
Weshalb erwähne ich dies hier? Ganz einfach, wenn wir die Herausforderungen der demografischen Entwicklung ernst nehmen, darauf reagieren wollen, dann ist der Einstieg in eine umfassende Funktional-, Verwaltungs- und Gebietsreform der wesentliche Baustein. Dieser Herausforderung verweigern sich aber CDU und Landesregierung gemeinsam. Genau wie bisher in der Enquetekommission wird auch in dem heute vorliegenden Antrag in den ersten Punkten wieder nur statistisches Datenmaterial abgefragt, das ohnehin schon seit längerem öffentlich verfügbar ist. Ich erinnere da nur an die Internetseite des Thüringer Landesamts für Statistik, da kann man nämlich die Daten, zumindest was die ersten beiden Punkte betrifft, abrufen. Deshalb hätte eine verantwortungsbewusste Landesregierung schon längst ein eigenes Konzept erstellt, um den künftigen Herausforderungen gerecht werden zu können. Aber stattdessen reist der Regierungschef lieber zum Papst - und ich weiß nicht, was er da hofft, ob er hofft, mit
katholischen Verhaltensregeln des Mittelalters die Probleme hier in Thüringen, in unserem Land, zu lösen. Das ist keine Frechheit, das ist Realität.
zum Handeln. Die Thüringer Verschuldung ist, wenn alle Zahlen, so auch Sondervermögen und alternative Finanzierungen, berücksichtigt werden, insgesamt betrachtet fast doppelt so hoch wie der laufende Haushaltsetat und die Verfassungsmäßigkeit des Haushalts konnte nur noch mit Schönfärberei hergestellt werden. Jedes Jahr kommen bei der Verschuldung 1 Mrd. € neu hinzu und momentan kommt man sich angesichts dieser Verhältnisse wirklich vor wie auf einem orientalischen Basar. Wirkliche Prioritätensetzungen sind im Haushalt nicht erkennbar, obwohl sie angesichts der zukünftigen Entwicklungen erforderlicher denn je sind.
Ich möchte auch einmal auf die kommunalen Haushalte hier eingehen. Auch die Kommunen haben, wenn man sich mal die Jahre 1993 bis heute betrachtet, im Jahr 1993 1,77 Mrd. € und im Jahr 2003 784 Mio. € investieren können. Im letzten Jahr betrug die Höhe der kommunalen Investitionen lediglich 260 Mio. €. Damit wird ein erneuter Investitionsstau in den Kommunen organisiert und dafür trägt auch diese Landesregierung Verantwortung. Da eine Funktional-, Verwaltungs- und Gebietsreform der wesentliche Baustein zur Bewältigung der problematischen Entwicklungen darstellt, brauchen die Kommunen hier klare Ansagen, in welche Richtung die Reise gehen soll. Nur wenn die Verwaltungen effizient arbeiten können und keine Mittel in ineffiziente Strukturen verschleudert werden, können die Kommunen ihren eigentlichen Beitrag für mehr Investitionen und für mehr Ausgaben im freiwilligen Bereich tätigen. Aber die Kommunen brauchen klare Vorgaben, die verbindlich sind, an denen sie sich auch orientieren können. Gerade hier ist die Landesregierung gefragt. Stattdessen tun wir eines, wir versuchen die Problemlösung in der Enquetekommission zwischenzuparken.
Meine Damen und Herren, die demografische Entwicklung erfordert ebenso ein Umdenken in der Familienpolitik, doch nicht so, wie es die CDU mit ihrer Arroganz der Macht bei der angeblichen Familienoffensive durchgesetzt hat. Erforderlich ist vielmehr, dass endlich von einem Familienbild Abstand genommen wird, das die Frauen und Mütter zurück an den Herd bringt und Kinder aus einkommensschwachen Familien aus den Kindertageseinrichtungen fernhält.
Nur wenn die Frauen, insbesondere die jungen, gut ausgebildeten und hoch motivierten Frauen, eine berufliche Perspektive haben, wird Thüringen die Chance haben, die demografische Entwicklung einigermaßen abzufedern. Doch die Realität sieht leider anders aus: Thüringen weist nach Sachsen-Anhalt die
höchste Abwanderungsquote aller Bundesländer auf. Heute ist die Flucht aus dem Lande größer als in der so genannten Wendezeit und das sollte uns hier in diesem Landtag zu denken geben.
Meine Damen und Herren, zu den Lebensperspektiven von Menschen gehört auch, dass Eltern die Gewissheit haben, ihre Kinder in einem Land aufwachsen zu lassen, in dem die Frage der Bildung einen hohen Stellenwert einnimmt. Zu einem wirklichen Bildungsland gehört auch, dass die Schülerinnen und Schüler in einem Ganztagsangebot betreut und gebildet werden. Dies erst schafft die notwendigen Voraussetzungen, dass Eltern ihrem Beruf nachgehen können, und dies sorgt natürlich auch dafür, dass die Bildung der Schülerinnen und Schüler insgesamt steigt. Doch was macht Thüringen? Wir haben es vorhin erst hier erlebt, als es um die Schuljugendarbeit und die Schuljugendsozialarbeit ging, die Mittel werden gekürzt, sinnvolle Projekte werden an den Schulen ganz einfach nicht mehr oder nur noch zum Teil durchgeführt werden können. Die Landesregierung bewegt sich in einem ganz anderen Trend.
Meine Damen und Herren, ein weiteres Problem der demografischen Entwicklung ist der anstehende Fachkräftemangel in der Wirtschaft. Bereits für dieses Jahr prognostiziert die IHK Erfurt, dass 16 Prozent der beschäftigten Ingenieure älter als 55 Jahre sind und allein 2006 rund 2.500 von ihnen aus dem Berufsleben ausscheiden werden. Die Herausforderung besteht jedoch darin, den Nachwuchs der Unternehmen zu sichern. Dafür ist freilich das Unternehmen verantwortlich; doch diese Unternehmen dürfen nicht allein gelassen werden, sie müssen stattdessen bestärkt werden und der so genannte Ausbildungspakt ist darauf nicht die Antwort.
(Zwischenruf Trautvetter, Minister für Bau und Verkehr: Es ist kaum zu glau- ben. Wieso brauchen wir bei Ingenieu- ren einen Ausbildungspakt?)
Das Primat muss eindeutig bei der betrieblichen Ausbildung liegen, dafür hat der Staat die erforderlichen Voraussetzungen zu schaffen. Nur wenn es uns gelingt, Herr Trautvetter, Schulabgänger betrieblich auszubilden, werden die jungen Menschen eine berufliche Perspektive in Thüringen haben.
Meine Damen und Herren, ich möchte abschließend noch auf ein ganz besonderes Themenfeld eingehen, das mir auch als Bürgermeisterin am Herzen liegt, nämlich den Stadtumbau. Ich warne die Landesregierung davor, den Stadtumbau in den Gemeinden und Städten lediglich als Abriss zu verstehen. Die demografische Entwicklung, die wir nicht aufhalten, sondern nur begleiten können, darf nicht ausschließlich als Gefährdung, sondern muss auch als Chance begriffen werden. Wer in diesem Zusammenhang Stadtumbau nur als gigantisches Abrissprogramm versteht, vergibt sich Entwicklungschancen für die Zukunft. In weniger als 15 Jahren wird Thüringen die älteste Region Deutschlands sein.
Das hat natürlich auch Auswirkungen auf die bauliche Entwicklung in unseren Städten und Gemeinden. Genau auf diese Fragen müssen wir Antworten finden. Wie wollen wir in Zukunft auch die vorhandene öffentliche Infrastruktur weiterhin erhalten, wenn immer weniger Menschen die gleichen Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge finanzieren müssen. Aber auf diese Fragen hat die Landesregierung bisher keine Antworten geliefert. Ich fordere deshalb die Landesregierung an dieser Stelle auf, nicht nur fortwährend die längst bekannten statistischen Daten zu interpretieren, so wie sie das immer tut, so wie wir das auch momentan in der Enquetekommission tun, und in Wartestellung zu verharren, sondern endlich ein eigenes, ein ganzheitliches Konzept für die Entwicklung Thüringens auf den Tisch zu legen. Danke schön.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die demografische Entwicklung Thüringens ist geprägt von einer rapide sinkenden Einwohnerzahl und einer dramatischen Änderung der Altersstruktur. Die 10. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung hat für Thüringen (Berechnung aus dem Jahr 2002) für das Jahr 2020 2,138 Mio. Einwohner vorausberechnet, für das Jahr 2050 nur noch 1,746 Mio. Einwohner. Eine interministerielle Arbeitsgruppe der Thüringer Landesregierung ermittelte bei gleich bleibender Geburtenziffer von zurzeit 1,2 Geburten je Frau für 2050 nur eine Einwohnerzahl von 1,68 Mio. Es gibt noch härtere Szenarien, zum Beispiel die von
Prof. Sedlacek, der prognostiziert, dass sich die Bevölkerung bis 2050 auf 1,3 bis 1,1 Mio. Menschen in Thüringen verringern wird.