Meine Damen und Herren, den dritten Schwerpunkt neben Arbeit und Bildung legt meine Fraktion in die Sozialpolitik. Grundsätzliche Bemerkungen dazu erfolgten bereits. Nur so viel an dieser Stelle: Sie wissen, dass insbesondere im Sozialbereich oft 10.000 € über den Fortbestand eines Trägers, eines Angebots für die Bürgerinnen und Bürger sowie auch über die Förderung einer Fachkraft entscheiden. Sie wissen auch, dass wir in Thüringen über bisher alles in allem gut funktionierende Strukturen verfügten. Vor allem aber kennen Sie die Akteure in der LIGA der Freien Wohlfahrtsverbände und der Parität als umsichtige und verlässliche Partner. Meine Fraktion akzeptiert nicht, dass man Jahr für Jahr diesen Kurs des Sozialabbaus weitergehen will. Was hat das mit zukunftsweisender Konzeption oder mit Vision zu tun? Ist es nicht besser, als die Strukturen dort permanent zu gefährden und zu zerschlagen, sich mit den Akteuren gemeinsam an Lösungen zu versuchen? Oder erklärt sich Ihr Umgang mit den Akteuren und den Betroffenen aus genau der Absicht, hier und da aufgebaute Strukturen zu zerschlagen? Wir wollen nicht akzeptieren, dass man entgegen der fachlichen Argumente elf Frauenhäuser und Frauenschutzwohnungen nicht mehr fördern will. Gibt es Ihrer Meinung nach die Bedarfe zum Schutz vor häuslicher Gewalt nicht mehr? Uns wird in allen Gesprächen signalisiert, dass gerade das wohnortnahe Angebot wichtig ist und dass insbesondere Beratungsleistungen deutlich gestiegen sind. Deshalb ist eine Kürzung der Mittel für uns nicht machbar und Änderungsanträge mit der Erhöhung der Mittel die logische Folge. Ebenso tragen wir die Umwandlung des Landesblindengeldes in eine bedürftigkeitsabhängige Zahlung nicht mit und
haben in den Änderungsanträgen zum Haushalts- und Haushaltsbegleitgesetz die Beibehaltung der alten Regelungen vorgesehen.
Meine Damen und Herren Besucher, ich mache Sie darauf aufmerksam, dass es nicht erlaubt ist, von der Tribüne aus Beifallskundgebungen oder Missfallenskundgebungen zu äußern.
Auch hier im Bereich des Landesblindengeldes muss die Frage gestellt werden, was die Umwandlung des Landesblindengeldes in eine Blindenhilfe mit Visionen zu tun hat. Oder an anderer Stelle: Wollten Sie die Verbraucherzentrale in den Konkurs treiben trotz steigender Bedarfe, ebenso die Aidshilfe trotz gestiegener Erkrankungsfälle? Was, bitte, hat das mit Vision oder mit Konzeption zu tun?
Wir verstehen das alles nicht, weil es gegen die gesellschaftlichen Notwendigkeiten läuft, und unterstützen deshalb in den genannten Feldern Ihre Politik nicht. Wir tragen die geplanten Kürzungen bei der Jugendberufshilfe nicht mit und stellen hier einen Änderungsantrag, der über den CDU-Antrag hinausgeht, ebenso wie bei der Sportförderung und bei Beratungsleistungen im Seniorenbereich.
Diese Aufzählung ließe sich fortsetzen. Ich erwähnte eingangs, dass es gerade im Sozialbereich oftmals im Verhältnis zu anderen Mittelansätzen die kleineren Positionen sind, um die es geht, aber mit großen negativen Auswirkungen, wenn sich das Land Thüringen dort aus seiner Verantwortung zurückzieht. Die vorgesehenen Kürzungen im Sozialbereich werden den Haushalt nicht sanieren, dafür aber viele Leistungen infrage stellen, die bisher direkt am Bürger erbracht werden konnten. Wir halten das für den falschen Weg, meine Damen und Herren.
Werte Kollegen, aus dem Genannten wird deutlich, dass die beiden Oppositionsfraktionen hier im Hause ähnliche inhaltliche Schwerpunkte verfolgen. Ich will auch klar sagen, dass uns das in der Richtung bestärkt. Vergleicht man die vorgelegten Änderungsanträge mit denen der CDU, so stellt man fest, dass die CDU entweder den Etat für völlig ausgereizt hält oder nicht gewillt ist, die Landesregierung wesentlich zu korrigieren. Änderungsanträge in Höhe von 1 Mio. € bei einem Haushaltsvolumen von jeweils mehr als
9 Mrd. € sprechen eine eigene Sprache. Darüber können auch Ihre zahlreichen Entschließungsanträge nicht hinwegtäuschen.
Dass allein der Verzicht auf die weitere Subventionierung einer Fluglinie im Jahr 2006 mehr als die von der CDU befundene 1 Mio. € bringen würde, scheint die These zu bestätigen, dass es vor allem Ihr mangelnder politischer Wille ist, der Sie hemmt, mehr zu tun.
Werte Kollegen, ich erwähnte die inhaltlichen Übereinstimmungen bei den Änderungsanträgen von Linkspartei.PDS und SPD. In der Deckung der Anträge gibt es Unterschiede. Wohl mag es Gründe für eine optimistischere Prognose bei den Steuereinnahmen in den nächsten Jahren geben, nichtsdestotrotz gibt es aber bekanntlich auch viele Risiken. Das wesentliche Risiko dürfte die wohl seit Jahren anhaltende Schwäche der Binnennachfrage sein. Davon leitend halten wir es für vernünftiger, unsere Deckungen nicht aus möglichen Steuermehreinnahmen darzustellen. Falls es nach der Mai-Steuerschätzung 2006 tatsächlich zu relevanten Mehreinnahmen im Landeshaushalt kommen sollte, meinen wir, dass dann der Thüringer Landtag und nicht die Landesregierung gefragt ist, über die Verwendung der Mittel zu beraten. Wohl favorisieren auch wir, dass ein Gros der möglichen Einnahmen zum Abbau der Nettoneuverschuldung verwandt werden sollte, aber ich meine auch hinreichend skizziert zu haben, auf welchen Politikfeldern dringender Nachholebedarf besteht. Genau darüber muss unserer Auffassung nach der Thüringer Landtag entscheiden. Die Forderung kann also nur sein, in diesem optimistischeren Fall so bald wie möglich einen Nachtragshaushalt dem Parlament vorzulegen.
Die Konsequenzen aus der Einigung im EU-Finanzstreit sprechen übrigens ebenfalls für einen Nachtragshaushalt.
Werte Kollegen, meine Fraktion versucht, ihre Änderungsanträge im Wesentlichen durch echte Einsparungen und ohne Erhöhung der Nettoneuverschuldung darzustellen. Wir wissen dabei sehr wohl, dass unsere Vorschläge diskutierbar, ja strittig sind. Das ist ja auch leicht zu verstehen, denn wir alle wissen, dass Kürzungen in allen Bereichen Probleme verursachen. Wir meinen aber, dass es beispielsweise im Bereich der Technik bei geplanten Gesamtsummen von insgesamt 150 Mio. € Reserven gibt bei den verschiedensten Verwaltungsausgaben wie Öffentlichkeitsarbeit und allgemeinen Geschäftsbedarfen. Wir meinen, dass Investitionen in dieser Haus
haltslage durchaus auf ihre Dringlichkeit hin geprüft werden müssen und keine neuen Experimente wie PPP oder ÖPP durchgeführt werden sollten.
Sie bedeuten für uns nichts anderes als eine weitere Art der verdeckten Verschuldung. Wir meinen, dass insbesondere die mangelnde Transparenz der Landesregierung, was die Landesgesellschaften betrifft, zur Forderung eigentlich zwingend führen muss, die Mittel hier Jahr für Jahr nicht deutlich zu erhöhen wie bei der LEG, sondern auch angemessen an die Haushaltslage für zwei Jahre zu deckeln. Wir schlagen deshalb dort ein entsprechendes Moratorium vor.
Angesichts der Kürzungen im Sozial- und Bildungsbereich ist es eben nicht vermittelbar, dass die einen seit Jahren mit erheblichen Mittelkürzungen leben müssen, während andere seit Jahren deutliche Mittelaufwächse erhalten. Dieses und die kritische Darstellung der weiteren Verbindlichkeiten im Landeshaushalt und in den Sondervermögen war übrigens Ziel unserer Anträge für einen umfassenden Kassensturz. Ich hoffe, Sie erinnern sich noch. Wir müssen feststellen, dass diese Landesregierung nicht mehr in der Lage ist, aus eigener Kraft einen umfassenden Kassensturz durchzuführen, weil man sich im eigenen Netz des Verschleierns verfangen hat.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch wenn die Spielräume eng sind, es gibt Spielräume. Um diese Spielräume zu nutzen ist vor allen Dingen eine Politik nötig, die Handlungsspielräume als Erstes zu erweitern versucht, und nicht durch die Aushebelung von Sozialgesetzen, sondern vor allem durch eine gerechtere Steuer- und Finanzpolitik auf Bundes- und Landesebene. Es ist eine Politik nötig, die die Arbeitsmarktpolitik des Landes weiterentwickelt, anstatt sie platt zu machen. Es ist eine Politik nötig, die Bildungs- und Sozialpolitik als originäre Zukunftsfelder begreift und von Kürzungen dort absieht. Dazu gehören dann auch Strukturreformen im Sinne einer Funktional- und Vewaltungsreform einschließlich einer Gebietsreform, die schnell angegangen werden müsste und so Kosten sparen helfen könnte. Dazu gehört natürlich der Verzicht auf weitere Prestige- und fragwürdige Großprojekte sowie zweifelhafte Finanzierungen. Und es gehört letztens dazu ein anderer Umgang mit den Menschen in Thüringen, ein Umgang, der die Menschen und ihre Bereitschaft mitnimmt und Abstand nimmt von selbstherrlicher und selbstgerechter Verkündungspolitik.
Werte Kollegen der CDU-Fraktion, an Ihnen liegt es, ob es nun noch wesentliche Korrekturen im Sinne der
aufgezeigten Defizite und Fehlentwicklungen geben wird. In diesem Sinne appelliere ich abweichend von meiner eingangs befürchteten Äußerung an Sie, unseren Änderungsanträgen zuzustimmen. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, nach dem Studium des Doppelhaushalts 2006/2007 und dessen Beratung im Haushalts- und Finanzausschuss kann ich nur sagen: Top Thüringen. Dabei meine ich nicht den Werbeslogan der CDU, in „Top“ steht „t“ für totale Überschuldung, „o“ für orientierungsloses Streichkonzert und „p“ für phantasievolles Vertuschen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich diese Aussage begründen. Fangen wir mit „t“ an, mit der totalen Überschuldung.
Obwohl der Freistaat heute schon 15 Mrd. € offizielle Schulden hat, packt die Landesregierung in den nächsten beiden Jahren noch einmal fast 2 Mrd. € obendrauf. Kein Bundesland nimmt in diesem Jahr mehr neue Schulden auf als Thüringen.
Das setzt sich in den Jahren 2006 und höchstwahrscheinlich auch 2007 fort. Herr Ministerpräsident, Sie sind der Schuldenkönig der neuen Bundesländer.
Politik an Wahlperioden ausgerichtet, die unpopuläre Entscheidungen bis nach wichtigen Wahlterminen vor sich her schiebt und auch danach nicht trifft, Wahlgeschenke in Milliardenhöhe, Beteiligung an der Bundesratsblockade, am Subventionsabbau und Schlampereien bei der Verwaltung und Verwendung der Steuermittel der Bürger - ich nenne hier nur die Stichworte Spielbankvertrag, Fördermittelverschwendung für Hotelneubauten und Spaßbäder oder den Bau von Glaspalästen für eine schrumpfende Landesverwaltung -
das alles spiegelt sich derzeit in der Kreditaufnahme wider. Für all diese Dinge kann man die rotgrüne Bundesregierung nicht verantwortlich machen, Herr Ministerpräsident, das ist Ihre Verantwortung.
Meine Damen und Herren, die offizielle Verschuldung ist aber nur die Spitze des Eisbergs. Über Jahre hinweg wurden zweifelhafte alternative Finanzierungsmodelle angewandt, deren Vorteile bis heute nicht bewiesen sind. Haben Sie wirklich keinen Vorteil? Doch, natürlich, für die Landesregierung. Die rund 800 Mio. € alternativen Schulden stehen nicht so im Blickpunkt des Interesses wie die Schulden auf dem Kreditmarkt. Die Jahresraten werden auch noch komplett als Investitionen abgerechnet und erhöhen somit wiederum den neuen Kreditrahmen. An die Aussage des damaligen Finanzministers, Herrn Trautvetter, dass im Hinblick auf die Erhaltung der Finanzierbarkeit künftiger Haushalte die Summe der jährlichen Belastungen aus alternativen Finanzierungen 100 bis 120 Mio. DM nicht überschreiten sollte, erinnert sich ohnehin heute kaum jemand. Die 120 Mio. DM oder heute 60 Mio. € sind übrigens im Jahr 2007 erreicht. Was brauchen wir dann noch Pilotprojekte für PPP, der neu entdeckten Form der alternativen Verschuldung? Dazu kommen Eventualverbindlichkeiten mit dem klangvollen Namen „Patronatserklärungen“ und Bürgschaften. Dazu kommen die sich in Zukunft dramatisch entwickelnden Pensionsverpflichtungen des Landes, die bewusst und mit Kalkül eingegangen wurden, weil Verbeamtung als kurzfristiges Sparinstrument benutzt wurde. Es fehlen in der Aufzählung auch noch die Sondervermögen, die ja nur Sonderschulden sind. Top Thüringen, „t“ - für total überschuldet.
Und dann erinnert mich das Handeln der Landesregierung an meine Tätigkeit nach der Wende. Im Waltershäuser Rathaus war eine technische Kraft angestellt, welche am Tag der Gehaltszahlung in einer nahe am Marktplatz gelegenen Kneipe eine Runde nach der anderen ausgab, weil der Monatslohn sowieso nicht zum Rückzahlen der aufgelaufenen Schulden reichte. Genauso war das mit dem CDU-Wahlgeschenk, der Abschaffung der Wasserbeiträge.
Meine Damen und Herren, inzwischen ist das eingetreten, was die SPD-Fraktion immer vorhergesagt hat und was Sie, meine Damen und Herren von CDU-Fraktion, vehement bestritten haben, ein Zweckverband nach dem anderen muss infolge Ihres
Gesetzesbeschlusses seine Wassergebühren erhöhen. Der Wasser- und Abwasserzweckverband Gotha und Landkreisgemeinden musste Kredite in Höhe von insgesamt 17 Mio. € aufnehmen, um der von Ihnen geschaffenen Rückzahlungsverpflichtung nachzukommen. Die Folge: Die Wassergebühren steigen rückwirkend zum 01.01. dieses Jahres um 39 Cent pro Kubikmeter; das sind 20 Prozent mehr als bisher. Die Banken werden es Ihnen danken, Herr Ministerpräsident, sie sind die Gewinner. Die Banken machen durch Ihre Politik Geschäfte wie im Nachfrageboom kurz nach der Wende. Verlierer aber sind die Mieter in Thüringen.
Meine Damen und Herren, so wie bei den Problemen im Abwasser-/Wasserbereich haben Sie, hat die CDU in Thüringen, alle Schwierigkeiten im Freistaat mit Geld zugekleistert. Schließlich sollte zunächst der Abgang von Herrn Dr. Vogel glücken, dann musste der Ministerpräsidentensessel verteidigt werden, anschließend folgte die Bundestagswahl. In der TLZ vom Montag wird aus einer Untersuchung des Kieler Instituts für Weltwirtschaft zitiert. Frau Präsidentin, ich zitiere mit Ihrer Zustimmung: „Von den neuen Bundesländern haben die Thüringer zwischen 2000 und 2004 die höchsten Finanzhilfen vergeben.“ Da wurde halt das Geld mit vollen Händen ausgegeben.
Meine Damen und Herren, die große Koalition in Berlin bietet endlich die Chance, den Blick auf die Thüringer Probleme und Versäumnisse zu konzentrieren. Es wird Ihnen schon bald sehr schwer fallen, wie in der Vergangenheit die Bundesregierung für die hausgemachten Thüringer Probleme verantwortlich zu machen. Jetzt heißt es
für die Thüringer CDU, Farbe zu bekennen. Mich persönlich hat gefreut, dass die CDU mit diesem Koalitionsvertrag steuerpolitisch endlich zur Vernunft gekommen ist.