Protocol of the Session on September 15, 2005

Aus der Bestandserhebung der Deutschen Bundesbank zu Direktinvestitionen vom Mai 2005 geht hervor, dass im Jahr 2003 in Thüringen die bundesweit geringsten unmittelbaren und mittelbaren ausländischen Direktinvestitionen zu verzeichnen waren. Von insgesamt über 306 Mrd. € ausländischer Direktinvestitionen in Deutschland hatte Thüringen nur einen Anteil von 1,11 Mrd. €. Es rangierte damit weit abgeschlagen hinter Sachsen (1,75 Mrd. €), Brandenburg (1,827 Mrd. €) und Mecklenburg-Vorpommern (2,085 Mrd. €).

Ich frage die Landesregierung:

1. Worin sieht die Landesregierung die Gründe für die im Vergleich mit anderen Bundesländern offenbar geringere Attraktivität des Freistaats für ausländische Direktinvestoren, die sich in dieser Platzierung ausdrückt?

2. Wie will die Landesregierung erreichen, dass ausländische Investoren stärker als bisher in Thüringen investieren?

Es antwortet Minister Reinholz.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Mündliche Anfrage des Herrn Abgeordneten Hausold beantworte ich für die Thüringer Landesregierung wie folgt.

Gestatten Sie mir dazu jedoch zunächst eine Vorbemerkung: Um die finanziellen Verflechtungen zwischen den deutschen und den ausländischen Unternehmen in einer Gesamtbilanz darzustellen, gibt die Deutsche Bundesbank jährlich die Veröffentlichung „Kapitalverflechtung mit dem Ausland“ heraus. Statistisch erfasst werden dort die deutschen Direktinvestitionen im Ausland und die ausländischen Direktinvestitionen in Deutschland. Für interne Zwecke wird zudem eine Statistik angefertigt, in der die

Aufteilung der ausländischen Direktinvestitionen auf die deutschen Bundesländer dargestellt wird und die dieser Mündlichen Anfrage offenbar zugrunde liegt.

Auf Nachfrage räumt die Deutsche Bundesbank ein, dass der Modus, der zur Berechnung der Direktinvestitionen in den deutschen Bundesländern verwendet wird, zwar den erforderlichen statistischen Grundsätzen und Methoden entspricht, jedoch zu erheblichen Verzerrungen führen kann. Dies ergibt sich u.a., da

- erstens ausländische Direktinvestitionen in den Bundesländern ausgewiesen werden, wo das Unternehmen seinen Hauptsitz hat,

- zweitens die Berechnungsmethode nicht nur die ausländischen Kapitalbeteiligungen, sondern auch die betriebswirtschaftlichen und bilanztechnischen Prozesse widerspiegelt,

- drittens in der vorliegenden Statistik absolute Zahlenwerte ausgewiesen werden, die zum Vergleich von Standorten natürlich ungeeignet sind - betrachtet man die ausländischen Investitionen pro Kopf, rangiert Thüringen übrigens vor Sachsen -, und

- viertens nicht die tatsächlichen Transaktionen, z.B. Investitionen in neue Fertigungsstätten, sondern nur finanzielle Transaktionen aufgezeigt werden.

Die vorliegende Aufteilung der Direktinvestitionen auf die einzelnen Bundesländer ist aus verschiedenen Gründen somit untauglich, wenn es darum geht, innerdeutsche Vergleiche zur Attraktivität der einzelnen Bundesländer oder bestimmter Standorte für Investoren vorzunehmen. Daher sieht die Bundesbank auch davon ab, diese Statistik in der oben erwähnten jährlichen Publikation selbst zu veröffentlichen.

Nun zu Frage 1: Die Landesregierung sieht im Vergleich mit anderen Bundesländern keine geringere Attraktivität des Freistaats Thüringen für ausländische Direktinvestitionen. In Thüringen ist bereits eine erhebliche Anzahl ausländischer Investoren tätig. Der Landesregierung sind allein 242 Unternehmen in Thüringen bekannt, an denen ausländische Unternehmen oder Personen ganz oder teilweise beteiligt sind. Durch diese ausländischen Beteiligungen wurden rund 30.000 Arbeitsplätze neu geschaffen oder gesichert. Der in der Vorbemerkung erwähnte Grundsatz, dass ausländische Direktinvestitionen in dem Bundesland ausgewiesen werden, in dem das Unternehmen seinen Hauptsitz hat, führt u.a. dazu, dass alle Investitionen, die General Motors über die Adam Opel AG in Deutschland vornimmt, dem Bundesland Hessen angerechnet werden, selbst wenn sich das entsprechende Montagewerk in Eisenach

und damit im Freistaat Thüringen befindet. Eine der wichtigsten ausländischen Investitionen in Thüringen wird damit statistisch gar nicht dem Freistaat Thüringen zugerechnet, sondern dem benachbarten Bundesland Hessen. Die Landesregierung geht deshalb davon aus, dass durch den geschilderten und andere ähnlich gelagerte Fälle ausländische Investitionen in Thüringen in Höhe von mehreren hundert Millionen Euro verschleiert sein können.

Zu Frage 2: Die Landesregierung wird das Thüringenmarketing auch zukünftig mit allem Nachdruck vorantreiben mit dem Ziel, den Bekanntheitsgrad Thüringens weiter zu erhöhen und ein positives Image vom Wirtschaftsstandort zu vermitteln. Nur ein professionell geführtes Thüringenmarketing schafft letztlich die Voraussetzungen dafür, dass Thüringen als Standortalternative bei international tätigen Unternehmen in Standortentscheidungsprozessen einbezogen wird. Die Landesregierung wird darüber hinaus auch alle politischen Kontakte auf internationaler Ebene nutzen, um auf den Standort aufmerksam zu machen und potenzielle Investoren weiterhin gezielt anzusprechen. Danke.

Danke. Gibt es Nachfragen? Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur letzten Mündlichen Anfrage für heute der Abgeordneten Jung, Fraktion der Linkspartei.PDS, in Drucksache 4/1161.

Schreiben der Flughafen Erfurt GmbH an am Flughafen Erfurt ansässige Reisebüros

In einem Schreiben vom 25. Juli 2005 teilt der Geschäftsführer der Flughafen Erfurt GmbH, Herr Gerd Ballentin, den im Erfurter Flughafen ansässigen Reisebüros u.a. Folgendes mit: „Ansässige Unternehmen, die nicht auch im wirtschaftlichen Interesse der Flughafen Erfurt GmbH tätig werden oder sind, sollten ihre Räumlichkeiten am Flughafen Erfurt aufgeben, um anderen Büros die Möglichkeit zu bieten, einen Beitrag zur Standortsicherung zu leisten.“

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie bewertet die Landesregierung die Art und Weise des Umganges mit anderen Unternehmen, die am Erfurter Flughafen als Mieter ihrer Geschäftstätigkeit nachgehen? 2. Wie gedenkt die Landesregierung derartige wie das oben genannte Schreiben des Geschäftsführers der Flughafen Erfurt GmbH, welches in unzulässiger Art und Weise in das operative Geschäft anderer Unternehmen einzugreifen versucht, zukünf

tig zu unterbinden oder ist die Landesregierung der Auffassung, dass das Vorgehen korrekt war, wenn ja warum?

3. Hat die Landesregierung Kenntnisse darüber, ob in den Mietverträgen der Reisebüros eine Quote vorgegeben wurde, wie viele Reisen sie verkaufen müssen, bei denen Erfurt An- und Abflughafen ist, wenn ja, wie bewertet sie das?

4. Wie bewertet die Landesregierung die Tatsache, dass der Geschäftsführer mit oben genanntem Schreiben zwar Druck auf die Reisebüros ausübt, scheinbar jedoch nicht in der Lage ist, neue Zielgebiete zu erschließen oder wenigstens schon mal bestehende Destinationen zu sichern?

Es antwortet Staatssekretär Dr. Spaeth.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten!

Zu Frage 1: Der Landesregierung sind keine Umstände bekannt, die den Umgang der Geschäftführung mit den am Flughafen ansässigen Unternehmen als negativ erscheinen lassen.

Zu Frage 2: Der Geschäftsführer der Flughafen Erfurt GmbH trägt die Verantwortung für eine möglichst hohe Auslastung des Flughafens. Es ist daher nachvollziehbar, dass er vorzugsweise Mieter auswählt, die auch zu einer Kooperation im Interesse einer hohen Auslastung des Flughafens Erfurt bereit sind. Für den Abschluss der Mietverträge besteht für die Vertragspartner kein Kontrahierungszwang. Zudem unterliegt der Abschluss der Mietverträge mit den am Flughafen ansässigen Reisebüros nicht der Zustimmung des Aufsichtsrats oder der Gesellschafterversammlung.

Zu Frage 3: Nein.

Zu Frage 4: Hierfür liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor.

Gibt es Nachfragen? Abgeordneter Lemke, bitte.

Herr Staatssekretär, zu Frage 1 haben Sie gesagt, Ihnen liegen keine Erkenntnisse vor. Die Kollegin Jung hat doch ganz klar auf ein Schreiben verwiesen. Haben Sie sich bemüht, dieses Schreiben ein

zusehen? Wenn ja, was konnten Sie daraus entnehmen, wenn nein, warum nicht?

Ich habe doch geantwortet, der Landesregierung sind keine Umstände bekannt, die den Umgang mit der Geschäftsführung als negativ mit den dort ansässigen Unternehmen erscheinen lassen.

Das war nicht meine Frage. Ich habe Sie gefragt, ob Sie sich bemüht haben, dieses Schreiben einzusehen, ja oder nein?

Wir haben das Schreiben gelesen, wenn Sie das nicht hören wollten, kann ich es nicht ändern.

Damit ist der Disput beendet. Die zweite Frage.

Zweite Frage: Sie sprechen von einer Mieterauswahl. Es geht nicht darum, neue Mieter auszuwählen, es geht dort darum, ansässige Mieter werden durch dieses Schreiben mehr oder weniger in ihrer Geschäftstätigkeit beeinflusst, das heißt, sie werden genötigt, Flugreisen ab Erfurt zu verkaufen. Ist Ihnen das aus diesem Schreiben so hervorgegangen, ja oder nein?

Nein.

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Ja, ja, ist in Ordnung, das ist nicht nur einmal passiert!)

Das wäre jetzt eine nächste Nachfrage. Gibt es aber weitere Nachfragen? Das ist nicht der Fall.

Dann beende ich die Fragestunde, Tagesordnungspunkt 19, und rufe auf den ersten Teil des Tagesordnungspunkts 20

Aktuelle Stunde

a) auf Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „Thüringer Ergebnisse aus der am 14. Juli 2005 veröffentlichten PISA-E-Studie“ Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 4/1086 -

Als Erster hat sich zu Wort gemeldet Abgeordneter Dr. Krause, CDU-Fraktion. Möchten Sie zuerst, Herr Minister? Dann bitte, haben Sie, Herr Minister, das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Veröffentlichung der Ergebnisse der Ergänzungsstudie PISA-E 2003 war zunächst für heute, den 15. September 2005, vorgesehen, 9 Monate nach Vorlage der Ergebnisse des internationalen Vergleichs; wenn Sie so wollen, eine doppelte Aktualität des Themas. Wegen der politischen Bedeutung des innerdeutschen Vergleichs haben sich jedoch die Kultusministerkonferenz und das PISA-Konsortium auf ein geteiltes Verfahren der Ergebnisveröffentlichung geeinigt. Am 14. Juli wurden zunächst zentrale Ergebnisse des Ländervergleichs vorgestellt; für den 3. November ist eine ausführliche Darstellung der umfangreichen und differenzierten Befunde sowie gegebenenfalls auch schulartübergreifende Analysen vorgesehen. Die Schüler aus den unionsgeführten Ländern Bayern, Sachsen, Baden-Württemberg und Thüringen, um dieses Ergebnis vorwegzunehmen, schnitten in der Bildungsstudie PISA-E erneut am besten ab. Bayern hat inzwischen Anschluss zur Weltspitze erreicht; Sachsen, BadenWürttemberg und unser Freistaat Thüringen sind auf dem Weg dorthin.

Meine Damen und Herren, es hat sich gezeigt, Bildung ist keine Vision, sondern eine Aufgabe, und um ihr gerecht zu werden, müssen wir verstärkt Qualitäts- und nicht Strukturdebatten führen. Wir müssen auf Bewährtes setzen und bewährt hat sich die Bildungspolitik der genannten Länder.

(Heiterkeit Abg. Döring, SPD)

Wir in Thüringen setzen bewusst auf Eigenverantwortung und Eigeninitiative mit Begleitung und Unterstützung. Sie können die Ergebnisse, Herr Kollege Döring, schlicht nicht wegdiskutieren. Unser Leitziel ist es, den Schulen den Rahmen zu geben, sich Qualitätsentwicklung, Qualitätssicherung und Qualitätskontrolle als Maßstab für eine eigenverantwortliche Entwicklung bewusst zu machen.

(Zwischenruf Abg. Döring, SPD: Das glaubt doch kein Mensch.)