Protocol of the Session on September 9, 2004

(Beifall bei der PDS)

Wir werden dahin gehend aktiv werden und Vorschläge unterbreiten.

Kommen wir zum Thema "Studiengebühren": Zwar hat der Ministerpräsident seinen Superminister mittlerweile zurückgepfiffen und Studiengebühren bis 2009 ausgeschlossen, dennoch hat die Einführung von Gebühren für Langzeitstudierende diese Tür, ein Stück jedenfalls, geöffnet. Mit uns wird es keine Studiengebühren geben. Studierende müssen in die Lage versetzt werden, ohne Nebenjobs ihr Studium zügig absolvieren zu können.

(Beifall bei der PDS)

Bei den wirtschaftsnahen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen, den Schnittstellen zwischen Grundlagenforschung, angewandter Forschung und Produktentwicklung, wurden immer wieder Mittel gekürzt. Und auch die eingesetzte Expertenkommission hat an mancher Einrichtung teilweise vernichtende Kritik geübt. Mit Ihrem Weg in der Vergabe von Fördermitteln, was zu heftiger Kritik seitens des Chefs der IHK Erfurt, Herrn Chrestensen, führte, wird der wichtigen Verzahnung von Innovation und Unternehmertum erneut das Wasser abgegraben. Was Sie machen, ist reine Subventions-, aber keine Investitionspolitik. Sie haben nicht begriffen, dass die Schaffung langfristiger Arbeitsplätze nur über Innovation zu leisten ist. Wir werden deshalb Vorschläge für die Fortführung der vorhandenen Programme unterbreiten mit dem Ziel einer besseren Verzahnung von Gründerzentren und Wirtschaftseinrichtungen.

Zum Thema "Denkfabrik" sei nur verwiesen auf das Medienapplikations- und Gründerzentrum Erfurt. Die alte Landesregierung hat sich bei jeder Gelegenheit mit dieser Einrichtung als Prestigeobjekt und Nonplusultra geschmückt. Klammheimlich stiehlt man sich Schritt für Schritt von der Realisierung des Zentrums zurück. Erst wurde eine abgespeckte Variante präsentiert und nun musste der Baubeginn endgültig verschoben werden. Etwa weil Parteifreunde

zu nah daran wohnen? Oder ist kein Geld mehr da? Das ist wirklich "denkste" in der Denkfabrik. Die Wirkung solcher Politik führt dazu, dass man sich nicht darauf verlassen kann.

Die Wirkung von starren Langzeitfinanzierungsverträgen, Hochschulen, Theatern, heißt Sterben auf Raten, wie man es am Beispiel von Theatern und Orchestern sieht. Sie haben in Thüringen zwar mit dem Land Finanzierungsverträge bis 2008 geschlossen, was aber Grundprobleme nicht lösen wird. Wir brauchen hier völlig neue Ansätze. Stichworte dazu sind: solidarische Finanzierungsmodelle durch Einbeziehung der umliegenden Gebietskörperschaften. Es ist Zeit, dass alle Strukturen, die so finanziert werden, grundhaft auf den Prüfstand gestellt werden. Mit dem "Weiter so" schaffen wir die Zukunft nicht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der PDS)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich komme zur Sozialpolitik. Armut breitet sich aus. Schlaglichtartig nur diese Zahlen: Jeder 43. Thüringer, jedes 16. Kind ist zurzeit sozialhilfeabhängig. Tatsache ist auch, dass jeder achte Haushalt in Thüringen vermögenslos ist oder Schulden hat, bei Haushalten junger Menschen sogar jeder fünfte Haushalt. Mit der Einführung von Hartz IV werden von den jetzigen ca. 140.000 Arbeitslosenhilfebezieherinnen und -beziehern nur noch ca. 80.000 überhaupt Anspruch auf das Arbeitslosengeld II haben, davon betroffen sind zwei Drittel Frauen. Armut hat ein Gesicht und ist weiblich. Merken Sie das gar nicht, Herr Ministerpräsident, dass Sie diese Menschen mit Ihren Äußerungen in Ihrer Regierungserklärung diffamieren, diskriminieren, ja sogar beleidigen?

(Beifall bei der PDS)

Hartz IV ist nicht nur unsozial, sondern auch volkswirtschaftlich kontraproduktiv, da die Binnennachfrage nachhaltig geschwächt wird. Es ist an der Zeit, eine bedarfsorientierte soziale Grundsicherung einzuführen, die ein menschenwürdiges Leben für alle Menschen in diesem Land garantiert. Nach unseren Vorstellungen müssen diejenigen einen Anspruch darauf haben, die über kein eigenes oder zu geringes Einkommen verfügen. Es dürfen keine Abhängigkeiten zwischen Mann und Frau oder innerhalb der Familie bei Inanspruchnahme eines solchen Grundrechts entstehen. Wir fordern deshalb die eigenständige Existenzsicherung für Frauen sowie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Insbesondere die in Hartz IV verankerte Verschärfung der Anrechnung des Partnereinkommens muss sofort aufgehoben werden.

(Beifall bei der PDS)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie ist es nun um die Gleichstellung von Frauen und Männern beschaffen? Ich könnte sagen nach der Regierungserklärung: Alter Schwede. Welches Signal setzt die Landesregierung mit der Entwertung des Amts der Gleichstellungsbeauftragten? Hoffen Sie auf keine allzu große Einmischung der Amtsinhaberin in Arbeitsmarkt und Wirtschaftsbelange mehr? Da wäre es notwendig, Akzente für Gleichberechtigung der Geschlechter zu setzen. Es ist schon jetzt abzusehen, dass sich Frau Arenhövel einem vorsintflutlichen Familienbild verschrieben und sich von der Gleichstellungspolitik verabschiedet hat. Hier hat wohl auch das 19. Jahrhundert Pate gestanden.

(Beifall bei der PDS)

Anstatt einen modernen, zeitgemäßen Familienbegriff zu befördern, führt die Ökonomisierung aller Lebensbereiche lediglich zur zunehmenden Versinglelung der Gesellschaft. Immer mehr Frauen entscheiden sich für weniger oder gar keine Kinder und immer mehr junge Frauen wandern aus Thüringen ab. Dagegen setzen wir eine Politik der Gleichberechtigung aller Lebensweisen und tatsächliche Unterstützung des Zusammenlebens mit Kindern. Kinder dürfen nicht länger ein Armutsrisiko sein, sondern sie müssen zur spürbaren Bereicherung des Lebens werden. Und ob Menschen sich für oder gegen einen Trauschein entscheiden, ob sie in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft zusammenleben wollen oder ob sie mit und ohne Kinder leben möchten, muss allein deren Entscheidung sein und darf nicht zu Benachteiligungen führen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der PDS)

Die Politik hat hierzu lediglich für stabile Rahmenbedingungen zu sorgen. Ziel muss eine gleichberechtigte, kinderfreundliche Gesellschaft sein, in der Menschen bis zu ihrem Lebensende zusammenbleiben können, wenn sie das wollen. Wenn wir von Gleichberechtigung reden und handeln wollen, dann betrifft dies auch Menschen mit Behinderungen, denen ein Gleichstellungsgesetz schon längst zusteht.

(Beifall bei der PDS)

Herr Ministerpräsident, von den heftigen Protesten gegen Hartz IV gab es berechtigte Proteste der Bürgerinnen und Bürger gegen die Kommunalabgabenpolitik der bisherigen Landesregierung. Die bisherige CDU-Kommunalabgabenpolitik ist gescheitert. In der Kritik stehen insbesondere die Erhebung von Wasser- und Abwasserbeiträgen. Die Struktur der kommunalen Aufgabenträger, der Wasser- und Abwasserentsorger mit über 170 Zweckverbänden und Aufgabenträgern, ist uneffektiv. Aber wer hat sie ge

schaffen, wer hat sie zugelassen? Die sind doch nicht vom Himmel gefallen. Da war doch die Landesregierung beteiligt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der PDS)

Zumindest ein vorübergehender Minister war sehr aktiv in der vielfältigen Gründung all dieser Verbände. Die notwendige Transparenz der Arbeit der Zweckverbände und die Bürgerbeteiligung sind nicht durchgängig gewährleistet. Es geht um die Vereinfachung der Strukturen, die Überprüfung sämtlicher Investitionen auch und gerade angesichts der demographischen Entwicklung in Thüringen. Es muss doch gefragt werden, ob all der geplante Beton noch gebraucht wird.

(Beifall bei der PDS)

Herr Althaus, wir warten auf die Umsetzung des von Ihnen angekündigten Paradigmenwechsels. Sie stehen in der Tat hier im Wort, Ihre Ankündigungen auch zügig umzusetzen und nicht erneut - wie 1994 und 1999 als CDU-Wahlversprechen - anschließend zu brechen. Was die PDS angeht, so berücksichtigt unser Gesetzentwurf, den wir eingebracht haben, die bisherige Rechtsprechung. Bei Ihrem Gesetzentwurf sehen wir derzeit noch einen dringenden Überarbeitungsbedarf wegen unkalkulierbarer Risiken. Wir gehen den Weg mit, Beiträge im Trinkwasserbereich abzuschaffen. Es muss aber auf gesicherter Basis stattfinden und unsere Forderung geht weit darüber hinaus, auch bei Abwasser diesen Weg zu gehen. Aber eines ist klar: 170 Zweckverbände sind mindestens 140 oder 150 zu viel, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der PDS)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, infolge der gescheiterten Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik zählen die Thüringer Kommunen zu jenen mit der geringsten Steuerkraft in der Bundesrepublik. Hierfür tragen der Bund und das Land gleichermaßen die Verantwortung. Trotz intensiver Konsolidierungsanstrengungen durch die Kommunen sind diese kaum noch in der Lage, ihre Aufgaben sachgerecht zu erfüllen. Die kommunalen Investitionen sind rückläufig, wodurch zunehmende Defizite in der kommunalen Infrastruktur entstehen. Ohne grundsätzliche Gemeindefinanzreform, die den Thüringer Kommunen mehr eigene Steuereinnahmen endlich sichert, wird die kommunale Selbstverwaltung nicht im erforderlichen Maße mehr zu gestalten sein.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Aber auch die innere Struktur des Finanzausgleichs ist nicht mehr zeitgemäß. Das betrifft sowohl die Verteilung und Berechnung der Schlüsselzuweisungen

als auch den hohen Grad der Zweckbindung von Mitteln. Ein ungelöstes Problem bildet auch die Finanzierung der Auftragskostenpauschale. Bei allem Sparzwang: So lange keine grundsätzliche Reform der Kommunalfinanzen auf den Weg gebracht wird, ist jede Kürzung der Landesmittel für die Kommunen für uns nicht diskussionsfähig.

(Beifall bei der PDS)

Die Ankündigung der Landesregierung, im Nachtragshaushalt 34 Mio.   )  * zen, ist aus unserer Sicht ein klarer Bruch ihrer Wahlversprechen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Länger referieren ließe sich auch über das Verhältnis der CDU zur Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger. Dieses wird besonders bei der Mitbestimmung in der Verwaltung und bei der Mitbestimmung in den Kommunen deutlich. In der letzten Legislaturperiode hat die CDU-Mehrheit die Thüringer Kommunalordnung zweimal geändert, doch die Änderungen sichern weder gleiche Marktchancen für kommunale Unternehmen noch wirkliche Möglichkeit zur Bürgerbeteiligung.

(Beifall bei der PDS)

Eine Vielzahl von Bürgerbegehren scheiterte an den unsinnigen Anforderungen und am so genannten Negativkatalog. Die Bürgerbegehren müssen so gestaltet sein, dass sie wirklich Wirkung entfalten und nicht, wie im Negativkatalog derzeit festgeschrieben, dass sie fast alles ausschließen und damit ein Bürgerengagement zum Scheitern bringen. Hier wird demokratisches Umsteuern dringend notwendig.

(Beifall bei der PDS)

Deshalb sind aus unserer Sicht im Kommunalwahlrecht drei Dinge zu regeln: der Ausschluss der so genannten Scheinkandidaturen durch Bürgermeister und Landräte, die Reduzierung des Wahlalters auf 16 und die Streichung der Fünf-Prozent-Sperrklausel. Das wäre mutig ein Schritt in Richtung Demokratisierung.

(Beifall bei der PDS)

Haben Sie, meine Damen und Herren von der CDU, wirklich so viel Angst vor dem Volk? Wenn ich mir die mittlere Sitzreihe so anschaue, sage ich, ja.

(Beifall bei der PDS)

Diese Frage haben wir uns oft gestellt. Vielleicht lautet die Antwort wirklich ja, sonst würde die Straße

vor diesem Saal ja nicht für viel, viel Geld tiefer gelegt. Die Köpfe scheinen gestört zu haben, die ab und zu hier hereingeschaut haben und dann Menschen ins Gesicht geschaut haben. Jetzt geben wir Geld aus, um solche Straßen abzureißen, einen Fußweg wieder auszubauen und dann eine Prachtstraße tiefer zu legen. Ich glaube, das ist Geldverschwendung der größten Größenordnung. Jedenfalls sind wir in Bezug auf kommunale Mitbestimmung von bayerischen Verhältnissen, auf die Sie sich ja in anderen Zusammenhängen immer gerne berufen, meilenweit entfernt. Wer auf kommunaler Ebene eine tatsächliche Bürgerbeteiligung will, muss hier endlich dringend nachbessern. Die PDS steht für mehr Bürgerbeteiligung und wird dementsprechend bis in den Landtag hinein die Initiativen ergreifen, aufnehmen und unterstützen.

(Beifall bei der PDS)

Meine Damen und Herren, eines der wichtigsten und vor allem in seiner Wirkung nachhaltigsten Reformvorhaben auf kommunaler Ebene ist die Gestaltung der Landesplanung bzw. der Verwaltungs- und Funktionalreform sowie die Gebietsreform. Jedoch gerade die jüngsten Diskussionen zum Landesentwicklungsplan hinsichtlich der Bestimmung der Oberzentren und der Diskussion zu den Katasterämtern belegen die Konzeptionslosigkeit dieser Landesregierung.

(Beifall bei der PDS)

Bei Oberzentren habe ich mir überlegt, ob man vielleicht alle Gemeinden über 300 Höhenmeter zum Oberzentrum in Thüringen deklarieren sollte. Bei Katasterämtern hat man das Gefühl, dass die Verlangsamung der Entscheidungen im Vordergrund stand. Die Folge ist ein Behördenchaos und die Entfremdung der Verwaltung von den Bürgern.

(Beifall bei der PDS)

Herr Ministerpräsident, Ihre Regierung verweigert sich damit einer notwendigen Funktional- und Verwaltungsreform und sie blockiert seit Jahren damit die Entwicklung unseres Freistaats. Die PDS fordert einen sofortigen Einstieg in eine Funktional- und Verwaltungsreform, die zumindest endlich diesen Namen verdient hätte.

(Beifall bei der PDS)

Ziel ist es dabei, den Umbau der Verwaltung von der Dreistufigkeit zur Zweistufigkeit zu vollziehen. Das wäre ein mutiger Schritt, tatsächlich eine Verwaltungsebene komplett herauszulösen und die Aufgabenverhältnisse zwischen Land und Kommune neu und effizient zu regeln. "Bürgernah statt bürokratisch"