Protocol of the Session on August 13, 2009

Eines will ich auch noch einmal sagen, glauben Sie mir, meine Damen und Herren auf der Tribüne, diese Fraktion der Mehrheit hätte den Teufel getan, wenn es nicht ernsthafte Mahnungen vonseiten des Gerichts gegeben hätte, doch von ihrem hohen Ross herunterzusteigen. Nur deshalb sitzen wir heute hier, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

(Zwischenruf Abg. Carius, CDU: Das ist Schwachsinn.)

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Das ist lächerlich, Uwe Höhn. Das ist mehr als lächerlich.)

Was mich noch viel mehr ärgert, das ist die Tatsache, dass dieses Parlament für einen populistischen Popanz missbraucht wird, dessen Notwendigkeit weder zeitlich noch juristisch vernünftig begründbar ist.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

(Unruhe CDU)

Sie, meine Damen und Herren, und die Äußerungen, die Sie hier gemacht haben, Herr Kollege Carius, indem Sie die SPD in einen Topf mit der Linkspartei geworfen haben, zeigt doch, dass Sie den Menschen im Land zwei Wochen vor der Wahl vorgaukeln wollen, dass ausgerechnet die CDU, ausgerechnet mit ihrer Vergangenheit als Blockpartei, die einzigen Bewahrer des Erbes der politischen Wende im 20. Jahr danach sei.

(Beifall SPD)

Glauben Sie wirklich, das nimmt Ihnen noch jemand ab? Glauben Sie das wirklich? Vielleicht, wie wäre es denn mit den roten Socken oder irgendwelchen verstaubten Vorhängen? Das hatten wir doch alles schon einmal, meine Damen und Herren. Ich will es noch einmal betonen, falls Sie das vergessen haben, es gibt eine Partei in diesem Hause, die hat keinerlei politische Verantwortung für die Diktatur bis 1989 getragen, und das ist die Sozialdemokratie.

(Unruhe CDU)

Lassen Sie sich das gesagt sein!

(Beifall SPD)

Vor allem, meine Damen und Herren, ich hätte mir wirklich gewünscht, wir hätten ernsthaft und vor allem glaubhaft für die Öffentlichkeit über dieses Thema reden können. Diese Glaubwürdigkeit - und ich sage Ihnen auch eines als Christ, nicht nur Sie sind Christen, es gibt auch in unseren Reihen genügend -, die Wahrhaftigkeit Ihres Handelns haben Sie von der CDU mit dem von Ihnen gewählten Verfahren absolut untergraben. Das bedaure ich sehr. Eines steht unbestritten fest, und ich sage das zum wiederholten Male von dieser Stelle aus, jedenfalls wird das von der SPD nicht bestritten: Die Notwendigkeit einer Überprüfung der Abgeordneten der 5. Legislatur wird von uns nicht in Zweifel gezogen. Da können Sie uns sonst was unterstellen, das bleibt eine Tatsache, meine Damen und Herren.

(Beifall SPD)

(Zwischenruf Abg. Carius, CDU: Lippen- bekenntnis.)

Lassen Sie mich noch eines sagen, und zwar in Richtung der Fraktion DIE LINKE. Wir würden heute vielleicht ganz anders mit diesem Thema umgehen, wenn Sie, Kolleginnen und Kollegen der Fraktion DIE LINKE, sich - nein, nicht dem Landtag wehrend, das ist Wählerwille, das ist Volkeswille - einem freiwilligen Selbstreinigungsprozess unterzogen hätten in den letzten Jahren. Gelegenheiten dazu hatten Sie allemal, die letzte bei der Kandidatenaufstellung

Ihrer Partei. Ich bin da sehr nahe beim Kollegen Jaschke, den ich im Übrigen sehr schätze, wenn er sagt, dass er es unerträglich findet. Ich finde es ebenfalls unerträglich - ich sage das mit aller Deutlichkeit -, dass in diesem Parlament Leute sitzen und möglicherweise wieder sitzen werden, die nachweislich zum Schaden ihrer Mitmenschen in der DDR Spitzeldienste geleistet haben; da ist mir völlig egal, unter welcher Uniform oder welchem Befehl.

(Beifall SPD)

Deshalb, meine Damen und Herren, hat diese Diskussion in Thüringen eine solche Brisanz. Die Verantwortung dafür trägt einzig und allein die Partei DIE LINKE, das will ich Ihnen auch ganz deutlich sagen.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich nun einige Aspekte aufzeigen, mit denen wir von der SPDFraktion zum einen - ich wiederhole mich da gern - eine erneute Überprüfung befürworten, aber den von der CDU gewählten Weg entschieden ablehnen. Da stellt sich die Frage - die wurde von verschiedenen Vorrednern hier schon aufgeworfen -: Wieso eigentlich jetzt? Wieso eigentlich haben Sie, wenn Ihnen das Thema wirklich so wichtig ist, nicht schon zum Beispiel vor einem Jahr die Aktivitäten unternommen? Ihnen war doch klar, meine Damen und Herren von der CDU, die Anhörung hat das doch ganz deutlich gezeigt, die Frage einer möglichen Überprüfung von Abgeordneten gehört zu den Rahmenbedingungen für jemanden, der sich entschließt, für den Landtag zu kandidieren.

(Zwischenruf Abg. Carius, CDU: Für die Abgeordneten, nicht für die Kandidaten.)

Dies sollte er kennen, rechtzeitig davor kennen. Sie können auch nicht während eines Fußballspieles die Abseitsregel ändern, vorausgesetzt, Herr Carius, Sie wissen, was abseits ist.

Deshalb hat die SPD-Fraktion der 3. Legislatur - ich darf Ihnen das gern in Erinnerung rufen - gut ein Jahr vor der damaligen Wahl 2004 die Initiative ergriffen und den Aufschlag gemacht, um das Gesetz damals zu verlängern. Die Initiative ging damals von der SPD aus, falls Sie das vergessen haben.

(Unruhe DIE LINKE)

Nun sagen Sie, der Respekt vor dem Verfassungsgericht durch das anhängige Verfahren habe Sie daran gehindert. Mein Gott, man möge lachen über eine solche Argumentation. Wo war denn beispielsweise der Respekt vor dem Verfassungsgericht, als die Regierung verkündet hat schon weit vor dem Urteil über die 5-Prozent-Hürde bei der Kommunal

wahl, dass man gewillt sei, die Kommunalordnung zu ändern? Die Verkündung war im März, das Urteil war im April. Da hatten Sie auch nicht den entsprechenden Respekt. Wo war denn Ihr Respekt vor dem Souverän?

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Das ist doch gar nicht wahr, das Bundesverfas- sungsgericht hatte vorher entschieden. Du hast doch gar keine Ahnung, Uwe Höhn.)

Das kann ich Ihnen schriftlich nachweisen, Herr Mohring, falls Sie da nicht auf dem Laufenden sind. Am 11. April wurde dieses Urteil zur 5-Prozent-Hürde verkündet.

(Glocke der Präsidentin)

Ihr Regierungschef hat das schon weit vorher hier in diesem Hause kundgetan, dass er das Gesetz ändern will - so viel zum Respekt.

Der zweite Aspekt, wenn wir einmal beim Respekt sind: Wo war denn Ihr Respekt vor dem Souverän, dem Volk, bei dem Verfahren für mehr direkte Demokratie? Meine Damen und Herren, Sie lassen nur Respekt erkennen, wenn es Ihnen in den politischen Kram passt, und das ist allzu durchsichtig.

(Beifall SPD)

Sie sagen, auch wenn niemand mehr seine Kandidatur zurückziehen kann, wenn es jemandem zu heiß wird, wenn er erst jetzt erfährt, dass er überprüft wird, er braucht ja sein Mandat nicht anzunehmen (Originalargumentation aus der öffentlichen An- hörung). Abgesehen davon, dass ich mir ein solch absurdes Argument im Justizausschuss noch nie anhören musste, frage ich Sie doch ernsthaft: Wie gehen Sie denn eigentlich mit dem Mandat um? Wie gehen Sie eigentlich mit dem Status eines Mandats eines Thüringer Abgeordneten um? Das ist doch nicht eine Frage der Beliebigkeit. Aber mal angenommen, ich ließe mich auf Ihre Argumentation ein, wenn wir ein Gesetz in der neuen Legislatur im Oktober beschließen würden, dann könnte er nach Ihrer Lesart ja genauso gut, wenn er ein Mandat innehätte, es zurückgeben. Die Rechtswirkung, meine sehr verehrten Damen und Herren, und das habe ich im Ausschuss auch deutlich gemacht, ist doch die gleiche.

Im Übrigen, Herr Carius, an dieser Stelle darf ich Ihre Berichterstattung korrigieren: Die Ausführungen des Anzuhörenden der Fraktion DIE LINKE hat nicht gezeigt, dass eine Verabschiedung in der 5. Legislatur problematischer wäre als eine in der jetzigen Phase. Nein, ausdrücklich -

(Zwischenruf Abg. Carius, CDU: Sie ha- ben eine verschobene Wahrnehmung, das habe ich nicht gesagt.)

und das können Sie gern dem Protokoll entnehmen -, ich habe, glaube ich, selbst noch einmal darauf aufmerksam gemacht. Auf meine Nachfrage in der öffentlichen Anhörung hat er sowohl eine Beschlussfassung jetzt als auch zu Beginn der neuen Legislatur in Zweifel gezogen. Ich komme noch darauf, wie ich das werte.

Aber das zeigt doch, meine Damen und Herren, wie wenig substanziell Ihre Argumentation an dieser Stelle ist. Und noch etwas...

Abgeordneter Höhn, der Abgeordnete Matschie möchte eine Frage an Sie stellen.

Natürlich, gern.

Herr Kollege Höhn, ich würde gern mal die Frage an Sie richten: Wie würden Sie das interpretieren, dass der Ministerpräsident während dieser Debatte draußen auf der Terrasse in der Sonne sitzt?

Das ist offensichtlich seine Art des Respekts, mit dem Thüringer Landtag, mit dem Parlament umzugehen.

(Beifall SPD)

Das spricht auch für sich, aber wahrscheinlich nicht für ihn.

(Unruhe CDU)

Meine Damen und Herren, es wurde schon von einem meiner Vorredner hier angesprochen: Ist Ihnen denn eigentlich bewusst,...

Fahren Sie fort, Abgeordneter Höhn, in Ihren Ausführungen. Ich bitte um Ruhe, meine Damen und Herren Abgeordneten.

Es wird mir nicht ganz einfach gemacht, aber gut, ich werde damit klarkommen.

Meine Damen und Herren, ein weiterer Aspekt wurde von einem meiner Vorredner schon angesprochen: Ist Ihnen eigentlich bewusst, dass Sie auch mit dem von Ihnen gewählten Verfahren die Wählerinnen und Wähler zur Landtagswahl am 30. August an der Nase herumführen - ist Ihnen das bewusst? Seit Montag dieser Woche befinden wir uns mitten in der Wahlhandlung, seit Montag werden Stimmen abgegeben - Briefwahl heißt im Übrigen das Zauberwort. Und jetzt ändern wir hier ein Gesetz, das die Kolleginnen und Kollegen des nächsten Landtags unmittelbar betrifft - und da sehen Sie kein verfassungsrechtliches Problem? Herr Carius, wo haben Sie denn Jura studiert?

(Zwischenruf Abg. Carius, CDU: Da gibt es überhaupt kein verfassungsrechtliches Problem.)

Es kommt ja noch dicker. Sie sehen in unserem Vorschlag, zu Beginn der neuen Legislatur ein Überprüfungsgesetz zu verabschieden, ein noch größeres verfassungsrechtliches Problem. Wo Sie die Argumentation hernehmen - na gut, ich habe ja wahrgenommen, wer alles in diese Richtung argumentiert hat. Ich will Ihnen mal etwas sagen und Ihnen an dieser Stelle Ihre Erinnerung etwas auffrischen: Die neuen Abgeordneten beschließen ein Gesetz, ich betone ausdrücklich ein Gesetz, sie selbst betreffend, nach ausführlicher Diskussion, von mir aus mit Mehrheit oder wenn ich den Verlautbarungen meines Kollegen von der LINKEN Glauben schenken will, von mir aus auch gemeinsam. Was ist denn an dieser Verfahrensweise verfassungswidrig? Ich weiß, der Anzuhörende der LINKEN sieht auch darin ein Problem. Ich sage ganz offen, das nehme ich in Kauf.