Protocol of the Session on May 7, 2009

(Beifall SPD)

Mir liegen jetzt keine weiteren Redeanmeldungen seitens der Abgeordneten mehr vor. Für die Landesregierung Herr Innenminister Scherer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, mit seinem Urteil vom 23. April 2009 hat das Thüringer Verfassungsgericht die Abschaffung der Wasserbeiträge zum 1. Januar 2005 bestätigt. Damit ist der Nachweis geführt, dass die Entlastung der Thüringer Bürger von unsinnig hohen Beiträgen für Wasserversorgungsanlagen rechtens ist. Die Beiträge bleiben abgeschafft, so wie es auch versprochen war.

Für den Bereich der Abwasserentsorgung hätten wir uns - und ich mir auch - gern ein anderes Ergebnis gewünscht. Hier hat das Gericht deutlich gemacht, dass die Finanzierung von Daseinsvorsorgeleistungen ein schwieriges Thema ist. Genau an dieser Stelle, nämlich der Frage, wie Investitionsaufwand für Strukturaufwendungen bürgerfreundlich refinanziert werden kann, hat der Landesgesetzgeber mit seiner Novelle des Thüringer Kommunalabgabengesetzes im Jahr 2004 angesetzt. Ein wesentliches Anliegen der Gesetzesnovelle war, die Belastung der Bürgerinnen und Bürger an den tatsächlich vorhandenen baulichen Nutzungsverhältnissen auszurichten. Damit haben wir gesetzliches Neuland betreten, genauso wie bei der Abschaffung der Wasserbeiträge, das ist immer ein gewisses Risiko. Schon damals war klar, dass eine reine Gebührenfinanzierung im Abwasserbereich zwar für einzelne Aufgabenträger denkbar ist - es gibt ja auch einzelne Aufgabenträger, die es haben, hat der Herr Kuschel zu Recht angemerkt -, dies aber keine gesetzgeberische Regelungsalternative darstellt. Der Verfassungsgerichtshof hat das jetzt auch so noch mal ausdrücklich bestätigt. Da müssen Sie nicht mit dem Kopf schütteln, Herr Kuschel, da lesen Sie mal die Seiten 42, 43 des Urteils. Da steht es ausdrücklich drin, dass der Verfassungsgerichtshof genau das gesagt hat, worüber wir natürlich auch 2004 diskutiert haben, ob eine komplette Abschaffung möglich ist. Genau hier hat auch der Verfassungsgerichtshof jetzt noch mal gesagt, dass das in manchen Fällen geht, aber in vielen Fällen verfassungswidrig wäre, wenn wir die Wasserbeiträge ganz abschaffen würden. Deshalb bleibt es ja nur bei der Frage, wenn man dem Bürger hier helfen will, dass man dann solche Privilegierungstatbestände einführt, das heißt, dass man auf die tatsächliche Bebauung abstellt. Der Verfassungsgerichtshof hat nämlich in diesem Bereich keine handwerklichen Fehler im Hinblick auf die Privilegierungstatbestände gerügt. Er hat also nicht gesagt, dass die Privilegierungstatbestände verfassungswidrig sind. Genau das hat er nicht gesagt, sondern er hat gerügt, dass die finanziellen Gesichtspunkte, die damit zusammenhängen, im Zusammenhang mit der kommunalen Selbstverwaltung nicht richtig gelöst sind. Das heißt, er hat gesagt, ihr habt zwar dem Bürger etwas Gutes gegeben, ihr habt aber nicht dafür gesorgt, dass die finanzielle Seite bei den Kommunen bzw. bei den Aufgabenträgern hinreichend gelöst ist. Das hat er moniert, nicht die Privilegierungstatbestände als solche.

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Das kostet Kohle.)

Ja, natürlich, das kostet Kohle, Sie haben ja recht. Die Landesregierung wird dem Landtag noch im Jahr 2009 unter anderem auch wegen der Verjäh

rungsfragen, damit es kein Problem wird, einen den Vorgaben des Verfassungsgerichtshofs entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen, und dies betrifft vor allem die Erstattungsleistungen des Landes an die Aufgabenträger. An der bürgerfreundlichen Ausgestaltung der Abwasserbeiträge werden wir festhalten. Die im Gesetz bisher aufgeführten Privilegierungstatbestände werden weiterhin Bestand haben.

(Beifall CDU)

Die Landesregierung verfolgt damit nach wie vor das Ziel, eine vorteilsgerechte, den tatsächlichen Grundstücksverhältnissen entsprechende Belastung der Beitragspflichtigen auch zu gewährleisten. Das heißt, dass die Beitragspflichtigen wie bereits vor, so auch nach der Entscheidung des Thüringer Verfassungsgerichtshofs nur in dem Maße herangezogen werden, in dem diese tatsächlich auch einen Nutzen haben. Die Privilegierungstatbestände des unbebauten, tatsächlich nur in einem bestimmten Umfang bebauten sowie übergroßen Grundstückes bleiben bestehen. Auch müssen die Bürgerinnen und Bürger, die bisher schon Beiträge durch die Aufgabenträger zurückgezahlt bekommen haben, nicht befürchten, dass diese nach dem Urteil des Thüringer Verfassungsgerichtshofs wieder zurückgegeben werden müssen. Vielmehr werden die Beitragspflichtigen auch in Zukunft von den bürgerfreundlichen Bestimmungen der Privilegierungstatbestände, wie sie bisher im Gesetz geregelt waren, profitieren. Damit es in der Zwischenzeit nicht zu Verunsicherungen unserer Bürgerinnen und Bürger kommt, möchte ich bereits an dieser Stelle alle Aufgabenträger der Abwasserentsorgung bitten und auch auffordern, von der Erhebung von Beiträgen Abstand zu nehmen, die bislang unter die Privilegierungstatbestände gefallen sind. Die Kosten, das heißt, die Kreditzinsen einer notwendigen Zwischenfinanzierung bis zu einer gesetzlichen Neuregelung, die wir heute nicht vorlegen können, an der wir aber intensiv arbeiten, werden wir übernehmen. Dass daran intensiv und gründlich gearbeitet werden muss, das werden Sie verstehen. Wir wollen es nämlich wirklich verfassungskonform machen in dem Sinne, wie es der Verfassungsgerichtshof uns vorgeschrieben hat. Danke schön.

(Beifall CDU)

Es gibt eine weitere Redeanmeldung. Abgeordneter Kuschel für die Fraktion DIE LINKE.

Danke, Frau Präsidentin. Ich lade natürlich Sie, Herr Innenminister, recht herzlich ein, mit mir dann zu den Bürgern hinauszugehen, weil ich glaube, Ihre

Worte, was Sie hier gesagt haben, könnten tatsächlich Ängste nehmen. Sie müssen jetzt nur den Mut haben, zu den Bürgern mitzukommen, nicht, dass Herr Fiedler wieder sagen kann, ich bin derjenige welcher.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Das ist so.)

Herr Fiedler, Sie sind auch recht herzlich eingeladen. Kommen Sie mit, dort können Sie Ihre Position zur Diskussion stellen.

Seit 1995 haben wir über diese Probleme diskutiert. Da müssen Sie sich natürlich noch einmal den Vorwurf machen lassen, meine Damen und Herren von der CDU und auch der Landesregierung, warum Sie bis 2004 gebraucht haben, um zur Einschätzung zu kommen, wie Sie sie, Herr Scherer, jetzt gemacht haben, unsinnig hohe Beiträge. Das war aber nicht erst 2004 so, das war schon 1995 so. Wenn wir eher eingeschritten wären, dann wäre das jetzt nicht alles so teuer, dann hätten wir eine Menge Geld gespart, eine Menge Geld der Bürger, der Kommunen, also der Zweckverbände und natürlich auch des Landes. Insofern ist das nicht vom Himmel gefallen, sondern es gab einen Prozess. Von daher hätte man eher reagieren können.

Bei der SPD weiß ich immer noch nicht so richtig, was sie wollen. Wenn ich es jetzt richtig verstanden habe, wollen Sie zumindest, dass die Privilegierung wieder Bestand hat. Das ist schon mal was. Bisher war immer so bei den Debatten nie genau erkennbar, was die SPD will. Ich habe immer so herausgehört, prinzipiell sind Sie für die Beitragserhebung. Auch da würde sich anbieten, sich dort dem Dialog mit den Bürgern zu stellen, deshalb also auch abschließend die Einladung an die SPD. Damit dürfte ich alle erfasst haben, sich jetzt dem Dialog draußen mit den Bürgern zu stellen.

Herr Fiedler, nur zu Ihrer Information und Aufklärung, vielleicht haben Sie es auch nur durch die Verkürzung hier nicht richtig dargestellt, Sie haben gesagt, es besteht jetzt gar nicht die Gefahr, dass die dauerhaft oder langfristig gestundeten Abwasserbeiträge fällig gestellt werden. Das ist ein Irrtum, weil die Festsetzung nach der Sollbebauung erfolgt ist und nur der Leistungsbescheid nach den Privilegierungstatbeständen erfolgt ist. Das heißt, die Schuld ist festgesetzt und die Zweckverbände, weil die Regelung ja nichtig ist, können Sie sofort fällig stellen. Was sie nicht machen können, dort hat das Verfassungsgericht einen Riegel vorgeschoben, ist die Rückforderung der rückerstatteten Abwasserbeiträge. Aber das sind nur 55 Mio. €, 150 Mio. € sind dauerhaft gestundet und die können sofort wieder fällig gestellt werden. Ich kenne einige Aufgabenträ

ger, die haben ein gestörtes Verhältnis zum Bürger. Die haben nur darauf gelauert, das jetzt wieder fällig zu stellen. Deshalb ist es erforderlich - da gebe ich Ihnen recht - einen Riegel vorzuschieben. Da reicht es aber nicht, wie Sie das hier machen, die Aufgabenträger zu bitten - damit haben Sie doch nun Erfahrungen, das wird doch nichts -, sondern entweder sagen Sie, der Gesetzgeber handelt hier oder der Ministerpräsident hat die Autorität, das durchzusetzen,

(Beifall DIE LINKE)

der nimmt ja hier nicht mal an der Debatte teil, das ist ja der Skandal, der stellt sich nicht mal den Problemen der Leute, der verweigert heute eine Regierungserklärung zur Wirtschaftskrise und Kommunalabgaben interessieren ihn auch nicht. Das ist doch wohl das Letzte.

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Das ist eine Unverschämtheit.)

Dann stellt sich der Innenminister her und sagt, er bittet die Aufgabenträger. Was soll denn das sein?

(Unruhe CDU)

Entweder sind Sie Innenminister oder Sie sind hier irgendeine Figur, also ein Prediger, das haut nicht hin, Sie sind Aufsicht, Sie haben doch die Dinge in der Hand.

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Kommu- nale Selbstverwaltung dort, wo es hin- passt.)

Ich muss mich mal aufregen, ja.

Also, Herr Innenminister, noch mal meine dringende Bitte, Sie sind selbst Jurist, Sie wissen, eine Bitte des Innenministers verhallt. Wenn Sie wirklich eine Lösung für den Bürger wollen, dann machen wir das auf eine Art und Weise, dass es auch rechtlich sauber ist und da haben Sie mich und meine Fraktion immer auf Ihrer Seite.

Eine abschließende Bemerkung: Jetzt ist ja die Hochzeit der Juristen, die bewerten jetzt das Urteil. Herr Innenminister, ich würde gern mit Ihnen in den juristischen Dialog treten,

(Unruhe CDU)

wenn Sie sich dem stellen. Ich meine, das ist eine Herausforderung, das ist klar, das ist so,

(Unruhe CDU)

aber ich lerne gern von Ihnen. Mit Ihrem Vorgänger, Herrn Gasser, hat das immer Spaß gemacht und der hat sich dem gestellt und da haben wir beide profitiert.

(Zwischenruf Scherer, Innenminister: Ja? Das sieht aber nicht so aus.)

(Heiterkeit CDU)

Ja, da musste er gehen.

Sie sind den Nachweis noch schuldig geblieben, ob Sie mit uns auf gleicher Augenhöhe diese juristischen Streitgespräche führen können, aber ich lade Sie recht herzlich ein. Sie müssen mir die Stelle noch mal zeigen, wo das Verfassungsgericht sich zur Verfassungswidrigkeit der Abschaffung von Abwasserbeiträgen …

(Zwischenruf Scherer, Innenminister: Muss ich Ihnen die Seitenzahlen noch mal sagen - 42, 43.)

Ja, da lese ich nach, das habe ich jetzt nicht da. Das machen wir dann nach der Demo, aber, ich glaube, das ist zu einseitig. Ich habe das Urteil anders verstanden, alle Optionen sind möglich. Es wird sehr schwierig, aber nicht aus verfassungsrechtlicher Sicht, sondern aus finanzieller Sicht.

(Zwischenruf Scherer, Innenminister: Al- les wird gut.)

Und die finanziellen Fragen sind natürlich genauso kompliziert wie die verfassungsmäßigen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, danke und wir sehen uns jetzt draußen wieder.

(Beifall DIE LINKE)

Es gibt eine weitere Wortmeldung. Frau Abgeordnete Taubert für die SPD-Fraktion.

Herr Kuschel, ich kann es Ihnen noch mal sagen, wir sind im Grundsatz durchaus für Beiträge. Das haben wir immer gesagt, das wissen auch die BIs, da haben wir einen fruchtbaren Austausch schon seit vielen Jahren auch mit denen gehabt, nicht dass die Mär entsteht, wir würden nicht mit dem Bürger reden. Wir reden mit Bürgern und Bürgerinnen sogar über die Thematik. Was wir wollen, ist, was die BI in ihrer Satzung stehen hat, wir wollen sozialverträgliche Abgaben. Ich will noch mal eines sagen von der

Stelle, es wird immer von Ihnen dargestellt, wenn die Beiträge abgeschafft würden, dann wäre Frieden im Lande, da wäre Gerechtigkeit und vor allen Dingen Transparenz und das ist falsch. Sie können zwar vergleichen, aber transparent ist das immer noch nicht.

(Beifall SPD)

Es wird uns erschwert als Bürger - denn wir sind ja nicht nur Abgeordnete, sondern auch Bürger - zu schauen, zu gucken, was hat der Zweckverband, was hat der Aufgabenträger in seiner Kalkulation drin. Sie sehen es am Ende bei den Gebühren noch wesentlich weniger. Das ist auch bei den Straßenausbaubeiträgen ja das Dilemma, wenn das eine Steuer wird, Straßenausbaubeiträge, also, wenn man umwandelt, dann brauchen Sie als Bürger gar nicht mehr hinzugehen, denn Sie verstehen nicht, wie die Zusammensetzung ist, dann ist allgemeiner Haushalt und dann ist einfach gut, was da gebaut wird, wird gebaut und Sie müssen es halt bezahlen.

Ein Zweites: Ich stimme Herrn Scherer ausdrücklich zu, das Gericht hat nur darüber bestimmt, was ein Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung ist, nur darum ging es bei dem Gerichtsverfahren. Deswegen hat es die Frage der Beiträge in dieser Form, wie Sie es interpretieren, überhaupt nicht angegriffen, sondern es ging nur darum, ist das ein Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung und ist dieser Eingriff gerechtfertigt. Bei Wasser ist es so festgestellt worden, weil das Geld ersetzt wird, und bei Abwasser ist es eben festgestellt worden, dass es nicht so ist, sondern dass der Eingriff zu schwerwiegend ist und die Gemeinden zu viel Geld verlieren.

(Beifall SPD)