Wir dürfen stolz sein und wir dürfen uns auch einmal darüber freuen, auch wenn das sicherlich nicht ganz dem Naturell aller Menschen in diesem Land entspricht, wir dürfen uns freuen über ein internationales Top-Ergebnis bei Schulleistungen wie PISA und IGLU. Aber natürlich, Herr Döring und Frau Sojka und meine Damen und Herren von der Opposition, wie kann es denn sein, dass man sich freut, denn nicht nur die SPD und die LINKE, auch viele andere Phantasten in diesem Land träumen von der großen bildungspolitischen Revolution, sogar dieses Wort wird in den Mund genommen, in diesem Lande.
Alles muss ganz anders werden, Frau Sojka, das höre ich immer wieder, aber das lässt sich von Ihnen jetzt nur ganz schwer begründen, wenn die Thüringer Schüler in der Grundschule und die 15-Jährigen absolute Weltspitze sind bzw. im PISA-Test auch Anschluss an die Weltspitze haben.
(Zwischenruf Abg. Döring, SPD: Die 15- Jährigen sind keine Weltspitze, erzählen Sie doch nicht so einen Blödsinn.)
Nein, Herr Döring, ich komme gleich noch dazu, bei IGLU sind wir absolute Spitze, beim letzten Mal haben Sie das noch abgestritten, ja, weil Sie meinten, die Stichproben wären nicht repräsentativ. Heute müssen Sie es zähneknirschend anerkennen, die Thüringer Grundschüler sind in der Lesekompetenz die absolute Weltspitze.
Im PISA-Test sind die 15-Jährigen in den Naturwissenschaften ganz nahe dran. Wenn man Bayern und Sachsen wegnimmt, liegen wir in den Naturwissenschaften sofort hinter den Finnen auf Platz 2 in dieser Welt. Dass es Reserven gibt in der Lesekompetenz und Mathematik, das ist mit Sicherheit so, das sollte heute auch benannt werden. Auch deswegen reden wir heute hier, aber, Frau Sojka, da ist es auch nicht so, dass wir irgendwo im Nirwana leben, dort ist es auch so, dass wir in der Lesekompetenz und der mathematischen Kompetenz auf Platz 10 und 12 in dieser Welt liegen. Das ist doch für so ein kleines Land ein riesengroßer Fortschritt und der ist einfach anzuerkennen. Da sage ich Ihnen, auch wenn Sie von der Opposition - und in den letzten Tagen auch immer die GEW - meinen, die Thüringer Schule würde trotz CDU-Bildungspolitik gut abschneiden, erlauben Sie es uns, dass wir
uns darüber freuen, dass wir auch einen kleinen Beitrag dazu leisten, wie unsere Lehrerinnen und Lehrer das geleistet haben, dass die Thüringer Schüler bundesweit ganz vorn liegen und international Anschluss an die Weltspitze haben.
Wir liegen in den Naturwissenschaften - und das war ja der Schwerpunkt bei PISA dieses Mal - auf Platz 5 in der Welt und lässt man Bayern und Sachsen weg, das sagte ich schon, liegen wir hinter Finnland auf Rang 2 in Europa. Die Franzosen - um das auch einmal herauszustreichen, wir wollen uns ja international vergleichen, nicht nur in Deutschland - mit einem ganz zentral verantworteten Schulsystem - das wird ja von vielen hier in diesem Hause auch gewünscht, zentralistische Bildungspolitik - mit ganz langem gemeinsamem Lernen und Schulweg aller Schüler, schaffen es gerade einmal auf Rang 19 in dem PISA-Test. Man betrachte auch einmal die immens hohe Jugendarbeitslosigkeit der französischen Jugendlichen und vergleiche dies mit Thüringen. Ich frage mich nur, wo Sie eigentlich die wirklich guten Argumente für eine Einheitsschule hernehmen und warum Sie sehenden Auges unsere gute Thüringer Schule zerschlagen wollen. Warum wollen Sie denn damit die Chancen unserer Kinder mindern? Warum damit die Zukunftschancen dieses Landes auf dem silbernen Tablett der sozialistischen Einheitsschulidee zu Grabe tragen?
Herr Döring, ich blicke wieder nach Deutschland: Nordrhein-Westfalen, jahrelang sozialdemokratisches Musterland mit ausgeprägtem Gesamtschulsystem sozialdemokratischer Tradition, landet weit abgeschlagen im Vergleich der deutschen Flächenländer auf dem letzten Platz. Dahin, das sage ich Ihnen, führen Gleichmacherei und fehlendes Bekenntnis zur Leistung. Aber unsere Schüler konnten sich im Vergleich zu 2004 auch noch einmal deutlich verbessern und wir haben Leistungszuwächse von PISATest zu PISA-Test. Es ist mitnichten so, dass Stagnation eingetreten wäre, und es ist mitnichten so, dass wir als Politiker, die Verantwortlichen im Kultusministerium und in der Schulaufsicht und erst recht nicht die Lehrerinnen und Lehrer in den Schulen Kritik nicht angenommen hätten und nicht geschaut hätten, wo denn die Schwachpunkte sind, an denen wir noch arbeiten können. Ganz anders ist es gewesen, man hat sich hingesetzt und hat daran gearbeitet, besser zu werden. Nur so kann man erklären, dass wir uns auch in den absoluten Leistungen verbessert haben in den letzten Jahren.
Wie kommt das aber auch noch, dass wir so gut dastehen? Wir haben eine eigene Schullandschaft in Thüringen aufgebaut mit starken Förderzentren, mit kleinen Grundschulen, mit Regelschulen, an denen übrigens alle Schüler gemeinsam bis zur Klasse 10 lernen können, und nach der Regelschule eine Schul
landschaft mit berufsbildenden Schulen und Gymnasien, an denen dann jeder Regelschüler die Möglichkeit hat, auch noch zum Abitur und zur Hochschulreife zu kommen. Man muss es auch einmal sagen, dass ca. 30 Prozent dieser Schüler diese Chance auch nutzen. Es ist ein hervorragender Weg, sich zu qualifizieren und einen Weg zum Studium zu suchen. Diese eigene Thüringer Schullandschaft haben wir aufgebaut, sie ist gut etabliert. Dieses System ist aber auch von einer äußerst hohen Durchlässigkeit gekennzeichnet, womit es dem individuellen Entwicklungsbedarf eines jeden Schülers in einem Höchstmaß Rechnung trägt. Dazu kommt vorgeschaltet ein System frühkindlicher Bildung auf hohem Niveau und mit sehr großer Betreuungsdichte. Wir kennen in Thüringen kompetenzorientierte Lehrpläne und Stundentafeln mit sehr, sehr viel Gestaltungsspielraum für professionelles Lehrerpersonal. Herr Döring, da widerspreche ich Ihnen ernsthaft, wenn Sie sagen, es gäbe die Eigenverantwortung von Schule überhaupt nicht im Lande. Es gibt sie schon in einem hohen Maße und wir werden daran arbeiten müssen, dass die Eigenverantwortung von Schule noch weiter entwickelt wird, das ist gar keine Frage. Aber woher kommt es noch?
Meine Damen und Herren, wir legen Wert auf eine Leistungskultur in unseren Schulen mit Kompetenztests, mit zentralen Prüfungen und auch mit Kopfnoten. Was wir auch tun - das soll auch einmal gesagt werden -, wir geben jede Menge Geld aus pro Schüler. Mit 6.400 € im Jahr geben wir das meiste Geld aus je Schüler in allen deutschen Flächenländern. Unsere Schüler erhalten damit auch deutlich mehr Unterrichtsstunden, als sie es in anderen Bundesländern genießen dürfen. Das Thüringer Unikat des Grundschulhortes und deutlich mehr Ganztagsschulen als anderswo in Deutschland runden das Bild ab. Aber, meine Damen und Herren, eigentlich fast das Wichtigste: Es ist ganz, ganz wichtig und es bleibt ganz, ganz wichtig, das ist die Kontinuität der Bildungspolitik und Entwicklung von Schule. Kontinuität statt Kurskorrekturen, wenn wir weiter Spitze in den Schülerleistungen bleiben wollen, Kurs halten und weiterentwickeln, aber mit Augenmaß und immer nur einen Schritt nach dem anderen gehen. Frau Sojka, ich sage Ihnen das und den LINKEN noch einmal ganz explizit, denn Sie wollen ja die Revolution, das ist O-Ton, das habe ich ja nicht erfunden, von Ihnen. Sie wollen die Revolution der Schullandschaft. Warum soll denn Thüringer Schule radikal umgebaut werden - eine Schule, die in Deutschland wirklich top ist und die auch weltweit top ist. Das sage ich aber auch denjenigen, die draußen im Lande den gemeinsamen Unterricht so forcieren wollen, dass sie Förderzentren am liebsten schleifen wollen. Ich sage es auch denen, die die Schulen bei der Umsetzung neuer Konzepte mit der Peitsche treiben, statt ihnen helfend zur Seite zu stehen.
Ich danke für so viel Verständnis für die Frage. Geben Sie mir recht, dass mit der Tatsache, dass 60 Prozent der Schüler ans Gymnasium gehen, eine Aushöhlung der Regelschule stattfindet, ganz einfach, weil dort Leistungsträger fehlen, und dass man dem nur begegnen kann durch längeres gemeinsames Lernen?
Ich sage es Ihnen noch einmal: Wir haben mit diesem gegliederten System, das sich vom Förderzentrum bis hin zu einer weit aufgefächerten Berufsschullandschaft erstreckt, sehr, sehr gute Erfolge. Das ist in Tests erwiesen und das beweisen auch unsere Schüler, wenn sie dann in die Berufswelt einsteigen. Die Übertrittsquote nach der Klasse 4 ans Gymnasium, die ist in der Tat in einigen Regionen viel zu hoch; sie schwankt zwischen 35 und 60 Prozent. Da muss in der Tat etwas passieren. Schauen Sie sich die Übertrittsquoten an, man kann das in Dokumenten jetzt auch nachlesen, die ist in Sachsen für die Mittelschule nicht so hoch, ca. 8 Prozent niedriger als bei uns. Die sächsischen Mittelschüler weisen durchaus etwas bessere Ergebnisse auf als unsere Regelschüler. Ich sage Ihnen, wir sollten die
Übertrittsquote nach der Klasse 4 auf ein Maß um die 35 Prozent sich wieder einfinden lassen; da waren wir einmal. Dass es zu viele leistungsstarke Schüler sind, die das Gymnasium abzieht, das ist nur eine Theorie und stimmt meines Erachtens auch nur halb. Es ist auch die Sozialkompetenz dieser Schüler, die ein Stück weit verloren geht, die unserer Regelschule fehlt. Es macht die gesunde Mischung von Haupt- und Realschülern in der Regelschule und die sollten wir ein Stück weit wiederherstellen. Ich sage es an der Stelle, wenn Sie mich schon so fragen, nochmals ganz klar: Ich bin sehr dafür, dass viel mehr Schüler die Regelschule besuchen,
denn es ist in der Regel die Schule für alle Schüler, dort können alle Schüler gemeinsam lernen und danach hat man alle Möglichkeiten, sich weiterzuqualifizieren. Man kann einen Beruf erlernen, man kann einen Beruf erlernen und dann noch studieren, man kann nach der 10. Klasse auf das Gymnasium gehen, man kann nach der 10. Klasse das berufliche Gymnasium besuchen, man kann nach der 10. Klasse die Fachoberschule besuchen. Es gibt ein breites Spektrum von Möglichkeiten und der Schüler hat die Möglichkeit in der Regelschule, seinem Entwicklungsstand angepasst in Etappen zu lernen, auch mal vielleicht nicht ganz so stark zu sein. Dann wieder einmal platzt der Knoten, man lernt wieder freudvoller, leistungsorientierter mit besserem Ergebnis. Die Regelschule ist praxisorientiert, sie ist wohnortnah, sie kooperiert viel stärker mit den Partnern im Umfeld, als es oft andere Schulen tun. Die Regelschule hat sehr starke Möglichkeiten, individuell zu fördern, sie hat eine Vielzahl von Vorteilen.
weil es eben Schüler gibt, bei denen ist es schon in der 4. Klasse klar, dass sie auf direktem Weg durchstarten können und auch diesen hohen Anspruch brauchen, um gefördert zu werden im Gymnasium. Deswegen stehen wir zum Gymnasium, und zwar ab Klasse 5.
Lesen Sie doch mal Studien, wie die ELEMENTStudie und andere; die blenden Sie vollkommen aus. Wenn Sie Schüler länger gemeinsam lernen lassen,
meinetwegen bis zur Klasse 6, das ist ja oft genug erprobt worden in Deutschland, dann leiden darunter sowohl die Starken als auch die Schwachen. Erkennen Sie es doch endlich mal an.
Aber, meine Damen und Herren, Schule muss sich weiterentwickeln, ich sagte es schon, mit Augenmaß und unter Einbeziehung der Mitnahme des Lehrpersonals. Ich übernehme sehr gern diesen vom TLV geprägten Begriff, unter Mitnahme nicht nur des Lehrpersonals, auch der Eltern und aller anderen Partner, die gute Schule verantworten. Darin sehen wir die Verantwortung der politisch und schulaufsichtig Handelnden. Freuen wir uns über die guten Leistungen unser 10- und 15-jährigen Schüler, sagen wir Danke für die Arbeit und den unermüdlichen Einsatz von Kindergärtnern, Erziehern und Lehrern. Sie alle haben noch viel mehr Wertschätzung der Politik, aber auch der Eltern und überhaupt der ganzen Gesellschaft verdient, für einen weiß Gott oft nicht ganz leichten Job.
Die Thüringer Schule ist richtig gut bei Naturwissenschaften. Gegenüber Schülern in Bremen haben unsere Neuntklässler, das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen, einen Lernvorsprung von zwei Schuljahren.
Aber auch im Ausgleich von Benachteiligungen aufgrund sozialer Herkunft sind wir deutlich besser als andere Bundesländer. Ich sage nicht, dass wir zufrieden sind, aber wir sind schon besser als andere. Das sollte Ansporn sein, dort noch weiter voranzukommen. Es ist so, dass in Thüringen jedes fünfte Kind ein Gymnasium besucht, wenn es Eltern hat, die ungelernte Arbeiter sind. Das gibt es sonst nirgendwo in Deutschland und das ist richtig spitze. Ich betone es noch einmal, es ist nicht alles zu Ende, wenn man das Gymnasium nicht nach der 4. Klasse besucht. Es gibt auch noch andere Wege zur Hochschulreife und die werden gerade von Kindern aus diesen Familien sehr, sehr häufig gewählt und sie schätzen diesen gestuften Weg zur Hochschulreife sehr.
PISA-E stellt klar, die 15-Jährigen finden an unseren Regelschulen und Gymnasien zu 100 Prozent - das steht dort im Text drin - ein Nachmittagsangebot vor und dieses geht sehr, sehr häufig, anders als in anderen Bundesländern, einher mit einem inhaltlichen Gesamtkonzept. Damit haben wir eine Vor
reiterrolle in Deutschland. Gerade kompetenzschwache Schüler nutzen diese Angebote signifikant, wird uns bescheinigt. Sie sehen also, die Thüringer Union macht Ernst mit der Ganztagsschule. All die anderen rot regierten Länder, Herr Döring, um gleich darauf zu kommen - wissen Sie, die rot regierten Länder, da sage ich, der lahme Tiger reißt das Maul auf und wackelt mit dem Schwanz, aber brüllen und springen, dazu fehlt im dann doch die Kraft.
Ich darf abschließend mal zitieren aus einer Rede, die ich 2004 von diesem Pult aus gehalten habe, als es um dasselbe Thema ging. Ich sagte: „Unsere Politik ist darauf angelegt, Familien und familienunterstützende Einrichtungen zu fördern, insbesondere dadurch, dass sich Kinderwunsch und Erwerbstätigkeit miteinander vereinbaren lassen. Mit der Zusammenlegung von Kinder- und Schulbereich geht eine Schwerpunktsetzung für mehr Erziehung und Bildung einher. Die Qualitätsoffensive hat begonnen: zentrale Prüfung, Kompetenztests, Bildungsstandards, Schulämter auf dem Weg zu Qualitätsagenturen, um einige Schlagworte zu nennen. Die Thüringer Schulen sind auf dem Weg zu mehr Eigenverantwortlichkeit. Das dazu erforderliche Unterstützungssystem wird weiterentwickelt und die Aus- und Fortbildung von Lehrern und Erziehern wird ein Schwerpunkt in den nächsten Jahren bleiben. Über Schulprogramme und geöffnete Schulbezirke stehen Schulen zunehmend im Wettbewerb. Die befruchtende Zusammenarbeit von Schulen und Partnern, wie der Wirtschaft, den Eltern, den Kommunen und den Freien Trägern der Jugendhilfe, werden wir weiter befördern.“ Und mit einer Aussage, die ich dann tätigte, „die Thüringer Schüler werden auch bei der nächsten regionalen PISA-Erhebung ganz vorn abschneiden“, habe ich recht behalten.
Es geht aber hier nicht darum, recht zu behalten, es geht ganz einfach darum, verantwortungsvolle Bildungspolitik zu betreiben. Daher geht es um die Fortsetzung dessen, was wir angefangen haben, um Kontinuität und die Aufgaben, die ich vor vier Jahren beschrieben habe, die stehen teilweise heute noch und die müssen durch Kontinuität fortgesetzt werden. Deshalb sage ich Ihnen, machen Sie keine Experimente auf dem Rücken unserer Kinder, stattdessen Kontinuität auf hohem Niveau und in allen Bildungsinstitutionen.