Protocol of the Session on November 14, 2003

(Beifall bei der PDS)

durch das Denken, Reden und Handeln großer Teile der politischen Klasse und ihrer Partei- und Fraktionseliten.

Meine Damen und Herren, wir brauchen keine Politik, die fragt, mit wie wenig Freiheit, Grundrechten und sozialer Gerechtigkeit kommt Demokratie und kommen Demokraten eigentlich aus. Nein, wir brauchen eine alternative Politik, die Demokratie durch persönliche und gesellschaftliche Freiheit durch gesicherte Grundrechte und durch soziale Gerechtigkeit verwirklicht. Danke schön.

(Beifall bei der PDS)

Jetzt die Frage, Herr Abgeordneter Dr. Pietzsch.

Sie haben gesagt, dass sich CDU-Politiker in der rechten Szene tummeln würden. So ungefähr haben Sie das ausgedrückt, auch in Thüringen. Ich hätte gerne von Ihnen die Namen dieser Politiker, die sich in der rechten Szene tummeln.

(Zwischenruf Abg. Thierbach, PDS: Pano- rama ansehen!)

Das ist eine Frage.

Ad eins, Herr Pietzsch, ich werde mich, auch wenn ich den Indemnitätsschutz der Verfassung genieße, nicht zum Denunzianten machen lassen.

(Heiterkeit bei der CDU)

Wenn Sie es nicht bringen können, dann bezeichne ich Sie als Lügner!

Herr Pietzsch, legen Sie Wert auf meine Antwort oder legen Sie keinen Wert auf meine Antwort? Da sollten Sie sich vorher entscheiden, ansonsten kann ich das Pult hier verlassen.

Verlassen Sie lieber das Pult.

(Zwischenruf Abg. Grob, CDU: Genau, wenn Sie es nicht wissen, brauchen Sie nicht wei- terzusprechen.)

Das wird nichts daran ändern, Herr Pietzsch, dass sich CDU-Politiker auch in Thüringen in solchen Debattierklubs wie zum Beispiel der Deutschen Gildenschaft oder dem Arbeitskreis Konservativer Christen tummeln

(Beifall bei der PDS)

und ich könnte Ihnen auch Namen nennen von Leuten, denen es eine Ehre ist Lattuseks Spießgesellen zu flankieren. Danke schön.

(Beifall bei der PDS)

Das dürfte Ihnen ausgesprochen schwer fallen.

Ich komme jetzt zum Aufruf der nächsten Rednerin, das ist Frau Abgeordnete Pelke, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, Sie haben Ihre Ausführungen mit folgenden Sätzen begonnen, ich möchte zitieren: "Die

Thüringer Landesverfassung, die vor wenigen Wochen zehn Jahre alt geworden ist, nennt die Fundamente, auf denen wir die Zukunft unseres Landes aufbauen: Menschenwürde, Freiheit, Demokratie und Rechtsstaat." Ich bin Ihnen dankbar für diese Ausführungen, ich hätte mir allerdings gewünscht, gestern in der Diskussion um Videoüberwachung in Weimar ein ähnlich deutliches Bekenntnis von unserem Innenminister zu bekommen.

(Beifall bei der SPD)

Sie wissen sehr wohl, dass wir beim Thema der Videoüberwachung das Problem der Fremdenfeindlichkeit und der Gewalt in diesem Lande nicht lösen können. Sie verlagern bestenfalls das Problem, und sie schwächen natürlich auch die Demokratie, wenn Videoüberwachung so zustande kommt, wie in dem Fall durch den Innenminister, den Sie selbst sozusagen zurückpfeifen mussten. Ich bitte dieses auch in der Diskussion weiter zu bedenken.

Meine Damen und Herren, als ich mich auf diesen Bericht vorbereitet habe, waren mir die aktuellen Ereignisse im Bundestag zur Thematik Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit genauso vor Augen, wie der erst wenige Tage zurückliegende 9. November und die Gedenkfeier in der Erfurter Synagoge. Ich habe mir bei diesen frischen und mich bewegenden Eindrücken schon überlegt, ob es nicht zum wiederholten Male angebracht ist, die Landesregierung und die sie tragende Mehrheitsfraktion dieses Hauses zu bitten, und ich habe das auch gestern getan, endlich die ideologischen Gräben zu verlassen. Die Gräben zu verlassen und sich endlich, denn es ist an der Zeit, dem Problem des Rechtsextremismus und der demokratiefeindlichen Einstellung durchaus beachtlicher Gruppen in dieser Bevölkerung zu stellen. Es ist also angebracht, noch einmal dafür zu werben, endlich alle Kräfte zu bündeln, um offensichtliche demokratiefeindliche Entwicklungen zu bekämpfen und um Menschen aller Altersgruppen für ein Mitmachen in unserer, in dieser demokratischen Gesellschaft zu begeistern. Spätestens, meine Damen und Herren, seit der verniedlichenden Position des Regierungssprechers am Mittwoch, und spätestens auch seit dem Umgang der Bundes-CDU mit dem Abgeordneten Hohmann weiß ich aber, dass es bei dieser Landesregierung und der sie tragenden Partei immer nur hilft öffentlich zu skandalisieren. Sonst gibt es keine Chance die Augenklappe rechts auch nur einen Moment abzunehmen. Ich habe Ihnen das gestern schon gesagt, und nach den vorliegenden Fakten kann ich nur empfehlen, versuchen Sie es einfach mal, weil, wie auch in der Werbung bekannt, mit dem rechten und dem linken Auge sieht man besser.

(Zwischenruf Abg. Grob, CDU: Nein, mit dem zweiten.)

Meine Damen und Herren von der PDS, auch Sie bitte ich, das Experiment ruhig mal mit dem anderen Auge

auszuprobieren. Aber insgesamt ahne ich allerdings, dass, egal wo man eine ideologische Klappe aufsetzt, den größten Teil der dadurch verborgenen Demokratiefeinde dann als völlig identisch identifiziert. Und falls der Herr Regierungssprecher nach Durchsicht der Ergebnisse und der Wahrnehmung der Fakten das nicht hinbekommt, dann sagen Sie ihm einfach, das Schwarze sind die Buchstaben. Dann müsste es ihm gelingen zu verstehen, was im Thüringen-Monitor festgeschrieben ist. Allerdings befürchte ich, dass alle Liebesmühe und alle offensichtlichen Fakten auch diesmal umsonst sind. Denn wenn es um Ausländerfeindlichkeit und wenn es um Rechtsextremismus geht, dann muss alles, was die Opposition sagt, einfach falsch sein. Die bessere Einsicht reicht bestenfalls für kurze Zeit zur Bildung von Menschenketten und wenn die Betroffenheit weg ist, wenn Presse verschwunden ist, dann sehe ich das Motto der Landesregierung immer wieder unter diesem Tenor, dann alles unter den Teppich zu schieben. Das war so und das ist auch so in dieser Legislaturperiode.

Eine rühmliche Ausnahme aber lassen Sie mich benennen, und ich will es ausdrücklich sagen und ich will ihn ausdrücklich dafür loben, den ehemaligen Ministerpräsidenten Dr. Vogel. Die Erstellung und die kontinuierliche Fortschreibung des Thüringen-Monitors war und ist ein guter Beitrag als Frühwarnsystem und als politische Handlungsgrundlage, wenn man denn auch danach handeln würde und die Signale ernst nähme. Aber das, was Sie heute in Ihrem Bericht und in Ihrer Rede vorgetragen haben, Herr Ministerpräsident, lässt nur einen Schluss zu: Es ist eigentlich alles in Ordnung, alles ist gut, es wird weiter bagatellisiert und ich kann nur hoffen, dass kein Ereignis eintritt, was plötzlich die Maske des Kaschierens und des Bagatellisierens und auch des Schönredens herunterreisst.

Denn heute, meine Damen und Herren, liegen Fakten vor, und ich kann nur hoffen, dass auch die Medien diesen Fakten die Brisanz beimessen, eine solche Brisanz beimessen wie der Berichterstattung über skandalöse Straftatbestände. Das wäre dann von dieser Seite auch ein wichtiger Beitrag für ein demokratisches und tolerantes Thüringen.

Die Ergebnisse dieses Thüringen-Monitors, meine Damen und Herren, sind nämlich sachlich und faktisch derart eindeutig, dass die Landesregierung nicht einfach weiter verleugnen kann und dass damit auch die Bürokratie nicht weiter vor sich hin dilletieren kann.

Lassen Sie mich nur einige wenige Ergebnisse hervorheben: Nahezu 50 Prozent der jungen Leute in diesem Land sind tendenziell bereit, Thüringen zu verlassen, und, Herr Althaus, das ist eben keine Demagogie der Gewerkschaften, das ist pure Realität.

Ein nächster Punkt: Selbst innerhalb der sich zur Demokratie bekennenden Befragten überwiegt bei weitem der

Anteil unzufriedener Demokraten. Von der Opposition in einer Demokratie wird von einer Mehrheit der Befragten nicht ein Ringen um bessere Ideen und Lösungen von Problemen erwartet; es werden keine kritischen und offenen Diskussionen, kein konstruktiver Streit erwartet, sondern - man höre und staune - von Opposition erwartet man die Unterstützung der Regierung. Meine Damen und Herren von der CDU, da dürfen und da sollten Sie eigentlich nicht jubeln, denn dieser vorliegende Monitor bestätigt vielmehr, dass ein Grundelement parlamentarischer Demokratie, nämlich kontroverse Auseinandersetzung und die damit zwangsläufig immer wieder neu abgeforderte Meinungsbildung jedes Bürgers zu Gunsten eines geschlossenen Handelns der Parteien immerhin von einer Mehrheit quer durch alle Lager nicht erwünscht wird.

Aber das wissen Sie doch alle insgesamt, meine Damen und Herren, so kann Demokratie nicht funktionieren. Immer wenn Demokratie so missbraucht wurde, dass Opposition als nicht notwendig empfunden wurde, dann ging es um andere, nämlich um undemokratische Ziele, und das wissen Sie und das wissen wir aus unserer jüngsten Geschichte am besten. Das heißt, die Rolle der Opposition ist definiert, sie muss streiten, sie muss kontrollieren und vielleicht zeigt dieses an dem Punkt auch, dass wir in diesem Land der politischen Bildung einen neuen Schwerpunkt geben müssen.

Eine weitere Anmerkung: Diejenigen, die sich eher zur Ablehnung der Demokratie bekennen, die sich von welchem extremistischen Flügel auch immer die jeweils einzige Weisheit erhoffen, sind überwiegend die Verlierer in unserer Gesellschaft. Das sind sie häufig in zweifacher Hinsicht. Erstens, in der Partizipation an Bildung, und hier gilt unverändert der Grundsatz: "Je besser der Bildungsabschluss, je größer die Zustimmung zu demokratischen und gesellschaftlichen Strukturen", also Herr Krapp, auch hier ist mittlerweile ganz deutlich ein Handlungsauftrag gegeben, das alles ist ein wichtiges Thema für unsere Schulen - nicht nur Deutsch und Mathe, wenngleich ich damit Deutsch und Mathe nicht negieren will.

Zweitens, es besteht ein Zusammenhang - und auch das wissen wir sehr deutlich - zwischen denen, die insbesondere im Bereich des Arbeitsmarkts keine Chance mehr sehen. Herr Reinholz, hier wäre es mittlerweile notwendig, in der Arbeitsmarktpolitik umzudenken und keine Kahlschlagpolitik zu betreiben.

(Zwischenruf Abg. Vopel, CDU: Ach, ach, das ist ja der Hammer, da müssen Sie die Bundesregierung vorführen!)

Sie müssen nicht mit der Bundesregierung kommen. Unsere Bundesregierung kritisieren wir selber, wir haben auch schon einiges in der Richtung verbessern können.

(Heiterkeit bei der CDU)

Wir haben einiges verbessert, wo Sie dann hinterher wieder so getan haben, als hätten Sie auch etwas damit zu tun.

Aber es kommt noch härter, meine Damen und Herren, die Zustimmung zu einer Diktatur als Staatsform ist deutlich gestiegen. Nahezu ein Fünftel der Befragten können sich eine solche Diktatur vorstellen. Es geht weiter: Der Anteil rechtsextrem Eingestellter stieg von 2001 - damals waren es 22 Prozent, und beträgt nun 22,7 Prozent der Befragten. Innerhalb der rechtsextrem Orientierten äußern dreimal so viel wie in der normalen Bevölkerung tendenzielle Gewaltbereitschaft. Die Ausländerfeindlichkeit ist seit 2001 kontinuierlich gestiegen und beträgt mittlerweile 43,1 Prozent der Befragten. Weit mehr als 50 Prozent der Befragten halten die Bundesrepublik durch Ausländer für überfremdet und meinen, dass Ausländer überwiegend unseren Sozialstaat ausnutzen.

Meine Damen und Herren, und dieses Ergebnis in einem Land, wo der Ausländeranteil noch nicht einmal 2 Prozent beträgt. Dieses sollte uns zu denken geben. Jeder vierte Thüringer liebäugelt mit einer Rückkehr zur sozialistischen Ordnung, und bevor die Kollegen auf dieser Seite nun in die Gefahr geraten, zu klatschen, denken auch Sie hier an die Augenklappe und das dahinter Verborgene. Denn viele der sich danach Sehnenden nehmen eben auch ausländerfeindliche Haltungen ein und betrachten Diktaturen insgesamt als wünschenswerte Staatsform.

Das, meine Damen und Herren, sind die Fakten, und weil diese Fakten so sind, hat zu meinem Entsetzen der Regierungssprecher bereits am Mittwoch verkündet, dass die Untersuchung bestätige, dass die Demokratie als Staatsform fest verankert sei. Und genau in diesem Sinne haben auch Sie, Herr Ministerpräsident, heute argumentiert und gesagt, es ist sozusagen alles klar auf der "Andrea Doria".

Was bitte muss denn noch geschehen, dass diese Regierung auch endlich ihre ideologischen Scheuklappen verliert? Sollen wir weiter warten, bis die Zustimmung zu Diktaturen einen noch höheren Anteil einnimmt? Wenn von den Verfassern der Studie gesagt wird, dass das demokratische Fundament feine Risse bekommt, dann, meine Damen und Herren, ist das mehr als nur ein zarter Hinweis. Dann ist es die Aufgabe dieser Landesregierung, alles, aber auch alles zu unternehmen, um diese Risse nicht nur zu kaschieren, sondern ein für alle Mal zu beseitigen. Da gibt es manchmal schon Parallelen, ich möchte es hier einfach mal ansprechen, auch hinsichtlich wie die Bundespartei der CDU mit solchen Problemen umgeht. Denn wir haben ja gerade dieses Problembewusstsein erlebt, und wir haben erlebt, meine Damen und Herren, dass es wochenlang dauert, und dass es eines erheblichen internationalen und öffentlichen Druckes bedarf, bis endlich gehandelt wird. Heute hat man dann die Konsequenzen gezogen. Ich sage Ihnen, wie das Ergebnis ausgefallen ist: 195 Abgeordnete der CDU-Bundestagsfraktion haben für den Ausschluss gestimmt, immerhin 28 dagegen und 16 haben sich enthalten. Ein Ergebnis, über das Sie

alle nachdenken sollten, meine Damen und Herren. Es gibt leider Gottes noch mehr "Hohmänner" und "Nietsches" in dieser Gesellschaft und speziell in dem Fall in der CDU. Es macht mich betroffen, dass diese Entscheidung, die Frau Merkel dankenswerterweise als Antrag eingebracht hat, nicht eine Reaktion darauf war, dass dieser Herr Hohmann Irrsinn verzapft hat, sondern, dass es öffentlichen Druck gegeben hat. Das halte ich für ein Problem.

(Beifall bei der SPD)

Das ist auch das, was ich gestern gesagt habe, auch hier in Thüringen erleben wir, insbesondere vom Innenminister und von der Fraktion in der Mitte, dass die CDU den Begriff "Rechtsextremismus" immer nur dann in den Mund nimmt, wenn Linksextremismus auf das Gramm genau so nachweislich ist. Wenn das nicht ist, dann gibt es auf der anderen Seite auch nichts.

(Zwischenruf Kaiser, Minister für Bundes- und Europaangelenheiten in der Staatskanz- lei: Das ist falsch.)

Nein, Herr Kaiser, das ist nicht falsch, Sie sollten einmal zuhören, auch Ihre Aussagen haben mich gestern ein bisschen irritiert. Ich verstehe, dass Sie den Innenminister verteidigen müssen, aber trotz alledem hätte ich mir eine etwas offenere Haltungsweise erwartet. So habe ich Sie jedenfalls bislang kennen gelernt.