Protocol of the Session on December 13, 2002

(Zwischenruf Abg. Krauße, CDU)

wenn Sie reden wollen, Sie können auch gern noch einmal vorgehen.

(Zwischenruf Abg. Krauße, CDU: Sie Papp- nase!)

Herr Krauße, Ihre Bemerkung...

Moment mal, also das gibt zumindest eine Ermahnung, im Wiederholungsfalle mehr.

(Zwischenruf Abg. Schemmel, SPD: Die Pappnase Krauße wird jetzt verwarnt.)

(Heiterkeit im Hause)

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU: Die Papp- nase Schemmel hat "Pappnase" gesagt!)

Also, es gibt jetzt Ordnungsrufe, und zwar für den Abgeordneten Krauße, für den Abgeordneten Schemmel und für den Abgeordneten Böck.

(Unruhe bei der CDU)

Jetzt, Herr Abgeordneter Kummer, fahren Sie fort.

Danke, Frau Präsidentin. Ja, das ist schon ein sehr ernstes Thema. Herr Krauße, Ihre Bemerkung, wir hätten die Idee für preiswerteres Wasser in Thüringen nicht gehabt, das ist eine Unverfrorenheit. Denn ich sage Ihnen eins ganz ehrlich, von uns war die Idee der Zerschlagung der Wasserbetriebe der DDR nicht. Wenn wir diese Struktur noch hätten, dann wäre das Wasser in Thüringen wesentlich preiswerter und da müssten wir heute nicht zig Millionen in die Hand nehmen, um das, was jetzt entstanden ist, zu entschulden.

(Beifall bei der PDS, SPD)

(Unruhe bei der CDU)

(Glocke der Präsidentin)

Ich sage Ihnen noch eins an dieser Stelle: Einer der wesentlichen Gründe für diesen Gesetzentwurf ist, dass der Bau der Talsperre Leibis finanziert werden muss. Das sehen Sie auch beim Sondervermögen. Da haben wir die ganze Zeit dagegen gestimmt.

Trotz aller Erregung - Herr Abgeordneter Kummer, gestatten Sie eine Frage des Abgeordneten Schwäblein?

Ja bitte, Herr Schwäblein.

Herr Abgeordneter Kummer, eingedenk Ihrer noch größeren Jugend, als sie in meinem Fall gegeben ist, frage ich Sie, wenn Sie die Verhältnisse der DDR wieder als Heilslösung darstellen: Ist Ihnen bekannt, dass wir in den Netzen der Städte Wasserverluste bis 50 Prozent hatten, dass wir Asbestleitungen hatten, teilweise Bleileitungen und dass wir in der Aufarbeitung dieses Erbes noch längst nicht am Ende sind? Wenn Sie diese Strukturen so würdigen, ist Ihnen das alles bekannt?

Herr Schwäblein, erstens sehe ich in der Wiederherstellung von DDR-Verhältnissen keine Heilslösung. Es ist aber ein Unterschied, ob ich sinnvolle Strukturen zerschlage oder nicht. Man hätte in diesen Betrieben sicherlich einiges tun müssen, aber das, was Sie gemacht haben, ist nicht der richtige Weg. Die Probleme mit den Leitungsverlusten haben wir doch zum großen Teil heute noch. Ich sage Ihnen auch ganz ehrlich, dieses Gesetz wird daran nichts Wesentliches ändern, weil es nämlich schon wieder Abnahmemengen festschreibt, und es wird sich für Kommunen schon wieder nicht rentieren, mit diesem Gesetz etwas gegen die Leitungsverluste zu unternehmen.

(Beifall bei der PDS)

Aber ich wollte eigentlich auf diese Thematik, die in mehreren Sitzungen des Thüringer Landtags und auch in mehreren Sitzungen des Ausschusses für Naturschutz und Umwelt und des Haushalts- und Finanzausschusses schon behandelt wurde, nicht noch einmal so intensiv eingehen. Wir haben auch schon viele Änderungsanträge in den Ausschüssen gestellt. Sie sind vollständig abgelehnt worden, bis auf einen zur Terminierung. Ich muss Ihnen ehrlich sagen, unsere schlimmsten Befürchtungen, was diesen Gesetzentwurf anbelangt, wurden wahr. Die Landesregierung erkaufte sich mit diesem Gesetz und mit dem politischen Wasserpreis von 61 Cent den Fernwasserzweckverband Nordost. Gestern hat Kollege Schuchardt die Rede darauf gebracht, dass es eine Zustimmung mit der Faust in der Tasche gibt. Ich glaube, einige Vertreter der kommunalen

Seite mussten auch hier die Faust in die Tasche stecken.

Der Fernwasserzweckverband Nordost gibt mit dem Gesetz sein Eigentum in die Thüringer Fernwasserversorgung und verliert damit die Einflussmöglichkeiten auf sein Eigentum fast vollständig. Ich möchte dazu ein paar Beispiele nennen. Der Verwaltungsrat kann nach dem Gesetz z.B. mit der Mehrheit der Landesvertreter Folgendes beschließen: die Bestellung und Entlassung der Geschäftsführung; den Wirtschaftsplan; die Veräußerung von Eigentum bis zu 5 Mio.    von Immobilien; die Anstalts- und Gewährsträgerversammlung kann mit ihrer Landesmehrheit die Neuverteilung von Stammkapital im Falle eines Zutritts beschließen; die Zustimmung zum Ausscheidensvertrag, das heißt, der Fernwasserzweckverband Nordost, der zwar eine Kündigungsfrist von 30 Jahren hat, kann dann auch nicht austreten, wenn das Land dabei nicht zustimmt; den Erlass und die Änderung und die Aufhebung der Satzung kann das Land in dieser Anstalt mit eigener Mehrheit beschließen - wo gibt es denn so was? - und außerdem kann das Land mit sich selber die Finanzierung hoheitlicher Aufgaben nach Maßgabe des Landeshaushalts vereinbaren. Und nachdem, was wir gestern zum Landeshaushalt gehört haben - viel Spaß dabei.

Die Thüringer Fernwasserversorgung wird in Zukunft auch selbst Trinkwasser verkaufen können. Damit kann sie in unmittelbare Konkurrenz zu den Mitgliedern des Fernwasserzweckverbands Nordost treten. Ich weiß nicht, ob das wirklich das ist, was sich die Verbände erhoffen.

Meine Damen und Herren, dann noch zu der Frage, die auch meine Kollegin Frau Dr. Klaus aufgeworfen hat: Was passiert, wenn sich der politische Preis - und mit politischen Preisen haben wir in Thüringen ja schon genügend schlechte Erfahrungen gemacht - von 61 Cent nicht einstellen wird? Das Land ist der Gewährsträger, das ist richtig, aber nur, wenn Gläubiger nicht mehr aus dem Vermögen der Anstalt befriedigt werden können. Wenn hier kommunales Eigentum zur Befriedigung der Gläubiger verkauft wird, dann bekommt der Fernwasserzweckverband Nordost für den Fall, er sollte mal austreten können, den Zeitwert seiner Anlagen wieder. Was das bedeutet bei einer Leitung, die 30 Jahre alt ist, aber gut noch 70 Jahre in der Erde liegen kann, das wissen Sie doch selbst. Das bedeutet nämlich, sie bekommen null Mark dafür.

Der Gläubiger, meine Damen und Herren, der kann auch gleich Anstalts- und Gewährsträger werden und sich dann Stück für Stück, also 5-Mio.-   übertragen lassen. Wenn er die Mehrheit hat, dann hat er auch die Möglichkeit, als Privater gleich die Angestellten nicht mehr nach Tarif zu bezahlen, weil Sie die Tarifklausel ja sicherheitshalber mit dem Gesetzentwurf auch herausgestrichen haben.

Es passt also alles, meine Damen und Herren, für eine Privatisierung des sensibelsten Bereichs der Daseinsvorsorge, und das, obwohl die CDU-Fraktion hier im hohen Haus das

immer abgelehnt hat. Mit dem Gesetz, meine Damen und Herren, schaffen Sie bewusst diese Möglichkeit. Genau diese drohende Privatisierung der Daseinsvorsorge führte dazu, dass der Fernwasserzweckverband Südthüringen nicht an der Fusion teilnimmt. In der Anhörung war auch seine kritische Meinung nicht gefragt und das sollte uns auch zu denken geben. Trotzdem haben wir ein Schreiben von ihm bekommen, weil die PDS-Fraktion den Fernwasserzweckverband Südthüringen aufgefordert hat Stellung zu nehmen und hier sind viele kritische Punkte, die ich auch eben schon angesprochen habe, genannt worden. Sie fanden sich in unseren Änderungsanträgen, die von Ihnen abgelehnt wurden, wieder.

Auch der Gemeinde- und Städtebund war kritisch. Auch von ihm haben wir Änderungsanträge eingebracht. Auch diese fanden kein Gehör. Es gab noch ein weiteres Problem. Das ist die Frage des Rohwasserentgelts. In der Thüringer Fernwasserversorgung wird für Rohwasser kein Preis mehr erhoben, aber die Thüringer Fernwasserversorgung soll nach außen ein landesweit einheitliches Rohwasserentgelt erheben. Das heißt, dass der Rohwasserpreis nach außen nicht mit dem Rohwasserpreis, der sich innen ergibt, übereinstimmen muss. Da wird es schwierig, was die Gleichbehandlung der Kommunen angeht, denn es geht hier um die Gleichberechtigung der Landesteile. Ich muss auch dazu sagen, der Fernwasserzweckverband Südthüringen hat in der Erwartung günstigerer Rohwasserpreise durch die Entschuldung der Thüringer Talsperrenverwaltung, die in die Thüringer Fernwasserversorgung mit eingeht, jetzt schon seine Preise auf 66 Cent gesenkt. Ich glaube, meine Damen und Herren, die Erwartung, dass es in Zukunft für Südthüringen einen günstigeren Rohwasserpreis gibt, sollte erfüllt werden.

Wir haben drei Änderungen zum Gesetzentwurf zur Thüringer Fernwasserversorgung in der Drucksache 3/3004 vorgelegt, meine Damen und Herren. Auf diese Änderungen möchte ich noch kurz eingehen.

Unter Punkt 1 unserer Änderung steht: Der Zutritt bedarf der Zustimmung des Thüringer Landtags. Mit diesem Punkt können wir als Landtag entscheiden, wer als Anstalts- und Gewährsträger hinzutritt, und können damit verhindern, dass ein Gläubiger in diese Anstalt eintritt und diese Anstalt und das Stammkapital dieser Anstalt Stück für Stück übernimmt. Ich hoffe also, wenn es Ihnen ernst ist, die Privatisierung zu verhindern, dass Sie hier zustimmen werden.

Der zweite Punkt unserer Änderung bezieht sich auf den Tarif. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die CDU-Fraktion im Thüringer Landtag will, dass in einer Anstalt des öffentlichen Rechts kein BAT gezahlt wird. Also gehe ich auch hier von Ihrer Zustimmung aus.

Der dritte Punkt sorgt dafür, dass es nicht mit einfacher Landesmehrheit möglich ist, Eigentum der Thüringer Fernwasserversorgung bis 5 Mio.  verkaufen. Wir setzen

hier also die Grenze von 50.000  Darüber hinaus muss mit Zweidrittelmehrheit entschieden werden. Auch hier bitte ich um Ihre Zustimmung, um eine Privatisierung zu verhindern.

Nun noch ein paar Worte zum Sondervermögen: Meine Damen und Herren, ich bin nach wie vor der Auffassung, dieses Sondervermögen gehört - gerade um Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit zu demonstrieren - in den Landeshaushalt. Wir sind gestern diesen Weg leider nicht gegangen. Deshalb müssen wir uns leider jetzt zu diesem Sondervermögen unterhalten, obwohl es gestern deutlicher geworden wäre. Der Ministerpräsident hat gestern von einem Abbau der Neuverschuldung gesprochen und die Frau Finanzministerin ebenfalls. Wäre dieses Sondervermögen gerechterweise in den Haushalt eingestellt worden, hätte man nicht von einem Abbau der Neuverschuldung reden können, denn diese 300 Mio.    konkret als Schulden auf. Aber nun haben wir diesen Weg. Wir konnten es nicht verhindern und so möchten wir wenigstens einen Änderungsantrag zu diesem Punkt einbringen - einen Änderungsantrag in der Drucksache 3/2992. Hier beantragen wir, dass dem Sondervermögen die Verbindlichkeiten des Fernwasserzweckverbands Südthüringen gegenüber Kreditinstituten zum Stand 31.12.2002 hinzugefügt werden. Das hat seine konkrete Ursache, denn wir möchten hier eine Gleichbehandlung des Fernwasserzweckverbands Südthüringen erreichen. Dazu möchte ich Ihnen einen kurzen Passus aus einem Schreiben des Fernwasserzweckverbands Südthüringen vorlesen, der die einseitige Entschuldung des Fernwasserzweckverbands Nordost noch einmal behandelt und sagt, dass diese einseitige Verschuldung "gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der kommunalen Gleichbehandlung der Kommunen, gegen das verfassungsrechtliche Gebot des einheitlichen und umfassenden Kommunalen Finanzausgleichs und schließlich gegen den Gleichheitsgrundsatz gemäß Artikel 2 Abs. 1 Thüringer Verfassung verstößt". Meine Damen und Herren, Sie wollen sich doch sicherlich nicht im nächsten Verfassungsschutzbericht wiederfinden. Deshalb erwarte ich auch hier, dass Sie Ihre Zustimmung geben.

(Beifall bei der PDS)

(Zwischenruf Dr. Sklenar, Minister für Land- wirtschaft, Naturschutz und Umwelt: Wenn ihr den haben wollt, ihr müsst euch entschei- den!)

Es geht nicht darum, dass wir den haben wollen. Aber Sie haben ihn ja nun mal.

Meine Damen und Herren, ich möchte zum Fazit kommen: Das hier vorliegende Gesetz wurde nötig, um die von der CDU verursachte katastrophale Entwicklung im Wasserbereich zu vermindern. Das Gesetz greift zu kurz, da die Wasser- und Abwasserzweckverbände nicht einbezogen worden sind. Dieses Gesetz wird zu einer Privatisierung führen. Es legt die Grundlage für eine neue Katastrophe

durch einen politischen Preis von 61 Cent.

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU: Das ist uner- träglich. Überlegen Sie, was Sie sagen - die- ser Müll!)

Deshalb, meine Damen und Herren, werden wir diesen Gesetzentwurf ablehnen. Vielen Dank. Eins noch zum Schluss.

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU: Das war Ihre Vorgängerpartei.)

Herr Böck, bitte, Sie können reden, wenn Sie möchten.

Ich möchte der Landesregierung im Anschluss noch ein paar Unterschriften zuleiten, die in Südthüringen gesammelt wurden für die Gleichbehandlung des Fernwasserzweckverbands Südthüringen, für die Gleichbehandlung einer Region, denn auch die Südthüringer Bürger wollen in Zukunft preiswertes Wasser haben.

(Beifall bei der PDS)

(Unruhe bei der CDU)

Jetzt hat als Nächster der Abgeordnete Höhn, SPD-Fraktion, das Wort.

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU: Tut hier ganz sachlich und in Wirklichkeit verspritzt er Gift.)

(Unruhe im Hause)