Protocol of the Session on October 10, 2002

Meine sehr verehrten Damen und Herren, den Applaus bei dem Abgeordneten Kölbel heute Morgen, den habe ich verstanden. Anlässlich des Geburtstags und seiner Leistungen, die er hier im Landtag erbringt, war es auch sehr gut und sehr wohltuend, dass das hohe Haus so applaudiert hat. Das, was wir eben erlebt haben, war eine Mischung aus Parteitag, aus Dauerwahlkampfrede. Ich habe ein bisschen das Gefühl, dass der Auszubildende Althaus sein Gesellenstück für den Ministerpräsidenten ablegen sollte, weil der 70. Geburtstag naht und er hier, glaube ich, die Prüfung abgelegt hat, ob er denn schon geeignet ist, das Amt zu übernehmen.

(Beifall bei der PDS)

(Zwischenruf Abg. Dr. Zeh, CDU: Schulen Sie lieber Ihre Frau Zimmer noch ein biss- chen mehr.)

Meine Damen und Herren, am Sonntagabend, 22. September, habe ich um 18.00 Uhr gesagt: Mit der Schließung des Wahllokals hat damit die Landtagswahl begonnen. Ich bedauere, dass ich so Recht behalten habe. Nur, angesichts der Temperatur in diesem Saal und der Kälte, die Sie verbreitet haben, Herr Althaus, sollte man wirklich wieder die Mittagspause einführen und eine Redezeitbegrenzung nehmen oder: War das hier eine Regierungserklärung,

vorgetragen von dem CDU-Fraktionsvorsitzenden? Ich glaube, Letzteres war es.

(Beifall bei der PDS)

Ich erlaube mir ein paar Anmerkungen, Herr Althaus, weil Sie aus meiner Sicht Dinge in einer Form verdreht haben, die in der Vergangenheit hier auch wohl schon sehr beliebt waren und bei denen Sie versuchen, immer wegzumogeln, dass Sie daran auch beteiligt waren. Wenn wir das Wort Ehegattensplittung hier von Ihnen jetzt vorgetragen bekommen, weiß ich zwar nicht so genau, was das mit dem Landesdoppelhaushalt zu tun hat, aber wenn Sie es schon einbringen, dann finde ich das zynisch - zynisch, weil Sie Ehe und Familie in einem Wort, in einem Satz aus dem Grundgesetz zitieren und sagen, das ist der besondere Schutz, aber die Fragestellung, warum die Steuerzahler die Familien, die geheiratet haben, die aber keine Kinder haben, besonders bevorzugen sollen, während die Familien oder die allein Stehenden oder die Menschen, die geschieden sind und sich um ihre Kinder kümmern, das Steuerprivileg des Ehegattensplittings nicht haben. Das habe ich bis heute nicht begriffen, das werde ich auch nicht begreifen. Nein, Frau Arenhövel, am Schluss können Sie gerne eine Frage stellen.

(Zwischenruf Abg. Althaus, CDU: Lesen Sie heute mal das Handelsblatt.)

(Zwischenruf Trautvetter, Finanzminister: Was macht eine Fünfzigjährige, die keine Kinder mehr hat?)

Also, Herr Trautvetter, wir können gerne darüber diskutieren. Das ist eine gesellschaftliche Frage. Sie können mir ja diese Zeichen gern machen, die Sie so gerne machen. Ich finde Sie unhöflich und es zeigt ein Stück weit auch, welchen Charakter Sie haben.

(Beifall bei der PDS)

Das, was in westdeutschen Großstädten bezeichnet wird als "DINKS" - Double income, no kids -, warum das als Karriere befördernd steuerrechtlich mit besonderen Vorzügen des Splittings finanziert werden soll, das begreife ich nicht. Hätten Sie von den Familien mit Kindern geredet, würde ich Ihnen Recht geben. Würden wir darüber reden, welche Steuererleichterungen konkret Menschen bekommen, die Kinder haben, würde ich Ihnen Recht geben. Warum Ehegattensplittung per se einfach nur mit dem Trauschein gewährt wird und warum es per se in Ehe- und Familiensituationen dazu führt zu sagen, wir wissen ja nicht, warum wir heiraten, aber finanztechnisch macht es Sinn, da, sage ich einmal, hat die Gesellschaft eine Pflicht, so einen Irrweg zu beenden.

(Beifall bei der PDS)

Da wäre mir allerdings die Diskussion bei Rotgrün offensiver lieber, dass das Geld direkt in Relation zu Kindern gesetzt wird, und zwar zu allen Kindern in allen Lebenslagen, das Geld also nicht einfach einnehmen aus dem Ehegattensplitting, um damit Haushaltsfinanzierung zu machen, sondern eine Umschichtung ausschließlich, um Kinder und Kinderbetreuung zu finanzieren. Das wäre ein Weg, den wir mitgehen würden.

(Beifall bei der PDS)

Eine weitere Bemerkung will ich machen. Sie haben von dem Geldausgeben der PDS geredet und dass wir Schulden machen wollten und, und, und. Das hätte Herr Huster hier gesagt. Reiner Fakt ist, wir haben darauf hingewiesen, dass der von Ihnen vorgelegte Doppelhaushalt im Bereich der Investitionen zusammengefasst im Jahr 2002 auf 2004 um insgesamt 208 Mio.   "   die Bauprojekte, die Ihre Landesregierung selbst geplant hat, sofortige Gelder, die jetzt fehlen, um kleinen und mittelständischen Betrieben in Thüringen Lohn und Brot zu organisieren.

Am Beispiel des Justizzentrums Mühlhausen kann man das deutlich machen. Die Arbeitssituation der dort Beschäftigten ist unerträglich. Es ist ihnen mehrfach versprochen worden, allein Herr Trautvetter hat es hier vorn am Pult verkündet und jetzt wird es elegant umgedreht und gesagt: Es wird geschoben. Die Betroffenen sagen dort: Wir wissen nicht, wie wir weiterarbeiten sollen. Wenn ein Privatbetrieb unter solchen Bedingungen arbeiten würde, wäre die Behörde längst da und hätte kritisch einen Blick darauf geworfen. Aber dass der Bauauftrag nicht ausgelöst wird, obwohl die Planung von Ihrer Regierung gemacht ist, das ist keine Sondererfindung der PDS. Deswegen haben wir uns auch ganz klar positioniert, nicht eine Neuverschuldung vornehmen zu wollen. Das können Sie noch so oft hier vorn behaupten. Unser Ansatz, den wir hier zum Doppelhaushalt vertreten haben, heißt: Die Neuverschuldung des Jahres 2002 im Jahre 2003 auf gleichem Niveau zu behalten und damit die Projekte zu finanzieren, die Ihre Landesregierung schon geplant hat und im Jahr 2003 nicht auslöst, weil das konkret eine Situation ist, die Menschen keine Arbeit, keine Aufträge, keinen Lohn und kein Brot gibt.

(Beifall bei der PDS)

In diesem Zusammenhang sind Sie die Antwort schuldig geblieben, was im Jahr 2003 mit den 18 Hochbauprojekten sein soll und wie diese dadurch entstehende Baulücke angesichts der Konjunkturdaten - da waren wir zusammen, Herr Althaus, da hat die IHK uns das ins Stammbuch geschrieben, allen drei Fraktionsvorsitzenden - Bauhauptgewerbe im 1. Halbjahr 2002 zum 1. Halbjahr 2001 ein Minus von 14,3 Prozent in Thüringen, ein konkretes Minus. Und schon das vergangene Jahr war sehr schlecht. Dieses Jahr ist noch schlechter geworden. Da stellt sich die Landesregierung hin und sagt: Gut, dann schieben wir jetzt diese

Bauprojekte, die wir alle schon selber geplant haben, noch weiter.

Nicht eine einzige Forderung ist hier von der PDS erhoben worden, ein Sonderprojekt in Gang zu setzen. Wir sagen nur, wir mahnen Sie an, Ihre eigenen Projekte auszulösen und umzusetzen. Eine Bemerkung sei mir gestattet auch in Richtung Heiko Gentzel, aber auch zu Herrn Althaus. Die Frage, die Mike Huster hier so hingeworfen hat, dass die DDR nicht an den Außenschulden zugrunde gegangen ist,

(Zwischenruf Abg. Buse, PDS: Das ist sie auch nicht.)

da muss ich Ihnen sagen, gibt es eine Institution, die nicht im Verdacht steht, der PDS irgendwie nahe zu stehen, das ist die Deutsche Bundesbank. Oder wollen Sie behaupten, dass die Zahlenwerke der Deutschen Bundesbank von Kommunisten oder von der PDS oder der SED gefälscht worden sind? In dem Abschlussbericht der Deutschen Bundesbank zum Jahresabschluss der DDR weist die Deutsche Bundesbank ein Schuldensaldo aus von 19,877 Mrd. DM als Valutamark. Umgerechnet auf heutige Zeit 10 Mrd. + ' ! ! "schen Demokratischen Republik.

(Zwischenruf Abg. Vopel, CDU: Wohnungs- bauschulden, was ist mit denen?)

Entschuldigung, noch einmal: Das ist der Bericht der Deutschen Bundesbank und nicht der SED. Sie können noch so schreien, Frau Vopel. Die Deutsche Bundesbank hat ein Schuldensaldo der Inlands- und Auslandsschulden aufgestellt. Ich komme gleich auf den Erblastentilgungsfonds. In dem Erblastentilgungsfonds sind alle die Maßnahmen hineingebucht worden, die - Herr Althaus, Sie haben gefragt, es wurde noch nie ein Beweis angetreten, dass es funktioniert. Der Erblastentilgungsfonds ist ein Paradebeispiel keynesianischer Wirtschaftspolitik, von Herrn Kohl veranstaltet.

Die Sonderkonjunktur Westdeutschlands in den Jahren 1990 bis 1994 hatte etwas damit zu tun, dass über den Erblastentilgungsfonds, also ein Schattenschuldenhaushalt der Bundesrepublik Deutschland, Gelder in die Welt gesetzt worden sind, bei denen man fragen muss, wo sie eigentlich hingeflossen sind, z.B. der Treuhandanstalt, die Entschuldung der Industriebetriebe usw., wo Gelder auf ganz merkwürdige Art verschollen sind, und zwar in dreistelligen Millionenbeträgen an einzelnen Projekten. Aber an einen Punkt sollten Sie sich vielleicht alle einmal erinnern, weil ich da Ihr Gerede immer gehört habe. Da ging es um die Altschulden auf die Wohnungswirtschaft. Das waren Planschulden. Die wurden in Geldschulden umgewandelt und sind anschließend

(Beifall bei der PDS)

den deutschen Großbanken übergeben worden mit einer gesetzlich geregelten Zinslast von 10 Prozent. Alle Wohnungsgesellschaften haben es als nicht gerechtfertigten Eingriff in ihre Eigentumsrechte bezeichnet. Es haben Einzelne versucht zu klagen und sie wurden zum Schluss dazu gezwungen und genötigt, die Altschulden als Realschulden aufzunehmen. So ist aus der Planwirtschaft und - ich sage - der Schluderwirtschaft der DDR ein reales Wirtschaftsvermögen der deutschen Großbanken geworden. Das nenne ich eine Umfinanzierung über den Umweg Ost in die Taschen deutscher Kapitalgesellschaften West und das ist über den Erblastentilgungsfonds finanziert worden.

(Beifall bei der PDS)

Meine Damen und Herren, Herr Trautvetter, Sie können den Kopf schütteln. Die Abschlussschulden der Deutschen Demokratischen Republik sind laut deutscher Bundesbank geringer als die Schulden, die Sie als Finanzminister hier in Thüringen zu verantworten haben.

(Beifall bei der PDS)

Der Schuldenstand des Freistaats Thüringen beträgt heute ca. 12 Mrd.  "' ! !  "schen Demokratischen Republik betrug 10 Mrd. 

(Zwischenruf Abg. Vopel, CDU: Meine Herren, Sie sollten sich was schämen.)

(Zwischenruf Abg. Dr. Zeh, CDU: Das stimmt doch alles nicht.)

Meine Damen und Herren, Sie können schreien, Sie können toben, wie Sie wollen, die realen Verhältnisse sind etwas komplizierter, als Sie uns hier heute sehr einfach macherisch präsentiert worden sind. Das sind die Geschichten, die man Klein Fritzchen erzählen kann, dass die Erde eine Scheibe ist, weil Sie das in der Mitte des Hauses beschlossen haben, meine Damen und Herren.

(Zwischenruf Abg. Vopel, CDU: Warum sind Sie nicht zu DDR-Zeiten hierher gekommen, da hätten Sie noch etwas geleistet.)

Ich danke für den Hinweis aus der Nationalen Front.

(Beifall bei der PDS)

Meine Damen und Herren, wir haben an den realen Verhältnissen zu arbeiten. Wenn wir nicht das Niedriglohnland in Deutschland wären, was Thüringen ist, hätten wir auch Einnahmen bei den Einzelhandelsbetrieben und hätten Konjunkturnachfrage, und wenn man sich hier so freut, dass man bei der Arbeitslosigkeit scheinbar so gut dastehen würde, dann ist der Preis dafür das niedrigste Lohnniveau in ganz Deutschland. Und trotzdem, obwohl wir Billiglohnland sind, kommen nicht in Massen die versprochenen Arbeitsplätze, die uns immer offeriert worden sind.

Auch den Weg über die Wiedereinführung der Pauschalarbeitskräfte, der im Moment auf Haushaltsgehilfen eingeschränkt ist, halte ich für einen Irrweg, weil die sozialen und solidarischen Finanzierungssysteme dadurch wieder belastet werden, dass die ersten am unteren Rand des Einkommenssystems aus den Solidarkassen herausfallen.

Die Schulden, von denen ich gesprochen habe, Herr Trautvetter, die Sie zu verantworten haben, die haben einen Namen und die Schattenhaushalte in Thüringen, die haben auch einen Namen. Ein Name davon ist Sondervermögen - unter TOP 6 b kommen wir heute noch dazu -, das ist nichts anderes als das, was Erblastentilgungsfonds auch als Umgehung gemacht hat. Sie benutzen dieselbe Strategie, die Schulden außerhalb des Landeshaushalts zu parken, und Ihre Form der Leasingbaufinanzierung ist auch ein Schattenschuldenhaushalt, den,

(Beifall bei der PDS)

wenn ich an den Rechnungshof denke, immer wieder der Rechnungshof auch hier in den Mittelpunkt der Diskussion stellt und sagt: Das muss ehrlicher in der Finanzierung und in der Darstellung der gesamten Finanzierungssituation des Landes wiedergegeben werden.

Eine Bemerkung zum Kölner Klüngel, Herr Althaus. Der Kölner Klüngel, von dem Sie gesprochen haben, was Filz angeht, der hat einen viel älteren Namen. Das war Ihr großes Urgestein Adenauer. Der war Gegenstand des Kölner Klüngels. Der hätte sich aber nicht träumen lassen, dass derjenige, der sozusagen den Kölner Klüngel erfunden und patentiert hat, also Ideengeber ist, dass der noch einmal von der SPD in der Neuzeit so eingeholt wird. Wobei der Kölner SPD-Klüngel ein Müllklüngel ist, den wir, wie ich befürchte, in anderen Teilen der Bundesrepublik Deutschland auch haben. Vielleicht sollten wir da bei uns in die Klüngelsituation in Thüringen auch einmal hineinschauen, und was schwarzer Filz ist, das wissen wir auch einzuschätzen.

(Beifall bei der PDS)

Die Bundestagswahl haben wir als PDS verloren. Darüber können Sie sich freuen, Sie können La-Ola-Wellen machen, darüber werden wir in Gera zu reden haben. Wenn Sie Sorgen haben, ich werde mich nicht um Frau Zimmer kümmern, sage ich Ihnen, ich werde mich um Frau Zimmer kümmern. Eines an Realität sollten Sie in der mittleren Sitzreihe wirklich begreifen, wir haben 1 Prozent verloren, das entscheidende Prozent, das uns für eine bestimmte Zeit aus dem Bundestag hinausbringt.

(Zwischenruf Trautvetter, Finanzminister: Für immer.)

Das sagen Sie, Herr Trautvetter. Sie haben aber in Thüringen 22 Prozent verloren im Verhältnis zur Landtagswahl. Sie können es drehen und wenden, wie Sie wollen.

Die Wahlverlierer sitzen hier. Von hier beginnend, von Herrn Althaus bis zu mir herüber, das sind die Wahlverlierer, wenn Sie ehrlich sind. Und dann hören Sie auf, mit dieser SED-Mentalität alles schönzureden und beim Aufwärtsgehen sich totzusiegen. Nach den Wahlen ist vor den Wahlen, machen Sie, wie Sie wollen. Sie haben gesagt, die SPD soll sich nicht so aufregen. Das letzte Mal nach der Bundestagswahl wären Sie zu dem geworden, was Sie jetzt sind, nämlich ein etwas kleinerer Haufen in diesem Landtag.

(Zwischenruf Abg. Vopel, CDU: Warten wir bis zur Landtagswahl.)

Das mag sein. Wenn Sie Mut haben, Herr Althaus, dann machen Sie das, was Herr Huster vorgeschlagen hat, nicht nur des Ministerpräsidenten Geburtstag feiern, den wir ihm gönnen. 70 Jahre, dann kann er abtreten, dann soll er in Würde seine Rente nehmen und den Arbeitsplatz frei machen. Er soll aber nicht nur einfach den Arbeitsplatz für den Gesellen Althaus frei machen, sondern den Weg frei machen für Wahlen, weil wir dann testen können, ob wir noch in diesem Land gewählt werden.