Protocol of the Session on May 24, 2002

Sie zeichnet sich auch in diesem Lande durch eine hohe Motivation und damit verbundene hervorragende Ergebnisse aus, aber solche Vorgänge setzen das Vertrauen der Bürger in unsere Polizei leider aufs Spiel. Es führt zu großen Verunsicherungen innerhalb der Polizei und ich möchte jetzt einmal die gehäuften Suizide ganz ausschalten, weil das ein Fall für sich ist, aber auch das könnte ein Stück mit sein. Aber, es ist meiner Meinung nach, Herr Innenminister, schon eine Unverschämtheit, wenn Sie sagen, die Polizei wird zum politischen Pingpong missbraucht, wie es in der Bildzeitung steht. Ich meine, nicht die Polizei wird missbraucht, sondern Sie missbrauchen die Polizei durch solche Aussagen. Nicht die Polizei steht am Pranger, sondern der Innenminister steht am Pranger für einen solchen unglaublichen Vorgang.

(Beifall bei der SPD)

(Heiterkeit und Unruhe bei der CDU)

Es ist kein Kavaliersdelikt, trägt doch der Innenminister die volle Verantwortung. Ich erinnere nur an Beispiele auch in der deutschen Geschichte. Sie können rufen, was Sie wollen, hören Sie doch erst einmal zu. Herr Wehner, Sie sind doch gar nicht in der Lage, da überhaupt mitzudenken, weil Sie davon keine Ahnung haben. Ich erinnere nur an Beispiele in der deutschen Geschichte. Es ist doch ein klassischer Guilliaume-Effekt. In Thüringen gehen die Uhren leider anders. Wie viel Pannen können wir uns noch erlauben?

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU: Dewes.)

Die Spuren selbst führen bis in das Jahr 1997 zurück, jawohl, das ist auch unser Innenminister Dewes gewesen damals.

(Beifall bei der CDU)

Ich erinnere an den Mafia-Mordprozess, wo auch der Verdacht von Verbindungen zwischen Polizei und Rotlichtszene mit zur Debatte stand. Die Verbindungen in diesem Falle führen auch bis in diese Zeit hinein. Ich bin auch der Auffassung...

(Zwischenruf Köckert, Innenminister: Woher wissen Sie denn das?)

... der TLZ vom 18. Mai - Sie haben nachher die Möglichkeit zu reden.

Herr Innenminister, lassen Sie bitte den Abgeordneten jetzt reden.

Statt zu informieren, macht sich doch in der Spitze des Innenministeriums immer wieder eine gewisse Bunkermentalität breit. Ich unterstütze dabei die Auffassung der TLZ vom 18. Mai, die sinngemäß schreibt: Fehler im Management auf Polizeispitze werden entweder ignoriert oder immer wieder empört zurückgewiesen. Radikale Reformen beginnen eben im Kopf. Dem schließe ich mich voll an. Der Bericht des "Freien Worts", der sich wohl auch bestätigt haben soll, nämlich der Vorwurf der Beteiligung am Geschäft mit osteuropäischen Prostituierten, Menschenhandel und Verrat von Dienstgeheimnissen erfüllt eben auch den Tatbestand der organisierten Kriminalität. Linsel oder L., wie man ihn nennt, ist doch nicht irgendein Beamter, sondern er saß an einer ganz besonders sensiblen Stelle des Thüringer Innenministeriums, nämlich in unmittelbarer Nähe - so wie wir es gehört haben - des ehemaligen Abteilungsleiters 4 der Polizeiabteilung, dem Herrn Reimer, einer Stelle, wo viele Fäden zusammenliefen. Linsel selbst saß, wenn mein Wissen richtig ist, auch vor Jahren schon in einer Sonderkommission "Hecht", die dann in die "Antivirus" überging und sich damals auch mit Geheimnisverrat beschäftigte. So hatte dieser Beamte nach meinem Wissen und meiner Erkenntnislage sehr viele interne Kenntnisse über die Polizei allgemein und über Polizisten im Besonderen. Ich frage nur: Ist hier nicht der Tatbestand der Erpressbarkeit gegeben? Viele Fragen, die jetzt nicht beantwortet werden können, aber auch nicht beantwortet werden wollen - ich möchte jetzt beides einmal dahingestellt lassen -, stehen jetzt noch offen. Es sind ja keine Fragen beantwortet worden. Ich habe solche Fragen wie: Warum wurde nach dem Bericht des "Freien Worts" L. kurz vor Weihnachten 2001 versetzt, aber der Innenminister erfuhr es erst am 24. Januar? Ist es richtig, dass L. trotz Warnungen in das Amt eingesetzt worden ist? Warum wurden dann solche Warnungen ignoriert? Die Frage ist natürlich, sind auch weitere Beamte des Thüringer Innenministeriums oder der Polizei mit in diesen Vorgang verwickelt? Wurde auch gegen den Abteilungsleiter Reimer ermittelt? Gab es andere als die jetzt hier bekannt gewordenen Vorgänge, möglicherweise andere Tatbestände, die kriminell waren? Kam es tatsächlich zu der verursachten Gefährdung des V-Manns? Welche Art von Verrat von Dienstgeheimnissen gab es? Es sind viele Fragen, die offen sind, die natürlich auch von der Staatsanwaltschaft mit bearbeitet werden, darüber bin ich mir im Klaren. Aber man sollte meiner Meinung nach auch einmal überlegen, ob hier nicht das BKA mit ermitteln sollte, um neutral vorzugehen

(Zwischenruf Köckert, Innenminister: Europol.)

Fakt ist eines: Der Innenminister trägt für sein Haus generell die Verantwortung. Das ist so und das bleibt auch in Zukunft so. Ich beantrage deshalb auch die Fortsetzung dieser Debatte im Innenausschuss. Danke.

(Beifall bei der SPD)

Es hat das Wort der Abgeordnete Böck, CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Verehrter Abgeordneter Pohl, es ist ein schwieriges Thema, zu dem zu sprechen sich, glaube ich, im ganzen Hause kaum ein ausgewiesener Experte befindet, so auch ich nicht. Trotzdem will ich den schwierigen Versuch unternehmen,

(Heiterkeit und Beifall bei der PDS)

zu diesem Thema den sachlichen Hintergrund zu beleuchten und nicht wie Sie, Kollege Pohl, der Sie sagen, wir haben viele Fragen, wir haben keine Antworten, wir finden jetzt erst die Fragen, aber wir beantworten sie schon vorher und wissen genau, Schuld an allem ist der Innenminister. Das ist eine seltsame Logik, wir könnten uns gern später darüber unterhalten. Man lernt gern dazu. Wenn das in Zukunft die Art ist, die die Auseinandersetzung hier im hohen Hause bestimmen soll, dann können wir uns darauf einigen und bitte lassen Sie uns daran teilhaben, wir sind in der Beziehung auch lernfähig. Wir sind auch der Meinung, dass wir uns über das Thema im Innenausschuss weiter unterhalten müssten, ich denke, dann auch auf sachlicherer Grundlage.

Der Innenminister hat gesagt, dass hier laufende Ermittlungen nicht gefährdet werden können und im Rechtssystem ist es nun einmal so, dass die Staatsanwaltschaft Herr des Verfahrens ist. Es ist auch eindeutig dargestellt worden, um Ermittlungsergebnisse nicht zu gefährden, wie die zeitlichen Abläufe waren, in denen gegen den Beamten L. auch von Amts wegen vorgegangen ist. So etwas kommt immer vor. Auch Polizisten sind Menschen. Polizisten sind anfällig und wenn ich an Puschkin erinnere, der einmal geschrieben hat, mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin, möchte ich zitieren: "Wer am Abtritt wohnt, gewöhnt sich an Scheiße". Das trifft auch auf Polizisten zu. Und sie sind verführbar, sie sind auch korrumpierbar, immer wieder, so wie das im wirklichen Leben auch ist.

Nur etwas anderes macht mir viel mehr Sorge. Da ist jemand, der das Recht gebrochen hat oder vermutlich das Recht gebrochen hat, gegen den ermittelt wird, gegen den intern ermittelt wird, wo schon nach zwei Tagen, nachdem die Anwürfe bekannt werden, die Staatsanwaltschaft informiert wird. Und über diesen Vorgang, der auch vor den Betroffenen, weil man sie auch nicht bloßstellen möchte, wenn die internen Ermittlungen kein Ergebnis ergeben würden, geheim gehalten wird, die vorsichtig aus der Stelle, an der sie sitzen, entfernt werden, um Ermittlungsergebnisse nicht zu gefährden, und genau dieser Vorgang erscheint in der Presse. Das ist der eigentliche Punkt, über den wir im Ausschuss miteinander reden müssen.

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Das ist doch gewollt.)

(Beifall bei der CDU)

Dass so etwas vorkommt, ist immer wieder möglich.

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Das ist wie beim Verfassungsschutz.)

Nun will ich auch auf Ihren historischen Abriss noch einmal zu sprechen kommen. Ich denke, wir sollten uns schon darüber unterhalten. Wenn jemand Mitglied der internen Ermittlungen war, wenn er Mitglied der genannten Sonderkommissionen war - wir haben uns darüber im Ausschuss ja ausgiebig in der letzten Legislatur unterhalten und uns damit beschäftigt -, wenn er an maßgeblicher Stelle über Jahre hinweg damit beauftragt war, interne Ermittlungen zu führen und gegen Polizisten - eben wie es dann gegen ihn ging - zu klären, gibt es einen Verdacht, gibt es dort eine Straftat, dann ist das wirklich sehr brisant. Dann ist das eine Sache, die weit über das, was hier in der Zeitung steht, hinausgeht.

Nun vielleicht noch einmal zu der ersten Veröffentlichung, auf welche Art und Weise so etwas passiert, aus dem Internet unter der großen Schlagzeile "Ein neues Auto", "Freies Wort", "Homenachrichten regional", "Minister blockt ab, leitender Polizeibeamter soll mit Rotlichtszene gemauschelt haben", darunter, ich hätte fast gesagt unter der Überschrift "Ein neues Auto, Edelkarosse" mit der Unterschrift, "Mandy wartet im Rostocker Bordell auf den nächsten Kunden". Da wird zunächst einmal informiert über das erste Privatbetriebene in Rostock, um dann in einem Artikel Vermutungen, wahrscheinlich auch Informationen, die aus welchen Quellen auch immer gespeist worden sind, dem Leser als Sensation darzustellen. Der Minister hat darauf geantwortet, er hat das gesagt, was er sagen kann. Alles andere sollten wir nötigenfalls auch in vertraulicher Sitzung, auch in Anwesenheit der Staatsanwaltschaft, besprechen und dann ist derjenige, der das Verfahren führt, auch Herr des Verfahrens. Ich bezweifele, dass nach einem solchen Umgang mit vertraulichen Daten, wo auch wirklich Kriminalität gefördert wird, wenn es denn ein Kriminalfall ist, dass dann noch jemand, der mit solchen Ermittlungen betraut ist, wem auch immer, vorab interne Informationen gibt. Das gefährdet eigentlich auch die Arbeit und die notwendige Kontrolltätigkeit des Parlaments. Das ist in Wirklichkeit auch ein Ins-Abseits-stellen der gewählten Volksvertreter, die die Regierung kontrollieren sollen. Der Verdacht, woher denn solche Informationen kommen, der bleibt dann an all denen, die über solche Informationen verfügten, auch am Parlamentarier. Das ist eigentlich auch eine der schlimmen Folgen dieser Veröffentlichung. Der Journalist sagt, dass er nach einem Gespräch mit dem Pressesprecher des Innenministeriums darauf verwiesen hat, er würde auf die Veröffentlichung verzichten, wenn Ermittlungen gefährdet würden. Nur, wenn die Staatsanwaltschaft solche Ermittlungen führt und auch der Hinweis kommt,

hier laufen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, nur die können Auskunft geben, dann kann ich das nicht irgendjemand anderes ans Bein kleben und das zum Vorwand nehmen, es trotzdem rauszulassen. Ich denke, hier hat auch die Presse eine bestimmte Verantwortung nicht nur gegenüber der Informationspflicht für die Öffentlichkeit, sondern auch für das Gemeinwesen insgesamt.

(Beifall bei der CDU)

Es steht auch die Presse nicht außerhalb jeglichen Rechts.

Kollege Pohl, wir sind auch der Meinung, und das möchte ich hier auch beantragen, wir sollten darüber weiter im Innenausschuss sprechen, auch über die weiteren Fragen, die damit verbunden sind, und in aller Ruhe das Ergebnis abwarten. Ich befürchte, es ist mehr als das, was hier nur vordergründig als eine Situation aus dem Rotlichtmillieu geschildert wird. Da werden auch andere Dinge deutlich und das wird zurückreichen in die Jahre 1996, 1997, 1998 und andere. Wir tun gut daran, mit aller Sachlichkeit an diesem Thema zu arbeiten.

Mein Dank gilt in dieser Beziehung auch der ruhigen und der sachgerechten Art, wie hier um Aufklärung sowohl von der Polizei, von der Arbeitsgruppe "Interne Ermittlungen" als auch von der Staatsanwaltschaft gearbeitet worden ist. Ich will in dem Zusammenhang auch eine Person nicht unerwähnt lassen, der Name ist mehrfach gefallen. Das ist der ehemalige Abteilungsleiter in der Polizeiabteilung, der Herr Reimer, der nämlich leider verstorben ist und im Moment auf seine Beerdigung wartet. Ein vollkommen integerer Mann, ein sehr sensibler Mensch, der seine Aufgabe mit großer Ernsthaftigkeit ausgeführt hat und der, aus welchen Gründen auch immer, dann abgeordnet wurde zum Leiter des Statistischen Landesamts. Hier komme ich auch noch einmal auf die Art und Weise, wie Bericht erstattet wird, der dann beschmutzt und mit Dreck beworfen wurde als ein unfähiger Beamter, der dorthin abgeschoben worden sei. Ich möchte die Gelegenheit hier auch benutzen, mich in aller Form dagegen zu verwahren. So geht man mit Menschen nicht um.

(Beifall bei der CDU)

Herr Reimer ist nicht von ungefähr in dieser Nacht gestorben. Er war nämlich in diesem Zusammenhang sicherlich auch so erregt und als sensibler Mensch hat er sich das so zu Herzen genommen, das ihm letztendlich dasselbe auch brach in jener Nacht. Mir zumindest tut dieses eine Ergebnis dieser ganzen Sache unendlich Leid. Hier gilt das Mitgefühl auch der Ehefrau und der Familie des Herrn Reimer. Auch das möchte ich an dieser Stelle gesagt haben. Ich möchte in dem Sinne, Herr Pohl, und auch in dem Sinne, wie wir uns gestern eigentlich in die Augen geblickt haben bei einer Debatte, wo es auch um ein furchtbares Verbrechen ging, sollten wir in Zukunft nicht nur miteinander umgehen, denn immer, wenn wir miteinander über Dinge reden, reden wir auch über Per

sonen und gehen auch mit anderen um und in dem Sinne wünsche ich mir die weitere Behandlung des Themas. Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Entschuldigung, Herr Minister noch einmal.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin Herrn Böck sehr dankbar, dass er - weil vom Kollegen Pohl hier Zusammenhänge hergestellt wurden - auch noch mal des Leiters des Landesamts für Statistik hier gedacht hat. Denn, was da an Vermutungen angestellt wird und wo angesetzt wird, die böse Kampagne, die man an seinen Namen geknüpft hat, fortzusetzen und an dieser Kampagne haben Sie sich, Herr Pohl, auch beteiligt,

(Zwischenruf Abg. Pohl, SPD: Das ist eine Unverschämtheit.)

wie Sie darüber nachsinniert haben, wie man denn einen solchen Beamten in das Landesamt für Statistik bringen könne. Ich kann Ihnen die Zeitungsartikel zeigen, in denen Sie zitiert werden. Sie leiden wahrscheinlich an Gedächtnisschwund, ich kann Ihnen an dem Punkt aufhelfen. Deshalb bin ich dankbar, Herr Böck, dass Sie hier auch noch für Herrn Reimer ein gutes Wort eingelegt haben. Denn es gibt kaum einen so integren Beamten, wie er einer war.

Aber Sie zeigen, Herr Pohl, Dilettantismus. Das hätte ich von einem, der dem Innenausschuss seit 1990 angehört, nicht erwartet. Wer sich hier hinstellt und Namen nennt in einem solchen Verfahren, der ist Dilettant, abgrundtiefer Dilettant.

(Beifall bei der CDU)

Es wäre schon interessant, woher Sie die Gewissheit haben, dass Sie die Vorwürfe, die im Einzelnen im "Freien Wort" genannt worden sind, schon als sichere Erkenntnis hier darbieten und hinstellen.

(Zwischenruf Abg. Pohl, SPD: Sie haben wahrscheinlich nicht genau zugehört.)

Nein, nein, das habe ich schon sehr genau gehört. Prostitution z.B. ist von mir nicht vorgetragen worden.

(Zwischenruf Abg. Pohl, SPD: Das war der Bericht des "Freien Worts".)

Sie haben es so vorgetragen, als wäre dieser Bericht Wirklichkeit.

(Zwischenruf Abg. Ellenberger, SPD: Das ist doch eine Unterstellung.)

Nein, das kann man im Protokoll nachlesen. Ihre Verbindungsverknüpfung 1996 und 1997, die Sie als Erster in der Presse veröffentlicht haben, das zeugt schon von einem gewissen Spezialwissen. Auch damit kann sich der Innenausschuss vielleicht einmal beschäftigen, woher Sie denn diese Informationen haben, Herr Pohl. Das ist eine nicht ganz uninteressante Frage. Ihren Informanten haben Sie mit solchen Äußerungen sicher keinen Gefallen getan.

(Beifall bei der CDU)

Es hat das Wort der Abgeordnete Sonntag, CDU-Fraktion. Nein, nicht? Entschuldigung, das war ein Missverständnis. Dann liegen mir jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor. Es ist aber von verschiedener Seite, von Abgeordneten Pohl, Abgeordneten Böck, Fortsetzung der Beratung im Innenausschuss beantragt worden. Dann stimmen wir darüber ab.