Protocol of the Session on May 24, 2002

(Zwischenruf Dr. Pietzsch, Minister für So- ziales, Familie und Gesundheit: Eine Frech- heit, diese Äußerung.)

Wenn es nicht gelingt,

(Zwischenruf Dr. Pietzsch, Minister für Soziales, Familie und Gesundheit: Eine Abstimmung mit den Füßen zu einer Politik hat es 1989 gegeben.)

(Unruhe bei der CDU, PDS)

ausreichend - und das war auch der Tenor der gestrigen Beratung - Ausbildungs- und Arbeitsplätze in Thüringen zu schaffen, wird die Auswanderung nicht zu stoppen sein.

(Beifall bei der PDS)

Dann können auch die Stadtumbauprogramme noch so gut sein, die Menschen werden nicht hier bleiben. Dass gerade junge Menschen Thüringen verlassen, ist besonders tragisch, weil nämlich in einigen Jahren dadurch auch die Geburtenzahlen weiter sinken werden. Das hat nichts mit Dramatisierung zu tun, was man der Opposition immer wieder vorhält. Es ist unsinnig zu behaupten, dass uns eine Diskussion darüber schaden würde. Schädlich ist Ihre Blockade, Anträge der Opposition in den Ausschüssen beraten zu wollen, wie es gestern erneut wieder passierte.

(Zwischenruf Abg. Wetzel, CDU: Das ist ja zum Totlachen.)

Bereits jetzt wird für Thüringen bis 2020 prognostiziert, dass sich nahezu auf 10 Prozent der Einwohnerrückgang entwickeln wird. Der bisherige und künftige Geburtenrückgang hat auch etwas mit der wirtschaftlichen Entwicklung und perspektivischen Hoffnung zu tun. Da können Sie hier noch so laut schreien: "Das ist Unsinn", wer keine Perspektive sieht, ist auch beim Kinderwunsch in Zukunft zurückhaltend. Bisher hat die Landesregierung kein überzeugendes Konzept für eine nachhaltige Reduzierung der Arbeitslosigkeit vorgelegt.

(Zwischenruf Dr. Pietzsch, Minister für So- ziales, Familie und Gesundheit: In den letzten Jahren nehmen die Geburtenraten wieder zu, nehmen Sie das zur Kenntnis.)

Herr Minister, ich habe Sie hier genauso gut verstanden, Sie müssen sich nicht unbedingt in die erste Reihe setzen.

(Zwischenruf Abg. Wetzel, CDU: Weil es Unsinn ist.)

(Unruhe bei der CDU)

Ich dachte, ich hatte jetzt Redezeit.

Schade, dass unser Ministerpräsident zu dieser Zeit nicht anwesend ist, ich möchte an seine Worte anknüpfen.

(Zwischenruf Gnauck, Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei: Der arbeitet.)

Das ist schön, dass er arbeitet, Herr Gnauck. Aber ich möchte an seine Worte von gestern anknüpfen, als er sagte, dass wir in diesem hohen Haus dafür eintreten sollten, dass wir den Wettbewerb um die besten Konzepte führen sollten. Ich denke, da nützt auch ein Niederschreien hier in meinem Diskussionsbeitrag nichts.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Ich fühle mich durch Herrn Ministerpräsidenten ermutigt, hier noch einmal die Erwartungen der PDS zu nennen. Herr Minister, schaffen Sie die Rahmenbedingungen für eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung in Thüringen.

(Beifall bei der PDS)

Schaffen Sie die Voraussetzungen für verbesserte Handlungsfähigkeit der Kommunen. Entwickeln Sie einen gemeinwohlorientierten öffentlichen Beschäftigungssektor und reformieren Sie Verwaltungshandlungen.

(Beifall bei der PDS)

Sie sehen, es gibt schon Konzepte, wenn man das will. Hier ist ein Gegensteuern notwendig, anderenfalls kann man sich die Diskussion auch um den Stadtumbau sparen.

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Jawohl.)

Wir wissen natürlich, dass die Thüringer Landesregierung nicht allein Verantwortung für die Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik trägt. Aber nehmen Sie doch wenigstens die Teilverantwortung wahr, die das Land Thüringen hier hat, und stellen Sie sich ihr.

(Beifall bei der PDS)

Doch wir führen heute - Sie haben es bemerkt - keine Debatte zur Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik, obwohl es sehr notwendig wäre. Es geht heute vorrangig um den Stadtumbau, deshalb will ich nachfolgend einige Punkte der Antwort der Landesregierung hier benennen.

(Zwischenruf Abg. Schemmel, SPD: Einige bloß?)

Meine Damen und Herren, unsere Fraktion erkennt die Leistungen in der Wohnungswirtschaft der Kommunen, des Landes, des Bundes bei der Entwicklung des Wohnungsmarkts seit 1990 an. Die Wohnungsqualität hat sich für breite Bevölkerungsschichten verbessert. Wir haben auch anerkannt, dass das Land insbesondere im Haushaltsjahr 2000 Kürzungen des Bundes im Wohnungs- und Städtebau kompensiert hat, aber mit dem Doppelhaushalt 2001/2002 hat jedoch das Land die Kürzungen des Bundes nachvollzogen. Dies betraf insbesondere die Investitionsfördermittel.

Einige dieser Kürzungen waren dabei durchaus gerechtfertigt, Herr Minister, aber in der ganzen Breite haben die Kürzungen doch die Investitionsfähigkeit der Wohnungswirtschaft und der Kommunen beeinträchtigt. Ich höre jetzt schon wieder, Herr Minister, Ihre Argumente von der Notwendigkeit der Haushaltskonsolidierung.

(Zwischenruf Gnauck, Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei: Das stimmt.)

Ja, aber dass unsere Fraktion hier andere Auffassungen hat, machte die zurückliegende Haushaltsdebatte sichtbar. An dieser Stelle aber wieder eine Haushaltsdiskussion zu führen, wäre sicherlich spannend.

(Zwischenruf Köckert, Innenminister: Sie wollen nicht.)

(Unruhe bei der CDU)

(Zwischenruf Gnauck, Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei: Da haben wir höhere Steuer- einnahmen, das ist abenteuerlich.)

Ja, genau, diese Diskussion werden wir in Kürze sowieso führen müssen, deshalb möchte ich mich am Freitag Mittag hier ausklinken.

(Beifall bei der PDS)

Den Fakt aber an sich hier heute noch einmal zu nennen, war mir wichtig. Ihre Reaktion, Herr Gnauck, zeigt mir, dass es richtig war.

(Zwischenruf Gnauck, Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei: Nein, Sie merken es nicht.)

Meine Damen und Herren, unsere Fraktion unterstützt ausdrücklich die Feststellung der Landesregierung, dass die bisherigen Konzeptionen, die auf einen Zuwachs ausgerichtet sind, in der Städtepolitik zu überprüfen sind. Spä

testens mit der Fortschreibung des Landesentwicklungsplans 2003 muss hier ein Paradigmenwechsel vollzogen werden. Wir widersprechen aber der Einschätzung der Landesregierung, dass der derzeitige Leerstand nahezu vollständig strukturell bedingt ist. Gerade der Leerstand im Altbaubereich der Innenstädte hat andere Ursachen.

(Beifall bei der PDS)

Hier stehen derzeit Wohnungen leer, die aufgrund ihres Bauzustandes überhaupt nicht vermietbar sind. Ungeklärte Eigentumsverhältnisse und eine teilweise verfehlte Förderungspolitik in den 90er Jahren haben diesen Leerstand zumindest mit beeinflusst.

(Beifall bei der PDS)

Mit dem neuen "Stadtumbauprogramm Ost" ist hier ein Gegensteuern erkennbar. Ob die vorgesehenen Maßnahmen wie die Erhöhung der Investitionspauschale und eine höhere Eigenheimzulage allein ausreichen, um den Wohnungsleerstand im Altbaubereich der Innenstädte nachhaltig auszubauen, wird zumindest zweifelhaft. Selbst die Landesregierung geht hier nur von punktuellen Verbesserungen aus. Nicht nachzuvollziehen ist die Antwort der Landesregierung, wonach die Aufteilung des strukturell bedingten Wohnungsleerstands auf die einzelnen Arten der Wohnungsbestände nicht möglich ist. Wie sollen zielgerichtete Konzepte ohne Klarheit der Fakten hier erfolgen? Gleiches trifft auf das Unvermögen zu, den Leerstand in den einzelnen Regionen des Landes genau zu ermitteln. Die Abwanderung aus den Städten in das Umland ist unbestritten auch eine Ursache für den Wohnungsleerstand in den Städten. Die Landesregierung erwartet hier eine Abschwächung dieser Abwanderungstendenzen. Die Landesregierung verweist hier auf eine Neuausrichtung der Instrumente der Raumordnung, sie wird aber leider nicht konkret. Eine Neuausrichtung der Baulandpolitik ist sicherlich nicht ausreichend. Änderungen im Steuerrecht und in der Förderpolitik sind sicherlich genauso notwendig.

Unsere Fraktion und, ich denke, keiner von uns hat hier eine Patentlösung, aber umso wichtiger ist hier die Diskussion mit den Beteiligten, ohne Ausschluss bestimmter Ideen und Vorstellungen. Wir fordern hier die Landesregierung auf, offen und öffentlich mit allen Beteiligten zu diskutieren.

(Beifall bei der PDS)

Meine Damen und Herren, zu Recht wird in der Diskussion zum neuen "Stadtumbauprogramm Ost" darauf verwiesen, dass offenbar nur die kommunalen Wohnungsgesellschaften und die Wohnungsgenossenschaften aus ihrem Bestand abreißen bzw. zurückbauen sollen. Diese Unternehmen vernichten somit ihr Eigentum. Profitieren werden die privaten Vermieter, bei denen der Leerstand bereits jetzt vergleichsweise gering ist. Hier stellt sich zu Recht die Frage: Welchen Beitrag müssen die privaten Ver

mieter zur Stabilisierung des Wohnungsmarkts leisten?

Meine Damen und Herren, eines der Hauptprobleme der Wohnungswirtschaft sind die so genannten Altschulden. Die Position der PDS - wissen Sie, wir haben sie immer abgelehnt, wir sind jedoch auch Realisten und akzeptieren bestimmte Tatsachen und Entwicklungen.

(Zwischenruf Abg. Bergemann, CDU: Das ist ganz neu.)