Protocol of the Session on March 14, 2002

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich komme zu einzelnen Punkten. Die Thüringer Kommunen haben die

geringste kommunale Steuerkraft aller 13 Flächenbundesländer. Die Hauptursache hierfür ist unbestreitbar die wirtschaftliche Situation im Freistaat. Die kommunalen Steuereinnahmen stagnieren und an dieser Situation wird sich auch in den kommenden Jahren sicher nichts Entscheidendes ändern. Gerade in dieser Situation kommt dem Kommunalen Finanzausgleich eine besondere Bedeutung zu. Der Finanzausgleich ist kein Gnadenakt einer politischen Mehrheit im Landtag, sondern die Folge verfassungsrechtlicher Vorgaben zur Sicherung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Freistaat. Die kommunalen Finanzausgleichsysteme der Länder sind nur schwer vergleichbar, deshalb muss man den Thüringer so bewerten, wie er ist. Das will ich im Folgenden tun.

Mit dem Doppelhaushalt 2001/2002 mussten die Thüringer Kommunen einen überproportionalen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung leisten. Bekanntlich reduzierte sich der Umfang des Landeshaushalts nur um 1 Prozent. Die Zuweisungen des Landes an die Kommunen allerdings wurden um 3,5 Prozent gekürzt. Dies wohl wissend, dass die Kommunen zeitgleich weitaus höhere Steuermindereinnahmen verkraften mussten als das Land Thüringen. Hinzu kommt, dass das Land den Finanzausgleich mit weiteren Aufgaben befrachtet, was zu weiteren Belastungen der Kommunen führt.

Nach wie vor ist die Auftragskostenpauschale Bestandteil des Finanzausgleichs. Die PDS-Fraktion hält dies für systemwidrig, weil die Kommunen damit de facto die übertragenen Aufgaben im großen Umfang selbst finanzieren müssen. Die diesbezügliche Verfassungsklage von 13 Städten und Gemeinden gegen den Kommunalen Finanzausgleich halten wir folglich für gerechtfertigt.

(Beifall bei der PDS)

Der Finanzminister argumentiert des öfteren - das hat er soeben auch wieder getan -, den Kommunen in Thüringen wird es weit besser gehen, die würden schon Schulden zurückzahlen. Das stimmt zum Teil sicher wirklich. Ich behaupte aber, das stimmt nicht für alle. Zweitens: Man kann es nicht vergleichen. Das stimmt insbesondere nicht für die Situation der kreisfreien Städte. Ich meine, Herr Finanzminister, wenn wir an die Debatte aus der Aktuellen Stunde der letzten Plenarsitzung denken, ist es unseriös, die Kommunen so in Haftung zu nehmen, ihnen in gewisser Weise den schwarzen Peter zuzuschieben.Wenn Sie so argumentieren, sind Sie keinen Deut besser als Finanzminister Eichel, der den Ländern und Gemeinden die Schuld zuschiebt.

(Zwischenruf Trautvetter, Finanzminister: Der Bund hat den schwarzen Peter!)

(Beifall bei der PDS)

Meine Damen und Herren, in dieser unter dem Strich für alle Kommunen schwierigen Situation muss die kommu

nale Finanzkraft gestärkt werden. Es ist nicht hinnehmbar, dass die Kommunen wieder an den Einnahmeausfällen des Landes beteiligt werden. Gemäß dem FAG sollen weitere 35 Mio.   ausgleich gestrichen werden. Nötig wäre unserer Auffassung nach tatsächlich eine andere Politik. Die Kommunen brauchen in der schwierigen Situation Spielräume, um ihre bereits geplanten und notwendigen Investitionen tätigen zu können. Sie können es oftmals nicht, weil ihnen die entsprechenden Eigenanteile fehlen und weil ihr Vermögenshaushalt durch die jetzige Tilgung von Krediten draufgeht. Nach Expertenaussagen können Thüringer Kommunen wegen fehlender Eigenmittel in diesem Jahr allein Investitionen in Höhe von ca. 250 Mio.   &+'   gender Handlungsbedarf, den man eigentlich nicht bestreiten kann. Es muss brummen in Thüringen und das heißt, brummen muss es und nicht bremsen, Herr Finanzminister. Sie kürzen beispielsweise die kommunalen Investitionspauschalen und ich fordere Sie auf, die Mittel zu verdoppeln, also 100 Mio.    6(&   &

(Beifall bei der PDS)

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Woher nehmen Sie das Geld?)

Doch dies ist allein nicht ausreichend, die Spielräume für die Kommunen zu erhöhen. Richtigerweise hat der Vizepräsident des Städte- und Gemeindebundes und Geraer Oberbürgermeister Ralf Rauch eine sinnvolle Debatte begonnen.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Der Ver- band heißt Gemeinde- und Städtebund, so viel Zeit muss sein.)

Ja, Herr Fiedler, wir reden dann noch miteinander. Sie kommen noch dran. Ich habe für Sie eine kleine Vorbereitung.

Er hat einen Vorschlag gemacht, der auf die Flexibilisierung des kommunalen Haushaltsrechts hinausläuft. Diese Debatte unterstützen wir als PDS-Fraktion, denn sie ist längst überfällig. Wenn die Kommunen eine Investitionsoffensive brauchen, und dies muss eigentlich unstrittig sein, dann muss es neben der Bereitstellung von Landesmitteln eine flexiblere Handhabung bei der Genehmigung von kommunalen Krediten geben. Beim Schulumbauprogramm geht es doch auch.

Zusammenfassend lassen Sie mich an dieser Stelle sagen: In der jetzigen volkswirtschaftlich schwierigen Situation dürfen die Kommunen nicht an den Steuermindereinnahmen des Landes beteiligt werden. Nicht weniger Geld in die Kommunen, sondern mehr Geld.

(Beifall bei der PDS)

Mehr Geld für Investitionen, mehr Geld dafür, dass die Menschen Arbeit und Zukunft in Thüringen finden und nicht anderswo. Es sei mir eine kleine Einfügung an dieser Stelle gestattet. Bezug nehmend auf die entsprechende Presseerklärung des Finanzministeriums zur Pressekonferenz der PDS erklärte der zuständige Ministeriumssprecher den Vorschlag der PDS zur Nichtbeteiligung der Kommunen an den Mindereinnahmen als - ich zitiere "Aufruf zum Gesetzesbruch".

Ich will an dieser Stelle ausdrücklich keine ernsthafte Debatte beginnen ob dieser Aussage, ob möglicherweise ein zutiefst zweifelhaftes Verfassungsverständnis zur Rolle des Landtags als Gesetzgeber im Finanzministerium gepflegt wird. Ich will stattdessen annehmen, Herr Minister, dass Sie zum Zeitpunkt der Entstehung dieser Presseerklärung gerade beim Haarefärben saßen und diesen Text nicht verhindern konnten.

(Beifall bei der PDS)

Ich bitte Sie nur herzlich, dann hier vor dem Plenum auch noch einmal klarzustellen für alle, dass auch Sie der Auffassung sind, dass der Landtag der Gesetzgeber ist und in Thüringen auch bleiben soll. Seit Herr Köckert Innenminister ist, muss man auch auf alles gefasst sein. Deswegen wäre ich Ihnen für eine Klarstellung wirklich dankbar.

(Beifall bei der PDS)

Damit komme ich zu Ihren weiteren Vorschlägen. Meine Damen und Herren, die PDS-Fraktion geht davon aus, dass es in Thüringen nicht zu viel soziale Gerechtigkeit, sondern zu wenig gibt.

(Beifall bei der PDS)

Wir meinen, dass auch die Frage der sozialen Sicherheit viel zu einseitig von den unmittelbaren Kosten diskutiert wird und zu wenig von den Wirkungen und eingesparten Folgekosten. Wir sind der Auffassung, gerade vor dem Hintergrund der Schuster'schen Attacken auf ABM und SAM, dass es bei den mittlerweile gewachsenen und allerdings gefährdeten Strukturen in Thüringen eine strukturelle und personelle Kontinuität geben muss.

(Zwischenruf Abg. Vopel, CDU: Auf ABM können wir doch gar keinen Einfluss neh- men.)

Diese Kontinuität, so glauben wir, kann mit einem Feststellenprogramm, der Sozialpauschale, gestützt werden und die ist auch und gerade mit dem Nachtragshaushalt darstellbar. Mit dem Nachtragshaushalt, meine Damen und Herren der Landesregierung, misshandeln Sie sogar vergleichsweise kleine Positionen. 100.000  '1ratungsstellen für Suchtkranke, 100.000 ger beim betreuten Wohnen für psychisch Kranke und seelisch Behinderte, 100.000 weniger bei Betreuungsvereinen und Selbsthil

feverbänden, 100.000  ' häusern. Die Familienhilfe wird gleich um 330.000 molken. Die Breitenkultur wird mit der Kürzung um 200.000 # kann schon sagen - zerschlagen. Soziokultur, Bibliotheken, Theatergruppen, Musik, Volkskunst - alle müssen bluten. Wozu diese Landesregierung fähig ist, das ist einfach unglaublich. Selbst die Mittel für die Aufarbeitung der SED-Diktatur werden gekürzt. So wird aus Ihrem Sparen und Gestalten, wie ich schon sagte, ganz schnell ein Streichen und Spalten.

(Beifall bei der PDS)

Bei den Hochschulen setzen Sie Ihre Konzeptionslosigkeit fort. Nach der grandiosen Idee mit dem Fisch in der Zeitung gehen Sie jetzt sogar mit der Abrissbirne an die Denkfabrik. Da mögen wir uns wirklich unterscheiden, auch nach dem, was Herr Trautvetter gesagt hat, ich verwende den Begriff "Abrissbirne".

Selbst die Studie zur sozialen Situation von Studierenden belegt, wie notwendig indirekte Studienförderung ist, um Chancengleichheit herzustellen. Warum Sie dann in dem Bereich 500.000        nicht verstehen.

Meine Damen und Herren, ganz klar, wer seriös Politik machen will, darf nicht nur sagen, was er gern möchte. Er oder sie muss sich auch befleißigen, Änderungsvorschläge zu machen, und die sollten unter gegenwärtigen Bedingungen auch finanzierbar sein. Dies schließt ausdrücklich die Möglichkeit ein, zur Erkenntnis zu gelangen, dass unter gegenwärtigen Bedingungen diese Wege nicht zu bewerkstelligen sind und man eben über andere Rahmenbedingungen nachdenken muss. Ich hoffe nicht, dass Sie aufgrund meiner jetzigen Äußerung wieder eine Aktuelle Stunde beantragen. Ich will Sie durchaus auch vor weiterem Schaden bewahren.

Da will ich an dieser Stelle konkreter sagen, was ich meine. Die Debatte um eine Gemeindefinanzreform in Deutschland, über den Abbau der Politikverflechtung, wie der Mischfinanzierung im Grundgesetz, über eine wirkliche funktionale Verwaltungs- und Gebietsreform in Thüringen, all das - und nicht vollständig jetzt von mir hier genannt - gehört in eine Diskussion um veränderte Rahmenbedingungen für politisches Handeln. Dem liegt die Erkenntnis ganz einfach zugrunde, dass Demokratie nicht von der Luft allein leben kann, sondern Handlungsspielräume braucht. Das dürfte allen hier im Hause klar sein. Aber auch unter den jetzigen Bedingungen sind sinnvolle Einsparungen möglich und nötig, ohne dass einseitig gestrichen werden muss. Dies hat die PDS wiederholt nachgewiesen. Deshalb behaupte ich hier, dass wir die solideren Haushälter sind, und wir erwarten, dass das die CDU endlich zur Kenntnis nimmt.

(Heiterkeit bei der CDU)

(Beifall bei der PDS)

Das Schöne ist, meine Damen und Herren von der CDU, dass Sie so leicht berechenbar sind. Ich will Ihnen natürlich auch erklären, was ich damit meine. Ich meine hier unsere Anträge aus dem Ententeich, wenn Sie sich erinnern. 811 dieser Anträge, also zur Beratung des Doppelhaushalts 2001/2002, waren nichts weiter als die Anpassung an den voraussichtlichen Bedarf. Für das Jahr 2001 lagen wir mit 567, das sind etwa 70 Prozent dieser Anträge, genauer an dem vorläufigen Ist-Ergebnis dran als die Landesregierung.

(Beifall bei der PDS)

70 Prozent Trefferquote und das, obwohl die Behörden nach den Ansätzen im Haushalt gearbeitet haben und nicht nach unseren Vorgaben.

(Beifall bei der PDS)

(Zwischenruf Abg. Nitzpon, PDS: Vielleicht ist es auch anders.)

Vielleicht ist es auch anders, aber ich finde, das müssten Sie hier erst einmal würdigen, hier die Jungs.

Da fallen mir dann ganz spontan die Redebeiträge von Dr. Zeh, von Herrn Fiedler und Frau Lehmann ein. Frau Lehmann, ich glaube, Sie waren es, die meinte,

(Zwischenruf Abg. Dr. Zeh, CDU: So spon- tan wird das Ihnen wohl nicht eingefallen sein.)

dass unsere Vorschläge zum Beispiel bei den Behördenumzügen dazu führen würden, dass die Beamten ihre Schreibtische selbst transportieren müssten. Wenn Sie sich die Ist-Zahlen anschauen, dann werden Sie sehen, dass es gar nicht so schlimm gekommen ist.

(Heiterkeit und Beifall im Hause)

Insofern ist es begrüßenswert, dass die Landesregierung, wenn auch nur zögerlich, unsere Ententeichmethode nachahmt. Einige Titel werden an den tatsächlichen Bedarf angepasst. Unklar ist nur, warum insgesamt zu wenig unserer Anträge aufgegriffen wurden. Aber ich denke, das geht schon in die richtige Richtung. Ich will nicht verhehlen, Herr Dr. Zeh, mit diesem 70-Prozent-Ergebnis im Rücken werden wir uns auch für 2002 vorbehalten, genauer zu veranschlagen als der Finanzminister. Auf ein Neues, kann ich da nur sagen.

(Beifall bei der PDS)

Lassen Sie mich ein paar Bemerkungen zur Steuerschätzung machen. Ausgangspunkt meiner diesbezüglichen Bewertung ist die Steuerschätzung vom November 2001. Man

muss nur wissen, wie es bei den Finanzministern tatsächlich zugeht. Das sind gewiefte Kerle. Was uns als Steuereinnahmen präsentiert wird, ist nicht 1 : 1 das Ergebnis der Steuerschätzung, sondern deren Interpretation durch den jeweiligen Finanzminister, hier in Thüringen durch unseren sehr geschätzten Herrn Trautvetter.

(Zwischenrufe aus dem Hause: Oh, oh!)