3. Neben der Straßensammlung soll auch die Amtsstubensammlung möglich sein. Sie ist möglich. Meines Erachtens ist nirgendwo zu finden, dass beide nicht nebeneinander existieren können. Diese Regelung hat auch ihren Sinn.
Die Vertrauenspersonen, die Organisatoren, die Initiatoren eines Volksbegehrens müssen sich, wenn mal Volksbegehren anstehen, die einen anderen Gegenstand haben, als das jüngste...
Es sind Themen denkbar, die regional beschränkt sind. Dann kann eine Initiative nicht damit rechnen, dass sie das ganze Land flächendeckend mit aktiven Helfern abdecken kann. Das heißt doch aber nicht, dass in den Regionen, die nicht unmittelbar betroffen sind, den Bürgerinnen und Bürgern die politische Äußerung zu dem Gegenstand eines anderen Teils des Landes nicht ermöglicht werden muss. Also können die Vertrauenspersonen einer solchen Initiative beantragen, dass in den Bereichen, wo wir nicht so stark vertreten sind, aber das Unterschriftsund Meinungsbildungsrecht gewahrt bleiben muss, diejenigen, die das Volksbegehren unterstützen wollen, in die Amtsstuben gehen und in den Amtsstuben ihre Unterschrift zur Unterstützung des Volksbegehrens leisten. Das halte ich für eine mögliche Regelung.
Die freie Straßensammlung aber, meine Damen und Herren - und das sage ich auch in Richtung des Verfassungsgerichts in Weimar -, ihr offener und breiter Diskussionsprozess mit den Bürgerinnen und Bürgern und unter den Bürgerinnen und Bürgern bleibt das Herzstück des Volksbegehrens. Nur durch die freie Sammlung auf der Straße, durch die Veranstaltungen, die Diskussionen, die Kampagnen wird das Volksbegehrensrecht eigentlich zu einer respublica, das heißt zu einer gemeinsamen öffentlichen politischen Angelegenheit.
4. Vor dem Volksentscheid wird eine Abstimmungsbroschüre veröffentlicht. Was ist uns da eingefallen? Da geistert in der Welt immer dieses Politikergerücht vom schwerlich entscheidungsfähigen, weil so schlecht informierten Bürger. Die Schweizer kennen dieses Gerücht genauso und sie haben Abhilfe geschaffen. Diese Abstimmungsbroschüre, in der Schweiz Abstimmungsbuch genannt, ist eine sinnvolle Angelegenheit in Sachen direkter Demokratie. Wir schlagen deswegen in unserem Verfahrensgesetz vor, dass alle Haushalte im Vorfeld eines Volks
entscheids über alle zur Abstimmung stehenden Gesetzentwürfe sachlich, ausführlich und politisch ausgewogen informiert werden. Dabei sollen die Einreicher der Gesetzentwürfe zu den eigenen Vorschlägen Stellung nehmen und auch zu den Alternativen Stellung nehmen können.
5. Es wird eine Kostenerstattung eingeführt. Mancher von Ihnen wird sich vielleicht noch daran erinnern können, dass wir schon bei der Erarbeitung des jetzt noch geltenden Gesetzes vorgeschlagen hatten, Kostenerstattungen vorzusehen. Die Aufwendungen und das finanzielle Risiko eines bürgerschaftlich-politischen Engagements sollte nicht vollständig an den Initiatoren und den Trägern einer Volksinitiative hängen bleiben. Der Gesetzentwurf sieht Regelungen vor, wonach den Trägern eines zulässigen Volksbegehrens für jede gültige Unterschrift ein Betrag von 25 Cent erstattet wird. Dabei finden allerdings höchstens die jeweils zum Erfolg des Begehrens notwendigen Stimmenzahlen Berücksichtigung. Nach einem Volksentscheid erhalten die Träger eines Volksbegehrens für jede gültige Jastimme einen Betrag von 20 Cent. Mit einer solchen Regelung wird nicht nur das ganz persönliche Risiko derer gemildert, die bereit sind, sich politisch zu engagieren, es wird gleichzeitig etwas gegen das Monopol der öffentlichen Finanzierung der Parteien bei ihrer politischen Mitwirkung am gesellschaftlichen Leben getan. Denn das tun Initiativen wie das Bündnis für "Mehr Demokratie in Thüringen" schließlich auch. Nicht immer sind diese Initiativen den Parteien nach inhaltlicher Breite, organisatorischer Stabilität oder Dauerhaftigkeit des politischen Engagements ebenbürtig, aber einen wertvollen Beitrag zur Entfaltung der Demokratie leisten sie allemal. Das hat das Thüringer Volksbegehren für mehr Demokratie eindrücklich bewiesen.
Ordentliche, meine Damen und Herren, dem Ansinnen der Bürgerinnen und Bürger angemessene Vorschläge für gesetzliche Regelungen in ebenso angemessener Frist - und Herr Schemmel hat klar gesagt, was jetzt von der Landesregierung erwartet wird - wäre wohl die einzige Möglichkeit dafür zu sorgen, dass die Initiative für "Mehr Demokratie in Thüringen" ihre Stabilität und Dauerhaftigkeit verliert und verschwindet, weil ihr Trägerkreis sich auflöst. Betrachtet man aber die Vorstellung der CDU-Fraktion in dem Antrag, den Sie erwähnt haben, Herr Wolf, und betrachtet man den Gesetzentwurf zur Novellierung der Kommunalordnung, den wir im nächsten Tagesordnungspunkt beraten werden, dann wird deutlich, welche Verschlechterungen und Erschwernisse für Plebiszite die Öffentlichkeit zu erwarten hat.
Der im Anschluss zu beratende Entwurf zur Kommunalordnung wirft regelrecht Schatten der tief sitzenden Abneigung der Regierenden gegen mehr Bevölkerungsbeteiligung eindrucksvoll voraus.
Herr Innenminister, Sie mögen das für Unfug halten. Ich denke, das, was Sie vorschlagen, wird sich selbst entlarven, denn das Schlimmste an dieser ganzen Regelung ist eigentlich, Herr Innenminister, Ihr Verhalten, Ihr Verhalten, die Öffentlichkeit glauben machen zu wollen, die Anhänger des Volksbegehren hätten bayerische Verhältnisse gewollt und nun hätten sie sie auch angeboten bekommen. Erstens hat niemand von der Initiative für "Mehr Demokratie in Thüringen" jemals gesagt, dass wir irgendeines Landes Regelungen kopieren wollen. Wir haben nicht gesagt, dass wir bayerische Verhältnisse wollen.
(Zwischenruf Köckert, Innenminister: Das findet sich im Landtagsprotokoll, Herr Hahnemann, im Landtagsprotokoll.)
Sie haben auch überhaupt gar keine bayerischen Regelungsverhältnisse angeboten. Das, was Sie anbieten von bayerischen Regelungsverhältnissen, ist nur der ausgewählt unangenehme Teil. Wenn Sie anbieten eine Senkung des Quorums von 20 auf 15 Prozent in der Amtsstubensammlung innerhalb von 14 Tagen, dann verschweigen Sie, dass genau der Regelungspunkt der Befristung in Bayern nicht existiert. Und dann haben wir es mit ganz anderen Verhältnissen zu tun, als mit denen, die Sie als bayerische bezeichnen.
So viel zum Umgang der Regierungsmitglieder mit der Wahrheit, aber um die Wahrheit der Regierenden geht es ohnehin sehr selten. Das Anliegen, meine Damen und Herren, von mehr als 380.000 Bürgerinnen und Bürgern in einem Wahljahr einfach dahinbummeln zu lassen, das kann sich die politische Klasse, das können sich ihre Partei- und ihre Fraktionseliten wohl kaum leisten. Das zeigen im Übrigen die Absichten im Bund und in Nordrhein-Westfalen. Aber, meine Damen und Herren, wenn wir hoffen, dass wir demnächst, so wie es die Vorsitzenden der drei Fraktionen abgesprochen haben, ein Paket von Regelungsvorschlägen beraten können, dann hoffe ich nur, dass die Arbeitsgeschwindigkeit der Landesregierung diesem "demnächst", was ich gerade hier geäußert habe, nicht einen Verwaltungsstrich durch die Rechnung machen wird. Wir sind es den Bürgerinnen und Bürgern einfach schuldig, ihr Verlangen nach mehr Teilhabe an den politischen
Diskussionen im Land und nach mehr Teilhabe an den politischen Entscheidungen Rechnung zu tragen. Wenn der Vorschlag, den die Initiative für mehr Demokratie in Thüringen gemacht hat, vor dem Verfassungsgericht nicht standgehalten hat und hier im Hause keine Mehrheit gefunden hätte, dann haben wir die Verpflichtung, jetzt den Teil zu tun, der unsere Arbeit ist, nämlich so schnell wie möglich an die Arbeit zu gehen - und das hat nichts damit zu tun, Herr Wolf, dass ich für Geschwindigkeit statt Qualität plädiere, aber Lethargie war noch nie eine Sicherung gegen Miss... - jetzt fehlt mir der richtige Terminus, aber ich hoffe, Sie wissen, was ich meine -, gegen schlechte Ergebnisse.
Ja, ich denke, das ist für das Protokoll besonders wertvoll, wenn es um Plebiszite geht, dass dann die Herren, insbesondere die Herren Abgeordneten, mit ihren Gedanken bei der Misswahl sind. Ich denke, Sie sind das Ergebnis einer Misswahl. Danke schön.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Herr Abgeordneter Dr. Hahnemann, man hatte streckenweise den Eindruck, dass Sie mit Ihren Ausführungen schon beim nächsten Tagesordnungspunkt waren, aber wenn Sie
(Zwischenruf Abg. Dittes, PDS: Herr Dr. Birkmann, dass Sie den Zusammen- hang nicht verstehen, ist bekannt.)
in diesem Zusammenhang von den bayerischen Verhältnissen sprechen, dann möchte ich doch darauf verweisen, dass bei der Behandlung des Volksbegehrens mit Blick auf die Situation für die Entscheidung zum Volksentscheid hinsichtlich der 25 Prozent bei Verfassungsänderungen und ohne prozentuale Angabe bei einfachen Gesetzen sehr wohl immer wieder von den Vertretern des Volksbegehrens die bayerischen Verhältnisse eingefordert worden sind. Insofern ist das schon richtig, was der Kollege Köckert gesagt hat. Nachdem die Fraktionen von SPD und PDS im November vergangenen Jahres einen Gesetzentwurf zur Änderung der Verfassung ins Parlament eingebracht haben, legen Sie nunmehr, ich sage, "in gewohnter Eintracht" einen Gesetzentwurf zur Änderung des Ausführungsgesetzes, also des Thüringer Gesetzes über das Verfahren bei Bürgeran
trag, Volksbegehren und Volksentscheid vor. Hier stand in meinem Manuskript zunächst statt "gewohnter Eintracht" "bewährter Eintracht". Nun bin ich mir angesichts der Diskussion, wie Sie das gemeinsame Einbringen hier heute interpretieren, nicht so ganz sicher. Herr Schemmel hat schon versucht, ein gewisses Verständnis darzulegen, dass man das ausnahmsweise so tue und Sie, Herr Hahnemann, haben weitere Abgrenzungskriterien genannt und Sie sprachen von ramponieren. Sie müssen sich schon darüber im Klaren sein, was Sie wollen. Wenn Sie gemeinsam etwas tun wollen, dann sollten Sie auch dazu stehen, jedenfalls überrascht das schon, dass die SPD-Fraktion diesen Gesetzentwurf hier von der PDS-Fraktion einbringen lässt.
Meine Damen und Herren, leider leidet allerdings auch der neuerliche Gesetzentwurf daran, dass er die verfassungsrechtlichen Vorgaben, wie sie vom Thüringer Verfassungsgerichtshof in seinem Urteil vom 19. September letzten Jahres verdeutlicht worden sind, nicht hinreichend berücksichtigt, ja er verstärkt diese Mängel noch. Herr Abgeordneter Hahnemann, es mutet schon etwas zu, wenn Sie in diesem Zusammenhang davon sprechen, hier sei das Volksbegehren "zu Fall" gebracht worden und im weiteren Zusammenhang ebenfalls vom "Fall" des Volksbegehrens gesprochen haben, diese Terminologie, die kennzeichnet schon, wie Sie mit dem Verfassungsgerichtshof umgehen.
Ich werde das gleich auch noch einmal an einer anderen Stelle dartun. Wenn Sie die Verfassung ernst nehmen würden, dann würden Sie Artikel 82 Abs. 5 ernst nehmen, darin steht, wenn die Landesregierung oder ein Drittel der Abgeordneten der Auffassung ist, dass der Entwurf gegen die Verfassung verstößt, sind sie verpflichtet, den Verfassungsgerichtshof anzurufen und das haben wir getan.
Wir haben immer gesagt, wir wenden uns nicht gegen die Vertreter des Volksbegehrens, sondern wir haben diese Aufgabe, die uns nach der Verfassung zukommt, wahrzunehmen. Wir haben nie vom "Fall" gesprochen, sondern wir haben gesagt, es muss geprüft werden, ob dieses Volksbegehren in Übereinstimmung mit der Verfassung steht. Das ist die richtige Sprachregelung. Der Verfassungsgerichtshof hat gesagt, nein, es steht nicht in Übereinstimmung. Es geht nicht darum, etwas "zu Fall" zu bringen. Das wissen Sie sehr wohl, dass wir ebenfalls eine Entwicklung der plebiszitären Elemente wollen.
Nun konnte man anfangs annehmen, Herr Schemmel, Sie fingen so moderat an, ich dachte schon - nach den weiteren Ausführungen muss man das dann allerdings wieder etwas relativieren -, Sie hätten heute Morgen so ein Stückchen Kreide gegessen, als Sie sagten, Sie wollten das heute doch
etwas sanfter machen. Allerdings erscheint mir, dass nach dem, was dann von Ihnen, Herr Schemmel, und von Ihnen, Herr Hahnemann, vorgetragen worden ist, doch Anlass ist, hier wegen der Bedeutung des Anliegens noch etwas intensiver auf die Gesamtvorlage einzugehen. Es ist auch bezeichnend in der Terminologie, wenn hier gesprochen worden ist - und Sie fordern das ja immer wieder ein - vom Entwurf der Landesregierung. Sie werden diesen Entwurf in der nächsten Landtagssitzung vorliegen haben, wir haben nur noch mit etwas anderer Einstellung daran gearbeitet.
Ja, was die Gründlichkeit betrifft, das werde ich Ihnen gleich noch dartun, Herr Hahnemann. Wir wollen hier einen in jeder Hinsicht gründlich erarbeiteten Entwurf vorlegen und das wird geschehen. Da von einer Mogelpackung zu sprechen, wenn der Fraktionsvorsitzende der CDU-Fraktion in der damaligen Landtagssitzung den Antrag eingebracht hat, das finde ich schon außergewöhnlich. Sie wissen doch noch gar nicht, was in unserer Vorlage steht. Wenn ich eben gesagt habe, dass leider dieser Entwurf von PDS und SPD wieder nicht die Vorgaben des Verfassungsgerichtshof berücksichtigt, dann ist als wichtigster Punkt zu nennen, dass vom Thüringer Verfassungsgerichtshof hier ein hinreichend hohes Legitimationsniveau gefordert worden - Herr Abgeordneter Wolf hat dies bereits eingefordert - und nicht gewährleistet ist. Dieses Legitimationsniveau wird bestimmt durch die Quoren und die Sammlungsmodalitäten. Wie am 9. November im Plenum für die Landesregierung dargelegt, sind die im Gesetzentwurf von PDS und SPD zur Änderung der Verfassung vorgesehenen Quoren für Volksbegehren und Volksentscheide zu niedrig. Besonders deutlich ist dies bei einfachen Gesetzen. Für sie soll beim Volksbegehren ein siebenprozentiges Quorum bei viermonatiger freier Sammlung genügen. Das Quorum beim Volksentscheid soll völlig entfallen und nun soll nach dem Gesetzentwurf von PDS und SPD zusätzlich zu der freien Sammlung noch eine - wie es in § 14 Abs. 2 des Entwurfs heißt - flächendeckende amtliche Sammlung eingeführt werden, sofern die Vertrauenspersonen eines Volksbegehrens dies wollen. Abgesehen davon, dass eine solche flächendeckende Amtssammlung über den vorgesehenen Zeitraum von vier Monaten eine erhebliche organisatorische und personelle Belastung der damit betrauten Gemeinden wäre,
würde die ohnehin niedrige Hürde noch weiter gesenkt. Damit ist das vom Thüringer Verfassungsgerichtshof verlangte Legitimationsniveau deutlich unterschritten.
Herr Abgeordneter Schemmel, Sie haben die Gesetzentwürfe von PDS und SPD, so klang es auch schon in den Presseberichten, Sie haben das heute noch einmal ausdrücklich wiederholt, als den weitestgehenden Weg zur direkten Demokratie in Deutschland bezeichnet. Leider,
Herr Schemmel, geht dieser Weg zu weit. Er geht vor allen Dingen weiter als die Verfassung erlaubt. Ich habe Ihnen dies bereits an einem Beispiel dargetan.