Protocol of the Session on February 21, 2002

vor jeder irrsinnigen Idee, mit dem Volksentscheid hier eine Ordnung verändern zu wollen. Es verbleiben also fünf gewichtige und gewaltige Hürden. Neben diesen fünf gewichtigen und gewaltigen Hürden nun noch auf diesen Hürden, die jetzt noch zusätzlich sind und unnötig zusätzlich sind, beharren zu wollen, das heißt, eine solche Initiative, wie wir sie erlebt haben, von vornherein im Keim zu ersticken, denn diese Initiative war das Größtmaß. Das Argument, es ist ja geschafft worden, also kann es so bleiben, trägt nicht. Denn dieses Argument war die größtmögliche Anstrengung in Thüringen, die veranstaltet werden konnte. Sie wissen, dass die Initiative 21 Glieder hatte, dass dort die zwei Oppositionsparteien im Landtag sich mit an die Spitze gestellt haben, dass dort aber auch die Grünen, also noch weitere Parteien, sich engagiert haben, dass dort Kirchenvertreter, Gewerkschaften, der Bund der Steuerzahler - es hat mich überrascht, dass der mit am Tisch saß, aber auch gleichzeitig erfreut -, das heißt also, es war eine umfassende Initiative Thüringens und die hat diese Zahl hervorgebracht. Es ist undenkbar, zu glauben, dass diese Anstrengung in dieser Form noch einmal gelingt, also müssen die Hürden entsprechend angepasst werden, um solche Initiativen nicht im Keim zu ersticken,

(Beifall bei der SPD)

angepasst werden natürlich nach Maßgabe des Verfassungsgerichtshofs. Das - schade, dass Herr Althaus nicht da ist, der putzt vielleicht seine Plakette -,

(Zwischenruf Abg. T. Kretschmer, CDU: Über Ihre Frechheit ärgere ich mich zu Recht.)

(Unruhe bei der CDU)

was Herr Althaus hier in einer Pressemitteilung am 19. September 2001 als umfassende Vorschläge zur Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements verkauft hat, ist doch dann wirklich eine Mogelpackung gewesen. Ich meine, ein Verfahren festzuschreiben, mit dem ich die Initiative ersticke und das als Entwicklung des bürgerschaftlichen Engagements zu verkaufen, das ist eine Zumutung. Ich weiß, Sie ärgern sich zu Recht, da waren auch einige....

Muss ich mir das gefallen lassen, Frau Präsidentin?

(Unruhe bei der CDU)

Sie reden bitte weiter.

Sie wollen mir doch nicht, Herr Kretschmer, weiß machen, dass das, was dort zu Volksbegehren, Volksentscheid auf kommunaler Ebene und für Bürgerbegehren...

(Zwischenruf Abg. T. Kretschmer, CDU: Sie stellen sich dumm. Schwatzen Sie nicht so ein dummes Zeug.)

Herr Kretschmer, Sie können sich ordnungsgemäß melden und der Abgeordnete redet weiter. Herr Schemmel, bitte.

(Beifall bei der SPD)

Ich sagte also, es ist eine Mogelpackung und ich bleibe dabei. Mit diesem Verhalten, das Sie an den Tag legen, schützen Sie eigentlich nicht die demokratischen Verhältnisse, wie Sie vorgeben, sondern Sie gefährden die Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger an dieser Demokratie. Unser Ziel als Sozialdemokraten ist natürlich ein anderes. Wir wollen für den Bürger die Transparenz des staatlichen Handelns. Da haben wir auch - ich darf das im Kontext erwähnen - dieses Informationsfreiheitsgesetz auf den Weg gebracht. Darüber braucht man nicht zu lachen, diese Informationsfreiheitsgesetze gibt es in allen zivilisierten Staaten.

(Heiterkeit im Hause)

(Beifall bei der SPD)

Wir sollten uns diesem Anspruch nicht verschließen, ein zivilisierter Staat zu sein. USA, Frankreich, Spanien, Norwegen, Schweden, Polen, Ungarn...

(Zwischenruf Köckert, Innenminister: Es gibt sie nicht in NRW, in Niedersachsen...)

Herr Innenminister.

(Zuruf Köckert, Innenminister: Ich weiß, auch ich darf mich melden.)

Ja, auch Sie dürfen sich melden. Ich möchte, dass der Abgeordnete Schemmel in seiner Rede fortfährt.

Wir wollen also für den Bürger die Transparenz des staatlichen Handelns erreichen - Stichwort "Informationsfreiheitsgesetz" - und wir wollen, dass sich zu dieser Transparenz auch die Teilhabe gesellt, die Teilhabe am Handeln in der Kommune und im Staat, denn wir wissen, dass nur über Transparenz und Teilhabe sich auch die Akzeptanz zwischen dem Bürger und seiner Kommune oder seinem Staat entwickeln kann und letztlich auch darüber nur die Bereitschaft, für seinen demokratischen Staat, für sein Gemeinwesen einzustehen. Ihr Weg der Verweigerung von Trans

parenz - ich habe ja Ihre Meinung über das Informationsfreiheitsgesetz gehört - und der Verweigerung von Teilhabe - das erfahren wir ja in dieser Diskussion hier - führt genau in die falsche Richtung. Was nützt uns denn unsere demokratische Ordnung, wenn sie vom Bürger nicht mitgetragen wird oder vielleicht aus Mangel an Teilhabemöglichkeiten nicht mitgetragen werden kann. Wir wollen dem mit unseren Gesetzesvorlagen, mit einem für Deutschland beispielgebenden Verfahren für direkte Demokratie entgegentreten.

Meine Damen und Herren, speziell von der CDU, kommen Sie uns auf diesem Wege so weit entgegen, dass uns ein solcher Kompromiss gelingt, der letztlich auch das Verlangen der 360.000 teilhabebereiten Bürgerinnen und Bürger Thüringens berücksichtigt. Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat jetzt Herr Abgeordneter Dr. Hahnemann, PDS-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, sehr verehrte Gäste, angesichts des Umstandes, dass in den Angelegenheiten, die das Volk betreffen, hier unten im Saal ohnehin keiner zuhört, habe ich gleich erst einmal die Hälfte meines Manuskripts am Platz gelassen, möchte aber damit beginnen, den Herrn Kollegen Schemmel davor zu warnen, sich bei der Beratung eines Gesetzes gar zu sehr auf die PDS-Fraktion zu verlassen.

(Beifall bei der CDU; Abg. Gentzel, SPD)

Nicht etwa deswegen, Herr Schemmel, weil wir unsere Arbeit nicht tun würden, aber ich weiß nicht, ob Sie sich im Vorfeld Ihrer Bemerkungen ausreichend überlegt haben, inwiefern Sie das Image Ihrer Partei ramponieren, wenn Sie diese Art und Weise der Arbeitsteilung hier zum Regelfall erklären.

(Zwischenruf Abg. Schemmel, SPD: Ich habe gesagt, die PDS erläutert die Einzelheiten.)

(Beifall bei der PDS)

Meine Damen und Herren, im Grunde genommen ist dieses Verständnis, das die fehlende Aufmerksamkeit im Hause den Anliegen der Bürgerinnen und Bürger gegenüber verrät, eine Beratung für sich wert, aber das eigentlich Schlimme an der ganzen Geschichte ist die Beobachtung, die ich vorhin gemacht habe, als ich den Gesetzentwurf versucht habe zu begründen. Von Ihnen hier in der Mitte hat so gut wie keiner zugehört.

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Das ist eine Unterstellung.)

Einer der wenigen, der hier zugehört hat, war Herr Wolf, und der hat den Gesetzentwurf bedauerlicherweise nicht verstanden.

(Unruhe bei der CDU)

(Beifall bei der PDS)

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Unterstellung.)

Das schmälert die Ausgangsposition dieses Gesetzentwurfs ungemein. Aus diesem Grunde kann ich halt nur auf einen Teil meines Manuskripts verzichten und will also gern, der freundlichen und kollegialen Bitte von Herrn Schemmel folgend, etwas zu den Inhalten des Gesetzentwurfs sagen.

Trotzdem noch einiges zu den Prinzipien: Wir dürfen nicht vergessen, in welcher Situation der parlamentarischen Beratung wir uns befinden. Die Landesregierung hat das erste erfolgreiche Volksbegehren mit Hilfe des rechtlichen Mittels des Verfassungsgerichtshofs in Weimar zu Fall gebracht. Glücklicherweise haben sich die Initiatoren und die Träger dieses Volksbegehrens davon nicht entmutigen lassen, sie haben weitergearbeitet, sie haben ihre Strukturen und ihr Ansinnen erhalten. Gemeinsam mit den Fraktionen der PDS und der SPD haben sie nach dem verfassungsändernden Gesetzentwurf, der im November an den Justizausschuss überwiesen worden ist, in der Zeit, die uns zur Verfügung stand, auch noch den Entwurf eines Änderungsgesetzes zum Verfahrensgesetz erarbeitet. In beiden Fällen haben die beiden Oppositionsfraktionen sich als ein guter parlamentarischer Arm der Initiative und des Trägerkreises für "Mehr Demokratie in Thüringen" erwiesen. Auch nach dem Fall dieses Volksbegehrens bleibt es für die herrschende Politik Aufgabe, der Verpflichtung nachzukommen, die aus den mehr als 380.000 Unterschriften unter dem Volksbegehrensgesetzentwurf erwächst. Das ist unsere Aufgabe, Herr Schemmel hat das im Grunde genommen mit einer Zielgröße umrissen. Wir müssen, wenn wir unsere eigene Verfassung ernst nehmen, Plebiszite erleichtern und direkte Demokratie zu einem lebendigen Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens und der politischen Entscheidung werden lassen.

(Beifall Abg. K. Wolf, PDS)

Ich will hier in der ersten Beratung nur die nach unserer Auffassung fünf wichtigsten Regelungspunkte des Verfahrensgesetzes nennen.

1. Die Rechte der Vertrauenspersonen sollen erweitert werden. Die Vertrauenspersonen sollen im Falle eines erfolgreichen Volksbegehrens bei der ersten Beratung des jeweiligen Volksbegehrensgesetzentwurfs im Landtag ein Rederecht für die Begründung im Parlament erhalten.

(Beifall bei der PDS)

(Zwischenruf Abg. B. Wolf, CDU)

Sie sollen damit - Herr Wolf, wenn Sie mir eine Frage stellen möchten, können Sie das bitte gern tun - in ihren Rechten an die Stellung anderer Initiatoren einer Gesetzesvorlage angenähert werden. Sie sollten die Möglichkeit haben, den Abgeordneten des Thüringer Landtags die Beweggründe und die Lösungsvorschläge ihrer Initiative selbst zu erläutern.

Mit einer einmaligen Redezeit, meine Damen und Herren, von fünfzehn Minuten bleiben sie damit immer noch weit hinter dem zurück, was Landesregierung oder Fraktionen im Rahmen einer Gesetzesberatung an Redezeit zur Verfügung haben und nicht selten vergeuden.

(Beifall bei der PDS)

Zugleich sollten die Vertrauenspersonen alle Ausschussberatungen, die ihre Gesetzesinitiative betreffen, aktiv begleiten können. Das heißt, sie sollten in den Ausschussberatungen zum Volksbegehrensgesetzentwurf Anwesenheits- und Rederecht haben. Und, meine Damen und Herren, alle Ausschussberatungen, ein Volksbegehren und seinen Gesetzentwurf betreffend, sollten öffentlich stattfinden, damit die Bevölkerung, also auch diejenigen, die es durch Unterschrift unterstützt haben, die Möglichkeit haben, nachvollziehen zu können, was aus dem Anliegen wird, das sie betrieben oder unterstützt haben.

2. Die Möglichkeit der Klage gegen ein Volksbegehren wird vorverlagert. Wenn die Landesregierung oder die notwendige Zahl von Abgeordneten ein Volksbegehren für unzulässig halten, sollten sie bereits gegen die Zulassung des Volksbegehrens den Verfassungsgerichtshof anrufen. Auf diese Weise werden in Zukunft höchstens 5.000 Stimmen, die der Zulassung eines Volksbegehrens gewidmet waren, unwirksam, nicht aber 380.000 Stimmen eines zu Stande gekommenen Volksbegehrens. Das hat zwei positive Effekte. Erstens kann nicht nur ein hoher Grad von Desillusionierung bei Bürgerinnen und Bürgern vermieden werden, auch dem Verfassungsgericht bleibt es erspart, Hunderttausende von Bürgerstimmen für null und nichtig zu erklären. Ein verfassungsgerichtliches Vorgehen gegen den begehrten Gesetzentwurf wäre damit sehr zeitig, dann aber erst nach einem erfolgreichen Bürgerentscheid möglich. Was Ihre Frage, Herr Wolf, angeht, ob wir das Verfassungsgericht - ich weiß nicht, ob Sie "nötigen" gesagt haben, ich glaube ja - innerhalb von drei Monaten zu entscheiden. Lassen Sie uns meinetwegen über diese Frist reden. Aber Prinzip bei der Regelung von Plebisziten muss sein, dass nicht das politische Engagement der Bürgerinnen und Bürger der Lethargie der Institutionen geopfert wird.

(Beifall bei der PDS)

3. Neben der Straßensammlung soll auch die Amtsstubensammlung möglich sein. Sie ist möglich. Meines Erachtens ist nirgendwo zu finden, dass beide nicht nebeneinander existieren können. Diese Regelung hat auch ihren Sinn.