Protocol of the Session on February 21, 2002

(Zwischenruf Abg. Buse, PDS: Genau!)

wenn ich die Zeit habe, sage ich die Zahlen auch noch -, die am lautesten schreien, wenn es um Schuldzuweisungen an den Bund geht. Obwohl diese Herren zu Recht

(Zwischenruf Abg. Buse, PDS: Haben wir auch.)

auf die Nichtbeteiligung der Länder an den Erlösen aus dem Verkauf der UMTS-Lizensen hinweisen, wenn sie zu Recht auf die Probleme der Steuerreform, auf die Einnahmeausfälle im Besonderen hinweisen, so muss man trotzdem sagen, dass diese Länder im Westen, also die reichen Flächenländer im Westen, für ihre Ausgabenpolitik mindestens genauso zu kritisieren sind, wie die Bundesregierung andererseits für die von ihr verursachten Einnahmeausfälle.

Zwei Beispiele habe ich angekündigt. Baden-Württemberg - und das müssen Sie mal mit den Thüringer Zahlen vergleichen - rechnet für 2002 mit einem Einnahmeausfall von 201 Mio.      +  schuldung um 130 Mio. auf über 1 Mrd. Finanzminister Stratthaus spricht von einer notwendigen Erhöhung der Neuverschuldung für 2002 und 2003, weil - und das ist fast wörtlich - Einsparungen bei dieser Größenordnung nicht mehr möglich sind. Meine Damen und Herren, das immerhin in einem 30 Mrd.    

Herr Huster, bei diesem Beispiel muss es bleiben, Ihre Redezeit ist nämlich zu Ende.

Das finde ich außerordentlich bedauerlich.

(Heiterkeit und Beifall im Hause)

Ja, einen Schlusssatz.

(Beifall bei der PDS)

(Heiterkeit im Hause)

An der Finanzpolitik und an der Sparpolitik von Eichel ist tatsächlich viel zu kritisieren. Ich kritisiere vor allen Dingen, dass über die Steuerreform die Kommunen, insbesondere auch in den neuen Ländern, sehr benachteiligt worden sind und dass die besser Verdienenden - da treffen wir uns sogar in dem Punkt, was die Kapitalgesellschaften betrifft, aber bei dem Beispiel Vermögenssteuer treffen wir uns wieder nicht, - nicht mit angegangen werden. Auch das gehört zu einer soliden Einnahmepolitik im Land.

Jetzt ist Schluss.

(Beifall bei der PDS)

Dafür darf jetzt der Abgeordnete Dr. Zeh, CDU-Fraktion, fortsetzen.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Höhn, Herr Huster, ich denke, was Herr Eichel in seinem Köfferchen vorbereitet hat für die Länder, da werden wir uns noch wundern, was da auf uns zukommt. Das hat was mit Thüringen zu tun. Wir müssen auch hier an dieser Stelle darüber reden. Vor allen Dingen fordere ich Herrn Eichel auf, den Bundeshaushalt 2003 rechtzeitig vor der Wahl vorzulegen, damit wir in Thüringen wissen, was auf uns zukommt.

(Unruhe bei der SPD)

Meine Damen und Herren, was da in Berlin insgesamt passiert ist, das gleicht ja einem Narrenspiel. Erst begrüßt Herr Eichel den blauen Brief als Unterstützung seiner Politik des Sparwillens, der Politik der Bundesregierung. Er tat ja gerade so, als ob da ein Lobesbrief käme. Der zweite Akt: Herr Bundeskanzler Schröder interveniert gegen den blauen Brief. Warum sprechen die beiden sich eigentlich nicht besser ab? Ich denke, damit ist Deutschland einfach lächerlich gemacht worden, und das ist ernst, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Dass der Erfinder des Frühwarnsystems, nämlich Deutschland, bei der ersten Defizitwarnung, die gegen ihn gerichtet war, das selbstherrlich zurückweist, ist für mich ein Skandal, der seinesgleichen sucht.

(Beifall bei der CDU)

Und das Letzte, mein Kollege Mohring hat es bereits gesagt: Herr Eichel beschimpft die Länder und fordert jetzt einen nationalen Stabilitätspakt.

Meine Damen und Herren, wir haben nichts gegen einen Stabilitätspakt, nur, wie ist denn die Situation? Die Situation ist so, dass der Bund durch die Ökosteuer, durch Versicherungssteuer, durch Tabaksteuer und durch andere Einnahmen seine Einnahmesituation verbessert. Das können wir als Länder natürlich nicht machen. Was tut er noch? Er

macht Verschiebebahnhöfe. Er hat zum Beispiel die Arbeitslosenhilfe für noch nicht im Erwerbsleben beschäftigte junge Leute gestrichen, so dass sie auf Sozialhilfe angewiesen sind. Sie müssen also von den Kommunen aufgefangen werden. Das ist eine Last, die die Kommunen tragen müssen. Ich fürchte, solche Verschiebebahnhöfe wird es weiter geben. Herr Höhn, da müssen wir uns als Länder natürlich dagegen wehren. Ich garantiere Ihnen, auch Ihre Kollegen aus den SPD-geführten Ländern werden sich dagegen wehren.

(Zwischenruf Abg. Höhn, PDS: Wir sind aber nicht im luftleeren Raum.)

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wie kann denn so ein Stabilitätspakt aussehen? Wenn ich heute höre, gerade heute in den Nachrichten, Herr Eichel hat die SPD-Finanzminister zusammengerufen, ich fürchte, er wird die Genossen ein bisschen auf Linie bringen wollen, denn sie hatten sich in letzter Zeit ein wenig zu eigenverantwortlich geäußert. Ich glaube nicht, dass der Bund durch ein einseitiges Bundesgesetz den Ländern etwas aufoktroyieren kann. Das wird am gemeinsamen Widerstand der Länder scheitern. Es gibt nur eine einzige Möglichkeit, nämlich durch einen Staatsvertrag die Aufgaben des nationalen Stabilitätspakts übernehmen zu lassen, nicht durch ein Bundesdiktat, sondern durch eigenverantwortliches Handeln der Länder. Thüringen hat diesen Weg bereits beschritten, wie mein Kollege Mohring hier ausführen konnte.

Als Letztes möchte ich Ihnen, Herr Höhn, noch sagen, Sie haben auf das Jahr 2000 verwiesen. Wissen Sie, hätten die SPD-geführten Länder bereits im Jahre 1998 dem von den Fraktionsvorsitzenden der CDU-Fraktionen der Länder geforderten nationalen Stabilitätspakt zugestimmt - ich kann mich erinnern, dass die SPD-Länder damals abgelehnt hatten, auch Niedersachsen und Hessen, an der Spitze der damalige Ministerpräsident und heutige Bundeskanzler Schröder und damaliger Ministerpräsident Herr Eichel und heutige Finanzminister, die sich gewehrt haben gegen einen nationalen Stabilitätspakt -, dann hätten wir heute Deutschland die Peinlichkeit eines blauen Briefes erspart. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Herr Finanzminister Trautvetter, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist wirklich ein Skandal, was dem Bundesfinanzminister gelungen ist. Er hat das automatische Frühwarnsystem für den europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt außer Kraft gesetzt. Das ist der eigentliche Skandal an dem Ergebnis von Brüssel.

(Beifall bei der CDU)

Er hat zwar einen blauen Brief verhindert, er hat aber dafür ein Veilchen kassiert. Ich darf daran erinnern, dass der Abschluss des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts als ein ganz entscheidender Baustein für eine erfolgreiche Währungsunion der damals 11, heute 12 Euroländer galt. Alle Experten waren und sind sich einig, dass die Regelungen und Verpflichtungen des europäischen Stabilitätspakts eine Garantie sind für eine stabile europäische Währung. Es sollte auch der Grundstein sein für das Vertrauen der europäischen Bevölkerung in die neue Währung. Nicht zuletzt galt Deutschland bis Mitte der 90er-Jahre quasi als politischer Garant für europäische Stabilität. Diese Stellung hat Eichel nunmehr mit seiner Aktion in Brüssel verspielt.

(Beifall bei der CDU)

Er hat eine Erklärung abgegeben, die die anderen EUFinanzminister veranlasste, das Frühwarnsystem gegen Deutschland außer Kraft zu setzen. Dieser Aufwand wurde einzig und allein betrieben, um den blauen Brief der EU im Vorfeld der Bundestagswahlen zu vermeiden, immer getreu nach dem Motto "Parteiinteresse geht vor Staatswesen".

(Zwischenruf Abg. Huster, PDS: Sagen Sie einmal etwas zu den Ländern.)

Folgerichtig geht jetzt das Schwarze-Peter-Spiel los. "Defizite der Länderhaushalte höher als geplant", tönt es in einer Pressemitteilung des BMF vom Montag. Dieser Logik folgend geht Eichel nun auf die Länder los, fordert eine bessere Abstimmung zwischen dem Bund und den Ländern und will die Länder an die Kandarre nehmen. Ausgerechnet Eichel fordert eine bessere Abstimmung, ein bemerkenswerter Vorgang, wie ich finde. Dazu muss man sich vor Augen halten, dass der Bundesfinanzminister ohne Abstimmung mit den Länderkollegen etwas zu Lasten derjenigen unterschrieb, für die er gar nicht sprechen durfte und er meint gleichzeitig dabei, die Länder an die Kandarre nehmen zu können. Dabei vergisst der Bundesfinanzminister, dass Bund und Länder gerade erst mit § 51 a Haushaltsgrundsätzegesetz eine Regelung zur Einhaltung der Haushaltsdisziplin im Rahmen der europäischen Wirtschaftsund Währungsunion geschaffen haben. Diese tritt ab 2005 in Kraft. Ich hätte überhaupt kein Problem damit und sicherlich auch nicht die Thüringer Landesregierung, wenn wir diese Regelung auf 2002 vorziehen könnten. Eichel hat keinerlei Kompetenz, die Länder an die Leine zu nehmen. Ich möchte in diesem Zusammenhang den renommierten Wirtschaftswissenschaftler Peffekoven zitieren, in Finanzkreisen bekannt für seine offenen Worte: "Mit dem Versprechen hat Eichel etwas zugesagt, was er gar nicht zusagen kann. Die Bundesregierung ist letztendlich zu einer Verfassungsänderung gezwungen, denn ohne eine Änderung des Artikels 109 Grundgesetz, der den Ländern Selbständigkeit in der Haushaltspolitik zusichert, ist das nicht zu machen." und Recht hat Peffekoven.

Meine Damen und Herren, ich habe kein Kurzzeitgedächtnis. Ich weiß genau, was im Oktober 1997 bis Frühjahr 1998 passiert ist. Ich war damals Vorsitzender der Finanzministerkonferenz. Wir haben genau diese Grundgesetzlösung eines nationalen Stabilitätspakts auf den Tisch gelegt. Unsere Lösung, von Thüringen vorgeschlagen, ist von den SPD-Finanzministern torpediert worden, weil sie der Meinung waren, der Bund ist in der allgemeinen Verantwortung und wir brauchen keine Länderverantwortung zu übernehmen und zuallererst muss der Bund, wenn etwas passiert, in Brüssel antreten und die Gesamtverantwortung für Deutschland übernehmen. Das war die damalige Position meiner SPD-Kollegen.

Meine Damen und Herren, die Reaktion, sehen wir ja in den letzten Tagen von meinem Kollegen Aller, der vom Wunschdenken spricht, von Kollegen Möller in Kiel, der von einem sehr ehrgeizigen Ziel spricht. Der Ministerpräsident von Niedersachsen, auch ein Sozialdemokrat, nennt die Ziele unrealistisch. Meine Damen und Herren von der SPD, schauen Sie sich "Die Welt" von heute an, "SPD-Finanzminister rügen Eichels Sparpläne". Es haben sich keine Unionskollegen gemeldet, wir werden aber in einer gemeinsamen Entschließung heute oder in den nächsten Tagen unsere Forderungen an den Bundesfinanzminister sehr deutlich machen. Sie haben alle Recht, die Zusagen, die Eichel gemacht hat, kann er nicht einhalten und es wird sich auf der nächsten Sitzung des Finanzplanungsrates deutlich zeigen.

Meine Damen und Herren, damit ist zunächst auch erst einmal der Plan der Bundesregierung nicht aufgegangen, ihre Vorstellung zur Haushaltskonsolidierung erst nach den Wahlen im September bekannt zu geben oder die Umsetzung der Nachfolgeregierung aufzuhalsen. Die erste politische Folge, dass der Bundesfinanzminister nun von größeren Sparanstrengungen spricht, allerdings noch nicht von Steuererhöhungen, und wo er seinen Rotstift ansetzen will, möchte er öffentlich noch nicht sagen. Um es in dem Zusammenhang noch einmal sehr deutlich zu sagen: Haushaltskonsolidierung bedeutet nicht nur sparen. Das wäre viel zu kurz gegriffen. Bei der aktuellen Diskussion geht es um die Finanzierung der Zusagen von Eichel und das umfasst die Einnahmesituation ebenso wie die Ausgaben. Herr Riester hat vollkommen Recht, der Bundesfinanzminister geht auf der Einnahmesituation von einem Wirtschaftswachstum aus, das so nicht stattfinden wird. Er erweckt allerdings den Eindruck, die Einnahmesituation sei gesichert und lenkt so die öffentliche Aufmerksamkeit ausschließlich auf den Aspekt des Sparens und zugleich weist er in diesem Zusammenhang auf die Länder. Nicht ungeschickt, Herr Eichel, nicht ungeschickt.

Nur, meine Damen und Herren, weniger Wirtschaftswachstum bedeutet weniger Steuern und weniger Steuern zwingen in der Folge zu vermehrten Sparbemühungen oder zu Steuererhöhungen. Wer es sich leisten kann, privatisiert den einen oder anderen ehemals staatlichen Bereich oder veräußert eine Liegenschaft, eine Beteiligung oder ein

Aktienpaket. Das alles gehört zu dem bekannten Reparaturbetrieb. Um diesen Kreislauf zu durchbrechen bedarf es allerdings eines Politikwechsels weg von der ruhigen Hand eines müden Kanzlers Schröder, hin zu gezielten Anreizen, um wirtschaftliche Prozesse in Gang zu setzen. Der Herr Brüderle hat es vollkommen richtig gesagt: "Das ist keine Politik der ruhigen Hand, sondern die der eingeschlafenen Füße."

(Beifall bei der CDU)

Hinzu kommt zwingend eine Reform der Finanzbeziehung von Bund und Ländern - Stichwort Mischfinanzierung. Wir benötigen zudem eine Gemeindefinanzreform und wir müssen dringend unsere Sozialsysteme reformieren. Zu all diesen Punkten wollen wir eine Antwort des Bundesfinanzministers und sie muss zwingend Bestandteil seines Konzepts sein.

Meine Damen und Herren, im Übrigen stellt sich die Frage, ob der Bundesfinanzminister das Recht hat, auf die Länder zu zeigen. Ich sage deutlich: Hat er nicht, denn die relativ günstige Situation des Bundes ergibt sich unter anderem aus der unterschiedlichen Entwicklung des Steueraufkommens. Die Steuereinnahmen des Bundes sinken um 2 Prozent. Die Einnahmen der Länder sinken hingegen um 5 Prozent. Zudem konnte sich der Bund auf der Einnahmenseite im Vergleich zum Vorjahr durch Gesetzesänderungen Mehreinnahmen sichern. Ich will es Ihnen nur noch einmal sagen: Versicherungssteuer plus 2,5 Prozent, Tabaksteuer plus 5,5 Prozent, Mineralölsteuer plus 7,6 Prozent, Stromsteuer plus 28,8 Prozent. Auf der anderen Seite können die Länder derzeit keine weiteren drastischen Einsparungen erbringen. Die gegenwärtige Konjunkturlage, die hohen Steuerausfälle aufgrund einer Steuerreform, die durch falsche Gewichtung keinerlei Beschäftigungseffekte gebracht hat, verhindern dies und der Thüringer Landtag wird sich demnächst selbst mit den haushaltspolitischen Folgen auseinander setzen müssen.

Der Bund spart und wirtschaftet aber munter weiter zu Lasten der anderen Gebietskörperschaften. Zunächst enthält der Bund den Ländern und Kommunen für den Familienleistungsausgleich insgesamt rund 10 Mrd.   Allein der Thüringer Anteil über die letzten drei Jahre beträgt 230 Mio. , %    '     mit dem Nachtragshaushalt, wenn wir endlich die uns zustehenden Leistungen des Bundes bekommen würden.

(Beifall bei der CDU)

Bei der Altersversorgung lädt der Bund die Kosten bei den Ländern ab. Sie müssen Steuerausfälle von über 4 Mrd. verkraften, die Liste ließe sich beliebig weiterführen. Ich muss es immer wieder sagen, geradezu hinterhältig wirken sich Eichels Schuldzuweisungen aus, wenn ich auf die gut 50 Mrd.  -.*/0 # !1.  Einnahmen bewirken bei den Ländern und Kommunen Steuerausfälle in diesem Jahr von 14 Mrd. ! % den

Bund ganz einfach kalt und er sagt, die Länder sind an der Misere jetzt in Brüssel Schuld. Das Verhalten der Bundesregierung ist an Einseitigkeit kaum mehr zu übertreffen. Es hat Züge von Anmaßung und einer beispiellosen Arroganz der Macht, sich unter diesen Vorzeichen auch noch hinzustellen und den Ländern mangelnden Konsolidierungswillen vorzuwerfen.

(Beifall bei der CDU)