Protocol of the Session on February 21, 2002

Wir kommen zur Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der erfolgten Änderung die Zustimmung geben, sich von den Plätzen zu erheben. Danke. Diejenigen, die dem Gesetzentwurf nicht zustimmen, bitte ich ebenfalls, sich von den Plätzen zu erheben. Danke. Und diejenigen, die sich enthalten? Es enthält sich niemand. Dann bei einer Anzahl von Gegenstimmen mit Mehrheit in der Schlussabstimmung so beschlossen.

Damit haben wir diesen Tagesordnungspunkt erledigt und ich schließe ihn.

Wir kommen zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 2

Erstes Gesetz zur Änderung des Thüringer Gesetzes über das Verfahren bei Bürgerantrag, Volksbegehren und Volksentscheid Gesetzentwurf der Fraktionen der PDS und SPD - Drucksache 3/2196 - Neufassung ERSTE BERATUNG

Es wurde mir signalisiert, dass die Einreicher Begründung wünschen. Herr Dr. Hahnemann wird diese für die beiden einreichenden Fraktionen vornehmen.

(Unruhe im Hause)

Ich bitte das Plenum aber um Aufmerksamkeit und Ruhe, damit wir dem Redner folgen können. Bitte, Herr Hahnemann.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, sehr verehrte Gäste, die Fraktionen der PDS und der SPD haben dem

Landtag den Entwurf eines Änderungsgesetzes zum Gesetz über das Verfahren bei Bürgerantrag, Volksbegehren und Volksentscheid vorgelegt. Der Gesetzentwurf flankiert unseren... Darf ich vielleicht auch den Herrn Minister Sklenar bitten, die Kollegen doch nicht vom Zuhören abzuhalten, danke schön.

(Beifall bei der PDS)

Der Gesetzentwurf flankiert unseren im Oktober eingereichten und im November beratenen verfassungsändernden Gesetzentwurf zu den drei Thüringer Plebiszitformen. Dieser war im November an den Justizausschuss überwiesen worden und harrt dort der Beratung für den Fall, dass alle für die Überarbeitung der gesetzlichen Regelung zu den Plebisziten in Thüringen vorliegenden Vorschläge möglich sind. Der Gesetzentwurf ist nicht nur das Ergebnis vieler Erkenntnisse und Erfahrungen mit Demokratie und direkter Demokratie anderenorts, er verwendet die Erfahrungen des Trägerkreises des Thüringer Volksbegehrens und er berücksichtigt die Vorgaben des Verfassungsurteils von Weimar.

(Beifall bei der PDS)

Dabei ist er als einfachgesetzliche Regelung nicht etwa weniger wichtig als das verfassungsändernde Gesetz. Der Bundesverfassungsgerichtshof betont, dass der Staat verpflichtet ist, den Grundrechten durch den Erlass von angemessenen und praktikablen Verfahrensvorschriften Geltung zu verschaffen. Eine der wichtigsten Entscheidungen in diesem Zusammenhang ist das Urteil zum Bau des Kernkraftwerks Mühlheim-Kährlich aus dem Jahre 1979. Darin heißt es: "Es ist von der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auszugehen, dass Grundrechtsschutz weit gehend auch durch die Gestaltung von Verfahren zu bewirken ist, und dass die Grundrechte demgemäß nicht nur das gesamte materielle, sondern auch das Verfahrensrecht beeinflussen, soweit dieses für einen effektiven Grundrechtsschutz von Bedeutung ist."

Nun geht es bei der Verwirklichung der direkten Demokratie nicht um ein abgrenzbares Grundrecht im klassischen Sinne, aber um eine grundsätzliche Werte-, Prinzip- und Systementscheidung der Verfassung. Die Aussagen des Bundesverfassungsgerichts zum Prinzip des Schutzes von Grundrechten durch entsprechende Verfahrensvorschriften gelten auch für die direkte Demokratie als tragendes Verfassungsprinzip. Von diesen juristischen Grundannahmen ausgehend, erhält das Verfahrensgesetz über Bürgerantrag, Volksbegehren und Volksentscheid seine besondere Bedeutung. Nur durch effektive Verfahrensvorschriften, die dem Prinzip des Schutzes und der Förderung der direkten Demokratie dienen und die eine wirkliche aktive Teilhabe von Bürgerinnen und Bürgern durchsetzen, kann die direkte Demokratie praktische Wirklichkeit gewinnen, ja noch mehr. Nimmt man das Bundesverfassungsgericht ernst, dann ist der parlamentarische Gesetzgeber verpflichtet, ein Verfahrensgesetz zur Umsetzung der direkten Demokratie zu erlassen, das die Wertentscheidung der Verfassung

in optimaler Weise praktisch verwirklicht, vor allem dann, wenn man bedenkt, dass das Wesen auch direkter Demokratie ja darin besteht, selbst ein Verfahren politischer Willensbildung und Entscheidung zu sein. Danke schön.

(Beifall bei der PDS)

Damit kommen wir zur Aussprache, und zwar als Erster Abgeordneter Wolf, CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, uns allen noch mal kurz zur Erinnerung: Dem hohen Haus lag mit der Drucksache 3/1449 ein Gesetzentwurf der Bürgerinitiative zur Änderung der verfassungsrechtlichen Regelungen bei Bürgerbegehren, Volksbegehren und Volksentscheid vor. Nachdem die Landesregierung davon überzeugt war, dass der vorliegende Gesetzentwurf nicht mit der Verfassung des Freistaats Thüringen vereinbar war, war sie nach Gesetzeslage verpflichtet, das Thüringer Verfassungsgericht anzurufen. Die Rechtsauffassung der Thüringer Landesregierung wurde im Grundsatz durch den Richterspruch des Landesverfassungsgerichts bestätigt.

Meine Damen und Herren, am Ende eines erfolgreichen Volksentscheids kommt es zur Gesetzgebung. Dieser formale Schritt bedarf zur Legitimation einer Mindestbeteiligung der Wähler. Diese Notwendigkeit der Legitimation ergibt sich aus Artikel 41 Abs. 1 der Verfassung des Freistaats Thüringen. Danach steht die Gesetzgebung neben dem Parlament dem Volk, eigentlich dem ganzen Volk, zumindest einem ausreichend großen Teil des Volkes zu. Der vorliegende Gesetzentwurf zeigt, dass dies von der Opposition des Thüringer Landtags inzwischen auch teilweise anerkannt wird. Unterschiedlich wird nach wie vor die notwendige Höhe der Quoren vorgetragen. Wenn ich Quoren sage, meine ich immer die Gesamtsituation, also wie viel muss wie lange und wo an Zustimmung erreicht werden, damit z.B. aus einem Gesetzentwurf ein gültiges Gesetz wird. Die Quoren dienen damit der Legitimation der Gesetzgebung.

Meine Damen und Herren, die Grundlagen für die Rahmenbedingungen bei Bürgerbegehren, Volksbegehren und Volksentscheid sind in der Drucksache 3/1843 am 01.10.2001 in einem Antrag der CDU-Landtagsfraktion nachzulesen, den meine Fraktion zeitnah nach dem Urteil des Landesverfassungsgerichts eingebracht hat. Wir, die CDU-Landespartei und die Landtagsfraktion sind nicht gegen Bürgerbegehren, Volksbegehren und Volksentscheid - auch wenn dies immer wieder unterstellt wird -, wir sind für Bürgerbegehren, für Volksbegehren und für Volksentscheid mit vernünftigen Quoren, die der Anforderung der Legitimation gerecht werden.

(Beifall bei der CDU)

Wir wollen ein Gesetz, das es dem Volk, dem Souverän als Gesetzgeber ermöglicht, in einem geordneten Verfahren bei Vorliegen eines mehrheitlichen Interesses ein Gesetz durch Volksentscheid zu beschließen. Meine Damen und Herren, der uns vorliegende Entwurf der Opposition, von den kleinen handwerklichen Fehlern einmal abgesehen, unterscheidet sich von unseren Vorstellungen zur Volksgesetzgebung. Der uns in der Drucksache 3/2196 - ich nehme einmal an, die Drucksache 3/2196 vom 11.02.2002 mit dem Vermerk "Neufassung" ist die nun zurzeit endgültige Fassung - vorliegende Gesetzentwurf hat ein erkennbares Ziel: Es soll ein Gesetz werden, das es einer möglichst kleinen Gruppe in kürzester Zeit ermöglichen soll, ein Gesetz so schnell wie möglich zu beschließen. Meine Damen und Herren von der Opposition, dies ist nicht Sinn und Zweck der Volksgesetzgebung. Zu begrüßen ist jedoch, dass auch die Opposition die Notwendigkeit von Quoren erkannt hat, auch wenn die vorgestellten Quoren zu niedrig sind. Für das Volksbegehren soll ein 7-Prozent-Quorum bei viermonatiger freier Sammlung schon genügen, das Quorum bei Voksentscheid soll völlig entfallen. Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie haben es relativ einfach. Sie brauchen nur das Urteil von Weimar richtig zu lesen, um zu erkennen, dass der von Ihnen vorgelegte Entwurf den formalen Ansprüchen, die der Richterspruch aufgezeigt hat, eben noch nicht genügt.

(Beifall bei der CDU)

Aber es geht in Ihrem Gesetzentwurf noch weiter. Da vermischen Sie amtliche und freie Listensammlung. Ich darf noch einmal an die Anhörung des Justizausschusses erinnern: Alle Angehörten haben uns damals bestätigt, dass amtliche und freie Sammlung unterschiedlicher Quoren bedürfen. Von daher sind diese Verfahren nicht miteinander zu vermischen. Aus einem Punkt in dem abgelaufenen Verfahren haben wir alle gelernt; es ist von uns allen das Problem erkannt worden, dass bei dem laufenden Gerichtsverfahren die Frist zur Weiterbehandlung im Landtag weiterlief. Aus dieser Sicht ist zu begrüßen, dass in dem vorliegenden Entwurf eine Vorverlagerung der verfassungsgerichtlichen Überprüfung eines Gesetzentwurfs stattfinden soll. Dies ist im Übrigen aber auch eine Forderung der CDU-Fraktion aus dem vergangenen Jahr.

Meine Damen und Herren, warum in dem vorliegenden Gesetzentwurf von PDS und SPD allerdings versucht wird, ein unabhängiges Verfassungsorgan, das Landesverfassungsgericht, zu nötigen, in einer Frist von drei Monaten zu entscheiden, ist mir noch unklar. Bei der PDS habe ich ja durchaus noch Verständnis und kann das auch nachvollziehen, weshalb aber die Unterschrift der SPD unter einer solchen unüblichen Terminsetzung für ein Verfassungsgericht steht, ist mir nicht verständlich. Der hektische Bedarf, überall Fristen zu kürzen, zieht sich wie ein roter Faden durch das ganze Gesetz. Schnell ist nicht gleich besser, das zeigt schon Ihr Gesetzentwurf, der, zu schnell eingereicht, gleich nachgebessert werden musste. Alle Fakten des vorgelegten Gesetzentwurfs zusammen hinterlassen

den eingangs erwähnten Eindruck, hier soll ein Gesetz geschaffen werden, das einer möglichst kleinen Gruppe in kürzester Zeit ermöglicht, ein Gesetz durchzupeitschen. Dem selbst gestellten Anspruch, der im November des letzten Jahres eingereichten Änderung der Verfassung nun ein Gesetz mit den abschließenden Regelungen für das Verfahren zu Bürgerbegehren, Volksbegehren und Volksentscheid vorzulegen, wird der vorgelegte Entwurf noch nicht gerecht. Da sind z.B. die zahlreichen Ermächtigungen für Rechtsverordnungen, die zudem auch nicht ausreichend bestimmt sind. Aber ich will in der ersten Lesung mit der Kritik aufhören. Der Gesetzentwurf ist noch nicht ausgereift, aber er ist durchaus eine Diskussionsgrundlage, ich - und ich spreche auch im Namen meiner Fraktion -, wir sind zur Diskussion über dieses wichtige Thema jederzeit bereit. Deshalb beantrage ich die Überweisung des vorliegenden Entwurfs in der Drucksache 3/2196 an den Justizausschuss und freue mich auf die weiteren Beratungen. Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Schemmel, SPDFraktion.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen, verehrte Mitglieder der Initiative, der heute hier vorgelegte Gesetzentwurf ist den Erfahrungen der Initiative "Mehr Demokratie e.V." beim erstmaligen Vollzug des Gesetzes über das Verfahren bei Bürgerantrag, Volksbegehren und Volksentscheid geschuldet. Er berücksichtigt also die praktischen Erfahrungen und nimmt dazu auch noch Erfahrungen aus anderen Ländern auf. Er hat auch den Vorschlag einer Gruppe von Studenten aus Jena berücksichtigt, die erfreulicherweise einen kompletten Gesetzentwurf vorgelegt haben, sich somit quasi als Seiteneinsteiger mit in die Diskussion eingebracht haben. Wir haben diese Vorschläge auch zum Teil mit berücksichtigt. Es ist, denke ich, ein ausgewogener Vorschlag, weil er die praktischen Erfahrungen berücksichtigt. Jeder weiß, dass das ursprüngliche Gesetz stark novellierungsbedürftig ist. Das haben wir alle beim Vollzug erfahren. Nun - da stimme ich mit dem Kollegen Wolf von der CDU überein - sollten wir uns über Einzelheiten dieses Gesetzes durchaus im Detail unterhalten, aber wir anerkennen alle, dass es eine notwendige Gesetzesinitiative ist und dass dieses alte Gesetz geändert werden muss. Deswegen unterstütze ich diese Forderung der Überweisung an den Justizausschuss. Ich möchte jetzt auch nicht auf die einzelnen Änderungen eingehen. Herr Wolf hat noch etwas vergessen, worauf wir abzielen, was für mich auch wichtig ist, nämlich eine Kostenrückerstattung für erfolgreiche Volksbegehren, da steht uns natürlich so ein Vergleich mit der Wahlkampfkostenrückerstattung ins Haus. Dann hat der Kollege Wolf auch noch etwas vergessen, was ich für außerordentlich wichtig halte, die aktive Rolle der

Initiative, hinter der ja immer eine große Menge von Leuten steckt, wie groß auch die Quoren sein werden, über die wir uns einigen, die eine Möglichkeit, dass die Vertreter der Initiative - also die Vertrauenspersonen - im Parlament und in den Ausschüssen mit in die Beratung einbezogen werden können. Es war für uns, Sie können sich erinnern, ein äußerst unbefriedigendes Gefühl, dass die Einbringung dieser Volksinitiative hier in diesem Haus nicht durch die Initiatoren selbst erfolgen konnte, weil die derzeitige Geschäftsordnung dagegen sprach. Wir denken auch, dass es notwendig sein muss, diese Vertreter der Initiative an den Ausschussberatungen mit beratender Stimme teilnehmen lassen zu können. Bitte, Herr Wolf.

Ja, bitte. Wenn Sie die Frage gestatten, dann darf Herr Abgeordneter Wolf fragen.

Herr Kollege Schemmel, würden Sie mir zustimmen, dass es sich um eine Volksgesetzgebung handelt und nicht um eine Initiativgesetzgebung.

Selbstverständlich handelt es sich um eine...

Wir machen ein Gesetz, damit das Volk Gesetze beschließen kann, nicht damit Initiativen Gesetze durch...

Selbstverständlich handelt es sich um Volksgesetzgebung, aber auch diese muss initiiert werden. Insofern sehe ich den Riesenunterschied in dem Sinne nicht.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Ich will nicht auf die vorgeschlagenen Einzelregelegungen eingehen. Ich weiß, wenn ich die Reden der Partei des Demokratischen Sozialismus höre, dass die Redner immer sehr ausführlich ins Detail gehen, deswegen will ich mir das an dieser Stelle ersparen und mich auf den PDS-Redner verlassen, der Ihnen sicherlich die einzelnen Details äußerst plastisch vorführen wird. Für mich ist wichtig, wie wir jetzt mit diesem Entwurf weiter umgehen. Der Gesetzentwurf steht für uns in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem gleichfalls von SPD und PDS gemeinsam eingebrachten Entwurf und ich erinnere, es ist ein Ausnahmeverfahren. Dies wird nicht immer so sein können, dass die Opposition gemeinsame Gesetzentwürfe einbringt. Das widerspricht auch unserem Oppositionsverständnis. Aber hier waren wir durch die Klammer der Initiative gebunden und fühlen uns dieser Initiative verpflichtet. Der Gesetzentwurf steht im ursprünglichen und

untrennbaren Zusammenhang mit dem von uns gemeinsam vorgelegten verfassungsändernden Gesetz zur Entwicklung direkter Demokratie in Thüringen. Dies wird auch dadurch quasi erzwungen, dass wir ja für den ursprünglichen Gesetzentwurf eine Zweidrittelmehrheit in diesem Hause brauchen und einzelne Regelungen dieses neuen Gesetzes eigentlich auf die möglichen Verfassungsänderungen, auf die wir uns einigen müssen, zurückgreifen werden. Deswegen ist eine gemeinsame Beratung für uns unbedingt erforderlich und wir werden - wenn es dann der Regierung gelungen ist, die weisen Vorgaben der CDU-Fraktion umzusetzen - dann einen Weg finden, wie wir uns verständigen.

Der Thüringer Verfassungsgerichtshof hat uns in seinem Urteil aufgegeben, die Fragen der Quoren in beiden Verfahrensschritten, also Volksbegehren und Volksentscheid, und die Sammlungsmodalitäten und Fristen im Zusammenhang zu betrachten. Dieser Aufgabe wollen wir uns selbstverständlich stellen. Der Verfassungsgerichtshof hat uns aufgegeben, dass zumindest in einer der beiden Verfahrensstufen - und nicht in beiden, das ist ein deutlicher Hinweis - eine ausreichend hohe Hürde aufgebaut werden muss. Wir stehen jetzt mit diesen zwei Gesetzentwürfen - ich hoffe, dass die entsprechenden Regierungsentwürfe bald folgen - wieder an der grundsätzlichen Frage, wie gestalten wir in Thüringen die Institute Bürgerantrag, Volksbegehren, Volksentscheid in Zukunft aus, wie folgen wir dem Bürgerwillen, ohne den Spruch des Verfassungsgerichtshofs zu tangieren?

Das Ziel unserer Fraktion ist es, und hören Sie jetzt gut zu, meine Damen und Herren von der CDU, das Gesetz in Deutschland zu schaffen, das am weitestgehenden direkte Demokratie ermöglicht. Die Freiräume dazu - also die Räume zwischen den bisherigen Regelungen in deutschen Ländern und der Rechtsprechung deutscher Verfassungsgerichte - sind vorhanden. Dies wird auch niemand bestreiten, dass es Räume gibt zwischen der bisher weitestgehenden Regelung in einem deutschen Bundesland und den Sprüchen von Verfassungsgerichten. Diese Freiräume sind unser Zielgebiet für einen möglichen Kompromiss; das ist das Ziel unserer Fraktion an dieser Stelle.

(Beifall bei der SPD)

Wir müssen uns jetzt nur vor dem Hintergrund der gesamtdeutschen Diskussion um direkte Demokratie, die glücklicherweise einen neuen Drive bekommen hat - ich war überrascht, wie weit gehend eigentlich die Vorschläge sind, auf die sich die Koalitionspartner in Berlin geeinigt haben, ich muss sagen, ich war überrascht, ich dachte, man geht jetzt zögerlicher damit um -, und mit dem Rückenwind der 360.000 Bürgerinnen und Bürger den politischen Willen finden, in diese gegebenen Räume, von denen ich sprach, unseren Kompromiss hineinzuverlagern.

Nach dem Spruch des Verfassungsgerichts, der Grenzen aufgezeigt hat, die natürlich zu akzeptieren sind, da gibt es

überhaupt keine Diskussion, ist es nunmehr die Pflicht der Volksvertreter Thüringens, hier eine Lösung zu finden. Nun kann man sich an nichts mehr vorbeimogeln, jetzt stehen wir in der Pflicht und wir müssen dieses Ergebnis bilden, sonst genügen wir nicht dem Anspruch der 360.000 Bürgerinnen und Bürger Thüringens und nicht nur derer, sondern auch der anderen darüber hinaus.

Der zu erwartende Entwurf der CDU-Landesregierung, es tut mir Leid, Ihnen das sagen zu müssen, Herr Dr. Birkmann, bleibt natürlich - aber das wird nicht Ihre Schuld sein, sondern die Schuld Ihrer Fraktion - weit hinter dieser Maßgabe zurück

(Zwischenruf Abg. Schröter, CDU: Woher wissen Sie denn das?)

(Beifall bei der SPD)

und wird in diesem Haus natürlich nicht die erforderliche Mehrheit finden können. Mit diesem Entwurf werden Sie kaum eine Zweidrittelmehrheit in diesem Haus finden. Das zögerliche Vorgehen der Union ist angesichts der Willensbekundung der Thüringer Bürgerinnen und Bürger an diese eine Absage, ich wollte eigentlich an dieser Stelle ein etwas stärkeres Wort benutzen, aber, ich denke, das kleine Wort "Absage" an die Bürgerinnen und Bürger ist doch eigentlich wirkungsvoll, da braucht man nicht ein großes Wortkonstrukt zu finden, "Absage" ist das, was Sie den Bürgerinnen und Bürgern erteilt haben.

Ihre Zögerlichkeit - und jetzt hören Sie mir einmal bitte wirklich zu - ist auch objektiv völlig unbegründet. Ich will Ihnen jetzt sagen, was für Hürden noch bleiben. Selbst wenn wir uns auf einen Kompromiss in diesem Raum, den ich gekennzeichnet habe, einigen würden, bleiben erstens noch die erheblichen Hürden, die wir in einer der Verfahrensstufen, wir bevorzugen die erste, aufbauen müssen, die bleiben bei der Angst, es könnte irgendjemand mit irgendwelchen Volksbegehren, Volksentscheiden unsere schöne friedliche Ordnung hier durcheinander bringen. Diese Quoren bleiben in einer der Verfahrensstufen. Es verbleiben die in Artikel 82 Abs. 2 der Thüringer Verfassung festgeschriebenen Ausschlussbedingungen für Volksbegehren, Volksentscheid. Auch damit hat sich ja noch einmal das Verfassungsgericht beschäftigt, diese Ausschlüsse verbleiben. Es verbleibt natürlich die mögliche Überprüfung beim Thüringer Verfassungsgerichtshof für jede weitere Initiative. Sie haben ja gesehen, wie der Thüringer Verfassungsgerichtshof entscheidet, und dann wird er doch nicht Ihren Befürchtungen Raum lassen, es könnte eine Initiative hier Raum greifen, die unsere freiheitlich-demokratische Ordnung auf den Kopf stellt oder die dieses oder jenes verzapfen kann in diesem Land. Da steht der Thüringer Verfassungsgerichtshof vor.

Dann verbleibt ja noch die Möglichkeit einer alternativen Gesetzgebung im Volksentscheidsverfahren. Letztlich steht ja noch das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland

vor jeder irrsinnigen Idee, mit dem Volksentscheid hier eine Ordnung verändern zu wollen. Es verbleiben also fünf gewichtige und gewaltige Hürden. Neben diesen fünf gewichtigen und gewaltigen Hürden nun noch auf diesen Hürden, die jetzt noch zusätzlich sind und unnötig zusätzlich sind, beharren zu wollen, das heißt, eine solche Initiative, wie wir sie erlebt haben, von vornherein im Keim zu ersticken, denn diese Initiative war das Größtmaß. Das Argument, es ist ja geschafft worden, also kann es so bleiben, trägt nicht. Denn dieses Argument war die größtmögliche Anstrengung in Thüringen, die veranstaltet werden konnte. Sie wissen, dass die Initiative 21 Glieder hatte, dass dort die zwei Oppositionsparteien im Landtag sich mit an die Spitze gestellt haben, dass dort aber auch die Grünen, also noch weitere Parteien, sich engagiert haben, dass dort Kirchenvertreter, Gewerkschaften, der Bund der Steuerzahler - es hat mich überrascht, dass der mit am Tisch saß, aber auch gleichzeitig erfreut -, das heißt also, es war eine umfassende Initiative Thüringens und die hat diese Zahl hervorgebracht. Es ist undenkbar, zu glauben, dass diese Anstrengung in dieser Form noch einmal gelingt, also müssen die Hürden entsprechend angepasst werden, um solche Initiativen nicht im Keim zu ersticken,