Wir müssen angesichts der alarmierenden Prognosen zur Bevölkerungsentwicklung alles tun, damit die Menschen im Lande und auf dem Lande bleiben. Mehr und bessere Arbeitsplätze zu schaffen bedeutet, in Menschen zu investieren. Die Landesregierung sieht es als vordringlich an, allen Menschen die Möglichkeit für eine ausreichende allgemeine und berufliche Bildung und somit Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu geben. Die Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen hat oberste Priorität bei der Entwicklung ländlicher Räume. Belebung von Wirtschaftskraft und Beschäftigung heißt deshalb: Investitionen in eine leistungsfähige und bedarfsgerechte Infrastruktur; Förderung und Ansiedlung kleinerer und mittlerer Unternehmen; Sicherung einer leistungs- und wettbewerbsfähigen, umweltverträglichen Land- und Forstwirtschaft, die den Grundsätzen des Verbraucherschutzes verpflichtet ist; Schaffung von Arbeitsplätzen außerhalb der Land- und Forstwirtschaft; Gestaltung attraktiver Wohnbedingungen; Erhaltung eines hohen Umwelt-, Freizeit- und Kulturwertes.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, deshalb zielt die Politik der Landesregierung in den Dörfern darauf, den Funktionswandel positiv zu begleiten. Neben Land- und Forstwirtschaft als wichtige Arbeitgeber und Wirtschaftsfaktoren sind ergänzende Wirtschaftsbereiche zu stärken und neue Einkommensquellen zu erschließen. Beispiele dafür sind die Produktverarbeitung vor Ort, die Selbstvermarktung, der Tourismus und weitere ländliche Dienstleistungen. 243 Forstbetriebsgemeinschaften mit 10.586 Mitgliedern wurden gegründet. Sie sind geeignet für eine effektive Bewirtschaftung des Privatwaldes. Fast 500 Mio. DM Fördermittel regten Investitionen von nahezu 1,14 Mrd. DM für die Verarbeitung und Vermarktung landwirtschaftlicher Produkte an. Neue Chancen für eine flexible Aus-, Fort- und Weiterbildung und neue Arbeitsplätze bieten gerade im ländlichen Raum die modernen Techniken der Kommunikation und Datenübertragung. Auch die Einbindung neuer Wirtschaftsbereiche des Dienstleistungssektors sowie die Nutzung von Innovation sollten insgesamt gefördert werden. Dies ist verbunden mit Verkehrsvermeidung und dient somit der Schonung der Umwelt. Bereits
bewährte Modelle wie Telearbeit, Telekooperation bis hin zur Bildung virtueller Unternehmen sollten ausgebaut werden. Der Revitalisierung von innerörtlichen Branchen und der Umnutzung funktionslos gewordener Bausubstanz im Zuge der Dorferneuerung wird daher besondere Bedeutung beigemessen.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, eine wettbewerbsfähige, flächendeckende Land- und Forstwirtschaft liegt im ureigenen Interesse des Freistaats an einer langzeitigen und nachhaltigen Perspektive für unsere ländlichen Räume. Unsere Landwirtschaftsbetriebe - egal ob konventionelle Produktion oder ökologische Produktion - erzeugen hochwertige, gesunde Nahrungsmittel, die den strengen Kriterien des Verbraucherschutzes entsprechen.
Wir fördern und unterstützen auch die Direktvermarktung. Wir sind davon überzeugt, dass damit weiter das Vertrauen der Verbraucher in die Thüringer Landwirtschaft, in ihre Betriebe und in ihre heimischen Produkte gestärkt werden kann. Unsere Bauern produzieren und verwenden nachwachsende Rohstoffe. Sie gestalten darüber hinaus attraktive Kulturlandschaften, die zu Urlaub auf dem Lande einladen. Land- und Forstwirtschaft sind struktur- und landschaftsbestimmend. 95 Prozent des Grünlands werden durch unsere Extensivierungsprogramme erreicht. Mit dem Kulturlandschaftsprogramm gelang es, für die Landeskultur und den Naturschutz bedeutsame Flächen weiter zu bewirtschaften. Die Betriebe sollen noch stärker als bisher unsere Partner im Vertragsnaturschutz werden. Besonders umweltfreundliche Wirtschaftsweisen wurden mit 437 Mio. DM unterstützt. Im Jahre 2000 waren rund 250.000 ha in diesem Programmbestandteil verankert.
Die Forstwirtschaft, meine sehr verehrten Damen und Herren, liegt uns ebenfalls besonders am Herzen. Auf über 6.000 ha Staatswald und über 2.000 ha Privat- und Körperschaftswald wurde das Waldumbauprogramm umgesetzt, mit 20,8 Mio. DM gefördert. Der Waldumbau hin zu leistungsfähigen naturnahen Wäldern als Aufgabe für mehrere Generationen wird konsequent fortgesetzt.
Die multifunktionale Rolle der Land- und Forstwirtschaft hat die Landesregierung für die laufende Förderperiode zukunftsweisend ausgestaltet. Das ist der richtige Weg, aber es droht Gefahr. Unsere heimische Landwirtschaft und andere Bereiche, insbesondere die Fleischwirtschaft, die in Thüringen mit ca. 30 Prozent der insgesamt 15.800 Beschäftigten das Rückgrat des Ernährungsgewerbes bildet, werden derzeit durch die BSE-Folgen und andere Seuchen schwer belastet.
Die Landesregierung unternimmt daher große Anstrengungen, um diese existenzbedrohenden Risiken im ländlichen Raum so gering wie möglich zu halten. Sie hat ein Zehn-Punkte-Programm im Umfang von 21 Mio. DM für
die darin vorgesehenen Sofortmaßnahmen verabschiedet. Es reicht von der Unterstützung zusätzlicher Forschungen zum BSE-Thema, über die Gebührenermäßigung für die BSE-Tests zu Lasten des Landeshaushalts, der Entsorgung des mit Tiermehl kontaminierten Futters, über Direkthilfe für Schlachthöfe im BSE-Fall, bis hin zu den Liquiditätshilfen für Rinderhalter und die Fleischverarbeiter. Sie sehen, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Landesregierung nimmt ihre Verantwortung wahr.
Aber - und jetzt frage ich Sie - wo bleibt die Bundesregierung? Unabweisbar wird die Bewältigung der BSE-Krise in Deutschland über 4 Mrd. DM kosten. 4 Mrd. und nicht, wie immer genannt, 2 Mrd. Die Schäden durch den katastrophalen Markteinbruch und die Aufwendungen für den Erhalt der im höchsten Maße gefährdeten Arbeitsplätze müssen doch mit eingerechnet werden. Dieses Problem als kleinlichen Streit über Geld zwischen Bund und Ländern abzutun, entspricht dem Fehlverständnis der Bundesregierung für die Probleme im ländlichen Raum.
Unsere Forderung steht nach wie vor: Der Bund muss 60 Prozent der entstehenden Kosten bei der Bewältigung dieser nationalen BSE-Krise tragen und nicht nur 10 Prozent.
Der Bund bietet bisher für die nationale Hilfe nur 425 Mio. DM, also lediglich rund 10 Prozent an. Damit es schöner aussieht, rechnet er noch die 500 Mio. DM hinzu, die Deutschland an die EU zum internationalen Einsatz gegen BSE als Mitgliedsstaat zu zahlen verpflichtet ist. Und um diese beklagenswerte Haltung noch deutlicher zu machen: Zur Finanzierung, meine sehr verehrten Damen und Herren, und hier kommt eigentlich der größte Hammer für uns Landwirte, der genannten 425 Mio. DM nimmt er rund 325 Mio. DM den Landwirten an anderer Stelle, nämlich in der Gemeinschaftsaufgabe
nur 100 Mio. DM, das sind 2,5 Prozent des zu erwartenden Mindestschadens, finanziert er nicht zu Lasten und auf Kosten der Landwirtschaft. Dies, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist der in Fakten gegossene beklagenswerte Stellenwert, den die Menschen im ländlichen Raum, die Landwirtschaft, die Arbeitsplätze dort und
damit die Erhaltung unserer Kulturlandschaft im politischen Denken dieser Bundesregierung haben. Dies, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist die real existierende Chefsache Ost. Dies, meine Damen und Herren, ist die Wahrheit gewordene Prioritätenliste der Bundesregierung und,
meine sehr verehrten Damen und Herren, wer kann den Streit beenden, wer muss hier ein Machtwort sagen: der Kanzler.
Aber der Kanzler macht es nicht. Er lässt die Bauern im Stich als billige Rache für sein Auftreten und die Reaktion in Cottbus.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, sehr geehrte Frau Präsidentin, ich möchte abschließend die Eckdaten unserer Politik für den ländlichen Raum noch einmal umreißen. Wir fördern die regionale und gemeindliche Entwicklung zur Verbesserung der Standortqualität. Wir gestalten Strukturen, um für die Bevölkerung in den ländlichen Räumen eine ausreichende Versorgung mit Infrastrukturangeboten sowie Wohn- und Erwerbsmöglichkeiten zu gewährleisten. Wir unterstützen die Land- und Forstwirtschaft als bedeutsamen Wirtschaftsfaktor und Arbeitgeber bei der Produktion von gesunden Nahrungsmitteln und nachwachsenden Rohstoffen und bei der Nutzung alternativer Einkommensquellen. Wir stärken die land- und forstwirtschaftlichen Betriebe in ihrer multifunktionalen Rolle zur Wahrnehmung vielfältiger flächengebundener Aufgaben für die Gesamtgesellschaft bei Pflege, Erhalt und Entwicklung der Kulturlandschaft. Wir legen besonderen Wert auf den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen im Blick auf das Nachhaltigkeitsgebot der Agenda 21. Wir stehen für eine Naturschutzpolitik durch Maßnahmen zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts und zur Wiederherstellung naturnaher Lebensräume und Landschaftsstrukturen unter Berücksichtigung der Eigentümer- und Nutzerinteressen.
Die Gestaltung und Weiterentwicklung einer eigenständigen Politik für die ländlichen Räume sind geboten. Das ist Ziel der Landesregierung. Wir verfolgen diesen Ansatz konsequent in allen Programmen und Maßnahmen. Wir gestalten Politik für ländliche Räume im Interesse aller Thüringer und zugunsten der in den ländlichen Räumen lebenden und arbeitenden Menschen, der von ihnen geprägten Siedlungen und Kulturlandschaften mit ihrem unersetzbaren Potenzial an natürlichen und kulturellen Ressourcen. Besten Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, bevor ich näher auf die Große Anfrage eingehe, möchte ich kurz etwas zum Umgang mit unserer Großen Anfrage sagen, weil ich schon finde, da wir uns im Plenum in der letzten Zeit auch mit der Geschäftsordnung dieses hohen Hauses beschäftigt haben, dass das ein Aspekt ist, der hier durchaus eine Rolle spielt. Unsere Fraktion fand es schon sehr merkwürdig, dass wir, bevor wir den Vorabdruck, die Vorabinformation über die Beantwortung unserer Großen Anfrage erhielten, im Ältestenrat schon vernehmen konnten, dass die CDU-Fraktion das Thema so wichtig findet, dass es auf die nächste Tagesordnung muss.
Das Thema ist wichtig, das ist unbestritten, meine Damen und Herren, aber wir hätten vorher gern einmal die Antworten bekommen.
Ich sage Ihnen aber ganz ehrlich eines: Ich habe auch eine Vermutung, warum der Umgang dieser und kein anderer gewesen ist, und ich hoffe, Sie widerlegen mich da am heutigen Tag. Ich vermute, der Grund für diesen schnellen Antrag der Fraktion der CDU, die Große Anfrage im Plenum zu behandeln, ist der § 86 Abs. 2 der Geschäftsordnung, der besagt, dass die Ausschussüberweisung der Zustimmung derer bedarf, die eine Beratung im Plenum verlangt haben. Ich hoffe, meine Damen und Herren, Sie haben den Antrag nicht auf die Tagesordnung gesetzt, um dann die Ausschussüberweisung zu verhindern. Ich hoffe, wir werden uns über diese wichtigen Fragen trotzdem im Ausschuss unterhalten.
Meine Damen und Herren, Sie haben mich viel gelehrt in den letzten Jahren, in denen ich diesem hohen Haus angehöre, was ich Ihnen zutrauen kann.
Nun möchte ich zur Großen Anfrage kommen. Der Grund, warum wir diese Große Anfrage gestellt haben, war ein qualitativ sehr guter, beeindruckender Workshop im Landwirtschaftsministerium, der sich mit dieser Problematik sehr intensiv und sehr tiefgründig beschäftigte. Ein weiterer Grund waren auch Ausführungen gerade von EUEbene, die in letzter Zeit immer mehr Bedeutung beim ländlichen Raum gesehen haben. Ich möchte nur daran erinnern, dass der Herr Fischler auf der Grünen Woche dieses Jahr gesagt hat, dass wir in der Förderung der Landwirtschaft wesentlich mehr zur Förderung der ländlichen Räume übergehen müssen. Gerade auf dem OstWest-Forum spielte das auf der Grünen Woche eine sehr große Rolle, dass man gesagt hat, auch bei der Berücksichtigung der Osterweiterung der EU wird man sich wesentlich mehr der Entwicklung der ländlichen Räume stellen und dort einen wesentlich größeren Schwerpunkt setzen, weil allein die Entwicklung der Landwirtschaft die Aufgaben nicht mehr lösen kann, die wir in den ländlichen Räumen zu stellen haben.
Wir haben hier eine sehr umfangreiche Arbeit vorliegen und ich möchte den Mitarbeitern des Landwirtschaftsministeriums, die hier sicherlich hauptsächlich ihren Beitrag geleistet haben, auch einen herzlichen Dank übermitteln für diese Arbeit.
Ich sage aber gleich dazu, dass wir trotz allem ein wenig enttäuscht waren. Wir haben uns in unserer Einleitung zur Großen Anfrage speziell auf kleine Gemeinden bezogen und die Definition der Landesregierung, die den ländlichen Raum auf alles in Thüringen, außer in den Verdichtungszentren Erfurt, Gera und Jena, bezeichnete, die hilft meiner Ansicht nach nicht, die Probleme, die wir in strukturarmen Regionen haben, genauer zu bezeichnen. Es ist sicherlich ein sehr richtiger Aspekt, was jetzt die Frage der Förderung anbelangt. Das ist sicherlich ein Aspekt, der auch EU-weit eine Rolle spielt, weil EU-weit ländliche Räume eine andere Sichtweise verlangen als bei uns in Thüringen, einem sicherlich ländlich geprägten Land. Ich denke aber, wenn wir uns in Thüringen den Problemen der wirklichen ländlichen Räume nähern wollen, können wir nicht alles bis auf drei Städte hineinnehmen. Denn wohin kommen wir da? Jena als Aufschwunggemeinde hat ja auch unter 100.000 Einwohner.
Seit wann denn? Seit Dezember? Oh, dann will ich nichts gesagt haben. Ich hoffe, die Entwicklung geht so weiter. Aber ich habe jetzt gelesen, dass von den kreisfreien Städten nur Eisenach an Bevölkerung zugelegt hätte. Das war im letzten Statistikmaterial, das wir zur Verfügung be