Protocol of the Session on March 15, 2001

(Zwischenruf Abg. Althaus, CDU: Ja, was richtig ist, ist richtig.)

Ja, ich komme noch mal darauf zurück, Herr Althaus. Aber was ist denn nun nach Ihrer Rede, Herr Althaus, oder auch der vom vergangenen Jahr, dass Thüringen in einer sehr guten Verfassung ist und dass das Ergebnis solider Politik ist. Das haben Sie auch heute wieder hervorgehoben und in dem Brief des Ministerpräsidenten an den

Fraktionsvorsitzenden der PDS, wie an alle Fraktionsvorsitzenden, wird gesprochen: "Angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Lage in den jungen Ländern habe ich..." etc.

(Zwischenruf Abg. Althaus, CDU: Lesen Sie den Rest auch. Ihr Problem ist die Logik.)

Sie kennen ihn doch. Also gehe ich jetzt davon aus, dass die gute Lage schwierig ist. Das ist jetzt Ihre Interpretation, ich bedanke mich dafür. Ich habe mich dabei gefragt, Herr Althaus - ja, reden Sie das einem Mathematiker aus, die Logik; ich weiß nicht, ob das klappt.

(Zwischenruf Abg. Althaus, CDU: Sie haben lange in der SED-Kreisleitung gearbeitet.)

Erstens habe ich mich gefragt: Wird durch die Landesregierung die Situation in Thüringen und in den anderen neuen Bundesländern nun realistischer eingeschätzt und zweitens wird daraus ein notwendiger, über bisherige Konzepte hinaus gehender Handlungsbedarf abgeleitet? Ich war mir noch unsicher heute Vormittag, ob wir ein Stück weit neue Einsichten und Überlegungen seitens der Landesregierung registrieren sollten, könnten oder müssten. Herr Althaus, nach Ihrer Rede muss ich das wirklich wieder von mir weisen und negieren. Ich kann neue Einsichten nicht feststellen, sie wären aber notwendig,

(Zwischenruf Abg. Wetzel, CDU: Ich denke, Ihr kommt beide aus dem Eichsfeld.)

weil nur auf der Grundlage einer objektiven Analyse der Situation entsprechende Handlungsschlussfolgerungen abgeleitet werden können.

(Beifall bei der PDS)

Und die Diskussion zur Situation in den neuen Ländern heute hier im Thüringer Landtag zur Art und Weise, wie man zu wirklich neuen Konzepten für den Osten Deutschlands gelangt, auch und besonders in den letzten Jahren des Solidarpakts I, wird letztlich zeigen, ob die geführte Diskussion und die getroffenen Schlussfolgerungen aus staatspolitischer Verantwortung heraus erfolgen. Ich habe in meinem Redekonzept hier stehen - ich darf das zitieren: "Ich hoffe nicht, dass damit kurzfristig das Wahlverhalten der Ostdeutschen 2002 und 2004 gemeint und darauf gezielt worden ist." Die Zwischenfrage an Herrn Lippmann von Herrn Kretschmer nach dem Vorhaben der SPD-Regierungschefs in Ostdeutschland oder auch das, wie sich Herr Althaus hier präsentiert hat, zeigen mir eher das Gegenteil, dass wir gar nicht so schief liegen als Opposition mit der Einschätzung, dass es hier um die Vorherrschaft, um die politische Hoheit im Osten hinsichtlich der Bundestagswahl 2002 geht.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Wenn es Ihnen darum geht, die Weichen für die wirtschaftliche Entwicklung neu zu stellen, und die Zitierung des Arbeitsministers von Mecklenburg-Vorpommern, Herr Ministerpräsident, zeigt doch, dass Sie es doch ein Stück weit ähnlich sehen, unterstütze ich namens unserer Fraktion Ihre Einladung zur Diskussion über ein notwendiges Konzept zur weiteren Entwicklung des Ostens Deutschlands. So verstehe ich Ihren Brief an die Fraktionen, so verstehe ich auch die heute hier durch die CDU-Fraktion anberaumte Debatte und die Aussprache über die Regierungserklärung.

Ich sehe unsere gemeinsame Verantwortung dafür darin, dafür zu wirken, dass es darum geht, wie es Bischof Dr. Wanke in seinem offenen Brief an die Thüringer Landesregierung und die Thüringer Bundes- und Landtagsabgeordneten formulierte: "... eine langfristige Abhängigkeit des Ostens vom Westen und zunehmende Abwanderung von Ost nach West zu vermeiden." Dazu sind nach seiner Auffassung weiterhin solidarische Formen der Unterstützung und außerordentliche Anstrengungen notwendig. In diesem Sinne betrachte ich Ihren Vorschlag, Herr Ministerpräsident, zur Auflage eines Sonderprogramms Ost für die Jahre 2001 bis 2004 als eine diesbezügliche politische Bemühung, wie es der Bischof zu formulieren geruht. Diese könnten aus unserer Sicht Ausgangspunkt für Diskussionen sein und unter Berücksichtigung anderer Sichtweisen und weiterer Vorschläge zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im vereinten Deutschland beitragen.

Meine Damen und Herren, der Aufbau Ost bleibt eine gesamtstaatliche Aufgabe. Dies immer wieder einzufordern, gehört zu den Aufgaben der politisch Verantwortlichen und Agierenden, insbesondere in den neuen Ländern.

(Zwischenruf Abg. Althaus, CDU: Sehr rich- tig!)

Es bleibt eine Tatsache: Ohne die Transferzahlung von Bund und Ländern ist der heutige Stand der öffentlichen und privaten Ausgaben nicht zu halten, erst recht nicht die benötigten Wachstumsstrategien zu finanzieren. Die wirtschaftliche und soziale Angleichung zwischen Ost und West ist eine Herausforderung, die auch über die nächsten zehn Jahre hinaus große Anstrengungen erfordert. Ich glaube, bis hierher, weil Sie es immer betonen, Herr Althaus, stimmen wir ja überein. Transferzahlungen zu Gunsten wirklicher Aufbauleistungen für die Infrastruktur, für die Handlungsfähigkeit von Ländern und Gemeinden und für Wirtschaftsförderung finden umso mehr gesamtgesellschaftliche Akzeptanz, je mehr sie nachhaltig und nachvollziehbar auf die Überwindung der Strukturschwäche Ostdeutschlands gerichtet sind. Da haben wir uns auch in Thüringen in den vergangenen Jahren trotz "guter Wirtschaftspolitik", wie immer gesagt wird, nun nicht auch in allen Fragen mit Ruhm bekleckert, Herr Minister. Sie schauen mich schon wieder so kritisch an?

(Heiterkeit bei der CDU)

Ich darf darauf eingehen? Wir sind in Thüringen meines Erachtens den Beweis schuldig geblieben, dass z.B. der Wirkungsgrad der Transferzahlungen deutlich verbessert werden kann,

(Zwischenruf Schuster, Minister für Wirt- schaft, Arbeit und Infrastruktur: Am höchsten!)

zum Beispiel durch die Erhöhung des Anteils ostdeutscher Auftragnehmer bei öffentlichen sowie bei öffentlich geförderten privaten Investitionen oder durch die Verbesserung der regionalen Lieferbeziehungen und anderes mehr. Wir sind bisher den Beweis schuldig geblieben, dass die wirtschaftspolitischen Anstrengungen noch stärker auf Qualifizierung des Arbeitsvermögens, auf Innovation und überregionalen Absatz konzentriert werden.

(Zwischenruf Abg. Althaus, CDU: Jetzt hat man Ihnen etwas Falsches gesagt!)

Oder, Herr Althaus, ich würde jetzt gern auf Sie eingehen, wir haben mit der Haushaltsbeschlussfassung die Eigenanstrengung des Landes, die Investitionen in die Infrastruktur (Verkehr, Bildung, Abwasser) auf hohem Niveau fortzuführen, ein Stück weit konterkariert. Ausdruck dafür ist die Entwicklung der Investitionsquote.

(Zwischenruf Abg. Gerstenberger, PDS: Das muss man nachlesen.)

Nein, ich habe ja auch eine Statistik wie der Herr Fraktionsvorsitzende. Ich habe ganz einfach die Frage: Hängt denn die langsame Schließung der Schere zwischen Ost und West in den Jahren 1994 bis 1996, auf die der Herr Ministerpräsident in seinem Schreiben an die Fraktionen ja bekanntlich hingewiesen hat, wie er dies heute erneut hier in der Diskussion getan hat, auch ein Stück weit mit Investitionsausgaben in diesem Zeitraum zusammen? Es ist doch beachtlich, dass wir von 1992 bis 1996 im Land die höchsten Investitionsausgaben hatten, natürlich durch Zuweisungen vom Bund, aber auch durch das Land, und seit diesem Zeitpunkt gehen sie zurück.

(Zwischenruf Abg. Gerstenberger, PDS: Aber nicht die Bundesmittel!)

Und da wird mir sogar noch eingeredet, die Investitionsquote des Jahres 2001 - das ist das Größte, was es gibt. Das ist bisher die Niedrigste, die es gibt,

(Beifall bei der PDS)

und es ist im Vergleich zu 1997 ein Rückgang absolut von 1,1 Mrd. DM zu verzeichnen, wenn ich richtig gerechnet habe.

(Zwischenruf Schuster, Minister für Wirtschaft, Arbeit und Infrastruktur)

Ja, Herr Minister, ich habe nur eine Zuarbeit bekommen, Herr Althaus hat eine von der Industrie- und Handelskammer, sehen Sie. Aber ich glaube schon, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen Investitionen und dem Auseinanderklaffen zwischen Ost und West, also dieses Auseinanderklaffen der Schere. Als Anregung wollte ich Ihnen das mal mitgeben. Herr Ministerpräsident, ich stimme sicherlich mit Ihnen überein, und das hat Herr Lippmann ja auch hier gesagt, dass jede Mark, die in einzelne Projekte Ihres Sonderprogrammvorschlags fließen wird, sich auf die Entwicklung der neuen Länder positiv auswirken wird. Davon gehen wir auch aus. Sie haben aber auch in Ihrer Rede gesagt, Straßenbauförderung z.B. ist keine Gießkannenförderung. Aber ob es dabei zu Effekten kommt, die die Schere zwischen Ost und West nachhaltig schließen und die wirtschaftliche Entwicklung in den jungen Ländern gegenüber den alten beträchtlich steigern werden, wäre weiter zu diskutieren. Herr Ministerpräsident hat dies in seiner Rede so formuliert. Es kommt auf schnelleres Wachstum als im Westen an. Sie haben die Zahlen für das Jahr 2000 genannt, die im Bundesgebiet West ein Wachstum des Buttoinlandsprodukts von 3,4 Prozent vorsehen und in den neuen Bundesländern von 1,3. Für das laufende Jahr sind 2,75 Prozent in den alten Bundesländern avisiert, in den neuen Bundesländern nicht annähernd so viel, war die Formulierung.

Wenn Sachverständige richtig rechnen, wie das z.B. in den Materialien für die Enquetekommission zum Ausdruck kommt, ist die Angleichung des Niveaus der ostdeutschen Bundesländer an die der alten möglich bis 2010 bei einem jährlich höheren Wirtschaftswachstum von mindestens 4 Prozent, bis 2020 bei einem jährlich höheren Wirtschaftswachstum von mindestens 2 Prozent und es wird bis 2050 dauern, wenn das Wirtschaftswachstum des Ostens jährlich nur um 0,5 Prozent höher als in den alten Bundesländern ist. Damit wir mal über Zeiträume reden und damit auch hier vielleicht die Kompliziertheit der Aufgabe, die vor den ostdeutschen Ländern steht, noch einmal deutlich wird. Sicherlich gibt es dazu einige gute Erfahrungen und Voraussetzungen.

Die von Ihnen vorgeschlagenen Programmpunkte, Herr Ministerpräsident, beziehen sich zum großen Teil auf Infrastrukturfragen und hätten unzweifelhaft Auswirkungen auf die weitere Entwicklung der Bauwirtschaft. Dies würde sich sicherlich nicht nur auf die öffentliche Infrastruktur auswirken, sondern gleichzeitig die gesamte Entwicklung günstiger gestalten, davon gehen wir aus. Bekanntlich bremst die so genannte Baukrise oder, wie es der Bauindustrieverband Hessen-Thüringen formuliert, die schwierige Situation des Bauhauptgewerbes in den östlichen Bundesländern den Aufbau Ost. Für eine immer mehr sich selbst tragende wirtschaftliche Entwicklung Ostdeutschlands liegt der Schwerpunkt aber auf der Erhöhung der industriellen Wertschöpfung. Die Entwick

lung seit 1996 belegt anschaulich, ohne industrielles Wachstum fehlt einem nachhaltigen Aufbau Ost die Grundlage und es besteht mit dem vorliegenden Konzept also die Gefahr, dass u.a. das weitere Auseinanderdriften zwischen Ost und West lediglich zeitlich verlagert wird. Diesen Aspekt bitte ich in der weiteren Diskussion zu beachten, eventuell zu bewerten.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, aus Zeitgründen würde ich mich kurz fassen und würde noch mal sagen: Ein Sonderprogramm Ost und die Orientierung im Freistaat Thüringen muss unseres Erachtens nach auf zukunftsträchtige Entwicklung gerichtet werden und nicht kurzatmig, eventuell nur für vier Jahre, die sich nach dem Motto wie bisher vollziehen. Die zukunftsorientierte Ausrichtung eines Sonderprogramms in Einheit von Bundes- und Landesanstrengungen wird von uns mitgetragen. Ein diesbezügliches länderpolitisches Signal könnte u.a. sein, die ausgewiesenen Haushaltsüberschüsse in der vorläufigen Jahresrechnung 2000 nicht zur zusätzlichen Reduzierung der Nettoneuverschuldung, sondern als einen Landesmittelanteil zu einem Sonderprogramm zu betrachten. In diesem Sinne hat sich ja Herr Minister Trautvetter im TLZ-Interview vom 10. März geäußert. Vielen Dank!

(Beifall bei der PDS)

Das Wort hat jetzt die Landesregierung, Herr Minister Schuster.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, das Sonderprogramm der Landesregierung hat die Opposition offenbar sehr in Unruhe versetzt. Frau Zimmer redet davon, es bestehe vorwiegend aus Verkehrsbaumaßnahmen. Sie kam in der Lektüre offensichtlich über den Punkt 1 gar nicht hinaus.

(Zwischenruf Abg. Zimmer, PDS: 60 Prozent sind doch wohl aber die Mehrheit!)

Sie redet dann davon, man müsse den Wirtschaftsmechanismus in den neuen Ländern ändern. Ja, was bedeutet denn das wohl - den Wirtschaftsmechanismus ändern? Wer weiß das denn wohl? Vielleicht weiß es Frau Zimmer, vielleicht. Frau Zimmer, der Stress ist bei Ihnen wohl zurzeit groß, aber wenn Sie weiter solche Reden halten, ist es mit Ihrer bundespolitischen Karriere bald vorbei.

(Beifall bei der CDU)

(Heiterkeit bei der PDS)

(Zwischenruf Abg. Althaus, CDU: Aber schlecht wäre es nicht, wenn sie noch ein paar Jahre im Bund bliebe.)

Die SPD hat hier nichts anderes als eine Echternacher Springprozession aufgeführt. Der Herr Gentzel versteht sie hier am Pult auch immer vorzuführen. Ein Motto beherrschen Sie immer sehr gut: Schuld daran sind immer die anderen.

(Zwischenruf Abg. Dr. Botz, SPD: Ja, das kennen wir.)

Wenn es Probleme gibt, dann sind entweder die CDUregierten Länder Schuld oder Europa.

(Zwischenruf Abg. Pelke, SPD: Und Sie sagen immer, die Bundesregierung ist Schuld.)

Der Bund, die Bundesregierung ist nie Schuld. Dann haben Sie vorgeschlagen, man müsse ein Landesprogramm andocken. Das Sonderprogramm ist also ein Vorschlag für alle neuen Länder. Sagen Sie einmal Ihren Parteikollegen in Sachsen-Anhalt, sie sollten ein Landesprogramm andocken an solche Vorschläge. Sie werden dann schnell erfahren, welche Schwierigkeiten die haben, die Bundesprogramme überhaupt noch kozufinanzieren.

(Beifall bei der CDU)

Dieses Problem hat nicht nur Sachsen-Anhalt, das haben eine Reihe anderer Länder mehr.

Herr Gentzel, Sie haben dann offenbar mit all Ihren Vorschlägen noch nicht realisiert, dass das, was Sie fordern, längst geschehen ist. Die Landesregierung hat an den Landeshaushalt ein Invesitionsprogramm in Höhe von rund 1 Mrd. DM in Form der Strukturfonds angedockt. EFRE enthält ein Programm, das weitere Mittel für private Investitionen vorsieht. Aber dies alles nehmen Sie nicht zur Kenntnis. Die Vorschläge zur Finanzierung Ihres Programms, die kann man nur unter der Überschrift "Peinlichkeiten" verbuchen.