Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich finde es gut, dass wir uns heute im Parlament mal ausführlich Zeit nehmen, über die Bildungspolitik in unserem Land zu reden. Ich habe also nicht vor, mich dem Bildungsausschuss als Mitglied anzuschließen oder über landwirtschaftliche Berufsausbildung zu reden oder über Umweltschutz an Thüringer Schulen - das wäre ja auch ein gutes Thema, was heute noch nicht behandelt wurde. Es sind bei allen Unterschieden doch sehr viele gute Vorsätze heute laut geworden und übergreifend ist wohl, dass wir für die Kinder, die an den Schulen sind, und die Jugendlichen alle das Beste möchten. Ich möchte Ihnen nur ein kleines Beispiel geben als betroffene Mutter zweier Kinder, wie das Ganze in der Praxis aussieht, zumal, wenn da so etwas von Solidarität gesagt wird und man hätte und könnte doch. Meine Tochter ist 18 und kurz nach der Wende war sie Grundschülerin und damals betroffen, dass ihrer Grundschullehrerin, weil sie den neuen Anforderungen eines Grundschullehrers nicht entsprach, gekündigt wurde. Ich habe also erfahren müssen, dass es gar nicht so einfach ist einem Kind in diesem Alter klar zu machen, warum das jetzt so ist. Es war eine gute Lehrerin - gut, sie musste gehen, für das Kind ging es irgendwie weiter, aber sie kann sich heute noch sehr gut daran erinnern, wie es war. Und heute ist es so, mein Sohn ist jetzt in der 1. Klasse und ist auch wieder Betroffener einer abzusehenden Entwicklung, so muss man das mal sagen. Dass es weniger Kinder in Thüringen gibt, das ist ja schon lange bekannt, und ich weiß auch, dass alle Fraktionen seit Jahren darüber geredet haben, was wir denn tun können, um hier mit dem zu erwartenden Überhang an Lehrern umzugehen. Ich hatte immer den Eindruck, dass bei allen Differenzen doch ein relativ breiter Konsens gefunden wurde, wie mit diesem Problem umzugehen ist, wie es offensichtlich in den anderen neuen Bundesländern weiterbesteht. Als ich im Sommer hörte, dass die Kündigungen für Lehrer bzw. der Stellenabbau, so klingt das erst mal ein bisschen unverbindlicher und vornehmer, erhöht wird, da hatte ich das Gefühl, es kann hier zu größeren Turbulenzen kommen. Und, siehe da, so ist es auch. Wenn hier davon die Rede ist, dass wir
natürlich für die sozial Schwachen da sein müssen und Bedarfskündigungen und sozial ausgewogen - da kann ich nur sagen, da wundert mich schon die Praxis, die eine Sozialauswahl praktisch überhaupt nicht mehr zulässt. Mein Sohn hat eine Klassenlehrerin, die ist 57 Jahre alt. Die Bildungspolitiker unter Ihnen können sich ausrechnen, mit welchen Prozenten, nämlich jahrelang 55 Prozent, sie in Rente gegangen wäre, wenn sie in dieses Floating gegangen wäre. Diese Grundschullehrerin hat im November eine Urkunde bekommen und Dank für 40 Jahre im Schuldienst 40 Jahre. Wenige Monate später bekommt sie dann die Kündigung und die gleichen Leute, die ihr gratuliert haben, setzen sie dann vor die Tür. Herr Dr. Krapp, da kann ja im System irgendwas nicht stimmen, wenn selbst solche Fälle möglich sind.
Jeder weiß, dass der Schülerrückgang in Thüringen natürlich ein Problem ist, mit dem nicht so einfach umgegangen werden kann. Ich würde anders darüber denken, wenn es einen Lehrer betrifft, der 35 ist und sagt, er sucht sich außerhalb Thüringens eine andere Perspektive - auch diese Entscheidung gibt es. Um noch mal zu verdeutlichen, wie dramatisch an manchen Stellen Ihre Entscheidung sein kann, kann ich Ihnen auch gleich noch sagen, dass in dieser Klasse nicht nur die Klassenlehrerin betroffen ist, sondern auch die Hortnerin, die Religions- und Musiklehrerin und die Ethiklehrerin und die Schulgartenlehrerin. Lediglich die Sportlehrerin bleibt dieser Klasse erhalten. Da frage ich Sie: Was soll man den Kindern in so einer Situation sagen? Sie haben relativ wenig Verständnis dafür, dass hier über Sparen gesprochen wird, wenn es solche Auswüchse hat.
Wie gesagt, es ist ein wichtiger und notwendiger Umbruch in dieser Landschaft, aber wenn 40 Dienstjahre nicht davor schützen, in Thüringen eine Bedarfskündigung zu bekommen, dann weiß ich nicht, ob das System, das hier gewäht wird, so ganz richtig ist. Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt Herr Minister Dr. Krapp. Moment, Entschuldigung, da war noch eine Wortmeldung aus der Mitte des Hauses, ja? Entschuldigung, Frau Abgeordnete Nitzpon. Weitere Wortmeldungen sehe ich im Moment nicht, ist es richtig?
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich möchte eigentlich auch nach der Rede von Herrn Wehner meinem Unmut in einem Satz Luft machen. Solange wie in Thüringen, meine Damen und Herren, Unterricht noch ausfällt, dürfte eine Landesregierung in keinem Fall an Stellenabbau und noch dazu an Kündigungen denken. Danke schön.
Jetzt gibt es spontane Meldungen - keine Nachfrage, sondern Meldungen. Herr Abgeordneter Seela. Herr Wehner, Sie wollten eine Frage stellen? Würden Sie die Frage noch zulassen, Frau Nitzpon? Nicht. Dann steht es auch Ihnen frei, noch einmal einen Redebeitrag zu halten.
Frau Präsidentin, verehrte Damen und Herren, eigentlich wollte ich ja nicht mehr in die Bütt gehen, eigentlich war ich ja vorbereitet gewesen zum Extremismus zu sprechen, aber die letzten Äußerungen haben mich doch noch mal hier vorgebracht, und zwar Stundenausfall. Frau Nitzpon, Ihnen müsste doch wirklich bekannt sein, Stundenausfälle in Thüringen: 2 Prozent.
Und wenn wir von 2 Prozent reden, dann ist es doch wirklich eine verschwindend geringe Zahl. Wir müssen doch bei der Wahrheit bleiben. Bitte, bleiben wir doch bei der Wahrheit. Und jetzt bleiben wir auch noch mal bei den FloatingModellen, ich selbst habe einen großen Bekanntenkreis unter Grundschullehrerinnen und -lehrern und dieser Bekanntenkreis hat das Floating-Modell unterschrieben, Frau Dr. Klaus. Jetzt erzählen Sie diesen Leuten doch mal, dass die 100-Prozent-Leute, die übrigens eine verschwindend geringe Anzahl darstellen, dass an dieser verschwindend geringen Anzahl der Kelch vorbeigeht. Da hat man auch kein Verständnis mehr bei den Leuten, die das FloatingModell unterschrieben haben.
Die haben ja auch Einbußen im Gehalt gehabt, und die haben auch Probleme bei der Einteilung, bei der Zuteilung von Stunden. Die werden dann meistens hinten drangestellt und die 100-Prozent-Leute werden bevorteilt. Da ist ein großer Sprengstoff drin und der wird jetzt gelöst. Man konnte Anfang der 90er Jahre sich das dann an einer Hand abrechnen, wenn wir 60 Prozent der Schüler nur noch haben, Ende der 90er Jahre bzw. jetzt, dass wir auch weniger Lehrer brauchen, 60 Prozent, 40 Prozent fehlen dann natürlich und das muss irgendwie gelöst werden. Ich denke, dass die Lehrerschaft dabei hervorragend weggekommen ist. Keine andere Berufsgruppe im Land ist so hervorragend weggekommen, das muss man auch mal klar und deutlich sagen.
Ich war an der Universität gewesen bis 1992. Da hatte man nicht solche Floating-Modelle und Teilzeitprojekte eingeführt. Deswegen bleiben wir doch bitte bei der Wahrheit, Frau Dr. Klaus, und machen keine Märchen mit Christine. Danke schön.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, ich möchte zu einigen Äußerungen aus der Opposition sofort Stellung nehmen. Natürlich bin ich auch später bereit, in jede Diskussion einzutreten.
Sehr geehrte Frau Abgeordnete Dr. Stangner, Sie haben beklagt, dass ich die Novelle des Schulgesetzes nur einmal erwähnt habe, und schließen daraus, dass nur eine Änderung geplant ist. Das ist ein eklatanter Fehlschluss.
Wenn Sie meine Erklärung abschnittsweise durchlesen, werden Sie feststellen, dass praktisch jeder Abschnitt ein Zukunftsprojekt beschreibt und dass fast alle dieser Zukunftsprojekte gesetzliche Änderungen verlangen, wenn sie denn aus dem Stadium des Schulversuchs als erfolgreich heraustreten. Bei meinen Vorhaben habe ich mich übrigens an die Erfahrung gehalten. Deshalb habe ich in meinem Schlusswort auch gesagt, dass Zukunft aus Gegenwart erwächst. Meine Vorhaben sind im Unterschied zu Utopien alle realisierbar. Und wir werden diese auch realisieren, wenn sich die entsprechenden Schulversuche und Pilotprojekte bewährt haben.
Die Durchlässigkeit der Thüringer Schulen haben Sie angesprochen, Frau Dr. Stangner. Diese Durchlässigkeit ist sehr hoch. Trotzdem wechseln relativ wenige Schülerinnen und Schüler die Schullaufbahn.
Also, die Durchlässigkeit der Thüringer Schulen ist sehr hoch. Trotzdem wechseln relativ wenige Schülerinnen und Schüler die Schullaufbahn. Die Zahlen liegen im drei
stelligen Bereich. Das spricht aber nicht gegen die Durchlässigkeit, sondern dafür, dass eine gute Schullaufbahnberatung vorgenommen wurde.
Sehr geehrter Herr Abgeordneter Döring, Sie haben beklagt, dass ich nicht mehr auf Schulautonomie eingegangen bin. Nun, ich wollte nicht länger als eine Stunde sprechen und habe das ziemlich genau eingehalten. Deshalb habe ich keine Bestandsaufnahme gemacht, sondern nur grundsätzlich neue Aspekte dargestellt. Die Globalisierung der Lehrerstundenzuweisung oder die Budgetierung der Fortbildungsmittel oder die teilweise Budgetierung der Sachmittel durch die Schulträger sind bereits Praxis und deshalb wie viele andere Dinge von mir nicht erneut hier dargestellt worden.
Was die Frage der Computer- und Internetausrüstung angeht, habe ich, Herr Abgeordneter Döring, noch Ihre Kritik zur Haushaltsdebatte 2000 im Ohr. Damals haben Sie lautstark beklagt, dass die damals vorgesehenen 5 Mio. DM für das Jahr 2000 überhaupt nicht ausreichend sind, um der hohen Bedeutung der neuen Medien in den Schulen gerecht zu werden.
Heute werfen Sie mir vor, ich reite ein Steckenpferd. Sie haben vielleicht nicht zugehört, denn Sie haben sich im Bild vergriffen. Ich habe heute davor gewarnt, dass PC und Internet nun auch kein Nürnberger Trichter sind. Das ist die Wahrheit.
Übrigens, Herr Döring, Sie sind überhaupt nicht auf das Prinzip von Medienkunde eingegangen. Ich muss daraus schließen, dass Sie es nicht verstanden haben, weil ich ja bereits im Ausschuss darüber berichten durfte.
Nun noch drei Reaktionen auf Bemerkungen zum Personalabbau: Erstens, Herr Abgeordneter Döring, verstehe ich nicht, dass Sie die notwendigen juristischen Begleiterscheinungen im Falle von Bedarfskündigungen zu polemischen und unsachlichen Angriffen missbrauchen.
Zweitens, die Schüler-Lehrer-Relation ist nach Kultusministerkonferenzgebrauch in allen Ländern ein Maß für Lehrerbedarf, auch in den SPD-regierten Ländern.
Und drittens, ich empfehle dem Herrn Ministerpräsidenten nicht, bei den Solidarpaktverhandlungen II, die sich 2001/2002 einstellende Thüringer Schüler-Lehrer-Relation an Grundschulen, nach Bedarfskündigung wohlgemerkt, von 14,9 als Argument zu benutzen. Es könnte Begehr
Sehr geehrte Frau Abgeordnete Bechthum, Schüler fordern Fort- und Weiterbildung von ihren Lehrern. Da bin ich mit Ihnen, Frau Bechthum, und da bin ich mit den Schülern voll einig und das ist auch oft Thema in unseren Beratungen mit den Schülervertretungen.
Das Angebot des ThILLM, übrigens ist das ThILLM eine nachgeordnete Behörde des Thüringer Kultusministeriums, ist so vielfältig, dass eine pauschale Verpflichtung zur Teilnahme aller an allem praktisch unmöglich ist. Hier ist Eigenverantwortung der Lehrer, aber auch Beratung und, wo notwendig, auch bedarfsorientierte Aufforderung von außen notwendig.
Da sind wir uns auch einig. Dazu sind alle Schulleiter und alle staatlichen Schulämter verpflichtet.
Im Übrigen können auch die Schülervertretungen entsprechende Vorstellungen äußern und da hören wir sehr genau zu.
Sehr geehrter Herr Abgeordneter Dr. Dewes, dass Sie in Bezug auf die Aufgabe Demokratie an Schule die verhassteste Metapher des verblichenen SED-Regims wählen, zeigt mir, dass Sie vielleicht doch noch nicht so ganz in Thüringen angekommen sind.