Protocol of the Session on October 11, 2000

Ich bedanke mich, dass Sie das genauso sehen. Ich hoffe, Sie sehen Folgendes ähnlich. Dieser verantwortungsbewusste Umgang mit Ihrer absoluten Mehrheit lässt unserer Auffassung nach zu wünschen übrig.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Sie behaupten, an Aufklärung interessiert zu sein - ich habe das heute mindestens viermal von Herrn Dr. Birkmann gehört -, handeln zum konkreten Zeitpunkt und Anlass, aber völlig gegensätzlich. In der Sondersitzung des

Justizausschusses am 26.09.2000 haben die Minister Dr. Birkmann und Gnauck einmütig den Eindruck zu erwecken versucht, ihr Verhalten habe immer nur der Durchsetzung der Legalität gedient. Sie hätten alles unternommen, um die Sachverhaltsaufklärung in dem vor dem Landgericht Mühlhausen anhängigen Strafverfahren zu fördern, wobei sie sogar noch darüber hinausgegangen seien, wozu sie nach der Strafprozessordnung verpflichtet sind. Sie versuchen, die Vorgänge so darzustellen, als sei der zwischen der Regierung einerseits und der Strafkammer beim Landgericht Mühlhausen sowie den beteiligten Ermittlungsbehörden andererseits ausgebrochene Konflikt - und er ist doch wohl nicht zwischen der Regierung und der Opposition ausgebrochen, meine Damen und Herren ausschließlich auf eine angebliche fachliche Inkompetenz der Strafkammer bzw. der BKA-Beamten zurückzuführen, die im vorliegenden Fall die Staatsanwaltschaft unterstützten.

(Zwischenruf Abg. Carius, CDU: Sie haben wohl nicht zugehört?)

Doch, die eigenen Ausführungen der Minister in der Sondersitzung des Justizausschusses, das jedenfalls ist der Eindruck der Teilnehmer unserer Fraktion an der Ausschuss-Sitzung, sowie die sonstig bekannt gewordenen Tatsachen, u.a. nachzulesen auf der Internet-Seite unserer Fraktion unter www.pds.-fraktion.thueringen.de, widerlegen jedoch diese Unterstellung.

(Zwischenruf Abg. Schwäblein, CDU: www.wurscht.de - gewesen.)

(Zwischenruf Abg. Pohl, SPD: So ein arro- ganter Hundekopf.)

(Beifall und Heiterkeit bei der SPD)

Herr Abgeordneter Pohl, auch Sie mäßigen sich.

Und so wie die Landesregierung,

Moment einmal, Herr Abgeordneter Buse. Ich darf das Haus wirklich um Ruhe bitten. Fahren Sie bitte fort.

danke, wie es heute ja die Agenturen vermelden, es für nötig erachtet, wegen Veröffentlichungen auf unserer Internetseite Strafanzeige gegen unbekannt zu erstatten, möchte ich seitens unserer Fraktion darauf antworten, dass wir diese Aufklärung in keinster Weise verhindern, sondern entsprechend der Rechtslage befördern werden. In Ihrer

Rede am 27. August führten Sie, Herr Ministerpräsident, weiter aus, dass die Mehrheit die Weisheit für sich nicht gepachtet hat und Sie fügten ja richtigerweise hinzu, die Minderheit bekanntlich ja auch nicht. Aber Mehrheiten scheinen in Thüringen bestimmtes Handeln von Mitgliedern der Landesregierung zu legitimieren und die Auffassung zu nähren, der Staat bin ich. Diesen Eindruck hat nicht nur die politische Opposition, von der man aufgrund ihrer Stellung zur Regierung die Artikulation solcher Äußerungen im Rahmen der politischen Auseinandersetzung erwarten könnte, auch im Streit mit einzelnen Abgeordneten zwischen uns. Die TLZ verweist ja heute schon in vorauseilendem Gehorsam auf die zu erwartende Polemik in meiner Rede heute hier im Landtag.

(Unruhe bei der CDU)

Aber gerade im Fall "Pilz" wurde aus den Reihen der Richterschaft der Zustand im Land mit dem Begriff "Bananenrepublik" umrissen.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Welche Resignation spricht aus solchen Worten, welches Demokratieverständnis wird einer Landesregierung mit diesem Begriff bescheinigt - dies, meine Damen und Herren, nicht vom polemisch agierenden politischen Gegner, sondern aus der Richterschaft selbst heraus! Mit solcher Klassifizierung werden auch Zweifel an der Kontrollierbarkeit der Landesregierung, insbesondere aber ihrer Bereitschaft dazu, im Rahmen der demokratischen Ordnung vorgebracht. Der Bürger muss zur Kenntnis nehmen, dass es einen nicht der demokratischen Kontrolle unterliegenden Bereich in diesem Land zu geben scheint, der Landesregierung heißt. Damit ist meines Erachtens nach der Schaden umrissen, den das Land, den das Ansehen der Demokratie in Thüringen allein durch das Verhalten der Landesregierung im Fall "Pilz" genommen hat.

(Beifall bei der PDS)

Damit nicht genug: Offenkundig war das Klärungsgespräch zwischen Justizministerium und Richterschaft nur ein leicht durchschaubares, inszeniertes Friedensgespräch im Hinblick auf die heutige Sitzung und für die Journalisten dieses Landes. Welche Schlüsse soll man daraus ziehen, dass das Schreiben der Obersten Richter, in dem um ein persönliches Gespräch zwischen Hauptrichterrat und Justizminister gebeten wird, dem Justizministerium vorgeschrieben und wahrscheinlich nur aus Gründen der kollegialen Erleichterung dem Adressantenkreis zur Absendung übermittelt wurde. Welche Schlüsse soll man daraus ziehen, dass der Oberlandesgerichtspräsident Bauer einen handgefertigten Pressetext nach dem Gespräch auf den Tisch legt, in dem von der herkömmlich guten Zusammenarbeit der Thüringer Richterschaft und des Thüringer Justizministeriums, welche sogar weiterentwickelt werden soll, gesprochen wird? Das war ein Zitat. Der Hauptrichterrat weist in seiner Presseerklärung, die müssten

Sie natürlich aber auch lesen, dieses Manöver mit Befremden zurück und empört sich über die Behauptung, dass diese Erklärung mit der Richtervertretung abgestimmt gewesen sein soll. Die Methode der Vorfertigung solcher Briefe ist gegenüber der PDS-Fraktion bereits mehrfach von Betroffenen angezeigt worden. Eine solche Methode aber gegenüber der Richterschaft anwenden zu müssen, zeugt unseres Erachtens von tiefem Vertrauensbruch zwischen Justizministerium und Richterschaft.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Dies kam auch in der Sondersitzung des Justizausschusses - auch wenn ich, wie Herr Gnauck sagt, das Protokoll nicht gelesen habe, aber nach den Berichten meiner Kollegen - u.a. auch sichtbar zum Ausdruck. Bekanntlich erfuhren die BKA-Beamten während ihres Aufenthalts in der Staatskanzlei am 15.06.2000 von den 15 Leitzordnern, die u.a. Unterlagen beinhalten, die mit Pilz und dem CD-Werk Albrechts im Zusammenhang stehen. Die BKABeamten versuchten, die 15 Ordner auf relevantes Material durchzusehen. Zu diesem Zweck begaben sich weitere BKA-Beamte, Angehörige der Staatsanwaltschaft und der Vorsitzende Richter am Landgericht, Krämer, auf den Weg zur Staatskanzlei. Zur Sichtung der in den 15 Ordnern enthaltenen Unterlagen kam es sodann nicht mehr, weil mittlerweile Minister Gnauck angeordnet hatte, dass nichts eingesehen und herausgegeben werden dürfte und die BKA-Beamten auf Veranlassung des Generalstaatsanwalts angewiesen wurden, die Staatskanzlei zu verlassen bzw. diese nicht zu betreten. Wir hörten auch eben im Bericht der Landesregierung schon davon. Wir erinnern uns noch an die Darstellung dieses Aufklärungsversuchs seitens der Landesregierung. Die Landesregierung versuchte immerzu den Eindruck zu erwecken, im Rahmen der Amtshilfe alles getan zu haben, um die Sachverhaltsaufklärung zu befördern. Warum hat sie dann am 15.06.2000 die Sichtung der 15 Leitzordner auf relevantes Material verhindert? Minister Gnauck hat nunmehr in der Sondersitzung den Abbruch des Besuchs der BKABeamten in der Staatskanzlei damit begründet, dass er behauptete, dass diese nicht in der Lage gewesen seien, das Anliegen, weshalb sie die Staatskanzlei aufgesucht hatten, zu konkretisieren. Diese Erklärung des Ministers kann zunächst vor dem Hintergrund, das ist allerdings auf das Wirtschaftsministerium bezogen, dass es einen Durchsuchungsbeschluss gab, der bezeichnete, wonach und aus welchen Gründen durchsucht werden müsse, nicht überzeugen. Sie ist zudem auch deshalb unverständlich, weil nach unserer Information der Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Herr Richwien, vor dem Besuch der BKABeamten mit der Staatskanzlei fernmündliche Gespräche führte und zu einem späteren Zeitpunkt im Verlauf des Besuchs der BKA-Beamten in der Staatskanzlei ein Kontakt zwischen dem Stellvertreter von Minister Gnauck, Herrn Herbig, und dem Vorsitzenden Richter im Landgericht, Krämer, bestand. Im Übrigen scheint es auch wenig einleuchtend zu sein, dass der Stellvertreter des Leiters der Staatskanzlei nicht in der Lage war, das kon

krete Anliegen für den Besuch der Beamten zu erkennen. Der Eindruck, den Herr Minister Gnauck zu erwecken versucht, dass von Seiten der Staatskanzlei im Wege der Amtshilfe alles getan worden sei, dass dem Gericht sämtliche Pilz- bzw. CDA-relevante Unterlagen zur Verfügung gestellt wurden, ist daher in diesem Punkt widerlegt. Nach wie vor ist die Frage unbeantwortet geblieben, weshalb eine Durchsicht der 15 Aktenordner durch die Staatsanwaltschaft und die BKA-Bediensteten unterbunden wurde. Der Hinweis auf zu schützende Kabinettsunterlagen und Schutzinteressen unbeteiligter Dritter, wie auch eben noch mal im Sofortbericht der Landesregierung unterbreitet, beantwortet die Frage nicht, weil das Ministerium jederzeit die Möglichkeit hatte, die weitere Verwendung der Unterlagen durch Sperrerklärungen zu unterbinden, wie ja der Minister selber zum Ausdruck gebracht hat.

Verehrte Damen und Herren Abgeordnete, mit Schreiben vom 22.06. bat der Vorsitzende der Kammer Herrn Minister Gnauck um die Zurverfügungstellung von Unterlagen aus der Staatskanzlei, die das Strafverfahren vor dem Landgericht Mühlhausen betreffen. Daraufhin hat Minister Gnauck mit Schreiben vom 21.07. eine Sperrerklärung bezüglich sämtlicher Kabinettsunterlagen abgegeben. Dies wurde formell damit begründet, dass öffentliche Belange in Gestalt des von der Rechtsprechung anerkannten Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung beeinträchtigt werden. Nachdem das Gericht hiergegen mit Schreiben vom 9. August eine Gegendarstellung abgab, stellte Minister Gnauck schließlich mit Schreiben vom 12. September die Kabinettsunterlagen dem Gericht zur Verfügung.

(Zwischenruf Abg. Gerstenberger, PDS: Gründliche Arbeitsweise!)

Minister Gnauck hat dies als ein großzügiges Entgegenkommen dem Gericht gegenüber dargestellt. Er sei auch nach wie vor der Überzeugung, dass diese Unterlagen nicht herausgegeben werden müssten, weil sie dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung zuzurechnen seien. Er beruft sich in diesem Zusammenhang auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei Untersuchungsausschüssen. Abgesehen davon, dass es nicht gerade für das Pflichtbewusstsein eines Ministers spricht, wenn er Akten herausgibt, obwohl er der Überzeugung ist, dass das Bekanntwerden des Inhalts dieser Akten dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde, ist es nicht die grenzenlose Güte des Ministers, die ihn dazu veranlasste, die Kabinettsunterlagen schließlich doch noch herauszugeben, sondern vielmehr die Überzeugung, so glaube ich, dass die Sperrerklärung wohl kaum eine Chance hätte, der Überprüfung eines Verwaltungsgerichts Stand zu halten, wenn der von ihr betroffene Prozessbeteiligte, hier ist es der Angeklagte in dem Verfahren vor dem Landgericht Mühlhausen, die Sperrerklärung anfechten würde. Die Pilz bzw. CDA betreffenden Kabinettsunterlagen bezogen sich allesamt auf bereits abgeschlossene und lang zurückliegende Vorgänge, bei denen eine

Beeinträchtigung des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung mit der Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nach unserer Auffassung grundsätzlich ausscheidet. Auch in diesem Punkt zeigt es sich somit, dass die Behauptung Minister Gnaucks, überobligationsmäßig alles getan zu haben, um zur Sachverhaltsaufklärung in dem vor dem Landgericht Mühlhausen anhängigen Strafverfahren beizutragen, unrichtig ist. Richtig ist vielmehr, dass Minister Gnauck bei Verletzung der Herausgabepflicht nach § 95 Strafprozessordnung das gerichtliche Verfahren behindert hat - ob bewusst oder unbewusst, wäre noch zu klären. Minister Gnauck hat sich bekanntlich dem Verfahren des Gerichts vom 15. September 2000, mit dem die komplette Herausgabe der 15 LeitzOrdner verlangt wird, widersetzt und stattdessen dem Richter angeboten, durch Akteneinsicht in der Staatskanzlei sich davon zu überzeugen, dass sämtliche Pilz bzw. CDA betreffende Unterlagen bereits herausgegeben worden seien. Dies ist insofern höchst erstaunlich, als dem Richter und den Staatsanwälten die Einsichtnahme in Unterlagen gewährt werden soll, die möglicherweise Tatsachen beinhalten, die für das spätere Urteil des Gerichts von Bedeutung sind, ohne dass die Verteidigung ihrerseits die Möglichkeit erhält, in die Akten Einsicht zu nehmen. Es scheinen die Grundsätze eines fairen Verfahrens offenbar nicht bekannt oder bewusst ignoriert zu sein. Das Verhalten des Ministers ist aber auch unter dem Aspekt der Verhältnisse von Exekutive und Judikative bemerkenswert. Minister Gnauck scheint ganz bewusst darauf aus zu sein, den Konflikt mit der Judikative zu provozieren. Wenn dies nicht so wäre, hätte er die Akten herausgegeben und seine abweichende Rechtsauffassung durch Einlegung der Beschwerde gegen den Beschluss der Kammer geltend gemacht; stattdessen schien er jedoch den Konflikt mit der dritten Gewalt zu wollen.

Verehrte Damen und Herren, als Alterspräsident führten Sie, Herr Ministerpräsident, hier im hohen Haus aus: Die Stärke einer Regierung hängt nicht allein von ihrer Mehrheit ab, sondern von der Durchschlagskraft ihrer Argumente. Gemessen am Agieren ihrer Landesregierung im Fall "Pilz" scheint Ihre Regierung, mit diesem Maßstab gemessen, eher schwach zu sein, meint die Oppositionsfraktion.

(Zwischenruf Dr. Vogel, Ministerpräsident: Nein!)

(Beifall bei der PDS)

Wir erleben eine Regierung, die als Anzeiger gegen Pilz eher von einer Art Aussageverweigerungsrecht Gebrauch zu machen scheint, als vielmehr mit allen Beweismaterialien und einer stichhaltigen Beweisführung zur Beschleunigung des Pilz-Prozesses und damit zur dringend notwendigen Aufklärung beizutragen.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Der Vollständigkeit halber möchte ich hier einfügen, dass wir als Mitglieder der Opposition in den Untersuchungsausschüssen im Thüringer Landtag bisher ein ähnliches Verhalten der Landesregierung registrieren müssen. Notwendiges Beweismaterial, Beweiserhebung und bereitwillige Aufklärung lassen auch hier zu wünschen übrig. Hier könnte ich es sogar noch verstehen, da es ja die Opposition war, die an der Einrichtung dieser Untersuchungsausschüsse gegen den Willen der Landesregierung sicherlich und sicherlich auch gegen den Willen der Mehrheit im Landtag interessiert war. Im Fall "Pilz" ist das zusätzlich noch etwas anderes. Ist es nicht das Land, das vitale Interessen am Strafprozess in Mühlhausen hat? Will nicht das Land völlige Aufklärung, Gerechtigkeit und auch daraus resultierend das vermutete durch Pilz zu Unrecht vereinnahmte Geld zurück? Betrachtet man das konkrete Verhalten Ihrer Regierung, Herr Ministerpräsident, in diesem Fall, so muss man eher zu anderen Schlussfolgerungen kommen. Einen Erklärungsversuch könnte man dahin gehend finden, dass die Landesregierung inzwischen erkannt zu haben scheint, dass das Verfahren gegen Pilz nur der Seismograph für ein Erdbeben ist, das im Zusammenhang mit der EU-Fördermittelrückforderung bevorsteht, wie es mein Kollege Ramelow treffend formulierte. Ein ganzes Wirtschaftsgeflecht mit der Thüringer Industriebeteiligungsgesellschaft, der Thüringer Aufbaubank und auch der LEG sowie die Thüringer Wirtschaftsförderung und Finanzpolitik gilt es aufzuhellen. Vielleicht können dazu die 15 Ordner und das weitere beschlagnahmte Aktenmaterial in den Umzugskartons beitragen. Die Art und Weise, wie die Landesregierung auf Ermittlungen seitens der Justiz reagiert, nährt natürlich solche Überlegungen und Schlussfolgerungen. Dazu zählt auch das Ab- und Ausblocken der parlamentarischen Opposition überall dort, wo es möglich wäre und ist, Kontrollrechte wahrzunehmen. Uns geht es bekanntlich nicht um Posten in Aufsichtsräten und anderen Gremien; uns geht es um die aktive Einbeziehung der parlamentarischen Opposition in Kontrollaufgaben, damit sie ihrer parlamentarischen Rolle auch gerecht werden kann. Es sei mir gestattet, in diesem Zusammenhang erneut auf die Drucksache 3/50, die Unterrichtung der Präsidentin des Landtags, hinzuweisen über die Beschlüsse der Konferenz der Präsidentinnen und Präsidenten der deutschen Landesparlamente. Vielleicht sollten Abgeordnete der Mehrheitsfraktion da auch noch mal nachlesen.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Um im vorliegenden Fall "Pilz" aufzuklären, ob auf Seiten des Landes Thüringen bekannt war, dass das geplante Investitionsvolumen überhöht war, was für die strafrechtliche Würdigung des Verhaltens des Angeklagten erheblich ist, erging bekanntlich am 23. Mai ein Beschluss der Kammer des Landgerichts Mühlhausen zur Durchsuchung des Thüringer Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Infrastruktur. Zweck der Durchsuchung war, die komplette Förderakte betreffend den Tatzeitraum 1990 bis 1994 einschließlich sämtlicher interner Vermerke und Kabinetts

vorlagen im Wirtschaftsministerium aufzufinden. Im März war das Ministerium ergebnislos von der Kammer aufgefordert worden, die bezeichneten Unterlagen herauszugeben. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass das Ministerium der Kammer mitgeteilt hat, dass keine der angeforderten Unterlagen im Ministerium mehr vorhanden seien. Entscheidend ist, dass die Strafkammer der Überzeugung war, dass Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass sich die angeforderten Akten noch im Wirtschaftsministerium befinden und dass die Landesregierung offenbar keine Beschwerde gegen den mit Schreiben vom 27. April mitgeteilten Beschluss der Kammer, die Akten vorzulegen, eingelegt hat. Die Kammer übergab den Durchsuchungsbeschluss vom 23. Mai zur Vollstreckung der Staatsanwaltschaft, wobei sie darum bat, dass bei Ausübung der Berichtspflicht gegenüber dem Generalstaatsanwalt und dem Justizminister darauf hinzuweisen sei, dass das Wirtschaftsministerium nicht von der bevorstehenden Durchsuchung informiert wird. Die Kammer war nämlich der Überzeugung, dass bei einer Information des Wirtschaftsministeriums der Durchsuchungserfolg gefährdet sei. Die Staatsanwaltschaft hat daraufhin im Rahmen ihres Berichts das Justizministerium von diesem Wunsch des Gerichts in Kenntnis gesetzt. Minister Dr. Birkmann hat dies nicht in Abrede gestellt. Er bestreitet vehement, selbst über diesen Wunsch des Gerichts informiert gewesen zu sein. Ich habe mir ja auch notiert, entweder sagt er, er ist nicht informiert worden oder er kann sich nicht mehr erinnern. Von dem zuständigen amtierenden Abteilungsleiter, so wird gesagt, sei er am Abend des 14. Juni, also am Vorabend der beabsichtigten Durchsuchung, lediglich über die anstehende Durchsuchung informiert worden, worauf er - der Minister - stehenden Fußes die beabsichtigte Durchsuchung dem Minister Schuster, das hörten wir ja alles, und dem Staatssekretär Richwien telefonisch mitgeteilt und den Minister bzw. den Staatssekretär zur Herausgabe der Akten aufgefordert hat.

Zur Begründung, weshalb er sich umgehend mit dem Wirtschaftsministerium in Verbindung setzte, will uns Minister Dr. Birkmann glauben machen, dass es ihm allein darauf ankam, was wir ja vorhin hörten, das Verfahren vor dem Landgericht Mühlhausen zu befördern, indem er das Wirtschaftsministerium zur freiwilligen Herausgabe der Akten veranlasste. Insgesamt wird versucht, den Eindruck zu erwecken, als sei der Anruf beim Wirtschaftsministerium ein alltäglicher, routinemäßiger Vorgang gewesen. Dieser Eindruck angeblicher Normalität kann aber schon allein deswegen nicht überzeugen, da es einem Ministerium eigentlich bekannt sein dürfte, dass Akten, die als Beweismittel für Untersuchungen von Bedeutung sein können, auf Aufforderung des Gerichts herauszugeben sind, sofern nicht von der Möglichkeit einer Sperrerklärung Gebrauch gemacht wird. Das bei einem Ministerium zu vermutende gesetzestreue Verhalten legt folglich die Annahme nahe, dass angeforderte Akten freiwillig herausgegeben werden. Die Anordnung einer Durchsuchung wird daher regelmäßig auf Ausnahmefälle zu beschränken sein - etwa

dann, wenn ein massives Interesse an der Zurückhaltung möglicher Beweismittel von Seiten des Ministeriums oder einer Behörde besteht, weil der Akteninhalt einzelne Bedienstete oder politisch Verantwortliche in führenden Positionen belasten könnte. In diesen Fällen wird dann regelmäßig die Frage zu stellen sein, ob nicht eine vorherige Bekanntgabe der Durchsuchung den Untersuchungserfolg gefährdet. Vor diesem Hintergrund ist es schon sehr erstaunlich, dass Herr Minister Dr. Birkmann ohne nähere Prüfung das Wirtschaftsministerium von der bevorstehenden Durchsuchung unterrichtet, ohne zumindest den Bericht der Staatsanwaltschaft vorher gelesen zu haben, aus dem sich der Wunsch des Gerichts, keine Mitteilung an das Wirtschaftsministerium zu machen, hätte ergeben müssen. Unterstellt man hingegen die Richtigkeit der Behauptung, dass es sich bei der sofortigen Mitteilung an das Wirtschaftsministerium um die übliche Praxis handelte, so bleibt zumindest die Frage offen, weshalb Dr. Birkmann außer Stande ist, Angaben darüber zu machen, wie es geschehen konnte, dass ein so wesentlicher Umstand wie der Wunsch des Gerichts, dem Ministerium keine Mitteilung zu machen, ihm nicht zur Kenntnis gegeben worden ist. Es ist einfach nicht nachvollziehbar, dass die Feststellung, bei wem die Verantwortung für die unterbliebene Mitteilung liegt, Schwierigkeiten bereitet. Auch in diesem Punkt sehen wir in Übereinstimmung mit der SPD-Fraktion auch nach dem Sofortbericht weiter dringenden Aufklärungsbedarf. Es ist schon für mich unglaubwürdig, wenn Minister Dr. Birkmann in der Sondersitzung des Justizausschusses vehement bestreitet, den Wunsch nicht gekannt zu haben, das Wirtschaftsministerium nicht zu informieren. Diese meine Zweifel verstärken sich noch mit den Aussagen in der "Thüringer Allgemeinen" von heute, in denen der Minister andeutet, vielleicht doch informiert gewesen zu sein. So hat es sich ja auch eventuell hier angehört. Hier gibt es zur Aufklärung nur die Möglichkeit, ein formelles Ermittlungsverfahren gegen den Justizminister, bei dem auch der amtierende Abteilungsleiter Dr. Appl dienstrechtlich einvernommen werden muss, ob er den Wunsch des Gerichtes über den Dienstweg kannte, ob er den Minister auch über diesen Umstand informiert hat oder was ihn bewogen haben könnte, den Minister über diesen wichtigen Punkt nicht zu informieren. Gravierende Widersprüche bleiben also, meine Damen und Herren, es gibt Handlungsbedarf zur Aufklärung. Ich darf verweisen auf das heutige "Freie Wort", in einem Artikel wird dort ausgeführt und ich darf zitieren: "Dieser Darstellung, heißt es in Erfurter Justizkreisen", wie sie von Herrn Dr. Birkmann gemacht werden, "widerspricht sein einziger Zeuge. Abteilungsleiter Eckehard Appl aus dem Justizministerium soll intern bestätigt haben, dass er den Minister sehr wohl informiert hatte." Also widersprüchliche Aussagen, die sich um dieses Problem ranken.

Angesichts dieses Verhaltens fällt es schwer, die Wahrung der Unabhängigkeit der Thüringer Justiz durch die Landesregierung nachzuvollziehen. Durch wen und warum wurde eigentlich der Präsident des Oberlandesgerichts Herr Bauer in die Einflussnahmeversuche einge

bunden? Nach der Presseerklärung von Dr. Bauer vom 25.09. handelt es sich um insgesamt zwei Telefonate. Der erste Anruf, Minister Dr. Birkmann, erreichte ihn am Vormittag des 1. Juni, als sich der Staatsanwalt, die acht BKABeamten und die beiden Richter des Landgerichts Mühlhausen gerade im Wirtschaftsministerium befanden, der zweite Anruf später während des Besuchs der BKA-Beamten in der Staatskanzlei. Bezüglich des Inhalts des Gesprächs liegen widersprüchliche Äußerungen des Ministers und des Oberlandesgerichtspräsidenten vor. Minister Birkmann will, wie wir ja hier hörten, den Oberlandesgerichtspräsidenten lediglich darüber informiert haben, dass die Staatsanwaltschaft etwas unternehme. Ich finde, im Widerspruch hierzu heißt es hingegen in der Presseerklärung des Oberlandesgerichtspräsidenten wörtlich und ich darf zitieren: "Minister Dr. Birkmann bat mich darum festzustellen, wie die Sache sich verhält." Daraufhin habe er, Dr. Bauer, sich mit dem Strafkammervorsitzenden in Verbindung gesetzt. Minister Dr. Birkmann hat in der Sondersitzung des Justizausschusses und auch, wie ich meine, heute diesen Widerspruch zwischen seinen Ausführungen und den Ausführungen des Oberlandesgerichtspräsidenten nicht aufklären können. Er hat allein davon gesprochen, dass es seine Pflicht als Minister gewesen sei, den Oberlandesgerichtspräsidenten zu informieren. Dies kann aber aus dem Grund nicht überzeugen, weil in keiner Weise eine Zuständigkeit des Oberlandesgerichtspräsidenten bestand. Für einen möglichen Vollzug der Durchsuchung war allein die Staatsanwaltschaft zuständig, der der Durchsuchungsbeschluss übergeben worden war. Schließlich gab auch die Anwesenheit von zwei Richtern am Landgericht im Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Infrastruktur keinen Anlass für eine dienstaufsichtliche Prüfung, was die Einschaltung des Oberlandesgerichtspräsidenten gerechtfertigt hätte. Minister Dr. Birkmann bleibt somit in diesem Punkt nach wie vor dem Parlament und der Öffentlichkeit eine plausible Antwort schuldig, wie ich meine.

Rückblickend bestätigte der Präsident des Verfassungsgerichts und des Oberlandesgerichts Herr Bauer in der "Thüringer Allgemeinen" vom 10.10., dass sein Handeln in diesem Zusammenhang den Anschein der politischen Einflussnahme erwecke. Dafür, so führte er im oben genannten Interview aus, will er seine Unschuld verloren haben, was das auch bedeute. Es bleiben aber die Fragen: Warum hat sich der Oberlandesgerichtspräsident in diesem Fall involvieren lassen? Warum wurde der neu gewählte Präsident des Verfassungsgerichts hier überhaupt hineingezogen? Und es bleibt die prinzipielle Divergenz: Bat der Minister Herrn Bauer oder nicht oder will der Minister andeuten, dass es Herr Bauer mit der Wahrheit doch nicht ganz so genau nähme? Daraus, so meine ich, erwächst der wirkliche Schaden, der dem Ansehen des Rechtsstaats zugefügt worden ist. Ist das dem Fall "Pilz" im Besonderen und der Situation in Thüringen allgemein zuzuschreiben oder offenbart sich hier nicht eine Handlungsmaxime, die man letztlich auch im Agieren der Landesregierung wahrnehmen kann? Ich glaube schon, der eingetretene

Schaden für Glaubwürdigkeit, Vertrauen und Demokratie ist greifbar. Sie haben es in Ihrer Hand, durch Ihre Arbeit, durch Glaubwürdigkeit und durch die Stetigkeit Ihres Handelns zum Vertrauen in die Politik zu werben. Was vorher gesagt wurde, darf sich nicht von dem unterscheiden, was nachher getan wird. "Die politisch Verantwortlichen müssen stets persönlich glaubwürdig sein", Herr Ministerpräsident, das sind Ihre Worte vor fast genau einem Jahr hier im Thüringer Landtag. Diese Worte scheinen aber gegenwärtig mehr Wunsch als Realität zu sein.

(Beifall bei der PDS)

Was wir brauchen, glaube ich, ist ein Politikstil, der das umsetzt, was Sie selbst als Ministerpräsident am 16. März 2000 hier im Landtag betonten: "Die Regierung legt Wert auf breite Diskussion, der Koalitionsausschuss ist tot, es lebe die Landtagsdebatte." Zur Art und Weise, wie diese Landtagsdebatte zu führen wäre - und vielleicht könnte sich das Herr Schwäblein auch einmal merken -, führten Sie, Herr Ministerpräsident, vor einem Jahr aus - ich darf zitieren, Frau Präsidentin: "Die parlamentarische Demokratie lebt vom Wechselspiel zwischen Regierung und Opposition, von Wettbewerb, vom Ringen um die richtige Lösung. Sie lebt von der Auseinandersetzung. Dabei bedeutet Auseinandersetzung nicht Wahlkampf in Permanenz, sondern eine an der Sache orientierte Auseinandersetzung." Es ist sicherlich kein Geheimnis, dass die Opposition in dieser Auseinandersetzung gewisse Nachteile hat. Das wollen wir nicht jammernd beklagen. Beklagen und kritisch benennen wollen und werden wir aber die bewusste Ausgrenzung der Opposition durch die Parlamentsmehrheit, das Erschweren von Oppositionsarbeit durch die Mehrheit, wie z.B. in den Untersuchungsausschüssen. Die Vorbehalte gegen jedwede Vorstöße und Anliegen der Opposition

(Beifall Abg. Dr. Dewes, SPD)

im Sinne der Untersuchungsgegenstände sind mit dem Verhalten der Landesregierung gegenüber den juristischen Aufklärungsversuchen im Fall "Pilz" vergleichbar und deshalb nicht verwunderlich. Sie sollten diesen Arbeitsstil überdenken und zum Nutzen der Demokratie ändern. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, vor Aufruf des nächsten Redners muss ich doch noch zu einer Ordnungsmaßnahme greifen. Es war vorhin nicht ganz eindeutig zu verstehen, hat sich aber auf Nachfrage bestätigt, dass der Abgeordnete Pohl den Abgeordneten Schwäblein als "arroganten Hundekopf" bezeichnet hat.

(Heiterkeit im Hause)

Das ist eine persönliche Beleidigung, die wir in diesem Haus nicht dulden; einen Ordnungsruf für den Abgeordneten Pohl.