Protocol of the Session on September 15, 2000

Dann müssen wir die Protokolle noch mal nachsehen, ich habe nachgesehen in einem Protokoll aus der 2. Wahlperiode. Als familienpolitische Sprecherin fand die Aufnahme des Wortes "Familie", Herr Pietzsch, natürlich meine Zustimmung. Leider muss ich nach einem Jahr feststellen, dass die Aufnahme des Wortes "Familie" in den Namen des Ministeriums kaum oder keine Verbesserungen für die Familien gebracht hat. Herr Pietzsch hat es am Anfang seiner Rede ja selbst gesagt und ich darf ihn zitieren: "Für uns alle ergibt sich daraus, gerade für die Politik, die Konsequenz, die Voraussetzungen für eine familien- und kinderfreundliche Gesellschaft zu schaffen." Er meint also, die Voraussetzungen für eine familien- und kinderfreundliche Gesellschaft fehlen in Thüringen immer noch. Was soll ich dazu sagen? Ich will ihm nicht unbedingt am heutigen Tag widersprechen, ich sehe es allerdings etwas differenzierter.

Einer der wesentlichsten Gesichtspunkte zur Entwicklung einer Familie ist für mich die Tatsache Arbeit zu haben. Doch in der gesamten Regierungserklärung hörte ich dazu nur wenig, nur in Bezug auf den Geburtenrückgang seit 1990. "In Ost und West ist die Arbeitslosigkeit die häufigste Ursache für den Gang zum Sozialamt", schätzen die renommierten Sozialwissenschaftler Wilhelm Adami und Johannes Steffen ein. Für Ostdeutschland formulierte der Erfurter Soziologe Ronald Lutz in einem Bericht für die Nationale Armutskonferenz, dass die Hauptursache für den Sozialhilfebezug als einem Indikator für zunehmende Verarmungsprozesse die Massenarbeitslosigkeit ist. Was bedeutet die Familie also in einer Zeit, in der sich die Arbeitswelt verändert, in der für immer weniger Menschen Arbeit vorhanden ist? Was bedeutet Familie in einer Gesellschaft, die weithin eine erwerbszentrierte Gesellschaft ist, oder welche Folgen hat es für jene Familien, die eben an diesem System nicht teilnehmen können?

Der Ministerpräsident hat 1999 in seiner Regierungserklärung zum Amtsantritt gesagt, dass die Regierung die Vereinbarkeit von Familie und Beruf fördern will. Dem können wir nur zustimmen. Stellt sich aber erst einmal die Frage: Können denn alle, die erwerbstätig sein wollen, in Thüringen am Erwerbsleben teilnehmen? Das für die Existenzsicherung von Familien wichtige Einkommen wie auch die soziale Sicherung werden im Wesentlichen über die Teilhabe am Arbeitsmarkt vermittelt. Mit der Pluralisierung von Lebens- und Familienformen, aber auch dem in den alten Bundesländern wachsenden und in den neuen Bundesländern anhaltend hohen Erwerbsinteresse der Frauen ist das Leitbild der alten Bundesrepublik längst brüchig geworden. Doch in der Regierungserklärung habe ich auch dazu nichts vernommen.

Auf dem Katholikentag 1998 meinte Wolfgang Schäuble und ich zitiere ihn: "Wir haben die falschen Wertvorstellungen." Wohlstand und Zeitsouveränität könne er nicht akzeptieren als Leitbilder für die Familie. Wenn von einem hohen Stellenwert von Kindern in der Familie gesprochen wird, muss ich entgegenhalten, die strukturelle Rücksichtslosigkeit, die völlig gegensätzlichen Strukturprinzipien von Arbeitswelt und Familie werden eben nicht abgebaut.

(Beifall bei der PDS)

Kinder sind das Armutsrisiko Nummer eins, Kinder sind schlicht ein Kostenfaktor, Kinder sind Luxus. Es ist ein Skandal, wenn in den alten Bundesländern jedes achte Kind und in den neuen sogar jedes fünfte Kind in Armut lebt, wie der zehnte Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung mitteilt. Die Lebenslagenunterschiede zwischen Personen mit und Personen ohne Unterhaltspflichten sind erheblich. Es ist auch aus meiner Sicht ein Skandal, dass wir einen überdurchschnittlichen Wohlstand kinderloser Paare haben und gleichzeitig für Familien ein doppelt so hohes Risiko, wirtschaftlich schwierige Situationen ertragen zu müssen, verzeichnen müssen. Es ist ein Skandal, wenn die Nationale Armutskonferenz in ihrer sozialpolitischen Bilanz 1997 feststellt, etwa 1 Million Kinder in Deutschland leben mit ihren Eltern von der Sozialhilfe. Leider leben aber auch - und das wurde dort festgestellt - viele Familien trotz eines Erwerbseinkommens an oder unterhalb der Armutsschwelle. Die Schwächen des staatlichen Familienlastenausgleichs treten also immer noch deutlich zu Tage.

Entgegen den offiziellen Verlautbarungen muss festgestellt werden, dass der seit 1996 geltende Familienleistungsausgleich keine Sozialleistung ist, sondern der Versuch, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts umzusetzen, sonst wären wir noch nicht mal bei diesem Familienleistungsausgleich, im Grunde aber eine völlige Selbstverständlichkeit. Ehepaarfamilien dürfen gegenüber unverheirateten Eltern nicht benachteiligt werden und Familien dürfen im Vergleich zu Kinderlosen nicht benachteiligt werden. Eine Gemeinschaft, meine Damen und Herren, in der immer häufiger nicht die Gesetzgebung, sondern das oberste Bundesgericht Rahmenbedingungen setzt, muss sich die Frage nach dem Demokratieverständnis durchaus gefallen lassen.

Seit 1986 gibt es Erziehungsurlaub in der Bundesrepublik. Er ist bis heute - abgesehen vom Anspruch auf Freistellung zur Betreuung erkrankter Kinder im Bereich der Privatwirtschaft - die einzige gesetzliche Bestimmung zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Über 90 Prozent der anspruchsberechtigten Mütter nehmen Erziehungsurlaub zeitweise oder für die volle Dauer von drei Jahren. Der Anteil der Väter, meine Damen und Herren, war allerdings nie höher als 2 Prozent. Dabei wünschen sich mehr als 30 Prozent der Männer, für ihr Kind zu Hause bleiben zu können. Aber es ist doch in dieser Gesellschaft eine Frage des Geldes und der Einkommensrelation, ob Mann oder Frau zu Hause bleibt, denn Frauen verdienen nach

wie vor oft weniger als Männer. Nicht zuletzt natürlich entscheidet auch die Angst vor dem Karriereknick, dass wenige Väter den Arbeitsplatz gegen den Wickeltisch tauschen. Mit der Reform des Bundeserziehungsgelds soll den geänderten Lebensformen der Familie Rechnung getragen werden. Herr Minister Pietzsch hat in der Regierungserklärung zu dem Gesetzentwurf, der nächstes Jahr gelten soll, schon gesprochen. Künftig können also Mütter und Väter gemeinsam Urlaub nehmen. Ich denke, das ist ein positives Signal. Doch die Höhe des Bundeserziehungsgeldes, auch des Landeserziehungsgeldes von 600 DM pro Monat ist natürlich bei einer Familie vielleicht auch mit mehreren Kindern nur ein Taschengeld, wenn man die Ausgaben für Kinder dagegen hält. Das durchschnittliche monatliche Existenzminimum für ein Kind laut Bundesverfassungsgericht beträgt rund 744 DM.

Wir könnten uns als PDS vorstellen, das - natürlich eine bundesrechtliche Lösung - Bundeserziehungsgeldgesetz zu ersetzen durch eine erweiterte Regelung. So könnte für ein Jahr eine sorgeberechtigte Person eine Freistellung mit 90-prozentiger Lohnersatzleistung nutzen. Dies sollte nicht übertragbar sein auf andere Personen. Eine Anhörung zu dieser Vorstellung ergab, dass Einzelpersonen und Vereine und Verbände dies als großen Anreiz für die Nutzung des Erziehungsurlaubs für Väter sehen und es begrüßen würden. Selbst ein halbes Jahr oder drei Monate solch einer Lösung, wurde dort gesagt, würden Männer als eine Chance begreifen. Herr Pietzsch hat sehr ausführlich zum Landeserziehungsgeld gesprochen, auch, dass im Zuge der umfassenden Sparmaßnahmen die Landesregierung plant, die Anspruchsberechtigung zu ändern, indem Eltern, die ihr Bundeserziehungsgeld nur ein Jahr in Anspruch nehmen, nicht mehr in den Genuss des Landeserziehungsgeldes in Thüringen kommen sollen. Ich nenne das nicht familienfreundlich, denn die oder der Berechtigte nimmt mit der Budgetierung auf jeden Fall schon einmal finanzielle Verluste in Kauf, denn schließlich, Sie haben das auch selbst erläutert, wird bei Verzicht auf die Hälfte nicht das Doppelte gezahlt. Und wenn Sie in einer - ich empfand es zumindest so - vorwurfsvollen Art der Bundesregierung vorwerfen, sie würde mit dem Anreiz, den Bezug des Bundeserziehungsgeldes nur ein Jahr in Anspruch nehmen zu wollen, ermöglichen, dass die Bundesregierung spart, dann kann ich Ihnen den Vorwurf nicht ersparen, Sie wollen gleich mitsparen, indem Sie nämlich dann sagen, wir zahlen das Landeserziehungsgeld für diese berechtigten Personen nicht aus. Oft, meine Damen und Herren, haben aber doch die Anspruchsberechtigten gar keine andere Chance, wenn sie ihre Familien gut und ihre Kinder etwas über dem Existenzminimum versorgen wollen.

Gewiss, das übersehen wir nicht, hat Thüringen einiges bei der Entwicklung z.B. von Beratungsstellen getan. Ihre Aufzählung können Sie alle im Familienratgeber des Ministeriums nachlesen. Erhöht hat sich in Thüringen in den letzten Jahren der Beratungsbedarf in großem Maße, aber ich denke, das muss sich im Haushaltsplan der nächsten zwei Jahre auch widerspiegeln.

(Beifall bei der PDS)

Wir übersehen nicht, dass nicht in jedem Bundesland ein Rechtsanspruch auf Tagesbetreuung für Kinder besteht wie in Thüringen. Will man, meine Damen und Herren, aber die Reform des Bundeserziehungsgeldes umsetzen, dürfte der Rechtsanspruch auf einen Kindertagesstättenplatz eben nicht erst ab zweieinhalb Lebensjahre beginnen. Die Verfassung des Freistaats Thüringen geht mit ihrem zweiten Abschnitt - Ehe und Familie - auch, das sehen wir auch, weit über den Artikel 6 des Grundgesetzes hinaus. Das ist anerkennenswert. Ich muss hier leider die Frage stellen: Wie sieht es denn im praktischen Leben, im Alltag aus? Auf die Differenzen Vereinbarkeit von Familie und Beruf habe ich bereits hingewiesen, ebenso auf die Ungleichstellung von Familien mit Kindern oder die, die keine Kinder haben. Die tatsächlich positiv zu bewertenden Thüringer Errungenschaften werden eigentlich sukzessive unterlaufen und zunehmend wird das Familieneinkommen belastet wie z.B. die Beteiligung an den Personalkosten für Horterzieher an den Grundschulen. Im Übrigen, Herr Minister, haben Sie in Ihrer Regierungserklärung davon gesprochen, dass es ein Grundanliegen der Landesregierung bleibt, einen bezahlbaren Kindergartenplatz zu haben. Von einem bezahlbaren Hortplatz, noch dazu an der Grundschule, hat sich die Regierung wohl schon verabschiedet? Die Frage muss ich hier an der Stelle stellen. Keine Übernahme der Schülertransporte ab Klasse 11 und für Berufsschüler, das schlägt sich auch im Familienbudget nieder. In Thüringen, meine Damen und Herren, gibt es - Sie wissen es die Lernmittelfreiheit. Die bezieht sich jedoch nur auf Schulbücher; Eltern müssen jedoch für Arbeitshefte, Arbeitsblätter, Kopien und jegliche Arbeitsmaterialien finanziell aufkommen.

(Zwischenruf Abg. Arenhövel, CDU)

Im Zuge der Haushaltsberatungen in diesem Jahr, meine Damen und Herren, fordern wir deshalb die Landesregierung auf, den Begriff...

Sie, Frau Arenhövel, haben vielleicht keine Kinder mehr im schulpflichtigen Alter.

(Zwischenruf Abg. Arenhövel, CDU: Ich habe noch Kinder in der Schule!)

(Zwischenruf Abg. Dr. Zeh, CDU: Das war zu DDR-Zeiten auch so.)

Ja, aber unterhalten Sie sich einmal mit denen, die mehrere Kinder haben. Das schlägt sehr stark zu Buche. Deshalb fordern wir die Landesregierung im Zuge der Haushaltsberatungen auf, den Begriff "Lernmittelfreiheit" neu zu definieren, um die Belastungen für Familien zu reduzieren.

(Beifall bei der PDS)

Meine Damen und Herren, der Elternanteil an den Gesamtkosten für einen Kindertagesstättenplatz beträgt heute schon im Durchschnitt 20 Prozent. Die Kommunen sind hier mit über 50 Prozent beteiligt.

(Zwischenruf Dr. Sklenar, Minister für Land- wirtschaft, Naturschutz und Umwelt: Was, so wenig?)

Das war eine ganz schlechte Bemerkung, Herr Sklenar. Die durch die Landesregierung bereitgestellten Investitionszuschüsse sind ein Tropfen auf den heißen Stein, deswegen unterstützen wir Sie, Herr Pietzsch, wenn Sie ankündigen, an dieser Stelle die Mittel in den nächsten zwei Jahren im Haushalt zu erhöhen. Dafür aber, das haben Sie heute nicht gesagt, wird den Familien mit Kindern noch tiefer in die Tasche gegriffen, nicht nur für die Betriebskosten, sondern, wie der Geschäftsführer des Gemeinde- und Städtebundes, Herr Lenz, sagte, voraussichtlich auch für die Personalkosten der Erzieherinnen. Hier schiebt die Landesregierung eindeutig den schwarzen Peter den Kommunen und den freien Trägern zu, denn diese werden ihrerseits die Mehrbelastungen an die Familien weiterreichen. In dieser Woche hat eine Vertreterin eines freien Trägers eines Kindergartens hier in Erfurt gesagt, sie rechnet sogar mit der Verdopplung der Gebühren für Kindertagesstättenplätze. Ich hoffe, dass das nicht so weit kommt, aber selbst eine Erhöhung der Betriebskosten oder die Erhöhung der Beteiligung an Personalkosten werden wir mit dem Haushalt nicht hinnehmen.

Meine Damen und Herren, in der Regierungserklärung gab es einen längeren Abschnitt zur registrierten Partnerschaft für gleichgeschlechtliche Paare. Ich finde gut, dass Sie das nicht aussparen. Wir haben uns, wenn ich überlege, eigentlich im Landtag die letzten zehn Jahre damit nicht beschäftigt. Aber wenn Sie behaupten, die eingetragene Partnerschaft tastet die Rechte der Ehe an, dann muss ich dazu feststellen, dass dies schon mit den elementaren Gesetzen der Logik eigentlich unvereinbar ist. Keinem einzigen Heiratswilligen oder Verheirateten wird etwas vorenthalten oder genommen, worauf er bisher Anspruch hatte.

(Beifall bei der PDS)

(Zwischenruf Abg. Arenhövel, CDU: Doch.)

Mit der Öffnung der Ehe für Homosexuelle, Frau Arenhövel, würde lediglich der Kreis der Begünstigten erweitert; es würde niemandem etwas weggenommen. Die Behauptung, die Ehe und nur die Ehe sei auf Kinder ausgerichtet und müsse deshalb besonders gefördert werden, offenbart bei Ihnen, Herr Dr. Pietzsch, eine blühende Phantasie, hat aber mit der Realität reichlich wenig zu tun.

(Zwischenruf Dr. Pietzsch, Minister für Sozi- ales, Familie und Gesundheit: Bei Ihnen viel- leicht.)

Zum einen nimmt die Zahl kinderloser Ehen zu, zum anderen wachsen immer mehr Kinder bei Alleinerziehenden oder bei unverheirateten Eltern auf. Die Ehe ist nicht von sich aus, weil es eine Ehe ist, verlässlicher, verantwortlicher oder für Kinder förderlicher als andere Lebensformen.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Die hohen Scheidungszahlen und die Häufigkeit familiärer Gewalt in traditionellen Ehen belegen das. Wir kommen heute an anderer Stelle noch einmal dazu.

(Zwischenruf Abg. Arenhövel, CDU: Jetzt gibt es...)

Es ist ein Antrag von Ihnen, der heute noch beraten wird, Frau Arenhövel.

Nein, meine Damen und Herren, die Qualität von Beziehungen lässt sich nicht aus der Form des Zusammenlebens ableiten.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Auch die Behauptung, die eingetragene Partnerschaft stehe im Widerspruch zu Artikel 6 des Grundgesetzes, überzeugt in keiner Weise. Artikel 6 enthält keineswegs ein Verbot, die der Ehe zugeordneten Rechte auch anderen Lebensgemeinschaften zugänglich zu machen, sie erwähnt zurzeit nur die Ehe

(Zwischenruf Dr. Pietzsch, Minister für Sozi- ales, Familie und Gesundheit:... in besonde- rer Weise.)

ja, es ist doch kein Verbot, Herr Dr. Pietzsch. Das Verständnis zum einen von Ehe und zum anderen von Familie ist unstreitig abhängig von der gesellschaftlichen Entwicklung. Ich habe heute auch wieder die politische Betrachtung gespürt, ich denke, einige Haltungen, die hier vor mir dargelegt wurden, sind aus dem Mittelalter noch hergeholt.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Es ist heute leider nicht die Zeit, noch ausführlicher darüber zu diskutieren und Auffassungen auszutauschen. Unsere Fraktion wird dies aber an anderer Stelle im Parlament und in den Ausschüssen noch einmal auf die Tagesordnung setzen.

Meine Damen und Herren, eine Forderung der Fraktion der PDS ist es seit langem, dass die Regelungen zum Unterhaltsvorschussgesetz für Betroffene verbessert werden. Es ist nicht hinnehmbar, dass Kinder finanzielle Leistungen für maximal 72 Monate und höchstens bis zum 12. Lebensjahr erhalten. Für die Mütter und Väter, die auf diesen Unterhalt angewiesen sind, ist es nämlich nicht erklärbar, dass diese Begrenzung existiert. Gerade dann, wenn Kinder Geld kosten, also nach dem 12. Lebensjahr - und

das hat ja das Bundesverfassungsgericht auch errechnet, dass das mindestens 200 DM ab dem 12. Lebensjahr mehr sind - werden keine gesetzlichen Unterhaltsleistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz mehr bezahlt.

(Beifall bei der PDS)

Einer Antwort der Landesregierung auf die Drucksache 2/3837, Große Anfrage der CDU zur Situation der allein erziehenden Mütter und Väter und ihrer Kinder in Thüringen, ist zu entnehmen, dass im April 1998 im Freistaat 80.300 Alleinerziehende mit 108.000 Kindern unter 18 Jahren lebten. Davon erhielten 21 Prozent Leistungen nach dem UVG, aber eben nur bis zum 12. Lebensjahr und nicht länger als 72 Monate. Aus meiner Sicht und aus der Sicht meiner Fraktion wäre es eine hervorzuhebende familienpolitische sowie sozialpolitische Leistung, wenn die Thüringer Landesregierung initiativ werden würde und dieses Gesetz im Bundesrat einer wesentlichen Verbesserung zuführt.

(Beifall bei der PDS)

Ich möchte die Mitglieder des Petitionsausschusses nur einmal an die vielen Petitionen und an die wirklich sehr schwierige Situation auch für uns erinnern. Was dort geschildert wurde, sind oft ärmliche und eigentlich noch ärmere Bedingungen als ärmliche. Ich denke, mit einer Verbesserung kämen auch die 18.000 Haushalte von Alleinerziehenden, die mit einem durchschnittlichen Nettoeinkommen von unter 50 Prozent auskommen müssen - das sind, meine Damen und Herren, falls Sie es nicht wissen, 1.630 DM -, und die 100.000 Alleinerziehenden mit einem durchschnittlichen Nettoeinkommen von unter 40 Prozent das sind 1.304 DM - zu einer finanziellen Besserstellung. Ich denke, es ist in diesem Land ein Skandal, dass von den 21.500 kinderreichen Familien mit drei Kindern im April 1999 etwa 7.000 Familien mit weniger als 1.630 DM und immerhin 3.000 kinderreiche Familien mit weniger als 1.304 DM im Monat auskommen mussten. Übrigens habe ich die Zahlen aus der Statistik. Sie haben gestern noch 700 Familien in der Aktuellen Stunde draufgeschlagen. Das macht mich natürlich noch betroffener, wenn es noch mehr wären als die, die ich hier genannt habe.

(Beifall bei der PDS)

Welches Schicksal verbirgt sich wohl hinter diesen Familien? Welche Möglichkeiten der gesellschaftlichen Teilhabe erleben sie? Ich frage Sie auch, wenn wir in Thüringen mehr als 20.000 junge arbeitslose Menschen haben, die für den "altersbedingten Ersatzbedarf" nicht benötigt werden, wie das Landesarbeitsamt Sachsen-Anhalt-Thüringen in seiner Presseinformation 35/2000 schreibt, welche Perspektiven hat diese Generation dann noch? Sind die Förderungsmöglichkeiten nicht mangelhaft und bleiben Potenziale ungenutzt? Werden junge Menschen nicht vielfach um ihre Chance gebracht? Arbeit und Beruf haben einen herausragenden Stellenwert für die Persönlichkeitsentwicklung, das weiß eigentlich jeder. Beruf, Arbeit, Bildung und

Freizeit stehen für Sinngebung und gesellschaftliche Wertorientierung. Gerade im Zusammenhang mit der Entwicklung des Rechtsextremismus in diesem Land möchte ich noch einmal darauf verweisen. Aus unserer Sicht sind die Freizeitangebote für Kinder und Jugendliche nicht ausreichend, von nichtkommerziellen ganz zu schweigen. In diesem Zusammenhang möchte ich auch noch einmal auf die kostenfreie Nutzung der Sportstätten hinweisen. Sport vermittelt Erlebnisse. Wenn der Sport in einer Gemeinschaft betrieben wird, dann wird auch die Gemeinschaft erlebt und in diesem Sinne ist der Sport auch ein gutes Gegengewicht gegenüber der Tendenz zu überwiegender konsumtiver Haltung. Sport trägt nicht wenig zur Erhöhung des Selbstwertgefühls bei. Ich denke, deswegen muss die kostenfreie Nutzung der Sportstätten im Land bleiben und deshalb verstehe ich nicht, dass das zuständige Ministerium sich immer, das ist auch wirklich so, für die kostenfreie Nutzung ausspricht, aber die Städte Jena und Weimar immer noch Beiträge und Gebühren von den Vereinen verlangen können. Ich denke, damit werden Familien, deren Kinder in Vereinen in diesen Städten Sport treiben, finanziell stärker belastet als andere. Und deswegen bitte ich Sie noch einmal, Herr Pietzsch, diese Städte doch nochmals auf die Einhaltung des Sportfördergesetzes hinzuweisen. Ich weiß, dass das in Jena derzeit geprüft wird, aber wie lange will die Stadt denn noch prüfen - sie nimmt immer noch diese Mittel ein.

Meine Damen und Herren, unbestreitbar ist Familienpolitik eine Querschnittsaufgabe, die in alle Politikbereiche hineinragt. Überall werden Interessen von Familien berührt oder Lebensverhältnisse gestaltet, die auf Familienleben Einfluss nehmen. Größere Defizite zeigen sich in den letzten Jahren in den familienentlastenden Diensten. Wir wollen ja auch, dass die weiter bestehen bleiben, wobei wir eben nicht nur geistig und körperlich behinderte Menschen zeitlich betreut wissen wollen, sondern auch Familien, die ältere und kranke Familienmitglieder pflegen. Hier sollten mehr Möglichkeiten gefunden werden, um flexibler reagieren zu können. Das erfordert natürlich entsprechende finanzielle Mittel, die leider derzeit nicht in diesem Umfang zur Verfügung stehen.

Ich hoffe, dass die heutige Regierungserklärung und die Aussprache in Schlussfolgerungen über die Thüringer Familienpolitik mündet, und ich kündige für die PDSFraktion jetzt schon parlamentarische Aktivitäten in den nächsten Monaten an.