Protocol of the Session on July 7, 2000

(Beifall bei der CDU)

Weitere Redemeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe damit die Aussprache und stelle fest, dass das Berichtsersuchen gemäß § 106 Abs. 2 Geschäftsordnung erfüllt ist. Dann beenden wir diesen Tagesordnungspunkt und kommen zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 11

Prüfverfahren der Europäischen Kommission zur Compact Discs Albrechts GmbH Antrag der Fraktion der PDS - Drucksache 3/769

Auch hier ist ein Sofortbericht der Landesregierung angekündigt. Ich gehe davon aus, dass Begründung durch den Antragsteller nicht gewünscht ist, oder? Doch, Herr Gerstenberger, nein, nicht.

(Zuruf Abg. Gerstenberger, PDS: Nein.)

Dann hat der Herr Minister Schuster das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, namens der Landesregierung möchte ich zu dem Antrag der PDS-Fraktion wie folgt Stellung nehmen: Mit Datum vom 21.06. dieses Jahres hat die Europäische Kommission das beihilferechtliche Prüfverfahren betreffend der Beihilfen an das ehemalige Pilz-Unternehmen in Albrechts mit einer Negativentscheidung abgeschlossen. Der Wortlaut dieser Entscheidung liegt uns noch nicht vor. Nach der offiziellen Pressemitteilung der Kommission vom gleichen Tag fordert die Kommission Beihilfen in Höhe von insgesamt 426,9 Millionen zurück. Die Absicht der Kommission, möglicherweise eine Negativentscheidung im Verfahren gegen die ehemalige Pilz-Gesellschaft zu treffen, war der Landesregierung seit Ende 1999 bekannt. Die neue Spruchpraxis der Kommission war damals allerdings nicht bekannt, noch nicht bekannt. Über drohende Rückforderungsentscheidungen der Kommission hat die Landesregierung im Plenum am 15. März informiert. Die Pressemitteilung der Kommission bestätigt, dass für die Rückforderungsentscheidung insbesondere die betrügerischen Machenschaften von Herrn Pilz ursächlich sind. Ich darf daher nochmals kurz einige Ausführungen zur Unternehmenshistorie machen.

Im Jahre 1990 gründete das damalige DDR-Kombinat Robotron zusammen mit dem Pilz-Konzern zum Bau einer CD-Fabrik ein Joint Ventures in Albrechts. 1992 hat die Robotron AG ihre Anteile an den Pilz-Konzern abgegeben, so dass dieser nunmehr alleiniger Eigentümer der Gesellschaft in Albrechts war. Der Bau der CDFabrik, die wiederum von einer Pilz-Gesellschaft schlüsselfertig errichtet wurde, wurde in den Jahren 1991 und 1992 mit GA-Zuschüssen und I-Zulagen in Höhe von insgesamt 82,8 Mio. DM durch den Freistaat gefördert. Rechtsgrundlage dieser Maßnahmen waren die von der Kommission genehmigten Regelungen der Gemeinschaftsaufgabe sowie des I-Zulagengesetzes. Die Finanzierung der Werkserrichtung förderte zudem die Treuhandanstalt und der Freistaat Bayern mit Bürgschaften in Höhe von 190 Mio. DM bzw. 54,7 Mio. DM. Der Pilz-Konzern geriet immer mehr in wirtschaftliche Schwierigkeiten, was 1995 zum Konkurs der gesamten Pilz-Gruppe führte. Um das Unternehmen in Albrechts und die Arbeitsplätze zu sichern, wurde im Jahre 1994 zwischen den beteiligten Banken, den Unternehmen und den öffentlichen Stellen eine umfangreiche Sanierungsvereinbarung getroffen. Die Thüringer Industriebeteiligungsgesellschaft (TIB) hat 1994 das Unternehmen in Albrechts, das seinerzeit unter Pilz Albrechts GmbH firmierte, übernommen. Nach dem Einstieg der TIB stellte sich heraus, dass die Herstellungskosten für das Werk in Albrechts durch Herrn Pilz manipuliert waren. Die zuständigen Thüringer Behörden haben daher bereits 1995 GA-Zuschüsse in Höhe von 32,5 Mio. DM und die Investitionszulage in Höhe von 6,1 Mio. DM zurückgefordert. Herr Pilz wurde persönlich zur Rückzahlung in

Anspruch genommen. Ebenso musste nach Einstieg der TIB festgestellt werden, dass ein Großteil der für das Werk Albrechts bestimmten Gelder mit betrügerischen Mitteln von Herrn Pilz dem Pilz-Konzern in Granzberg zugeführt wurden. Das Thüringer Wirtschaftsministerium hat hiergegen sofort nach Kenntnisnahme in 1994 Strafanzeige beim Staatsanwalt erstattet.

Herr Pilz wurde bereits vom Landgericht Landshut wegen Betrugs und Untreue zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Das Strafverfahren vor dem Landgericht Mühlhausen ist noch nicht abgeschlossen. Die betrügerischen Machenschaften von Herrn Pilz haben durch die Kommissionsentscheidung das Unternehmen in Albrechts erneut eingeholt.

Die Kommission macht in ihrer rein formalen Betrachtung das heutige Unternehmen in Albrechts für die seinerzeitigen Manipulationen durch Herrn Pilz verantwortlich. Die zahlreichen Maßnahmen der Thüringer Behörden, Herrn Pilz persönlich in die Verantwortung zu nehmen, wurden von der Kommission in keiner Weise berücksichtigt. Der Vorwurf der Kommission, sie sei nur unzureichend informiert worden, wird von der Landesregierung zurückgewiesen. Die Kommission wurde über sämtliche Beihilfemaßnahmen umfassend unterrichtet. Die im Rahmen der Sanierungsvereinbarung von 1994 notwendig gewordenen Maßnahmen (Darlehen der TAB und der TIB, Darlehen der Bayerischen Landesan- stalt für Aufbaufinanzierung) wurden der Kommission nachträglich Ende 1994/Anfang 1995 notifiziert.

Aufgrund der dramatischen wirtschaftlichen Situation im Pilz-Konzern Anfang 1994 war auch das Unternehmen in Albrechts in akute Gefahr geraten. Angesichts der drohenden Standortschließung hat sich die Landesregierung seinerzeit entschlossen, mittels der vorhandenen Instrumentarien Sofortmaßnahmen zur Rettung des Standorts Albrechts und der dortigen Arbeitsplätze sowie zur Erhaltung der mit enormen Mitteln geförderten Investitionen zu ergreifen. Ein Abwarten hätte den Untergang des Unternehmens bedeutet. Es handelte sich um Liquiditätsdarlehen der TAB in Höhe von insgesamt 49,5 Mio. DM und um Beihilfen der TIB in Höhe von 15,5 Mio. DM. Über die beihilferechtliche Rechtmäßigkeit wurde diskutiert. Am Anfang der Diskussion gab es durchaus unterschiedliche Auffassungen. Am Ende setzte sich jedoch die Überzeugung durch, dass die materielle Rechtmäßigkeit der Beihilfen gegeben sei. Diese Beihilfen wurden der Kommission nachträglich 1994 und 1995 notifiziert. Die Thüringer Landesregierung sah damals angesichts der Dringlichkeit der Entscheidung keine andere Wahl, als auf die vorherige Notifizierung und Genehmigung der Beihilfen zu verzichten. Dass die Genehmigung der Beihilfen niemals rechtzeitig gekommen wäre, hat sich ja nunmehr bestätigt. Heute - fünf Jahre nach der Notifizierung - teilt die Kommission mit, dass sie die damaligen Beihilfen für nicht genehmigungsfähig erachtet.

Die Thüringer Landesregierung wendet sich insbesondere gegen die Entscheidung der Kommission, neben dem Rechtsnachfolger des ursprünglichen Beihilfeempfängers auch die 1996 neu gegründete Mediatech Datenträger GmbH, die heute unter "CDA" firmiert, für die Rückforderung verantwortlich zu machen. Mit Ausdehnung der Rückforderungsverpflichtung auf den Käufer von Vermögensteilen setzt die Kommission ihre verschärfte Spruchpraxis nun auch in Thüringen fort, ohne die Thüringer Stellen von dieser Verschärfung vorher unterrichtet zu haben. Seit Beginn des Jahres sind ähnliche Entscheidungen bereits in Sachsen (Gröditzer Stahlwer- ke), in Brandenburg (Halbleiterwerk SMI) und SachsenAnhalt (Maschinenbauunternehmen SKL) zu verzeichnen. Hier erhebt die Kommission die Forderung, ich zitiere, "dass ein Beitreibungsvorgang nicht auf den ursprünglichen Empfänger beschränkt ist, sondern auch auf das Unternehmen ausgedehnt werden muss, das Tätigkeit des ursprünglichen Unternehmens mit Hilfe der übertragenen Produktionsmittel fortführt." Die Rückzahlungsverpflichtung, meine Damen und Herren, wird also mit Maschinen und Anlagen auf nachfolgende Unternehmen übertragen, heißt das im Klartext.

Meine Damen und Herren, diese neue Spruchpraxis der Kommission bedeutet ein Investitionshemmnis ersten Ranges, nicht nur für den Freistaat Thüringen, sondern für die neuen Länder insgesamt. Die Kommission versperrt damit einen häufig praktizierten Weg zur Sanierung und Rettung von Betrieben. Geförderte und trotzdem gescheiterte Unternehmen wurden häufig über einen asset deal einem neuen Investor übertragen. Auf diese Weise konnten Produktionsanlagen und Arbeitsplätze über den Konkurs hinweggerettet werden. Nach der neuen Spruchpraxis der Kommission steht zu befürchten, dass die Rückzahlungsverpflichtung mit den Maschinen auf den Investor übergeht.

Angesichts solcher Aussichten wird es keine Investoren mehr geben, die bereit sind, in solche Standorte zu investieren und Rückzahlungsverpflichtungen zu übernehmen. Abwicklung von Standorten und Vernichtung von Produktionsanlagen sowie Vernichtung von Arbeitsplätzen sind dann die Folge dieser Rückforderungsentscheidungen. Die Kommission muss sich fragen lassen, ob sie nach dem Aufbau Ost nun den Abbau von Standorten im Osten betreiben will, meine Damen und Herren. Mit dem deutschen Insolvenzrecht ist eine solche Regelung nicht zu vereinbaren, denn es ist von dem Ziel geprägt, Weiterführungslösungen über den Konkurs hinaus zu ermöglichen. Der Konkurs darf nicht das Ende aller Dinge sein. Er muss die Möglichkeit offen lassen, die Weiterführung der Produktionsanlagen und der Arbeitsplätze sicherzustellen.

Die Thüringer Landesregierung hat sich sofort nach Bekanntwerden der Entscheidung beim zuständigen Kommissar in Brüssel beschwert. Sie wird sich weiterhin mit allen rechtlichen und politischen Mitteln zur Wehr setzen.

(Beifall bei der CDU)

Auf unsere Initiative hin hat sich bereits die Sonderwirtschaftsministerkonferenz am 29. Juni in Dresden mit der schärferen Gangart in Brüssel befasst. Die Wirtschaftsminister haben einstimmig beschlossen, gegen die Verschärfungen aus Brüssel vorzugehen und mit der Kommission über klarere und akzeptablere Regelungen zu verhandeln. Wir können und werden es nicht hinnehmen, dass die Europäische Kommission nun nicht mehr nur in dem Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge mit immer neueren Eingriffen reagiert und hineinwirkt, sondern nunmehr auch in den Bereich der Wirtschaftsförderung sich in der Weise einbringt und die Gestaltungsspielräume der Länder über die Grenzen des Zumutbaren hinaus einzuschränken versucht. Ich bin sicher, auch die Ministerpräsidenten der neuen Länder oder der Länder überhaupt werden sich in der Weise zu Wort melden. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben den Bericht gehört. Es liegen jetzt eine Reihe von Wortmeldungen zur Aussprache vor. Ich gehe davon aus, dass diese Aussprache gewünscht wird. Abgeordneter Ramelow hat das Wort.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, zuerst möchte ich feststellen, dass es zu bedauern ist, dass die EU-Kommission in dem aktuellen Fall, über den wir hier reden, zuerst eine Pressemeldung herausgibt und der Bescheid, über den wir eigentlich reden müssten, weil es dazu aus meiner Sicht eine ganze Menge anzumerken gibt, was ich auch tun möchte, nicht da ist. Ich finde diese Vorgehensweise mehr als bedauerlich. Sie ist wettbewerbs- und betriebsschädigend. Trotzdem möchte ich feststellen, dass die Fragestellung, ob man das Ganze erst seit dem Dezember oder Herbst 1999 nun weiß oder ob das, was jetzt eingetreten ist, sich nicht schon viel länger angekündigt hat, genauer untersucht werden muss.

Eine zweite Bemerkung, weil mir das ja immer vorgehalten wird: Ja, ich habe 1993 mit den Betriebsräten hier vor dem Landtag gestanden unter dem Motto "Thüringen brennt". Ich stehe zu der Entscheidung damals, dass es Strukturen geben muss, um den Betrieben, die von der Treuhand einfach abgewickelt und platt gemacht werden, eine Chance zu geben. Zu dieser Überlegung stehe ich nach wie vor. Deswegen sage ich, dass manches im Management hinterher in einer Art und Weise gelaufen ist, bei der ich große Zweifel habe, ob man nicht ein bisschen selbstkritischer auch nach innen sein muss und nicht nur die Schuldigen woanders suchen sollte, wo ich sage, ja, wenn die Schuldigen an einer anderen Stelle sind, bin ich auch gewillt mitzu

gehen. Deswegen meine Eingangsbemerkung, die PDS ist nicht der Verteidiger der EU; obwohl die EU ein Recht darauf hat, unter dem Aspekt der Wettbewerbsgleichheit dafür zu sorgen, dass in Portugal oder in anderen Ländern der EU gleiche Bedingungen herrschen und die dortigen Menschen ein Recht darauf haben, dass wir uns an dieselben Regeln halten. Insoweit ist all das, was Sie nennen, eben auch eine Frage, ob wir akzeptieren, dass in anderen Teilen der EU uns dasselbe vorgehalten wird. Ich glaube, dass man darauf achten muss, dass wir kein EU-feindliches oder europafeindliches Klima in Deutschland produzieren oder hier in Thüringen.

Die PDS ist nicht der Vertreter der gescheiterten Investoren. Ich werde nachher ein paar Hinweise auch in Bezug auf Herrn Pilz geben, wo ich denke, dass es nicht nur die Schuld in der Politik gibt, sondern dass eine Eingangsschuld bei Banken festzustellen ist, die eine Bonität festgestellt haben und die Bonität weitergegeben haben, bis sie die Landes- und Bundesbürgschaft erreicht hatten. Ich werde das zitieren. Da möchte ich auch nicht falsch verstanden werden, dass ich hier für Herrn Keppeli oder für Herrn Pilz oder für sonst jemand stehen würde - für all die stehe ich nicht. Die PDS steht unverrückbar an der Seite der Arbeitnehmer bei Pilz, bei Simson, bei Kahla, bei SAMAG, bei Graf Henneberg, um nur einige zu nennen. Die PDS wollte und will, dass die strukturbildenden Betriebe, über die wir reden, als Mittelpunkt von wirtschaftsaktiven Netzwerken weiterhin Bestand haben. Die Landesregierung, so sie ihre Einlassung in eine Richtung reduziert, dass wir hier nur den Wirtschaftsminister vorführen wollten, verkennt unsere Haltung, wenn wir das auf die Tagesordnung setzen und von Plenum zu Plenum nachfragen: Wie geht man denn hier in Thüringen mit den EU-Anfragen um? Die Landesregierung verkennt unsere Haltung und geht mit unserem Antrag um, wie eigentlich immer mit Anträgen der Opposition umgegangen wird, nämlich selbstherrlich und arrogant. So wirkt das. Wenn man dann mit den anderen Bundesländern

(Zwischenruf Abg. Kretschmer, CDU)

- doch, Herr Kretschmer, warten Sie es doch ab - vergleicht und sagt, was in Gröditz und da, und da passiert. Ich höre immer, wenn über Mecklenburg und über Sachsen-Anhalt geredet wird, das ist alles schlecht, weil da die PDS irgendetwas mit zu sagen hat. Jetzt haben wir gehört, die haben einstimmig beschlossen. Ich kann ja einmal ein bisschen Kritik bei meinen Kollegen dort üben, vielleicht ist das dann auch so. Sie nehmen es auch so, wie sie es brauchen. Ich stelle für uns fest, dass es nicht einfach dabei stehen bleiben kann, zu sagen, alles, über was wir reden, ist dem Aufbauzeitraum geschuldet. Nicht alles, über was wir hier reden, ist dem Aufbauzeitraum geschuldet. Es liegt die Anfangscrux, aber es gibt fortlaufende Entwicklung, wo nicht gegengesteuert worden ist.

Deswegen stelle ich für uns fest: Diese Verfahrensweise ist eigentlich klar. Zuerst wird der Schuldige öffentlich festgestellt und an den Pranger gestellt. Zweitens ist die EU-Bürokratie immer an allem schuld. Drittens: Die Investoren waren raffgierig, kriminell, dumm, faul oder Ähnliches - in Teilen stimmt das sogar. Viertens: Detailarbeit oder Sacharbeit in den Akten oder in dem Fall selber vor Ort hat man nicht geübt. Das ist eher hinderlich. Fünftens: Der Wirtschaftsminister hat immer Recht. Sechstens beginnt wieder bei Punkt 1, nämlich der Schuldige wird festgestellt und an den Pranger gestellt.

(Beifall bei der PDS)

Mit dieser Vorgehensweise laufen wir Gefahr, dass dabei immer weiter Steuergelder aufgewendet werden und Arbeitsplätze verloren gehen, ohne dass der Effekt, Herr Minister, von dem Sie sprechen, eintritt.

Der Ministerpräsident muss sich fragen lassen, wie lange diese Vorgehensweise des Wirtschaftsministeriums im Umgang mit der EU eigentlich noch hingenommen und geduldet werden soll, denn der Wirtschaftsminister hatte in der Aktuellen Stunde, von der hier eben die Rede war, die auf Antrag von uns hier im Februarplenum war, für mitteilenswert gehalten - Frau Präsidentin, ich zitiere unseren Wirtschaftsminister: "Aber was vor allen Dingen mitteilenswert ist, ist die Tatsache, dass wir in einem Punkt völlig einer Meinung sind, die Kommission, vertreten durch Herrn Dr. Schaub und wir, nämlich, dass, wie immer die Dinge zu Ende gehen, sichergestellt sein muss, dass von den Entscheidungen der Kommission keine" schändlichen - Entschuldigung - "schädlichen Auswirkungen auf Thüringer Unternehmen ausgehen sollten,"

(Zwischenruf Abg. Kretschmer, CDU: Schändlich war aber auch nicht schlecht.)

"Schändlich" war auch nicht schlecht, aber "schädlich" hat er im Februar 2000 gesagt. Eben haben wir gehört, dass ja schon seit Herbst 1999 bekannt sein soll, dass das nicht gut geht. Aber im Februar 2000 in der Aktuellen Stunde wird etwas anderes gesagt. Dann die Einschränkung, "jedenfalls nach Möglichkeit vermieden werden sollte." Übrig geblieben ist eigentlich bisher nur die Möglichkeit, zu versuchen, es zu versuchen, etwas zu vermeiden. Wie dieser Versuch bisher ausgegangen ist, machen die Verfahrensabschlüsse zum Unternehmen Korn Fahrzeugbau Gera ebenso deutlich, wie Simson und jetzt Albrechts. Die Ergebnisse lassen erahnen, wie die Prüfverfahren in den Fällen Zeuro, Rhöngold und Greußen ausgehen werden und was an Gewitterwolken über Graf Henneberg sich ebenfalls zusammenbraut, das lässt uns schaudern.

Meine Damen und Herren, schlimm an der Sache ist aus unserer Sicht dabei besonders, dass sich die Haltung des Wirtschaftsministeriums über viele Jahre zementiert hat

und man leider nicht spürt, das ist unsere Kritik, dass Schlussfolgerungen zur Veränderung der Arbeit im Wirtschaftsministerium auf diesem sensiblen Gebiet der Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission und in dem richtlinienkonformen Einsatz der Strukturfondsmittel gezogen werden. Schade eigentlich, dass ich an dieser Stelle unsere Kritik an der Verwendung und dem Umgang mit Strukturfondsmitteln aus der vertraulichen Sitzung des Wirtschaftsausschusses öffentlich nicht wiedergeben darf und dass dieses Beharrensvermögen beim Wirtschaftsminister vorhanden ist, ist - so glaube ich hinreichend nachweisbar darin, dass trotz unserer Anträge zum Themenkomplex, z.B. vom März 1999 zu beihilferechtlichen Prüfverfahren der Europäischen Kommission gegen Beihilfen in Thüringen, unsere diversen Anfragen und letztlich die auf unseren Antrag im Februar diesen Jahres durchgeführte Aktuelle Stunde zu beihilferechtlichen Prüfverfahren und durchgeführte Gespräche mit der Kommission all das nicht dazu geführt hat, dass einerseits konkretes Verschulden der Landesregierung durch Verstoß gegen gemeinschaftliche Richtlinien eingeräumt wurde, aber vor allem andererseits das Parlament nicht endlich umfassend über die Leichen im Keller des Wirtschaftsministers, Herr Minister Schuster, auch aus der Zeit Ihrer F.D.P.-Vorgänger informiert wird und Schlussfolgerungen daraus zur Überwindung der Situation und zur Veränderung in der Arbeit gezogen werden. Aufräumen wäre angezeigt in Ihrem Keller.

Meine Damen und Herren, wir wollen hier im Ergebnis des gehörten Berichts der Landesregierung doch gleich einmal klarstellen, dass in großen Teilen zwar nicht die Unwahrheit gesagt wurde, aber durch Weglassen von Fakten, auf die ich gleich noch einmal komme, kein umfassendes Bild der Situation gegeben wurde. Auch wir kennen noch nicht die Begründung für die Entscheidung der Kommission, staatliche Beihilfen an einen deutschen CD-Hersteller als rechtswidrig zu erklären und deshalb zurückzufordern. Wir kennen aber den Text der öffentlichen Erklärung der Kommission, im Übrigen kann den jeder, der Interesse hat, aus dem Internet ziehen. Und, meine Damen und Herren, uns stößt auf, das macht die Arroganz gegenüber der Kommission deutlich, dass die Kommission erklärt, Frau Präsidentin, ich zitiere: "Bis heute hat es Deutschland versäumt, eine klare und genaue Darstellung der finanziellen Mittel vorzulegen, die von der öffentlichen Hand zur Errichtung und Umstrukturierung bereitgestellt wurden." und, weiter im Zitat: "Da viele Fragen in der Anmeldung offen blieben, leitete die Kommission am 3. Juni 1998 das Verfahren nach Artikel 88 Abs. 2 EG-Vertrag ein." Seitdem ist spätestens bekannt, um was es geht. Weiter hält die Kommission mit dem Vertrag für unvereinbar, weil es die deutschen Behörden unterlassen haben, einen Umstrukturierungsplan zur Wiederherstellung der langfristigen Rentabilität des Unternehmens vorzulegen. Das steht im Übrigen in dem Notifizierungsbescheid zur TIB. Auch diese Forderung ist nicht neu.

Mit Datum Brüssel 09.08.1994 ist die staatliche Beihilfe Nr. 183/94 Deutschland, Thüringer Industriebeteiligungsfonds notifiziert worden. Mit der Festlegung, dass ein Umstrukturierungsplan eine notwendige Bedingung ist für die Beteiligung mit Mitteln des Industriebeteiligungsfonds an Unternehmen, die in Schwierigkeiten geraten sind. Also klar festgestellt, dass ein Umstrukturierungsplan vorliegen muss, um sich beteiligen zu können. Ferner wird auf die Anerkennung durch die deutschen Behörden hingewiesen. Zu den Schwerpunkten, dass Beteiligung am TIB Beihilfen darstellen, ist klargestellt worden. Zweitens, dass Beihilfen des TIB gesondert zu notifizieren sind, wenn sie extra gewährt werden. In den Fällen, dass die Unternehmen keine KMUs sind, die Minderheitsbeteiligung überschritten, im vorliegenden Fall eingetreten, und/oder die Beteiligung mehr als 20 Mio. Ecu betragen. Auf jeden Fall, meine Damen und Herren, keine kooperative Zusammenarbeit mit der Kommission, keine umfassenden Auskünfte und keine EU-konforme Vorlage des Umstrukturierungskonzepts.

Ich hoffe nur, Herr Ministerpräsident, dass Sie in Auswertung über die Beratung mit dem Kommissar Mario Monti vom 30. März dieses Jahres in Brüssel darauf achten, dass den angesprochenen Problemfeldern Höhe und Vergleichbarkeit regionaler Förderung, Anstaltslast, Gewährleistungshaftung Sparkassen, Auflösung unter dem Gesichtspunkt one time, last time in dem Wirken der Landesregierung zur Vermeidung weiteren Schadens entsprochen wird. Auch das Redekonzept von Monti kann jeder Interessierte aus dem Internet ziehen. Sie wissen ja, ich kann mit dem Medium umgehen - doch zurück zu dem Beihilfeproblem und zu Albrechts.

Meine Damen und Herren, der Wirtschaftsminister macht uns weis, dass alles aus den Aufbaujahren herrührt. Er hat zweifellos damit Recht, dass das Jount Venture zwischen Pilz und Robotron in den euphorischen Aufbaujahren erfolgte und dass die beiden Thüringer Institutionen TIB und TAB im März 1994 alle Anteile und Verbindlichkeiten der damaligen Pilz/Albrechts übernahmen. Aber mindestens 1994 galten bereits die ersten Leitlinien für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten, veröffentlicht im Amtsblatt, Teil C, 386, vom 23.12.1994. Da waren von der EU auch schon Umstrukturierungspläne gefordert. Auch das Wettbewerbsrecht der EU sowie vergleichbare Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs lagen vor. Mein Kollege Gerstenberger hat in der vergangenen Legislaturperiode hier in diesem Haus im Zusammenhang mit dem PDS-Antrag zur Beihilfeproblematik in der ihm eigenen Art eine Lehrstunde gehalten und die Zusammenhänge aufgezeigt. Er hat dort die Frage gestellt, ob in diesem Wirtschaftsministerium man nicht kann, nicht will oder nicht darf. Nun komme ich konkret zu Albrechts.

Meine Damen und Herren, um es gleich, bezogen auf diese Frage des Abgeordneten Gerstenberger, auf den

Punkt zu bringen: Offensichtlich gibt es im Wirtschaftsministerium - und das machen die Materialien im Zusammenhang mit dem Pilz-Prozess deutlich - Mitarbeiter, die es können, aber nicht dürfen. Es gibt offensichtlich einen Minister, der nicht will. Meine Damen und Herren, ich habe in den vergangenen drei Nächten über 1.000 Seiten, die mir aus Brüssel zugestellt worden sind, die also in Brüssel vorhanden sind und wo ich mich frage, wie sie überhaupt dahin kommen, die alle - Sie werden erstaunt sein - z.B. Thüringer Aufbaubank, der Vorstand, Erfurt, 10.12.1993, ein Schreiben an den Vorstand der Deutschen Ausgleichsbank, offenkundig aus dem Hause, Eingangsstempel Thüringer Ministerium für Wissenschaft und Technik, in der Gesamteinschätzung und deswegen sage ich, also, wenn das denn alles so stimmt, wie Herr Schuster es vorgetragen hat, dann müssten wir es auch durchhalten können, dann frage ich mich nur, wie solche Dokumente nach Brüssel kommen und in Brüssel zirkulieren können, aus denen ich jetzt zitiere. Nämlich am Schluss dieser Zusammenfassung: "Vorstand der Thüringer Aufbaubank an den Vorstand der Deutschen Ausgleichsbank Bonn. Gesamteinschätzung:

1. Für mich ist das Ganze ein klassischer Konkursfall.

2. Ein Verkauf des Unternehmens an einen ernsthaften Investor ist fraglich, wenn überhaupt dann mit erheblichen Verlusten für das Land, da kein Investor bereit sein dürfte, die Verluste zu übernehmen."

Das ist das, mit dem das erste Dokument beginnt. Es geht weiter, am 19.01.1994: "Thüringer Aufbaubank an das Thüringer Ministerium für Wirtschaft und Verkehr, zu Händen Herrn Wessels, Sanierung Pilz/Albrechts GmbH. Die Aufbaubank bittet im Rahmen der Sanierungsgespräche," von denen ich ja gerade gesagt habe, dass man festgestellt hat, das sei ein klassischer Konkurs, "dass eine Nichtinanspruchsnahmeerklärung des Landes Thüringen abgegeben werden soll." Das erwartet die Thüringer Aufbaubank vom Ministerium. Handschriftlich angemerkt: "Herr Möller, bitte Negativbescheid, das machen wir auf keinen Fall. Bitte Schreiben des Staatssekretärs." So festgehalten.

Als Nächstes findet man dann eine Freistellungsvereinbarung zwischen der Thüringer Industriebeteiligung und Herrn Christian Pusch am 4. Oktober 1994, der als Geschäftsführer von der TIB für Albrechts eingesetzt wird und dort von sämtlichen Verantwortungen als Geschäftsführer intern freigestellt wird. Das kommt später noch einmal, indem er sogar für strafrechtliche Fragen und für Inanspruchnahme seiner Geschäftsführertätigkeit, einschließlich der Kostenübernahme, freigestellt wird. Dann findet man ein Dokument - Minister in der Thüringer Staatskanzlei -, das ist von Herrn Trautvetter gefertigt als Regierungsvorlage, darauf angeschrieben, handschriftlich vom Staatssekretär Stamm, ist mir berichtet worden - die Beschlussvorlage der Regierung ist vom 2. Februar 1994, dort merkt der Staatssekretär im

Wirtschaftsministerium an:

1. Ein solcher Beschluss sollte zumindest bis zur Notifizierung der TIB zurückgestellt werden. Zu diesem Zeitpunkt ist die Notifizierung der TIB als Gesamtorganisation oder als Vehikel noch nicht abgeschlossen.

2. Bei Pilz ist die mögliche Rückforderung der GA-Zuschüsse in Höhe von 260,6 Mio. DM zu beachten.

3. Zu Pilz sollte überdies nicht vor Vorliegen der effektiven Schuldenzahlen entschieden werden. Konsequenz: Falls die Kommission nein sagt, Rückforderung der ausgereichten Mittel und damit sofortiger Konkurs des Unternehmens. Ich halte die Übernahme von Pilz nach wir vor für einen Fehler.

Dann kommt Konsequenz - kurzfristiger Stopp und ein Rechtsgutachten soll eingeholt werden. Interner Vermerk im Wirtschaftsministerium. Ich zitiere aus Dokumenten, die ich von Pressevertretern aus Brüssel habe.

Thüringer Ministerium für Wirtschaft und Verkehr, 18.03.1994, Kurzmitteilung an den Minister über den Staatssekretär - Absender Regenhardt. Er erläutert komplett detailliert, wo gegen EU-Vorschriften verstoßen wird. Alles das, was ich gerade zitiert habe in meinem Redemanuskript, ist hier 1994 von Herrn Regenhardt an seinen Minister aufgeschrieben worden. Anmerkung des Staatssekretärs an seinen Minister: "Herr Minister, ich fürchte, wir werden wegen der Pilz(fehl)entscheidung noch massiv Schwierigkeiten bekommen."