Protocol of the Session on June 3, 2004

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, sehr verehrte Mitglieder der Landesregierung, sehr verehrte Gäste auf den Besuchertribünen, ich begrüße Sie alle sehr herzlich zur heutigen Sitzung des Thüringer Landtags am 3. Juni 2004, die einberufen wurde gemäß Artikel 57 Abs. 2 Satz 2 der Verfassung des Freistaats Thüringen i.V.m. § 19 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Thüringer Landtags. Die entsprechende Unterrichtung liegt Ihnen vor in Drucksache 3/4231. Es ist damit die 107. Plenarsitzung des Thüringer Landtags in dieser Legislatur.

Als Schriftführer haben neben mir Platz genommen der Abgeordnete Braasch und der Abgeordnete Huster, Herr Abgeordneter Braasch wird die Rednerliste führen. Dann haben sich entschuldigt Frau Abgeordnete Sojka aus einem - wenn ich das sagen darf - angenehmen Anlass, sie hat nämlich gerade geheiratet und ist heute nicht da, wir dürfen auch von hier aus herzlich gratulieren,

(Beifall im Hause)

und Frau Abgeordnete Zitzmann. Hier bin ich ermächtigt, ausdrücklich alle Kolleginnen und Kollegen sehr herzlich zu grüßen. Ich hatte die Möglichkeit, sie am Pfingstmontag zu besuchen. Sie ist auf einem guten Weg der Besserung und bittet ausdrücklich, die vielen, die ihr geschrieben und die sich bei ihr gemeldet haben, hier zu grüßen.

(Beifall im Hause)

Dann darf ich noch etwas Angenehmes tun, nämlich unserem Kollegen Hans-Jürgen Döring zu seinem Geburtstag zu gratulieren. Herr Döring, beste Wünsche für Sie.

(Beifall im Hause)

Dann kommen wir zur Tagesordnung. Dazu hat sich der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion gemeldet, Herr Abgeordneter Dr. Pidde, bitte.

Frau Präsidentin, im Namen der SPD-Fraktion beantrage ich den fristgemäß eingegangenen Antrag "Situation im Thüringer Jugendstrafvollzug" in Drucksache 3/4239 auf die heutige Tagesordnung zu setzen.

Wir haben den Antrag gehört. Ja, bitte?

Frau Abgeordnete Pelke wird begründen, warum wir das auf die heutige Tagesordnung setzen wollen.

Dann halten Sie bitte auch die Begründung dazu. Frau Abgeordnete Pelke, bitte.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen ganz kurz begründen, warum der von uns eingeforderte Bericht zum Thüringer Jugendstrafvollzug so dringlich ist, dass wir uns in der heutigen Sitzung noch damit befassen sollten.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich weiß, dass das Thema "Jugendstrafvollzug" im Wahlkampf und auch in der öffentlichen Auseinandersetzung nicht sehr populär ist, aber trotzdem waren wir uns alle nach der Ermordung des jungen Häftlings im Jahr 2001 offensichtlich darin einig, dass im Jugendstrafvollzug in Thüringen etwas nicht in Ordnung ist. Die Landesregierung hat die Situation in Ichtershausen seinerzeit zwar beschönigt und in milderem Licht beleuchtet, aber sie berief immerhin eine Kommission ein und ließ sich in deren Folge Vorschläge zur Verbesserung des Jugendstrafvollzugs erarbeiten. Vorschläge, auf die sich die Landesregierung in ihrer Antwort auf meine Anfrage vom November 2002, die ich gemeinsam mit der Kollegin Bechthum gestellt habe, bezog. Einer der Missstände war neben der damaligen katastrophalen Raumsituation und Überbelegung der Zellen die ebenfalls desolate Personalsituation.

Meine Damen und Herren, Jugendstrafvollzug soll gewiss keine Kuschelveranstaltung sein - da sind wir uns einig -, aber Jugendstrafvollzug hat zunächst und vor allem auch einen erzieherischen Auftrag. Dafür ist ausreichendes und qualifiziertes Fachpersonal erforderlich und dazu zählt eben auch pädagogisches und psychologisches Personal und es ist nicht nur mit einer Zusatzausbildung des Wachpersonals getan. Genau daran, dass wir damals gesagt haben, wir wollen nicht wieder auf tragische oder dramatische Ereignisse warten, sondern wir wollen das Notwendige veranlassen, zweifeln wir aber im Moment. Vor wenigen Wochen hatten wir den Selbstmord eines jungen Häftlings zu verzeichnen und dies ist bereits wieder ein tragisches Ereignis. Genau deshalb wollen wir heute durch die Berichterstattung der Landesregierung informiert werden, auf welchem Umsetzungsstand die Vorschläge der Kommission sind und auf welchem Stand wir uns befinden. Wir wollen wissen, meine Damen und Herren, ob die Absichtserklärung der Landesregierung in unserer damaligen Kleinen Anfrage realisiert wurde, also ob die angekündigte Personalauswei

tung mit sozialpädagogischen Fachkräften und mit psychologischen Fachkräften tatsächlich erfolgt ist. Das nämlich wäre zumindest eine wesentliche Voraussetzung, um den gesetzlichen Aufgabenstellungen des Jugendstrafvollzugs in Thüringen besser gerecht zu werden. Geeignetes und ausreichendes Fachpersonal ist die entscheidende Voraussetzung, um innerhalb des Jugendstrafvollzugs das notwendige Gespür für die oft auch verzweifelte Situation junger Menschen zu haben und darauf entsprechend zu reagieren. Weil die personellen und räumlichen Rahmenbedingungen im Thüringer Jugendstrafvollzug endlich ausreichend und sachgerecht sein müssen, ist es nach diesem erneuten dramatischen Ereignis des Selbstmords eines jungen Häftlings erforderlich, dieses noch heute dem Parlament zu berichten. Deshalb bitten wir um die Aufnahme in die Tagesordnung. Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Damit haben wir die Begründung für den Wunsch der Aufnahme gehört. Gibt es weitere Wortmeldungen dazu? Das sehe ich nicht. Dann stimmen wir über diesen Wunsch ab, er wäre mit einfacher Mehrheit aufnehmbar. Wer für die Aufnahme stimmt, den bitte ich deshalb um das Handzeichen. Gegenstimmen? Enthaltungen? Das ist nicht der Fall, dann mit Mehrheit abgelehnt. Es wird also nicht aufgenommen auf die heutige Tagesordnung.

Wir kommen zu dem Tagesordnungspunkt, mit dem die Einberufung der heutigen Sitzung beantragt wurde, nämlich die

Berichterstattung der Landesregierung zu Auswirkungen des Beitragsmoratoriums des Ministerpräsidenten vom 1. Mai 2004 zu Wasser- und Abwasserbeiträgen in Thüringen Antrag der Fraktion der PDS - Drucksache 3/4230

Es wird eine Begründung für diesen Antrag gewünscht?

Ja, die PDS möchte begründen. Frau Dr. Wildauer.

Bitte, Frau Dr. Wildauer.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, werte Gäste, würde auf der heutigen, vermutlich letzten Sitzung des 3. Thüringer Landtags der als Referentenentwurf vorliegende Gesetzentwurf zur Änderung des Kommunalab

gabengesetzes stehen, könnte ich sagen, unsere Bemühungen um bezahlbare und sozialverträgliche Kommunalabgaben haben sich gelohnt - und die Glaubwürdigkeit der Regierung wäre ein Stück weit hergestellt. Vieles von dem, wofür ich hier vorn - wenn auch im alten Plenarsaal - beschimpft wurde, würde nun Realität. Doch es steht nicht ein Gesetz zur Debatte, sondern ein Antrag meiner, der PDS-Fraktion auf Sondersitzung. Weshalb haben wir diesen Antrag gestellt? Manch einer wird sagen, dass doch mit der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten und den Beratungen im Innen- sowie Haushalts- und Finanzausschuss offene Fragen besprochen und geklärt wurden. Wir haben den Antrag gestellt, weil genau seit dieser Zeit im Zusammenhang mit den Ankündigungen des Ministerpräsidenten Althaus am 1. Mai zu den Änderungen im Thüringer Kommunalabgabengesetz so vielfältige und differenzierte Meinungen bei Bürgern und kommunalen Aufgabenträgern der Wasserver- und Abwasserentsorgung bestehen, dass wir als Landtag noch vor der Wahl Klarheit schaffen müssen. Klare Aussagen erwarten wir zu den angeblich astronomischen Mehrbelastungen der Mieter bei Wegfall der Beiträge. Klarheit sollte es auch geben zu den kursierenden notwendigen Millionen für die Durchsetzung des verkündeten Beitragsmoratoriums. Sind es nun 3 Mio.      präsidenten verkündet, oder 20 Mio.  der Presse mitteilte? Oder werden 50 Mio.   Zeitraum von zehn Jahren zusätzlich zu den jetzt geplanten Strukturhilfen, Finanzhilfen und Investitionen gebraucht, wie dies die PDS vor vier Jahren vorgeschlagen hat? Dass diese, unsere vorgeschlagene Vorgehensweise genau richtig war - Herr Dr. Sklenar, da brauchen Sie gar nicht so zu lachen -, beweist die Aussage von Dr. Pietzsch gestern vor dpa,

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Frau Dr. Wil- dauer, in Ihrer letzten Rede seien Sie doch ein bisschen freundlicher.)

dass für die geplanten Reformen, so seine Aussage, vermutlich noch längere Zeit zusätzliche Landesmittel notwendig seien und dies im Haushalt Berücksichtigung finden müsse - wohl wahr!

Meine Damen und Herren, das von Ministerpräsident Althaus verkündete Beitragsmoratorium, wonach bis zum 1. Oktober keine neuen Wasser- und Abwasserbeitragsbescheide mehr erlassen und bereits erlassene Bescheide nicht mehr vollzogen werden sollen, wird von den Aufgabenträgern ganz unterschiedlich gehandhabt. Einige Aufgabenträger, so unsere Informationen, folgen der Aufforderung des Ministerpräsidenten voll umfänglich. Andere Aufgabenträger wollen zwar keine neuen Bescheide verschicken, die erlassenen Bescheide aber weiter vollziehen. Beispiele liegen dafür vor. Einige Aufgabenträger drohen sogar mit einem Investitionsstopp.

Genau diese Unterschiedlichkeit der Reaktionen der Aufgabenträger war zu erwarten und wurde von uns be

fürchtet. Deshalb hat die PDS umgehend eine gesetzliche Regelung zur Umsetzung Ihrer Ankündigungen, Herr Ministerpräsident Althaus, gefordert. Wir haben dazu am 4. Mai einen Gesetzentwurf in den Landtag eingebracht, der am 6. Mai in erster Lesung auch beraten wurde. Dieser Gesetzentwurf, der ausschließlich auf die Ankündigungen des Ministerpräsidenten Bezug nimmt, wurde an die Ausschüsse überwiesen. Die CDU-Fraktion im Landtag blockiert gegenwärtig die weitere Beratung zum PDS-Gesetzentwurf, so dass zu befürchten ist, dass unser Gesetzentwurf mit der Landtagswahl der so genannten Diskontinuität unterliegt.

Wir wollen Sie mit unserer Initiative beim Wort nehmen. Ihre Ankündigungen wären, wenn sie tatsächlich gesetzlich umgesetzt werden, ein erster Schritt für die Schaffung eines neuen, sozial ausgewogenen Kommunalrechts in Thüringen. Nur wenn Ihre Ankündigungen noch vor der Wahl gesetzlich umgesetzt werden, haben die Bürgerinnen und Bürger die Rechtssicherheit, dass das Kommunalabgabengesetz in ihrem Sinne tatsächlich geändert wird. Die PDS-Fraktion wird sich weiterhin für eine gesetzliche Neuregelung des Kommunalabgabengesetzes vor der Landtagswahl einsetzen. Auch deshalb hat die Fraktion die heutige Sondersitzung des Thüringer Landtags beantragt. Wir bitten zunächst um Berichterstattung der Landesregierung. Danke.

(Beifall bei der PDS)

Das war die Begründung des Antrags. Die Landesregierung hat auch die Sofortberichterstattung angekündigt. Ich darf Herrn Innenminister Trautvetter bitten.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, für die Landesregierung werde ich heute die wesentlichen Änderungen des Kommunalabgabengesetzes vorstellen:

Mit dem Gesetz, das die Landesregierung wie geplant am 25. Mai im Kabinett als Referentenentwurf beschlossen hat, wird es in Thüringen bürgerfreundliche und sozialverträgliche Abgaben bei Wasser und Abwasser geben.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, es wird gehandelt, weil es die Situation gebietet und weil dies zum Wohle der Bürger notwendig ist,

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Jawohl!)

und was bedarf es mehr. Herr Ramelow wird dann wahrscheinlich wieder Beispiele nennen, wie sich Kommunalverantwortliche aus dem Unionsbereich verhalten.

Übrigens, Herr Ramelow, ich sage Ihnen auch eindeutig, in dem Schreiben, was Sie dann wahrscheinlich nicht zitieren werden, steht sehr genau, dass dieser Verband zwar bei der Beitragsbescheidung bleiben möchte, aber er sagt auch, für die übergroßen und für die unbebauten Grundstücke werden wir Sonderregelungen finden. Er bezieht sich ausdrücklich auf die Neuregelung des Kommunalabgabengesetzes. Ich könnte genauso gut das Handeln von PDS-Bürgermeistern hier darstellen und ich weiß auch nicht, von welcher Partei die Verwaltungsgemeinschaftsvorsitzende von Geraaue ist, die Beitragsbescheide am 25. Mai rausschickt und mit gleichem Datum den Bürgern ein Schreiben mit der gleichen Unterschrift zuschickt, sie mögen bitte gegen den Beitragsbescheid Widerspruch einlegen.

(Heiterkeit bei der CDU)

Wenn es etwas darzustellen gibt, warum wir handeln müssen, dann sind das doch die Beispiele, warum gerade jetzt nicht mehr gewartet werden darf und warum dieses Gesetz jetzt auf den Weg gebracht werden muss.

(Beifall bei der CDU)

Die Landesregierung hat damit Wort gehalten. Die Landesregierung hat die Ankündigungen des Ministerpräsidenten umgesetzt. Der Referentenentwurf ist dem Landtag inzwischen zugeleitet worden und noch vor dem 1. Oktober wird der Gesetzentwurf wie geplant in den Landtag eingebracht. Eine Lesefassung des Entwurfs ist auf den Internetseiten des Thüringer Innenministeriums für jedermann zugänglich. Ich weiß auch, dass Thüringer Tageszeitungen Lesefassungen des gesamten Kommunalabgabengesetzes veröffentlicht haben, so dass sie eigentlich auch jedem Bürger zugänglich sind.

Letzte Woche haben wir eine achtwöchige Anhörung eingeleitet, damit wir im August den zweiten Kabinettsdurchgang vollziehen können. Angehört werden der Gemeinde- und Städtebund Thüringen, der Thüringische Landkreistag, der Verband der Thüringer Wohnungswirtschaft, Haus und Grund, der Deutsche Mieterbund, der Landesverband Thüringen der Gartenfreunde, der Thüringer Bauernverband, die Arbeitsgemeinschaft der Thüringer Handwerkskammern, die Arbeitsgemeinschaft der Thüringer Industrie- und Handelskammern, die Bürgerallianz und das Thüringer Oberverwaltungsgericht. Bürger, Zweckverbände, sonstige Interessenverbände sind aufgerufen, sich an der Diskussion zu beteiligen. Die breite Auswahl der Anzuhörenden und die bewusste Beteiligung der Öffentlichkeit zeigen, dass wir eine kritische Diskussion wollen. Genau dies ist erforderlich, wenn es so grundlegende Änderungen geben soll,

(Beifall bei der CDU)

die der Landtag hier beschließen wird. Das zeigt aber auch, eine Verabschiedung des Gesetzes im Landtag noch vor

der Landtagswahl, so wie es die PDS fordert, wäre weder sinnvoll noch verfahrensmäßig möglich gewesen. Eine solche Forderung ist reiner Populismus. Wer so etwas aufstellt, der möge auch einmal die Thüringer Kommunalordnung anschauen. Dort ist die Beteiligung, insbesondere der kommunalen Spitzenverbände, ausdrücklich geregelt.

(Beifall bei der CDU)

Lassen Sie mich im Folgenden den Referentenentwurf der Landesregierung vorstellen - zunächst zum Trinkwasserbereich: Die vorgeschlagenen Änderungen, insbesondere im Bereich Trinkwasser, stellen einen grundlegenden Systemwechsel dar. Traditionell wurde die Finanzierung der öffentlichen Wasserversorgung und Abwasserbehandlung über laufende Gebühren und einmalige Beiträge sichergestellt. Diese Finanzierungsmethode hatte ihre Berechtigung vor allem in Zeiten schnellen Siedlungswachstums und ortsnaher Ver- und Entsorgungssysteme. Große Unterschiede in der Besiedlung von Stadt und Land, immer großräumigere Versorgungssysteme, Bevölkerungsrückgang, das umweltpolitisch erfreulich sparsamere Umgehen mit der Ressource Wasser erzwingen neue Finanzierungswege. Der Wechsel zu einer reinen Gebührenfinanzierung im Bereich Wasser ist verfassungsrechtlich zulässig. Der Eingriff in das nach Artikel 28 Abs. 2 Grundgesetz und Artikel 91 Abs. 1 und 2 Thüringer Verfassung gewährleistete Recht der kommunalen Selbstverwaltung ist verfassungsrechtlich zulässig, denn er berührt nicht den Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung und er ist durch das öffentliche Interesse, so wie es im Gesetzentwurf beschrieben ist, gerechtfertigt.