Protocol of the Session on May 6, 2004

Das Innenministerium hat am vergangenen Dienstag die Aufgabenträger angehalten, bis zum 1. Oktober 2004 keine neuen Bescheide zu verschicken und den Vollzug bereits verschickter Bescheide auszusetzen. Die Kosten, die dadurch den Aufgabenträgern entstehen, trägt das Land. Auf der Grundlage der vorliegenden Investitionsanmeldung der Aufgabenträger handelt es sich um einen Betrag bis zu 3 Mio. ) Neuregelung des Thüringer Kommunalabgabengesetzes bedarf einer gründlichen Vorbereitung. Die Gesamtzusammenhänge sind komplex. Sicher werden manche auch über eine Weiterentwicklung der Strukturen diskutieren. Das Kabinett wird Ende Mai/Anfang Juni den Referentenentwurf vorlegen. Jeder kann sich also noch vor der Wahl davon überzeugen, dass wir Wort halten.

(Zwischenruf Abg. Ellenberger, SPD: Was?)

Wenn Sie lesen können, ja. In die Anhörung werden nicht nur die kommunalen Spitzenverbände, sondern alle betroffenen Verbände einbezogen,

(Zwischenruf Abg. Ellenberger, SPD: Es ist schon viel aufgeschrieben worden.)

und mein Kabinett wird das Gesetz bis zum 1. Oktober 2004 beschließen und in den Landtag einbringen.

(Zwischenruf Abg. Pohl, SPD: Mein Kabi- nett! Im Oktober!)

Ich stehe für meine Aussagen, sehr geehrter Herr Pohl, sonst würde ich sie nicht tun.

(Zwischenruf Abg. Dittes, PDS: Es sind noch Wahlen dieses Jahr.)

Das hat doch keiner bestritten, oder?

(Zwischenruf Abg. Ramelow, PDS:... Wahlen...)

Ja sicher, ich begebe mich hier ins Wort. Sie wollen doch immer, dass wir klare Aussagen treffen, Herr Ramelow,

(Beifall bei der CDU)

und nicht so populistische wie Sie, die den Leuten Sack und Seil versprechen und nicht erklären, wie man das bezahlen will in diesem Land.

(Unruhe im Hause)

(Glocke der Präsidentin)

Über Sie wäre vieles zu sagen, das füllte Bücher.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, PDS: Das glaube ich, Herr Althaus.)

Wer diesen engen zeitlichen Rahmen als zu lang bezeichnet, das sind zum Beispiel Sie, weiß nicht, wovon er redet,

(Beifall bei der CDU)

und tritt außerdem die zwingenden rechtlichen Bedingungen, zum Beispiel Anhörungen, mit Füßen.

(Beifall bei der CDU)

Parallel werden wir die bestehenden Verordnungen und Richtlinien überprüfen und gegebenenfalls anpassen. Selbstverständlich wird kurzfristig mit den Verantwortlichen der Zweckverbände Inhalt und Ziel erörtert.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, damit ist der Weg zu verträglichen, nachvollziehbaren und akzeptablen Beiträgen überall im Land und für alle Bürgerinnen und Bürger geebnet. Ich bitte Sie, uns dabei zu unterstützen.

(Zwischenruf Abg. Döring, SPD: Das war es jetzt?)

(Beifall bei der CDU)

Damit kommen wir jetzt zur Aussprache. Es hat als Erster das Wort der Abgeordnete Ramelow, PDS-Fraktion.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich hätte mich gefreut, wenn wir etwas gehört hätten, über was es sich lohnen würde, wirklich eine Aussprache zu führen.

(Unruhe bei der CDU)

Wir haben die Aneinanderreihung von Allgemeinplätzen gehört und jetzt muss ich wirklich mal feststellen: Da war auch mit der Wahrheit nicht alles so ganz klar, um das mal freundlicher zu sagen. Herr Althaus, Sie haben nicht die Beitragsbescheide angehalten, wie Sie hier eben behauptet haben. Sie haben eine Bitte ausgesprochen.

(Zwischenruf Abg. Schemmel, SPD: Eine verbindliche Bitte.)

Diese Bitte ist wie folgt - verbindlich, Heiko, verbindlich, ja. Das ist gesetzlich genau geregelt. Verbindliche Bitte im Sinne von Althaus heißt: Die haben alle stramm zu stehen, so weit ist das mit der kommunalen Selbstverwaltung, von der hier gerade so gehöhnt worden ist. Nein, als Reaktion auf die Wahlkampfrede von Herrn Althaus

hat der Zweckverband Holzland gestern Beitragsbescheide verschickt als besonderes Dankeschön an Sie, Herr Althaus. So weit ist das mit den Bitten. Und es gibt zwei weitere Zweckverbände - also, die Bescheide sind gestern rausgeschickt worden.

(Zwischenruf Althaus, Ministerpräsident: Einen hat das Holzland verschickt.)

Einen, einer ist nicht so wichtig?

(Zwischenruf Althaus, Ministerpräsident: Immer schön bei der Wahrheit bleiben.)

Ja, einer ist einer. Verzeihen Sie, Sie können jetzt ablenken wie Sie wollen. Gestern ist ein Beitragsbescheid...

(Zwischenruf Dr. Sklenar, Minister für Land- wirtschaft, Naturschutz und Umwelt: Einer, einer, so ein Unsinn!)

(Zwischenruf Abg. Dr. Hahnemann, PDS: Dass die Rechtsgrundlage fehlt.)

Dass der Landwirtschaftsminister jetzt von Unsinn redet, aber ein Beitragsbescheid ist ein Beitragsbescheid und ist nicht irgendwie eine Erfindung der Opposition.

(Beifall bei der PDS)

So weit ist das mit der verbindlichen Bitte, aber es gibt zwei weitere Zweckverbände, die gestern angekündigt haben, sich der Bitte nicht anzuschließen, das sind Ilmenau und Gotha. Die haben das offiziell verkündet und haben es auch veröffentlicht und haben mitgeteilt, dass sie nur auf gesetzlicher Grundlage eine Änderung ihrer Bescheidungspolitik vornehmen werden. Genau um die Frage der gesetzlichen Grundlage geht es hier, meine Damen und Herren.

Eine zweite Geschichte ist, dass drei Zweckverbände auf die Wahlkampfrede von Herrn Althaus am Samstag reagiert haben, indem sie einen Investitionsboykott angekündigt haben und sagen: Dieses Chaos, das die Landesregierung verursacht hat durch diese Kehrtwende, die jetzt eingetreten ist, können wir nicht nachvollziehen, also werden wir keinerlei Investitionen mehr vornehmen. So weit das Thema "Kontinuität", Herr Ministerpräsident, von dem Sie gerade gesprochen haben. Das finde ich ja besonders witzig und putzig, dass Sie ausgerechnet beim Thema "Beitragsbescheide" von Kontinuität der Landesregierung sprechen. Das ist besonders putzig.

(Beifall bei der PDS)

Diese Kontinuität, von der Sie reden, nachdem Herr Trautvetter bis zum Freitag der vergangenen Woche noch das genaue Gegenteil erklärt hat und 14 Jahre lang eine bestimmte Linie hier durchgehalten worden ist, diese Form

der Kontinuität mit der schwunghaften Steilkurve, die Sie am 1. Mai vorgenommen haben, diese Kontinuität ist so ähnlich wie Edelstahl und Diebstahl. Das, was Sie machen, ist wirklich Populismus, Herr Ministerpräsident. Das ist eine Ankündigung von Dingen, die Sie gesetzlich nicht durchhalten wollen, gesetzlich nicht durchhalten können und wo Sie auch das Thema "Konnexitätsprinzip" in der derzeitigen Art und Weise mit Füßen treten, weil, wenn Sie sagen, die Bescheide werden angehalten oder aufgehalten, dann müssen Sie auch sagen, dass sie finanziert werden.

(Zwischenruf Althaus, Ministerpräsident: Das habe ich doch gesagt.)

Sie haben das alles gesagt! Wir möchten die Gelegenheit geben, dass das vorher gesetzlich geregelt wird. Wir leben in einem demokratischen, parlamentarisch verfassten Rechtsstaat, in dem Gesetze die Grundlage des Handelns bilden, und es geht hier um Gesetze und nicht um Wahlkampfmanöver, meine Damen und Herren. Das, was Sie tun, ist wirklich übler Populismus. Und eine Feststellen muss ich schon machen: Dass Sie hier sagen, Bauernfänger sind unterwegs und dass Sie davon reden, dass mit den Ängsten gespielt wird, indem Mieter gegen Grundstücksbesitzer ausgespielt werden, dann schauen Sie sich mal die Veröffentlichungen und die Meinungsäußerungen Ihres Innenministers an,

(Zwischenruf Abg. von der Krone, CDU: Sagen Sie doch mal,...)

der hat genau auf dem dumpfsten Niveau gespielt. Wenn Sie sagen, große Grundstücksbesitzer gegen kleine Grundstücksbesitzer werden ausgespielt, da muss ich sagen, ja, Ihre Landesregierung steht da in einer Kontinuität der selbstverschuldeten Gesetzlichkeit, die das alles angerichtet hat.

(Glocke der Präsidentin)

Dass in Thüringen unbebaute Grundstücke als bebaut gelten, das hat etwas mit Ihrem Gesetz zu tun, das Sie zu verantworten und zu vertreten haben. Dass ein Eckgrundstück in Thüringen doppelt so groß sein soll, wie es denn tatsächlich ist, hat etwas mit Ihrem Thüringer Kommunalabgabengesetz zu tun. Dass ein Einfamilienhaus in Thüringen als Dreifamilienhaus bescheidet wird, hat etwas mit Ihrem Gesetz zu tun. Und wenn Herr Böck mich auf einer öffentlichen Veranstaltung in Gotha der Lüge bezichtigt, als ich das auch noch sage und auch noch darauf hinweise, dass das vom Innenministerium entsprechend an die Zweckverbände so rausgeschickt worden ist, dass so zu bescheiden und so zu kalkulieren ist, da muss ich sagen, das entlarvt sich selbst als Lüge.