Protocol of the Session on January 25, 2024

(Unruhe)

Ich habe die Erkenntnis, dass das, was in unserem Antrag enthalten ist, zwei bzw. drei Tage später bereits von der Landesregierung wiederholt wurde, und zwar vorgestern in einer Pressemitteilung des Ministerpräsidenten und, ich glaube, gestern in einer gemeinsamen Pressemitteilung des sächsischen und sachsen-anhaltischen Energieministers.

(Alexander Räuscher, CDU: Noch einmal Glück gehabt!)

Im Wesentlichen sind die Dinge also politischer Konsens. Woran hakt es trotzdem? Deswegen will ich gar nicht so sehr viel auf die technischen Einzelheiten bei Meyer Burger ein- gehen, auch nicht auf die verschiedenen Konzepte, sondern auf das grundsätzliche Heran- gehen.

Das Problem, das wir im Bereich der Solarmodulherstellung haben, ist keines, das wir nur in diesem Bereich haben, aber es trifft uns jetzt besonders hart. Wir haben es mit einem Industriezweig - Thalheim ist offensichtlich heute ein Dauerthema - natürlich vor allen Dingen in dieser Region zu tun, die erst mit der Wende in den 1990er-Jahren von einer extremen Deindustrialisierung getroffen wurde und dann einen riesigen wirtschaftlichen Aufschwung mit der Produktion von Solarmodulen hatte.

Dann - das haben wir alles miterlebt - gab es einen absoluten Niedergang, eine fast voll- ständige Zerstörung dieser Industrie hier in

Sachsen-Anhalt, dem größten Standort, glaube ich, sogar innerhalb Europas, zeitweise. Wir haben einige Produktionskapazitäten, die es nach wie vor gibt, jetzt bei Meyer Burger, hier bei uns in Thalheim und in Freiberg in Sachsen, die noch zur Debatte stehen.

Wir haben also ein Auf und Ab. Wir haben traumatische Erfahrungen bei den Leuten, die damals z. B. noch zum Ende der DDR in der Chemieindustrie gearbeitet haben, arbeitslos geworden sind, dann zum Teil in dieser Solarproduktion neue Hoffnung geschöpft haben, aber eben auch dort gesehen haben, dass nach einigen Jahren Schluss war.

Die Frage, die sich stellt, ist: Warum sind solche Entwicklungen vor allen Dingen im Nachwendebereich so gelaufen? - Man kann ganz klar sagen, der erste Niedergang der Solarindustrie, den wir hier hatten, hat damit zu tun, dass der Markt eben nichts geregelt hat. Das heißt, er hat geregelt, und er hat geregelt, dass diese Industrie bei uns zusammenbrach.

Nun haben wir die Situation, dass wir nicht bloß im Bereich der Solarindustrie, nicht bloß im Bereich der Halbleiterindustrie, sondern unter anderem auch in dem Bereich der Rohstoffaggregation seltener Erden im Weltmarktbereich massiv unter Druck stehen.

(Zuruf von Alexander Räuscher, CDU)

Es gibt solche Positionen - das sage ich ganz klar -, wie sie die FDP z. B. in der Vergangenheit vertreten hat. Ich halte sie übrigens nicht für illegitim, ich halte die durchaus für legitim. Sie vertreten Folgendes: Unter solchen Bedingungen müssen wir bei uns keine dezidierten Produktionsstandorte haben; dann sollen die Chinesen uns doch mit ihrem billigen Zeug zuschütten; das senkt bei uns die Kosten. Das

ist übrigens so, das senkt bei uns die Kosten. Aber - und das ist eben die große Frage - wir begeben uns in eine strategische Abhängigkeit.

(Zuruf von Siegfried Borgwardt, CDU)

Dasselbe Problem haben wir bei Intel auch. Deswegen hat unter anderem das IWH gesagt: Warum brauchen wir eigentlich einen solchen Produktionsstandort hier bei uns in Sachsen- Anhalt? Lasst doch die Amerikaner die Halbleiterproduktion subventionieren. Dann bestellen wir die billigen Produkte und haben die Kosten nicht. - Das ist die entscheidende Debatte, in der wir uns befinden.

Ich sage ganz klar: Wir befinden uns in einer Situation, in der strategische Entwicklungslinien, strategische Produktlinien hier in Europa gehalten werden müssen. Das betrifft die Halbleiterindustrie genau wie die Solarindustrie, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der LINKEN)

Deswegen müssen wir uns darüber Gedanken machen.

Nun gibt es mit absoluter terminlicher Dringlichkeit - die politischen Entscheidungen müssen praktisch bis Ende nächsten Monats getroffen werden - die Situation, dass man natürlich auf die Idee kommen könnte, Zölle auf Produkte von außerhalb der Europäischen Union zu erheben. Wir würden in erster Linie über chinesische Produkte reden. Wir machen dadurch einen protected, einen geschützten Markt hier in Europa für Solarmodule auf.

Das Problem ist allerdings ein zweischneidiges. Wir sehen diese Situation gerade im Bereich der Autoindustrie, in dem die Europäische Kommission unter ihrer Chefin explizit diesen

Weg beschreiten will und besondere Einfuhrregularien und Zölle im Bereich von chinesischen Elektroautos realisieren will.

Das Interessante ist - damit kommen wir zu unserer deutschen Besonderheit -, dass die Franzosen - Klammer auf - Stellantis - Klammer zu - mit dieser Situation außerordentlich zu- frieden sind, aber die deutschen Automobilfirmen ein Riesenproblem bekommen, und zwar deswegen, weil sie - die haben übrigens in 2023 alle einen hervorragenden Abschluss gehabt, das muss man einmal wissen bei der ganzen Jammerei;

(Ulrich Thomas, CDU: Nicht alle!)

wo verdienen sie, wo verdient VW vor allen Dingen? - in China verdienen.

Das heißt also, wenn wir den Markt für chinesische Produkte schließen, dann müssen wir wissen, dass der entscheidende Export- und Wachstumsmarkt der Bundesrepublik Deutschland gefährdet wird. Das ist die Situation, mit der wir es auch bei den Solarzellen zu tun haben.

(Alexander Räuscher, CDU: Solar oder Foto- voltaik?)

Deswegen gibt es dieses Modell, einen Resilienzbonus zu zahlen - er ist in der Solarindustrie

(Alexander Räuscher, CDU: Sie meinen Foto- voltaik?)

im europäischen Maßstab entwickelt worden -, der ausdrücklich auch im Wirtschaftsministerium der Bundesregierung, so zumindest meine Information, befürwortet wurde.

Dann gab es eine Klage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion - die war erfolgreich - und die Mittel, die für solche Dinge vorgesehen worden sind, sind im Wesentlichen gestrichen worden, nicht vollständig, nicht endgültig, aber sie stehen jetzt de facto zur Debatte.

Jetzt müssen wir die Frage stellen: Wollen wir eine aktive Industriepolitik, die uns in die Lage versetzt, die jetzigen Dumping-Angebote aus China zumindest zeitweise so lange zu überbrücken, dass wir eine eigenständige Solarindustrie in Europa behalten, sie mit Technologiefortschritt weiter vorantreiben und dann bis zu einem Punkt kommen, an dem diese Solarindustrie wieder weltmarktkonkurrenzfähig wird?

Das Gleiche tun wir übrigens in der Chemieindustrie und in einem anderen Bereich mit dem sogenannten Industriestrompreis. Dazu sage ich jetzt: Wenn man dort - wir finden das unter bestimmten Bedingungen richtig - solche Maßnahmen einsetzt, dann muss das auch für die Solarindustrie gelten. Dabei sind wir natürlich als Lokalpatrioten mit Sachsen- Anhalt und Sachsen die Bundesländer, die das größte Interesse daran haben. Leider passiert das noch nicht.

Ich sage aber auch mit aller Deutlichkeit: Wenn die Entscheidungen in den nächsten fünf, sechs Wochen nicht wirklich getroffen werden, dann wird Meyer Burger hier verschwinden. 1,4 Milliarden € stehen für das Unternehmen zur Debatte, wenn es seine Produktion voll- ständig in die USA verlagert - 1,4 Milliarden € an reinen Subventionen. Wenn wir über die chinesischen Dumpingpreise reden, dann können wir an der Stelle genauso über das Inflationsbekämpfungsgesetz der USA reden. Dabei gibt es für uns überhaupt keinen Unterschied.

Die Frage ist, wie stellen wir uns als Europa auf? - Ich sage: Wer zu Intel und 10 Milliarden € Ja sagt,

(Ulrich Thomas, CDU: Wir auch!)

der muss auch zum Resilienzbonus für die Solarindustrie Ja sagen, weil das nämlich auch ein strategisches Objekt ist.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN - Alexander Räuscher, CDU: Sie meinen Foto- voltaik!)

Ich sage noch einmal ganz klar: Unsere Vorstellungen als LINKE gehen darüber hinaus, weil wir als Staat nämlich nicht nur Geld hineinbuttern sollen. Vielmehr sollen wir auch sagen: Wenn öffentliches Geld in solche Industrien hineinfließt, dann brauchen wir öffentlichen Einfluss, dann brauchen wir Arbeitsplatzgarantien, dann brauchen wir Einkommensgarantien und dann brauchen wir Entwicklungsgarantien, die mit solchem staatlichen Geld verbunden sind.

Das haben wir aber mit Absicht nicht in diesen Antrag hineingeschrieben, weil wir uns ausdrücklich erst einmal hier im Landtag auf den Konsens verständigen sollten: Wir brauchen eine aktive Industriepolitik zugunsten und zur Rettung der Solarindustrie in Deutschland, in Europa. Dieses gemeinsame Bekenntnis können wir heute abliefern, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der LINKEN)

Da wir die Regierungsbank bereits überzeugt haben - Sie können sich die beiden Pressemeldungen, die ich erwähnt habe, gern anschauen; es wurde fast abgeschrieben von unserem Antrag -,

(Olaf Meister, GRÜNE, lacht - Ulrich Thomas, CDU: Aber nur fast!)

bin ich jetzt gespannt, ob die Koalitionsfraktionen hinter ihrer Regierung stehen. Dann könnten wir den Antrag heute beschließen.

Die Alternative wäre, auch diesen Antrag in den Wirtschaftsausschuss zu überweisen. Dann können wir uns auch dort intensiv mit dem Sachverhalt beschäftigen. Ich gehe allerdings davon aus, dass die Landesregierung von unserem Antrag bereits überzeugt wurde. - Danke.

(Beifall bei der LINKEN - Alexander Räuscher, CDU: Meinten Sie jetzt Fotovoltaik oder So- lar?)

Jetzt gibt es erst einmal eine Intervention. Danach gibt es eine Frage. Anschließend habe auch ich noch eine Frage.

Herzlichen Dank. - Ich weiß nicht

(Zuruf von Alexander Räuscher, CDU)

- Sie haben übrigens gerade recht gehabt, Herr Räuscher, es geht um die Fotovoltaikindustrie; das stimmt -,

(Alexander Räuscher, CDU: Danke, danke, danke!)

ob Sie sich mit dem Unternehmen Meyer Burger unterhalten haben. Ich war dort. Ich will Ihnen berichten, was dort gesagt wurde. Auch für Sie nur einmal zur Kenntnis - das können