Vielen Dank, Herr Präsident. - Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Innenministerin, die vergangenen Jahre haben uns an einer Reihe von Ereignissen deutlich gemacht, dass es eine Vielzahl von Herausforderungen gibt, die einen wirksamen, einen resilienten und effektiven Bevölkerungs- und Katastrophenschutz notwendig machen.
Wir alle wissen: Aus einer anfänglich kleinen Ereignislage kann sehr schnell eine große Gefahr entstehen, die dann nur noch mit größtem Aufwand bekämpft werden kann. Erlebbar war dies bei den Waldbränden im Hochharz im Sommer 2022. Mehr als eine Woche hatten fast 500 Feuerwehrleute täglich gegen die Flammen angekämpft. Unterstützt wurden Sie dabei von italienischen Löschflugzeugen, von Feuerwehrkräften aus Niedersachsen, vom Technischen Hilfswerk sowie von Hubschraubern der Landes- und der Bundespolizei. Wanderer, Urlauber, Ausflügler mussten in Sicherheit gebracht werden.
Der Großbrand selbst hatte Schäden und Kosten in Millionenhöhe verursacht. Und im Nachgang zu diesem Katastrophenfall gab es eindringliche kritische Hinweise sowohl vom Landrat des Harzkreises als auch vom Landesfeuerwehrverband. Beide forderten bessere Konzepte zur Bekämpfung von Bränden. Ein weiteres Großfeuer unterhalb des Brockens im vergangenen Jahr hat diese Debatte um Waldbrandgefahren und Schutzmaßnahmen erneut angefacht.
Dass aus einem angenommenen Szenario, wie zur Landeskatastrophenschutzübung Hochwasser 2023, auch sehr schnell ernste Realität werden kann, haben wir nach tagelang an- haltenden Regenfällen, hochwasserführenden
Was am 23. November letzten Jahres im Zusammenwirken der Katastrophenschutzstäbe mit den Feuerwehren, dem Technischen Hilfswerk, Hilfsorganisationen, Polizei und Bundeswehr, von der Schadensbekämpfung, der Logistik der Evakuierung, Unterbringung, Versorgung und Verpflegung bis zur Beseitigung ein- getretener Schäden noch geübt wurde, musste sich ab dem vorletzten Tag des Jahres in der Praxis beweisen, als der Landrat des Kreises Mansfeld-Südharz aufgrund des Hochwassers den Katastrophenfall feststellte und damit die Organisation, die Koordination aller Abwehr- und Rettungsmaßnahmen auf die Ebene des Landkreises überging.
Ein bis an den Rand gefüllter Stausee in Kelbra, anhaltend hohe Pegelstände, aufgeweichte Deiche haben die Menschen in der Region in der Tat bangen lassen. Das Landesverwaltungsamt hatte während der Dauer der Katastrophe sage und schreibe 45 Einsatzaufträge in der überörtlichen Hilfe an die Fachdienste des Katastrophenschutzes, des Brandschutzes, der Wasserrettung, der Betreuung und Versorgung erteilt.
Mehr als 2 000 Einsatzkräfte - die an dieser Stelle unsere größte Hochachtung verdienen - haben, bis an ihr Limit gehend, Schlimmstes verhindern können. Dafür sei ihnen ausdrücklich gedankt.
Dennoch gibt es Frust, zuerst bei den Betroffenen im Hochwassergebiet, die ihre Häuser verlassen mussten, deren Wohn- oder Gewerbegrundstücke und Landwirtschaftsflächen
überflutet wurden - die teilweise heute noch unter Wasser stehen - und die noch nicht abschätzen können, wie hoch die Summe der Schäden sein wird und vor alle Dingen, wer dafür aufkommt.
Erhebliche Kritik gab es am Staumanagement des Talsperrenbetriebs, die ich jedoch an dieser Stelle nicht weiter kommentieren möchte. Denn mir fehlen für eine sachliche Beurteilung schlichtweg die Kenntnisse und ein objektives Bild.
Es sind aber nicht nur klima- oder wetter- bedingte Großschadensereignisse, die einen gut aufgestellten - vor allen Dingen mit gut ausgebildeten beruflichen und ehrenamtlichen sowie gut ausgestatteten Einsatzkräften -, einen gut organisierten Bevölkerungsschutz erfordern.
Hinzu kommen große Gefahrenpotenziale - Sie kennen es aus dem Betrieb von Chemie- anlagen -: technische Havarien an Gefahrgut- anlagen, mögliche schwere Unfälle mit Gefahrguttransporten, mögliche Havarien an kritischer Infrastruktur mit lang anhaltenden Versorgungsausfällen und nicht zuletzt auch Risiken, die sich aus einer Veränderung, einer Verschärfung einer fragiler gewordenen geopolitischen Lage ergeben.
Potenziert wird dies alles noch durch die großen finanziellen Herausforderungen, vor denen unsere Landkreise stehen, vor denen das Land steht; auch vor dem Hintergrund der Kürzungen, die für den Bundeshaushalt im Katastrophenschutz vorgesehen sind.
Bevölkerungs- und Katastrophenschutz ist als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe in der gemeinsamen Verantwortung von Bund, Ländern
und Kommunen ein zentrales Element in der Daseinsvorsorge, das aber, insbesondere auf kommunaler Ebene, zu großen Teilen von ehrenamtlichen Einsatzkräften, den Kameradinnen und Kameraden der freiwilligen Feuerwehren, den Kräften des Technischen Hilfswerks oder den Verbänden unterschiedlicher privater Hilfsorganisationen am Funktionieren gehalten wird. Sie, werte Kolleginnen und Kollegen, sind eben das Rückgrat im integrierten Hilfeleistungssystem in Sachsen-Anhalt.
Auch das wissen wir. Dort agieren keine Laien, sondern gut ausgebildete und vor allen Dingen auch hoch motivierte Einsatzkräfte. Ich denke, das ist eine besondere Stärke in der erfolgreichen Bewältigung von Krisen- und Gefahrensituationen.
Aber sie wird auch nicht selten auf die Probe gestellt, weil z. B. eine kleine Ortsfeuerwehr ein weiteres Jahr mit einer eigentlich musealen Technik auskommen muss, ihren Dienst erbringen muss. Denn das Geld für eine längst überfällige Ersatzbeschaffung kann in den Haushalt der Gemeinde nicht eingestellt werden.
Ich hatte in der jüngsten Debatte zur Neuausrichtung des Katastrophenschutzgesetzes im vergangenen Jahr vom Kollegen Erben das Beispiel der Gemeinde Huy im Harzkreis in die Debatte eingebracht. Die Gemeinde Huy hatte bei der Aufstellung ihres Brandschutzbedarfsplans zwar die notwendigen Substituierungen an Technik und Ausrüstung auf- geführt, das jedoch ohne Fristsetzung. Erwartungsgemäß wurde dieser Bedarfsplan natürlich von der entsprechenden Behörde des Landkreises kritisiert. Er musste überarbeitet
werden. Nun liegt diese Überarbeitung vor. Aus dem Müsste ist ein Muss geworden. Allerdings fehlt dafür immer noch das Geld.
In derselben Debatte zu einem zu reformierenden Katastrophenschutz hatte ich ebenso auf die Kritik der Landesarbeitsgemeinschaft der Hilfsorganisationen hingewiesen. Viele aus dem Plenum waren am 23. Juni vergangenen Jahres beim Parlamentarischen Abend der Hilfsorganisationen anwesend, selbstredend auch Frau Innenministerin. Dort wurden die aus den Erkenntnissen zur Bewältigung des Hochwassers 2013 formulierten Kritiken und Forderungen erneut vorgebracht, weil sie bis heute nur teilweise, nur ungenügend oder gar nicht berücksichtigt worden sind.
Im Kern ging es ihnen um die Schaffung einer ständigen Institution zur zentralen Steuerung der Budgetierung mit transparenten, landesweit geltenden Fördermöglichkeiten für den Katastrophenschutz. Es ging um einen regel- mäßigen Austausch im Rahmen eines Gremiums zwischen den Aufgabenträgern und den Organisationen des Katastrophenschutzes unter Führung der Landesverwaltungsbehörde. Es ging um eine engere Verzahnung und Abstimmung der Leistungserbringer in den Bereichen Katastrophenschutz, Rettungsdienst, Brandschutz und Hilfeleistung sowie um eine immer noch ausstehende gesetzliche Helfergleichstellung, um Einsatzkräfte abzusichern, um aber auch die Mitarbeit im Katastrophenschutz, im Bevölkerungsschutz wesentlich attraktiver zu machen.
Werte Kolleginnen und Kollegen! Große Schadensereignisse werden immer vor Ort bewältigt. Diese Krisenbewältigung wird mehr und mehr auch zur Daueraufgabe für freiwillige Feuerwehren und anerkannte Hilfsorganisationen. Deshalb brauchen die, die das leisten,
unsere volle Unterstützung für die Vorsorge bei der finanziellen Ausstattung, bei der Beschaffung, beim Vorhalten materieller Ressourcen und personeller Kompetenzen sowie beim regelmäßigen partnerschaftlichen und fachlichen Austausch.
Unser Antrag, werte Kolleginnen und Kollegen, ist keine Aufforderung zum Reset, zum völligen Neustart, sondern er soll ein Impuls für eine solide, umfängliche Bestandsaufnahme und einen offenen Austausch aller Verantwortlichen im Hilfeleistungssystem sein, um künftig größeren Herausforderungen einfach besser begegnen zu können. In diesem Sinne bitte ich Sie um Ihre Zustimmung für eine Überweisung in den Innenausschuss.- Vielen Dank.
Danke, Herr Henke. - Ich weise noch einmal darauf hin: Es geht um den Antrag der Fraktion DIE LINKE in der Drs. 8/3604 und um den Alternativantrag der Fraktion der AfD in der Drs. 8/3657. Für die Landesregierung spricht Frau Dr. Zieschang.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Das Jahr 2023 endete damit, dass im Landkreis Mansfeld-Südharz am 30. Dezember aufgrund der Hochwasserlage entlang der Helme der Katastrophenfall festgestellt wer- den musste. Die Deiche entlang der Helme konnten erfolgreich verteidigt werden, sodass am Abend des 12. Januar dieses Jahres der Katastrophenfall aufgehoben werden konnte.
An dieser Stelle möchte ich den Einsatzkräften sehr herzlich für ihr unermüdliches Engagement in einem sehr kräftezehrenden Einsatz danken.
Ich glaube, dass sich viele Einsatzkräfte ihren Jahreswechsel 2023/2024 anders vorgestellt haben. Aber sie waren vor Ort in ihren Dörfern und Orten, um die Deiche entlang der Helme zu verteidigen.
Insgesamt war das für jeden, der das dort vor Ort erlebt hat, wirklich eine beeindruckende Gemeinschaftsleistung, aber auch eine groß- artige solidarische Unterstützungsleistung aus dem ganzen Land, die wir in diesen Wochen zum Jahreswechsel dort unten erleben konnten.
Die Unterstützung für die betroffene Region im Landkreis Mansfeld-Südharz wurde landesweit, insbesondere durch die freiwilligen Feuerwehren, durch viele Bürgerinnen und Bürger, aber auch durch Unternehmer vor Ort unkompliziert und sehr, sehr schnell geleistet. Hinzu kamen dann noch die Einsatzkräfte des Technischen Hilfswerks, der Hilfsorganisationen und schließlich auch die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr.
Auf der erfolgreichen Bewältigung dieses Katastrophenfalls können wir uns keinesfalls aus- ruhen. Allein infolge des Klimawandels ist mit einer engeren Taktfolge von Extremwetterereignissen zu rechnen. Auch das war ein Beweggrund dafür, dass wir Anfang des letzten Jahres eine neue Abteilung Bevölkerungsschutz und Krisenmanagement im Innenministerium aufgebaut haben.
Natürlich, Herr Abg. Henke, ist es wichtig, dass zur Verfügung stehende Kräfte und Mittel für den Katastrophenschutz sowie der jeweilige Aufbaustand bzw. auch der Einsatzwert bekannt sind. Das Ministerium für Inneres und Sport erhebt deshalb bereits seit dem Jahr 1997 jedes Jahr eine periodische Berichterstattung zum Katastrophenschutz. Damit soll der Stand der Vorbereitung der einzelnen unteren Katastrophenschutzbehörden auf die Abwehr von Katastrophen erfasst wer- den.
Unter anderem wird der Stand der Aufstellung von Katastrophenschutzeinheiten erfasst. Um Ihnen ein Beispiel zu nennen: Die personelle Ausstattung der Katastrophenschutzeinheiten wird erfasst. Es werden gemäß dem Aufstellungserlass 4 992 Helfer benötigt. Aber wir wussten anhand der letzten periodischen Berichterstattung, dass im Land mehr als 5 147 Helfer zur Verfügung standen. Ich glaube, das unterstreicht noch einmal das beeindruckende ehrenamtliche Engagement, das wir im Bereich des Katastrophenschutzes erleben.
Punkt 1 des Antrags ist also eigentlich erledigt. Aber ich bin gerne bereit, dem Ausschuss die Zahlen für Ende 2023 zur Verfügung zu stellen. Sie werden immer zum 31. März erhoben. Darüber kann ich gerne im Ausschuss informieren.
Zu Punkt 2 Ihres Antrags vielleicht nur so viel: Wir haben im letzten Jahr erstmals ein Katastrophenschutz-Netzwerk-Treffen initiiert Das wollen wir fortsetzen; schließlich haben wir ein ureigenes Interesse an einem engen Austausch mit allen Akteuren im Katastrophenschutz. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Ministerin. Sie sind auf die beiden Punkte des Antrags der LINKEN eingegangen. Ich finde es ein bisschen schade, dass Sie auf den Alternativantrag nicht eingehen. Aber Herr Henke hat auch die Frage der Gleichstellung der Hilfsorganisationen in puncto Freistellung und Dienstausfall angesprochen und er sagte, es werde hierfür ein Gesetz benötigt. Das fordern auch wir. Dazu interessiert mich, was Ihrerseits im Land dazu geplant ist.
Entschuldigung, Herr Präsident, ich war abgelenkt. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!
Der Einleitungssatz meiner Rede ist natürlich wieder die Hochwasserdemenz, die ich an dieser Stelle sehr häufig erwähne.
Denn kurz nach einer Flutkatastrophe - dieses Mal passt es auch - befürworten viele Flut- geschädigte den Hochwasserschutz; später sind sie wieder dagegen. Die Hochwasserdemenz, fürchte ich, wird demnächst auch im Landkreis Mansfeld-Südharz wieder eintreten.