umfasst Schule gerade in Deutschland mehr als die in der OECD-Studie erfassten Bereiche. Insbesondere möchte ich darauf hinweisen, dass auch Gesellschaftswissenschaften und kulturelle Bildung, all diese Dinge, bei der PISA-Studie und auch bei den anderen Testungen bisher nie eine Rolle gespielt haben.
Andere Länder setzen verstärkt - das ist tatsächlich so -, mehr als wir in Deutschland, auf die sogenannten MINT-Fächer. Auch über diese Strategie gilt es natürlich, zu diskutieren bzw. sie zu hinterfragen.
Die Leistungen der Schüler lagen in Mathematik, in den Lesekompetenzen und in den Naturwissenschaften geringfügig über dem OECDDurchschnitt. Die Durchschnittsergebnisse fielen im Jahr 2022 natürlich schwächer aus als im Jahr 2018. Die Differenz - das ist weniger erfreulich; im Gegenteil: besorgniserregend - zwischen den Durchschnittsergebnissen in den Jahren 2018 und 2022 entspricht in etwa dem typischen Lernfortschritt eines gesamten Schuljahres. Was sind nun nach derzeitigen Analysen die wesentlichen Gründe dafür?
Erstens die Auswirkungen der Coronapandemie. Deutschland hatte besonders lange Zeiträume von Schulschließungen im Vergleich zu den Spitzenländern.
Ich möchte es an dieser Stelle noch einmal sagen: trotz der Warnung aller Bildungsminister in Deutschland und des Appells, die Schulen bitte nicht so lange zuzumachen. Wir brauchen uns nur an den Nordländern zu orientieren, in denen die Schulen bei Weitem nicht so lange geschlossen waren.
Zweitens die Zunahme der Gruppe der Risikoschüler. Die Zusammensetzung der Schülerschaft hat sich verändert. Ein nicht geringer Teil kommt aus einem Umfeld - das ist auch keine gute Analyse -, in dem die Bildungsanstrengungen nicht oder zu wenig unterstützt werden. Insbesondere ist hier das Elternhaus zu nennen. Das spielt eine ganz wesentliche Rolle. Es braucht neben Unterstützungsangeboten - ich nenne nur den Bereich der Ganztagsangebote; alle Länder, die an der Spitze bei der PISA-Studie stehen, haben Ganztagsangebote - auch eine gesellschaftliche Gesamtverantwortung, klare Zuständigkeiten und fördernde Anreize.
Drittens. Der Anteil der Schüler mit Migrationshintergrund ist im Zeitraum von 2012 bis 2022 von 25,8 % auf 38,7 % gestiegen -
deutschlandweit. Die Lernrückstände insbesondere bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund sind besonders eklatant, da ihnen ganz häufig die Grundlagen für einen Bildungserfolg fehlen. Das ist nämlich insbesondere das Beherrschen der deutschen Bildungssprache.
Ausgehend von diesen Befunden und Analysen müssen natürlich auch Maßnahmen folgen. Ich bin sehr froh darüber, dass wir uns vorige Woche in der KMK bereits auf erste Maßnahmen verständigen konnten. Darüber hinaus gibt die PISA-Studie auch wertvolle Hinweise darauf, was andere Länder, die an der Spitze stehen, nicht nur anders, sondern besser machen. Auch hierdurch können wir für unser System An- regungen und Ideen gewinnen. Man geht aber fehl in der Annahme, dass wir all dies eins zu eins in unser System übernehmen könnten, weil die Voraussetzungen jeweils andere sind.
die belegte Finnland einen Spitzenplatz. Massen sind nach Finnland gereist. Das System wurde als Vorbild für uns alle deklariert.
Heute ist Finnland nur noch Mittelmaß. Die Gründe hierfür sind nachvollziehbar. Sie haben mit ähnlichen Problemen zu tun wie wir in Deutschland.
Ich warne also davor, die Ergebnisse überzu- interpretieren. Auch eine Berichterstattung auf Länderebene findet eben nicht statt. Trotzdem müssen wir Lehren aus dem Gesamtergebnis ziehen.
Schauen wir auf die Spitzenreiter, die ostasiatischen Länder. Sie schneiden in den Tests durchweg besser ab. Tatsache ist, dass die Spitzenländer mehr als wir in Bildung investieren - das sage ich ganz bewusst -, mehr finanziell, aber auch mehr ideell. Tatsache ist aber auch, dass z. B. in China keine flächendeckende Teilnahme am Test stattgefunden hat. Kinder von Wanderarbeitern z. B. wurden im Test gar nicht berücksichtigt, sondern es wurden nur punktuelle Regionen herausgesucht, in China z. B. Hongkong.
Singapur als Stadtstaat hat natürlich auch andere Voraussetzungen als wir als Flächenland. Interessant ist insbesondere die ständige Verpflichtung zur Fort- und Weiterbildung der Lehrkräfte. Sie ist dort mit 100 Stunden im Jahr Pflicht.
Interessant ist aber, dass alle diese Länder über ein Ganztagsangebot verfügen und dass sie Sicherheit geben für Eltern und für die Schülerinnen und Schüler.
Was sagen uns diese Beispiele? - Wir sollten uns informieren. Wir sollten uns damit auseinandersetzen und auch Best-Practice-Beispiele übernehmen, aber unter der Berücksichtigung der Gegebenheiten und Voraussetzungen anderer Länder ist das eben nicht alles genuin auf Deutschland und insbesondere auch nicht auf Sachsen-Anhalt übertragbar.
Das alles soll natürlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir dringenden Handlungsbedarf haben. Die Ergebnisse sind tatsächlich besorgniserregend, aber eben auch nicht wirklich überraschend, wenn man die Ergebnisse in einen entsprechenden Kontext einordnet.
Darüber haben wir uns als Länder in der Kultusministerkonferenz, wie gesagt, in der vorigen Woche ausgetauscht. Wir haben uns dazu auch verständigt. Ich kann das Papier gern den Abgeordneten des Bildungsausschusses zur Verfügung stellen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Fast 30 % der Schüler in Deutschland geben an, in Mathematik in den meisten oder in allen Unterrichtsstunden nicht ungestört arbeiten zu können. Fast 40 % gaben an, dass sie der Lehrkraft nicht zuhören bzw. sich im Unterricht langweilen. Wir müssen dafür sorgen, dass Schulen wieder Orte werden, an denen den Lehrkräften in Ruhe zugehört werden kann und in Ruhe gelernt werden kann, ja, auch Wissen vermittelt wird.
Erfolge und gute Schulen finden wir aus- reichend auch in Sachsen-Anhalt. Sie finden aber nur selten in der Öffentlichkeit statt.
Es muss eine Stärkung der Kernfächer und der basalen Kompetenzen stattfinden. Das Prinzip heißt fördern, aber auch fordern.
Wir müssen die Resilienz, die Konzentrations- fähigkeit und die Ausdauer unserer Schüler stärken. Sie müssen selbstständiger werden und Inhalte eigenständig erfassen. Dazu müssen wir sie befähigen.
Die Lehrkräfte müssen wir auf diesem Weg mitnehmen und ebenfalls dazu befähigen, diese Kompetenzen auch vermitteln zu können.
Das gilt nicht nur für das Fach Deutsch, sondern für alle Fächer und alle Lernbereiche. Bereits in der frühkindlichen Bildung spielt das eine ganz zentrale Rolle. Sprachstandserhebungen vor dem Schulbesuch und damit vorschulische Sprachförderung sind nicht nur notwendig, sondern unerlässlich, um einen erfolgreichen Start in der Grundschule zu gewährleisten.
In allen Spitzenländern ist eine verbindliche Vorschule Voraussetzung für den späteren Schulbesuch. Darüber hinaus müssen die Konzepte für den Unterricht in Deutsch als Zweitsprache auf den Prüfstand gestellt werden. Unabhängig davon, dass auch hierbei Fachkräftemangel besteht, sind hierfür nicht allein die Schulen in der Verantwortung, sondern insbesondere - ich betonte es schon - auch die Eltern.
In Familien mit und ohne Migrationshintergrund wird zu wenig gesprochen und auch zu wenig gelesen. Stattdessen werden die Kinder im System Schule - so habe ich es aufgeschrieben - abgegeben, manchmal aber sogar abgekippt. Und dies alles soll die Schule nun leisten, wird von der Schule eingefordert. Das überfordert das System Schule. Das kann die Schule, auch wenn sie es will, allein nicht leisten.
Verantwortlichkeiten müssen klar definiert und auch zugeordnet werden. Es klingt vielleicht banal, aber die Schule ist tatsächlich kein gesellschaftlicher Reparaturbetrieb.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Analysiert man die Erfolge in den Spitzenländern, dann bemerkt man, dass dort bei den Schülern eine intrinsische Motivation besteht, die Schule erfolgreich zu absolvieren,
(Zustimmung bei der CDU - Angela Gorr, CDU: Genau! - Zuruf von der AfD: Das hat et- was mit der Kultur zu tun!)
und das kommt insbesondere aus der Gesellschaft und aus dem Elternhaus. Eine kohärente Gesamtstrategie über ein Bildungsmonitoring, die Durchführung von Tests und Lernstandserhebungen führen natürlich zu evidenzbasierten Schul- und Unterrichtsentwicklungen, und das ist auch notwendig. Das sind die Grundlagen für
eine ausführliche Analyse und für zielgerichtete Maßnahmen, die daraus auch abgeleitet werden müssen.