Jetzt komme ich zu den Seiteneinsteigern. Ich möchte, wenn es darum geht, Lehrkräfte einzustellen, natürlich nach Möglichkeit immer gut ausgebildete Lehrkräfte einstellen, wenn sie da wären. Sie sind aber nicht da, deutschlandweit nicht und im Übrigen auch international nicht. Auch die Länder auf den Spitzenpositionen haben Probleme mit Lehrermangel.
Es ist also nicht so, dass diese Länder ganz oben stehen, weil sie Massen an Lehrern zur Verfügung haben, sondern sie haben eine Vielzahl von Unterstützungssystemen, wo auch pädago-
gisches Personal unterstützend wirkt, weil die Lehrer nicht vorhanden sind. Das ist eigentlich die Crux. Wenn man nicht ausreichend pädagogisch ausgebildete Personen hat, in dem Falle Lehrkräfte, dann muss man auf solche Wege zurückgreifen wie den Seiteneinstieg. Die Lehrkräfte im Seiteneinstieg sind zu einem großen Teil gut. Natürlich gibt es auch einige, denen es nicht gelingt, diesen pädagogischen Ansprüchen gerecht zu werden und das zu bewältigen.
Wir haben ein Auswahlverfahren. Erstens ist eine entsprechende Ausbildung Voraussetzung; das ist klar. Man muss entsprechende Nachweise vorlegen und die Ausbildung muss auch anerkannt sein. Zweitens haben wir Auswahlkommissionen, die sich insbesondere auch die Lehrkräfte im Seiteneinstieg ansehen, mit ihnen Gespräche führen und sie auch darauf testen - dafür gibt es ein Punktesystem -, ob sie für die Schule geeignet sind.
Trotzdem gibt es immer auch einen Teil, der das Auswahlverfahren besteht, aber in der Schule nicht besteht. Das ist ein normaler Vorgang. Es gibt auch ausgebildete Lehrkräfte, die in der Schule nicht bestehen, wenn sie vom Studium kommen. Auch bei diesen gibt es Abbrecher, allerdings ist deren Zahl nicht so groß wie im Bereich der Seiteneinsteiger.
Ihren speziellen Fall können Sie mir gern noch einmal geben. Ich würde mir das gern einmal angucken. Im Detail kann ich zu dieser Person jetzt nichts sagen, aber wir prüfen das seitens des Landesschulamtes immer sehr genau.
Frau Ministerin, meine Frage bezieht sich auf die Sprachstandsfeststellung, die Sie vorhin angesprochen haben. Sie sagten, dass die Kinder, bevor sie in die Schule kommen, sich dieser Sprachstandsfeststellung unterziehen sollten. Meinen Sie damit allgemein alle Schülerinnen und Schüler?
Dann hätte ich eine Frage dazu. Wir hatten schon einmal ein System der Sprachstandsfeststellung im Kinderförderungsgesetz. Das ist damals ohne eine Evaluation wieder herausgenommen worden. Könnten Sie sich vorstellen, dass man ein moderneres, überarbeitetes Modell für die Sprachstandsfeststellung wieder einführen könnte oder sollte?
Denn wir haben nicht nur migrantische Kinder, die Probleme mit der Sprache haben, wir haben auch deutsche Kinder, die Probleme mit der deutschen Sprache haben,
keine Sprachstandsfeststellung im vorschulischen Bereich machen. Das wird mir regelmäßig auch in der KMK vorgeworfen. Da wird gefragt: Warum macht Sachsen-Anhalt das eigentlich nicht? Ich kann das nicht beantworten; das ist nicht meine Zuständigkeit. Ich würde es mir sehr wünschen. Das ist auch zwingend notwendig.
Ich habe in meinem Redebeitrag auch gesagt, man kann nicht alles eins zu eins übertragen. Beschäftigen Sie sich einmal mit den Spitzenländern. Ich habe bewusst die Vorschule angesprochen. Ob das nun Vorschule heißt oder Kindergarten oder wie auch immer, darüber kann man sich streiten. Aber alle Spitzenländer haben ein solches System, in dem man im vorschulischen Alter intensiv gefördert wird. In der Regel kommen die Kinder in die Schule und können schon Lesen, Rechnen und Schreiben. Wir beginnen aus meiner Sicht viel zu spät damit, die Kinder zu fördern. Dafür müssten wir gemeinsam einen Weg finden. Sicherlich sollten wir dann auch mit meiner Kollegin und mit dem Sozialausschuss dazu ins Gespräch kommen, wie man das, wenn man das möchte, gemeinsam bewerkstelligen kann.
Vielen Dank, Frau Ministerin Feußner. Es gibt keine weiteren Fragen. - Wir treten in die Debatte ein. Der erste Redner ist Herr Dr. Tillschneider, der sich jetzt auf den Weg zum Rednerpult begibt.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist ein ermüdendes Ritual: Immer wenn die Ergebnisse einer neuen Schulleistungsuntersuchung veröffentlicht werden und uns das be-
scheinigen, was wir auch ohne Studie wissen, nämlich dass die Leistungen unserer Schüler seit Jahrzehnten immer schlechter werden und mittlerweile auf miserablem Niveau angekommen sind, melden sich Gewerkschaftsfunktionäre, Sozialverbände und Altparteienbildungspolitiker und sondern immer den gleichen Schwall an Kommentaren ab, die mit „bildungsfern“ sehr höflich, aber zugleich treffend charakterisiert sind. Diese Kommentare zeigen nämlich, dass ihre Urheber von einem echten Verständnis dessen, was Bildung bedeutet, meilenweit entfernt sind, mithin bildungsfern.
In der letzten Woche ist nun wieder eine der im dreijährigen Turnus erscheinenden PISA-Studien veröffentlicht worden. Das Ergebnis ist wenig überraschend: Deutsche Schüler sind so schlecht wie noch nie, nur noch knapp über OECD-Durchschnitt, vor allem auf den Feldern Mathematik und Lesen sind die Leistungen eingebrochen. Wir müssen feststellen: Das einst hervorragende deutsche Bildungssystem befindet sich im freien Fall. Und alle Altparteien, die in den letzten Jahrzehnten hier regiert haben, tragen dafür die Verantwortung.
Dann tröstet sich die Ministerin damit, dass doch die Digitalisierung vorangekommen sei. Ich sage Ihnen: Auch ein noch so schnelles Internet schafft keine Bildung. Ob digital oder auf Papier, Buchstaben bleiben Buchstaben, Texte bleiben Texte, Zahlen bleiben Zahlen. Wenn einer auf Papier nicht rechnen kann, dann wird er am Bildschirm nicht besser rechnen können. Es ist lächerlich und kindisch, sich von der Digitalisierung die Lösung unserer Bildungsmisere zu erhoffen.
angeführt - nicht von der Regierung, aber von der Scheinopposition. Der Lehrermangel aber ist keine Ursache, sondern ein Symptom der Bildungskrise. Wir haben keine Bildungskrise, weil Lehrer fehlen, sondern weil wir eine Bildungskrise haben, fehlen Lehrer.
Ich weiß nicht, ob Sie das verstehen. Das eigentliche Problem ist, dass der Unterricht, der stattfindet, immer weniger taugt und die Autorität des Lehrers nichts mehr gilt.
Und dann das Gerede über marode Schulgebäude. Ich will den Bildungsphilosophen Heino Bosselmann zitieren, der dazu in einem seiner letzten Artikel bemerkt hat:
„Wenn […] immerfort beklagt wird, die Schulen wären marode, müsste auffallen, dass noch im späten 20. Jahrhundert in Schulgebäuden, die heute vermutlich gesperrt würden, stabile und anwendungsbereite Befähigungen ausgebildet wurden.“
Sachsen-Anhalts GEW-Chefin fällt nichts Besseres ein als die Behauptung, unser Schulsystem sei ungerecht, weil der Schulerfolg vom sozialen Hintergrund der Eltern abhänge. Ganz ähnlich hat sich jetzt in der Debatte auch Kollege Striegel geäußert. Die schlechten Leistungen sollen also von sozialer Benachteiligung herrühren, weshalb man - so die Gewerkschaftsbossin - Ganztagsschulen brauche, wo die Kinder, ihren deprimierenden Elternhäusern entzogen, von morgens früh bis abends spät in staatlicher Obhut gedeihen und sich zu künftigen PISAHöchstleistungen heraufbilden lassen.
Werte Kollegen! Die Behauptung, der soziale Hintergrund entscheide in Deutschland über den Bildungserfolg, ist nun wirklich eine der dümmsten, der allerdümmsten und schädlichsten bildungspolitischen Allgemeinplätze, die aber zumindest widerspruchslos abgenickt werden. Ich will deshalb einmal etwas ausführlicher darauf eingehen.
Richtig ist: Kinder von Eltern, die selbst keinen Berufsabschluss oder nur einen Berufsabschluss mit niedriger Qualifikation erworben haben, erwerben auch selbst häufiger als andere keinen oder nur einen Berufsabschluss mit niedriger Qualifikation. Der Befund stimmt. Aber weshalb ist das so? Niemand bestreitet, dass Bildungserfolg unter anderem auch von der genetisch determinierten Intelligenz abhängt.
Diese Intelligenz war in den 1950er-Jahren noch gleichmäßiger verteilt als heute. Es gab auch unter einfachen Arbeitern noch relativ viele Personen mit einer Begabung, die sie befähigt hätte, Ingenieur, Arzt oder Rechtsanwalt zu werden; sie wurden es wegen sozialer Barrieren aber nicht. Damals war es tatsächlich so, dass die soziale Herkunft und der Status in hohem Maß über den Bildungsweg mitentschieden haben. Das war falsch; denn über den Bildungserfolg sollte allein die persönliche Bildungsleistung entscheiden, nicht die Herkunft, nicht der Geldbeutel der Eltern, allein Begabung und Fleiß.
Wie aber neuere Forschungen zeigen, hat sich das Bild mittlerweile geändert. Unter Niedrig- und Unqualifizierten und Dauerempfängern von Sozialleistungen sind kaum noch höhere Intelligenzressourcen vorhanden. Was ist geschehen?
- Dazwischen liegen Jahrzehnte, in denen sich eines der besten Bildungsförderungssysteme der Welt auswirken konnte. In den 1970er-, 1980er- und 1990er-Jahren konnte dank Bafög und vergleichbarer Förderinstrumente jeder, der über eine gewisse Grundbegabung verfügte, anspruchsvolle Berufsausbildungen absolvieren und sozial aufsteigen. Zurückgeblieben sind diejenigen, bei denen dies aufgrund mangelnder Begabungsvoraussetzungen nicht der Fall war. In der DDR wurden Arbeiterkinder sowieso privilegiert und hatten mehr Möglichkeiten als andere.
Wir haben jetzt also die Situation, dass durch die Selektionswirkung eines sehr sozialen Bildungsförderungssystems die Intelligenz gewissermaßen abgesaugt wurde. Wollte man in dieser Situation, in der wir uns jetzt befinden, Kinder von Niedrig- und Unqualifizierten mit Gewalt massenhaft zu höheren Berufsabschlüssen verhelfen, wäre das nur möglich, indem man die Maßstäbe absenkt. Aber das würde zu einem weiteren Verfall des Leistungsniveaus führen. Das wäre Öl ins Feuer. Das wäre keine Lösung, sondern eine Verschärfung des Problems. Dazu sagt die AfD-Fraktion ganz klar: Nein!
Bildungserfolg ist das Produkt aus Begabung und Fleiß. Wir haben über Begabung gesprochen. Sprechen wir nun über Fleiß. China ist bei allen PISA-Tests schon seit geraumer Zeit Spitzenreiter, weit vor dem stetig zurückfallenden Deutschland. Dabei liegt der Durchschnitts-IQ in China mit 104 nur vier Punkte über dem Durchschnitts-IQ in Deutschland, der zurzeit bei etwa 100 rangiert. Dass die chinesischen Schüler bei Vergleichstests so viel besser als die Deutschen abschneiden, liegt zu einem gewissen Anteil sicherlich auch an dem etwas höheren Durchschnitts-IQ der Chinesen. Zum weitaus größeren Teil aber dürfte es daran liegen, dass an chinesi-
schen Schulen eine andere Leistungsmentalität herrscht, dass dort mehr Disziplin herrscht, dass die Schüler besser erzogen werden, dass sie gewissenhafter und fleißiger sind und härter an sich arbeiten.
In Deutschland gilt es mittlerweile als chic, schlecht in der Schule zu sein. Schüler kokettieren damit, Mathenieten zu sein und mit Minimalaufwand gerade so ihre Prüfung hinter sich zu bringen. Lebensmotto: Ja nicht mehr tun als unbedingt nötig. In China wäre ein solches Verhalten sozial verpönt, würde als Schande gelten.
Die kulturellen Unterschiede zu China sind enorm, und vieles, das dort üblich ist, lässt sich nicht übertragen und soll auch nicht auf Deutschland übertragen werden. Aber ich finde, in puncto Leistungsbereitschaft, können wir uns eine kleine Scheibe von China abschneiden.