Protocol of the Session on September 7, 2023

Wenn wir heute über dieses Gesetz debattieren, dann bitte ich Sie, nicht nur die technischen Details zu betrachten. Schauen Sie auf das große Ganze. Erkennen Sie, dass wir hier nicht nur über Zahlen sprechen, sondern über die Zukunft unseres schönen Bundeslandes. Ich appelliere an Sie: Nehmen Sie diese erste Beratung als Chance, wirklich etwas zu verändern. Lassen Sie uns nicht nur an den Symptomen herumdoktern, sondern die Ursachen angehen. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Scharfenort. - Ich rufe als nächsten Redner Herrn Erben für die SPD-Fraktion auf.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Präsidentin, Sie haben soeben richtigerweise darauf hingewiesen, dass es um einen sehr komplexen Sachverhalt geht. Des- wegen will ich mich nur auf wenige Punkte der umfänglichen Einbringungsrede des Herrn Ministers konzentrieren.

Das Positive vorweg: Es sind 248 Millionen € mehr als Finanzausgleichsmasse zu verteilen.

Doch ich will mich auf den horizontalen Finanzausgleich fokussieren. Wir haben die Feststellung, dass wir selbigen überprüfen wollen, und das im Koalitionsvertrag auch so vereinbart. Wir haben aber nicht vereinbart, dass wir all das eins zu eins umsetzen, was ein Wissenschaftler uns aufschreibt, ohne dass wir wissen, was es konkret bedeutet.

Deswegen sage ich auch: Wir können erst ernsthaft und sachgerecht über diesen Gesetzentwurf beraten, wenn wir für jede einzelne Gemeinde in Sachsen-Anhalt wissen, was sie mit einer Finanzausgleichsmasse von knapp mehr 2 Milliarden € nach der aktuellen Rechtslage hätte und was sie mit der zukünftigen Rechtslage bekommen würde.

(Zustimmung von Dr. Falko Grube, SPD, von Dr. Katja Pähle, SPD, und von Olaf Meister, GRÜNE)

Wenn wir uns die Zahlen für das Jahr 2022 anschauen und auf der einen Seite die Feststellung haben, dass es unbestritten nur eine verhältnismäßig geringe Umverteilung im System gibt, und auf der anderen Seite wenige Gemeinden quasi diese gesamte Umverteilung durch eine Umstellung der Finanzkraftumlage bezahlen sollen, dann stehen wir doch vor erheblichen Problemen. Ich will die Gemeinden nennen. Es sind Leuna, Lützen, Kabelsketal, Sülzetal und Barleben; das sind die Gemeinden.

Wir wollen die Auswirkungen auf die Kreisumlagen in den betroffenen Gemeinden genau wissen. Denn die Umstellung - das ist ein Detail, das heute noch nicht erwähnt worden ist - führt auch dazu, dass die Bemessungsgrundlagen für die jeweiligen Landkreise geschmälert werden.

Das hat auch massive Auswirkungen im Bördekreis, im Saalekreis und im Burgenlandkreis. Auch das können wir erst seriös bewerten, wenn uns die Modellberechnungen für das Jahr 2024 vorliegen.

Wir müssen sehr genau prüfen, ob es wirklich sachgerecht ist, dass keine Veredlung über die Verbandsgemeinden für die Mitgliedsgemeinden der Verbandsgemeinden stattfindet. Ich will daran erinnern, dass es damals vor allem - das liegt zugegebenermaßen einige Legislaturperioden zurück - ein großer Wunsch der CDUFraktion war, dass die Mitgliedsgemeinden von Verbandsgemeinden nicht schlechter gestellt werden als die Einheitsgemeinden. Wenn ich das richtig in Erinnerung habe, dann war Siegfried Borgwardt damals einer der Vorreiter bei dieser Forderung. Auch darüber müssen wir reden.

Ich will auf einen letzten Punkt hinweisen, was die Mittelzentren betrifft. Es ist der überraschende Effekt eingetreten, mit dem ich zugegebenermaßen auch nicht gerechnet hätte, dass nämlich der Gutachter zum Ergebnis kommt, dass die Veredelung der Einwohner der Mittelzentren nicht zu hoch, sondern sogar zu niedrig ist. Das müssen wir betrachten.

Ich nehme dafür wieder den Burgenlandkreis als Beispiel. Der Burgenlandkreis hat drei große Mittelzentren: Weißenfels, Naumburg, Zeitz; entsprechend der Reihenfolge nach Einwohnerzahlen. Wenn man die Einwohnerveredlung für die Mitgliedsgemeinden von Verbandsgemeinden, vier an der Zahl, im Burgenlandkreis aufhebt, dann erkennt man, wer in dem kleinen Landkreis diese Umverteilung bezahlen muss. Kleine Gemeinden würden noch schlechter gestellt, aber der Einwohner in einem abgelegenen Dorf 15 km vom Stadtzentrum eines Mittelzentrums entfernt, würde plötzlich veredelt.

Deswegen ist mein Appell, uns ab Oktober, wenn die Zahlen vorliegen, sehr intensiv über diesen Fragen auszutauschen. Denn ich glaube, es gibt einen erheblichen Erörterungsbedarf.

Ein allerletzter Punkt. Es wird auch nach den jetzigen Berechnungen - ich vertraue einmal auf die vorliegenden Berechnungen für das Jahr 2022 - die Stadt Oebisfelde-Weferlingen betreffen. Die Stadt Oebisfelde-Weferlingen befindet sich nach meiner Kenntnis seit 2014 in der Haushaltskonsolidierung.

Mit der Umstellung des horizontalen Finanzausgleichs würde die Gemeinde Oebisfelde- Weferlingen 14 % ihrer Zuweisungen verlieren, weil sie kein Mittelzentrum ist. Es gibt sicherlich Verschiebungen auch auf der Grundlage der Ansätze U 6 oder U 10. Wir treiben eine Gemeinde noch weiter in die Konsolidierung, wenn sie, mit dem Ziel, die Schwachen besser zu stellen, 14 % der Schlüsselzuweisungen ab- geben muss. - Herzlichen Dank. Ich glaube, ich habe genügend Anregungen für Diskussionen in den nächsten Monaten geboten.

(Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Erben. - Es folgt Herr Andreas Henke für die Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Solange ich als Kommunalpolitiker zurückdenken kann - das sind mittlerweile mehr als 33 Jahre -, wird über die Höhe der

Kommunalfinanzen gestritten. Für die eine Seite ist es nie genug, für die andere Seite ist es mehr als ausreichend.

(Zuruf von Guido Heuer, CDU)

Ein Beleg für die ersteren sind die unausgeglichen 23er-Haushalte fast aller Landkreise im Land. Exemplarisch dafür steht die Klage des Landrates Markus Bauer aus dem Salzlandkreis. Gestern Abend hatten wir eine Sitzung des Kreistags im Landkreis Harz und haben die Nachtragshaushaltssatzung beschlossen. Es sind 10 Millionen € Defizit für dieses Jahr. Im Landkreis Mansfeld-Südharz sind es etwa 20 Millionen € in diesem Jahr. Für das nächste Jahr haben sie sogar 25 Millionen € Defizit prognostiziert.

Die kommunalen Betriebe im Landkreis Harz und die öffentlichen Kliniken haben Defizite. Die Verkehrsbetriebe haben ein Defizit. Der Eigenbetrieb Kreismusikschule hat ein Defizit und muss jetzt konsolidieren. Das heißt, er muss Personal abbauen und Gebühren er- höhen. Das ist alles nicht mehr lustig.

Da ist es auch wenig hilfreich, darauf hinzu- weisen, dass sich die Landkreise doch über eine höhere Kreisumlage besserstellen können. Zum einen sind die Kommunen in einer genauso schlechten Lage wie die Landkreise, überwiegend zumindest. Zum anderen ist es schwer vermittelbar in Richtung der ehrenamtlichen Kommunalpolitiker und erst recht in Richtung der Menschen des Landes.

Trotz aller Kritik am vorherigen Deubel-Gutachten, werte Kolleginnen und Kollegen, hatte der Verfasser festgestellt, dass die Finanzmittel der Städte und Gemeinde unzureichend waren. Viel geändert hat sich an dieser Situation bis

heute nichts. Nun soll nach Vorstellungen der Koalition und der Landesregierung ein Gutachten in zwei Schritten klären, ob erstens die Verteilung der Landesmittel gerecht erfolgt und ob zweitens, sofern alle kommunalen Jahresabschlüsse vorliegen, die Zuweisungen insgesamt doch ausreichend sind.

Zum Letzteren hat der Landesrechnungshof bereits im Jahr 2021 kritisch angemerkt, es sei doch genug Geld im System, und davor gewarnt, den Kommunen noch mehr Geld zu geben. Wenn es so ist, dass tatsächlich genug Geld im System ist, dann ist es offensichtlich nicht an der richtigen Stelle.

(Beifall bei der LINKEN)

Mit anderen Worten: Die Kommunen bleiben in einer chronischen strukturellen Schieflage. Sie hangeln sich weiter von einer Haushaltskonsolidierung zur anderen. Sie können kaum noch Fördermittel für notwendige, dringende Investitionen zum Einsatz bringen, weil sie in ihren Haushalten noch nicht einmal die Eigenmittel sicherstellen können. Wie sollen sie an der Stelle erst die großen transformatorischen Aufgaben Klimaschutz, Mobilität,

Wärme-, Energiewende, Flüchtlingskrise etc. bewältigen?

Das Fatale: Ein besonderer Spardruck - das habe ich gerade im Hinblick auf die Kreismusikschule gesagt - schwebt immer über den kulturellen und den sozialen Daseinsvorsorgeaufgaben. In dem Bewusstsein, dass unser Land auch nur so stark und so resilient sein kann, wie es die Kommunen dieses Landes sind, hat die Landesregierung aber immerhin ins Auge gefasst, dass die Kommunen in der Tat mehr Geld brauchen. Das ist anzuerkennen. Zum dritten Mal wird

die Finanzausgleichsmasse steigen, aber - auch das müssen wir feststellen - auch wenn ich versuche, den Mangel gerechter zu verteilen, bleibt es trotzdem ein Mangel.

(Beifall bei der LINKEN)

In diesem Sinne muss es gelingen, zeitnah das zweite Gutachten folgen und in diesem Rahmen bewerten zu lassen: a) Reicht das Geld, das wir den Kommunen zur Verfügung stellen, in der Tat? b) Brauchen wir noch einen großen Nachschlag für die Kommunen, damit sie durch die schweren Zeiten kommen? - Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Henke, vielen Dank. Es gibt eine Frage von Herrn Kosmehl, wenn Sie sie zulassen, und eine Intervention von Herrn Scharfenort. - Bitte, Herr Kosmehl.

Vielen Dank, Herr Kollege. Ich will mich gar nicht mit Ihnen zum Thema Mangelverwaltung auseinandersetzen. An dieser Stelle haben Sie vielleicht mehr Erfahrung.

(Ulrich Siegmund, AfD, lacht)

Sie haben den Rechnungshof zitiert, der gesagt hat: Eigentlich ist genügend Geld im System. Dann stellt sich doch die Frage, ob wir es falsch verteilen. Ich habe von Ihnen in Ihrer Rede nichts gehört, wie sich die Linksfraktion zur Verteilung zwischen den kommunalen Gruppen

positioniert. Sie reden immer davon, dass die Kommunen zu wenig Geld haben. Wir stellen fest, dass es an einigen Stellen vielleicht ein bisschen mehr gibt. Sie haben aber auch gesagt, dass es nicht gerecht verteilt ist. Wie stellen Sie sich das denn vor? Wo würden Sie den Hebel ansetzen?

Den Hebel setzen wir zunächst an, um überhaupt erst einmal mehr Geld in das System zu bekommen. Wenn die Decke zu kurz ist, dann nützt es doch gar nichts, sie in die eine oder in die andere Richtung zu ziehen. Wenn nicht mehr Geld im Finanzausgleichssystem ist, dann brauchen wir über die Verteilung nicht zu reden.

(Ulrich Siegmund, AfD: Woher kommt das Geld?)

Herr Kosmehl hat noch eine Nachfrage, aber es ist eine Dreiminutendebatte.

Eine kurze Nachfrage. - Nennen Sie einmal einen Betrag.

(Eva von Angern, DIE LINKE: Das hat er doch schon gesagt!)

Was wollen Sie? Der Minister hat ja die Erhöhungen in den letzten Jahren, die auch Sie anerkannt haben, dargestellt.

In einem ersten Schritt sollten es zusätzliche Mittel in Höhe von 500 Millionen € sein.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Jetzt kommt Herr Scharfenort mit der Intervention.

Herr Henke, ich teile größtenteils Ihre Analyse, aber das Dilemma, dass sowohl der Landeshaushalt als auch die kommunalen Haushalte letztendlich klamm sind, können wir auch damit nicht lösen. Sie haben die Probleme, z. B. die Transformation, angesprochen - das ist noch nicht einmal abgebildet -, welche enorm viel Geld kosten werden. Ein weiteres Problem ist die Migration. Dieses Dilemma werden wir weder hier im Landeshaushalt noch bei den Kommunen auflösen können. An dieser Stelle müssen wir die Probleme strukturell angehen und diese endlich lösen, sonst werden wir weiter ins Minus laufen, und zwar sowohl im Landeshaushalt als auch bei den Kommunen. Daran führt kein Weg vorbei.