Protocol of the Session on June 29, 2023

man muss hier etwas

(Marco Tullner, CDU: Ruhe!)

mehr Ruhe im Saal haben, damit man Sie überhaupt verstehen kann.

Ich möchte auch auf Folgendes hinweisen: In der Frauenhaus-Finanzierungsrichtlinie ist die Voraussetzung für den Erhalt des Geldes eine hohe Fachlichkeit bei den Mitarbeiterinnen. Wir reden hierbei über Hochschulabschlüsse. Wir reden also über Hochschulabsolventinnen, die - das steht nicht in ihren Stellenbeschreibungen, sie tun es dennoch - sich regelmäßig um die Gemeinschaftsräume kümmern. Darüber reden wir. Wir reden über die Gemeinschaftsräume und nicht über die individuell genutzten Räume der Frauen und der Kinder.

(Daniel Rausch, AfD: Die können sie doch selbst putzen! Das kann doch wohl nicht wahr sein! - Kathrin Tarricone, FDP: Haben Sie irgendwas nicht verstanden? Es geht um die Gemeinschaftsräume! - Daniel Rausch, AfD: Na und? Die können doch die Küche und das Klo putzen! - Unruhe)

Und, meine Damen und Herren, Sie haben jetzt leider nichts dazu gesagt,

(Unruhe bei der AfD)

aber wir haben einen Änderungsantrag gestellt. Ich hoffe, dass Sie sich erweichen können, auch diesem zuzustimmen. Selbstverständlich denkt man bei dem Begriff Frauenschutzhäuser nicht sofort an die Interventionsstellen. Aber die Interventionsstellen arbeiten wahrscheinlich noch stärker im Verborgenen. Sie sind hier im Zusammenhang mit dem Femizid in Bad Lauchstädt am 8. März dieses Jahres thematisiert worden.

Es ist gerade diese Interventionsstelle in Halle, die nicht nur für Halle, sondern für den Saale

kreis, für den Burgenlandkreis und für den Landkreis Mansfeld-Südharz mit zwei Frauen arbeitet. Sie hat im Monat nicht mehr nur 80 Fälle, sondern bis zu 130. Sie schaffen es derzeit nicht, zeitnah aufsuchende Beratungsmöglichkeiten anzubieten. Sie beraten in dem betroffenen Landkreis, im Saalekreis, per Telefon. Auch eine telefonische Beratung ist bei diesem Thema unendlich schwierig; denn dazu gehört natürlich auch Vertrauen, dazu gehört auch die Frage, wohin die Frauen danach gehen - ins Frauenschutzhaus, in die Frauenberatungsstelle, zum Anwalt etc. Das müssen sie gerade alles telefonisch machen.

Ich bitte Sie wirklich herzlich: Denken Sie darüber nach, geben Sie sich einen Ruck. Es funktioniert so nicht. Wir alle können froh sein, dass diese Fälle inzwischen im Hellfeld sind; denn das sind keine neuen Fälle. Das sind keine Fälle, die auf einmal wachsen, nach dem Motto: Nachahmungstäter. Die waren vorher schon da. Und diese Frauen brauchen nicht nur Schutz, sie brauchen auch Beratung dazu, wie man ihnen helfen kann.

Deswegen bitte ich Sie, herzlich darüber nachzudenken, wie Sie auch dieses Thema aufgreifen können und wie Sie auch dort mehr Personal und mehr sächliche Mittel zur Verfügung stellen können. - Ich danke Ihnen für Ihr Zuhören.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau von Angern. - Es folgt als nächste Rednerin Frau Pasbrig.

Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Die Zahlen erschüttern und sie

rütteln wach. Wir haben sie heute hier schon mehrfach gehört. Aber wir hatten schon die Statistik von 2022 und die Statistik von 2020. Ich habe hier die Zahlen für das Jahr 2021 aufgeschrieben bekommen. Sie unterscheiden sich nicht großartig, aber es schadet offensichtlich nicht, sie immer wieder zu nennen.

Jede vierte Frau, egal welchen Alters, welcher sozialen Herkunft oder ethnischen Zugehörigkeit, wird einmal in ihrem Leben von ihrem Partner oder Ex-Partner im häuslichen Umfeld körperlich misshandelt. Das ist eine furchtbare Zahl.

(Zustimmung bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Im Jahr 2021 sind 113 Frauen aufgrund von Gewalt durch ihre früheren Partner verstorben. Das heißt: An jedem dritten Tag stirbt eine Frau durch Gewalt ihres Partners oder ihres Ex-Partners. Darunter sind viele Frauen, die eben nicht rechtzeitig in eine geschützte Umgebung flüchten konnten.

Im Jahr 2021 gaben mehr als 143 000 Frauen an, Opfer von häuslicher oder partnerschaftlicher Gewalt gewesen zu sein. Im letzten Jahr wurden 7 329 Personen Opfer von körperlicher, sexueller oder psychischer Gewalt in Partnerschaft oder Familie. Das ist ein besorgniserregender Anstieg um 9,6 % gegenüber dem Vorjahr. 70 % der Betroffenen sind Mädchen und Frauen. Und das, meine Damen und Herren, sind nur die Zahlen, die zur Anzeige gebracht wurden. Die Dunkelziffer dürfte weitaus höher liegen.

Häusliche Gewalt hat viele Gesichter und beginnt meist mit verbalen Herabsetzungen und Beleidigungen, emotionalen Ausbrüchen, Beschädigung von Eigentum, Bedrohung oder Androhung von körperlicher Gewalt, Kontaktunterbindung, Beeinträchtigung der eigenen Be-

wegungsfreiheit oder Verboten, das Haus oder die Wohnung zu verlassen, Kontrolle der Kommunikation und der eigenen Angelegenheiten bis hin zu körperlichen und sexuellen Über- griffen oder auch Belästigungen und Stalking.

Dass Frauen und oft auch Kinder Gewalt zu Hause erfahren, ist besonders erschütternd; denn die eigene Wohnung oder das eigene Haus sollten ein Ort der Geborgenheit, des Rückzugs und des Schutzes sein. Hinzu kommt, dass Gewalt von einem Menschen ausgeht, der Vertrauen genießt, der geliebt wird und dem man nicht räumlich ausweichen kann. Es sind in der überwiegenden Anzahl männliche Personen, die Gewalt gegen Frauen und Kinder ausüben.

(Zustimmung bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Wenn betroffene Frauen es schaffen, sich vom gewalttätigen Partner zu lösen und den schweren Schritt zu gehen, das eigene Zuhause zu verlassen und Schutz zu suchen, finden sie diesen in den Frauenhäusern. Wir haben in SachsenAnhalt 19 Frauenhäuser mit 121 Plätzen, die unterschiedlich groß sind. Sie stehen betroffenen Frauen und ihren Kindern rund um die Uhr und das ganze Jahr über zur Verfügung. Die Frauenhäuser sind Schutzhäuser. Sie bieten Frauen und Kindern kurz- oder längerfristig Unterkunft und Schutz vor Gewalt.

In den Häusern arbeiten ausgebildete Sozialpädagoginnen, die unterstützen und beraten. Jede von Gewalt betroffene Frau benötigt in dieser extrem belastenden Situation alle Unterstützung. Die Frauen und Kinder bekommen in den Frauenhäusern eine stabilisierende, sichere und angstfreie Umgebung, um für sich und ihre Kinder einen Weg in ein gewaltfreies und selbstbestimmtes Leben zu finden. Jede dieser Frauen hat es verdient, ein gewaltfreies Leben zu führen.

(Zustimmung bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Die Koalitionspartner haben Folgendes vereinbart: Wir werden die bestehenden Strukturen als wohnortnahe Unterstützungsangebote

stärken, bedarfsgerecht ausbauen und institu- tionell fördern. Hierzu werden wir die Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung der inhaltlichen Arbeit in den Frauenhäusern und deren ambulanten Beratungsstellen anpassen.

Das, meine Damen und Herren, wird Schritt für Schritt seit dem Beginn der Legislaturperiode umgesetzt. Bereits im letzten Jahr erfolgten die tarifgerechte Bezahlung der Kolleginnen in den Häusern und die Erhöhung der Mittel für Dolmetscherleistungen. Die ambulanten Beratungsstellen wie Vera - Fachstelle gegen Frauenhandel und Zwangsverheiratung -, aber auch die Arbeit der Liko, der Landeskoordinierung der zivilgesellschaftlichen Akteurinnen zur Umsetzung der Istanbul-Konvention, wurden gestärkt.

Den nächsten Schritt vollziehen wir mit diesem Antrag, mit dem wir den Frauenhäusern zusätzliche Mittel für die Hauswirtschafterinnen und für das Gebäudemanagement zur Verfügung stellen wollen. Denn bisher haben diese Arbeiten, etwa das Herrichten der Räume, die Reinigung und Pflege des Inventars sowie kleinere Reparaturen etc., die Sozialpädagoginnen quasi nebenbei erledigt. Das war und ist Arbeitszeit, die für Beratung und Unterstützung der betroffenen Frauen fehlt. Das sind Arbeiten, die eigentlich auch nicht ihr Job sind.

Daher soll es zusätzliches Personal für den Hauswirtschaftsbereich geben, damit sich die Sozialarbeiterinnen auf das konzentrieren können,

was sie am besten können: beraten, unterstützen und begleiten.

Frau Pasbrig, kommen Sie bitte zum Ende.

Dieser Vorgriff auf den kommenden Haushalt und die Haushaltsverhandlungen ist dringend notwendig. Ich bitte deswegen um Ihre Zustimmung zum Antrag. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)

Einen Augenblick, Frau Pasbrig. Es gibt eine Frage, wenn Sie die zulassen, und zwar von Frau von Angern.

Bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Liebe Frau Kollegin Pasbrig, Sie haben jetzt nicht genug Zeit gehabt. Deswegen räume ich sie Ihnen durch meine Nachfrage ein. Wie gehen Sie denn mit unserem Änderungsantrag um? Ich habe ihn begründet und habe deutlich gemacht: Die Zahl der Klientinnen ist von 80 im Monat auf 130 im Monat gestiegen, bei den Personalstellen in der

Interventionsstelle für häusliche Gewalt und Stalking in Halle ist es aber bei zwei geblieben. Wie gehen Sie damit um? Wie werden Sie dabei aktiv werden?

Liebe Frau von Angern, ich bin an dieser Stelle ganz ehrlich: Mein Zitat aus dem Koalitionsvertrag beinhaltete auch die Stärkung der Interventionsstellen. Das steht im Koalitionsvertrag, und ich gehe ganz stark davon aus, dass das so kommt. Unser heutiger Antrag bezieht sich aber, wie Herr Pott schon sagte, auf die Hauswirtschafterinnen und deren Finanzierung. Das ist der nächste Step, den wir uns vorgenommen haben. Seit dem Beginn der Legislaturperiode stärken wir die Frauenhäuser schrittweise. Wie gesagt, lassen Sie uns in diesem Schritt die Hauswirtschafterinnen beschließen. Ich bin mir ganz sicher - mit Verweis auf den Koalitionsvertrag -, dass die Fachpolitikerinnen sich die Interven- tionsstellen als Nächstes vornehmen werden. - So viel heute dazu.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Frau Pasbrig. - Es folgt als nächste Rednerin Frau Sziborra-Seidlitz.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! An jedem dritten Tag - Frau Pasbrig hat es gerade schon gesagt - wird eine Frau in der Bundesrepublik Deutschland Opfer

eines Femizids. Dass das nicht nur eine Zahl ist, sondern bittere Realität, hat uns allen nicht zuletzt der Femizid in Bad Lauchstädt ausgerechnet am Internationalen Frauentag dieses Jahres noch einmal deutlich vor Augen geführt. Nicht selten mussten genau diese Frauen, die getötet wurden, zuvor jahrelang häusliche Gewalt er- tragen.

Gewalt gegen Frauen ist ein ernst zu nehmendes Problem in unserer Gesellschaft. Wir als Land stehen in der Verantwortung dafür, alle Frauen vor Gewalt zu schützen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Zustimmung bei der SPD - Markus Kurze, CDU, Tobias Rausch, AfD, Stefan Gebhardt, DIE LINKE, unterhalten sich mit Guido Kosmehl, FDP, vor dessen Platz)

Meine Herren Parlamentarischen Geschäfts- führer! Wir haben heute schon mehrmals darüber gesprochen: Führen Sie Gespräche bitte draußen.

Frauenhäuser sind wichtige Hilfsmittel und Schutzorte für Frauen vor Gewalt. Deswegen ist dieser Antrag der Koalitionsfraktionen wirklich sinnvoll, der diese so wichtige Arbeit der Frauenschutzhäuser unterstützt. Denn Hauswirtschafterinnen sind eine wichtige Hilfe bei der alltäglichen Arbeit der Frauenhäuser; sie entlasten die Sozialpädagoginnen und sorgen dafür, dass sich diese auf die Arbeit mit den Frauen in der Unterkunft konzentrieren können.

Wir Bündnisgrünen unterstützen das Anliegen, jedem Frauenhaus eigene Hauswirtschafterinnen zur Verfügung zu stellen, vollumfänglich. Es gibt aber noch so viel mehr Baustellen, an denen wir arbeiten müssen, um Frauen besser vor Gewalt zu schützen.

Bleiben wir erst einmal bei den Frauenhäusern. Es ist nicht nachvollziehbar, dass Frauen in Notsituationen ca. 20 € pro Tag für ihre Unterbringung selbst bezahlen müssen, und noch weitere 8 € für jedes Kind, das sie in die Unterkunft mitbringen. Es darf keine finanziellen Hürden geben, die Frauen in Not davon abhalten, Schutz vor Gewalt zu suchen.