Protocol of the Session on June 29, 2023

In Bezug auf den Linksextremismus müssen wir sagen: Das Land Sachsen-Anhalt ist keine Schwerpunktregion. Weder Halle noch Magdeburg können im bundesweiten Maßstab als Szenehochburgen bezeichnet werden, wie man sie bspw. in Leipzig oder Berlin findet. Gleichwohl agiert in unserem Bundesland eine Vielzahl linksextremistischer Gruppierungen, die teilweise Gewalt anwenden, insbesondere gegen politische Gegner, die der rechtsextremistischen Szene zugerechnet werden.

Sowohl in unserem Verfassungsschutzbericht als auch in dem des Bundes wird auf die gewaltbereite linksextremistische Gruppierung um Lina E. eingegangen. Die Ermittlungen im Zusammenhang mit Lina E. wurden von der sächsischen Polizei geführt; daher kann ich dazu auch keine Angaben machen.

Für den sogenannten Tag X, auf den schon Bezug genommen worden ist, mobilisierte die gewaltorientierte linksextremistische Szene bundesweit zu Protesten. Diese Reaktion auf ein in einem geordneten rechtsstaatlichen Strafverfahren gefasstes Urteil macht das Gewaltpotenzial innerhalb des Linksextremismus deutlich. Betroffen von dieser Gewalt, insbesondere im Zusammenhang mit den verschiedenen Versammlungen in Leipzig, waren die dort eingesetzten Polizeivollzugsbeamten. Die Kolleginnen und Kollegen wurden massiv mit Steinen und Pyrotechnik angegriffen.

Im Land Sachsen-Anhalt wurden bisher landesweit sechs Sachbeschädigungen polizeilich bekannt, die nach den bisher vorliegenden Er-

kenntnissen im Zusammenhang mit der Urteilsverkündung gegen Lina E. stehen. Hinsichtlich des Branddelikts an Kraftfahrzeugen am 1. Juni bei einem Autohaus in Halle dauern die Ermittlungen an. Es wird weiterhin geprüft, ob diese Tat in einem Zusammenhang mit der Urteilsverkündung in Sachsen steht.

Auch im Zusammenhang mit der linksextremistischen Gruppierung um Lina E. stehen die Sicherheitsbehörden des Landes Sachsen-Anhalt mit allen Sicherheitsbehörden in einem engen Austausch. Auch bei der Innenministerkonferenz war diese ein Thema; denn es muss bei dieser Gruppierung eine weitere Steigerung des Gewaltpotenzials einkalkuliert werden. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Dr. Zieschang, für die Ausführungen. - Der erste Redner ist Herr Dr. Grube für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Hohes Haus! Das Urteil des Oberlandesgerichtes Dresden ist sehr deutlich: fünf Jahre und drei Monate Haft für die Rädelsführerin einer gewalttätigen linksextremen Gruppierung, zwei bis drei Jahre Haft für die mitbeteiligten Männer.

Das Gericht hat damit sehr deutlich gemacht, dass der demokratische Rechtsstaat gewalt- tätige Angriffe auf Andersdenkende - gleich welcher Richtung - nicht duldet.

(Beifall bei der SPD)

Es liegt eben nicht den Händen von Vigilanten, ob eine Person wegen Rechtsextremismus verfolgt wird, schon gar nicht indem dabei Angriffe auf die körperliche Unversehrtheit stattfinden. Das Gewaltmonopol, meine Damen und Herren, hat der Staat inne.

(Zustimmung von Angela Gorr, CDU)

Die Untersuchung und die Entscheidung darüber, wer Extremist ist und wer nicht, liegt bei der Polizei, bei der Justiz und beim Verfassungsschutz und bei niemand anderem. Rechtsstaat und Selbstjustiz gehören nicht zusammen - in diesem Fall nicht und in anderen Fällen auch nicht.

(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU und von Guido Kosmehl, FDP)

Damit könnte man die Debatte eigentlich Debatte sein lassen, denn der Rechtsstaat hat seine Pflicht getan - vollumfänglich.

Aber das will die AfD-Fraktion mit ihrem Antrag ja nicht bezwecken. Sie will, dass der Landtag im Ergebnis feststellt, dass das Land Sachsen-Anhalt durchzogen sei von gewalttätigen links- extremistischen Strukturen und dass die Landesregierung mehr dagegen unternehmen müsse.

Dann schauen wir einmal zu den Fakten. Vor einigen Tagen wurde der Verfassungsschutzbericht für 2022 - die Ministerin hat es angesprochen - vorgestellt. Wir stellen fest: Die Zahl gewalttätiger Übergriffe von Linksextremen im Land Sachsen-Anhalt ging im letzten Jahr deutlich zurück. Der Befund ist einfach: Die Szene ist schwach und zerstritten. Das soll die Taten nicht negieren - das kann es auch nicht -, aber es zeigt, dass das Thema hier in großen Teilen aufgebauscht wird.

Was spannend ist, ist, dass die AfD-Fraktion auf einmal ihr Herz für den Verfassungsschutz entdeckt.

(Lachen und Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Sie führen den Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz Thomas Haldenwang als Kronzeugen in Ihrer Antragsbegründung auf. Wenn hier auf einmal so viel Vertrauen in seine Einschätzung gelegt wird - die wir im Übrigen teilen und auch nie angezweifelt haben -, dann sollte sich die AfD-Fraktion doch auch bei anderen Einschätzungen des Verfassungsschutzes Sorgen machen, über das rechtsextreme Institut für Staatspolitik etwa, dessen Unterstützer sich auch in den Reihen Ihrer Fraktion finden, über die 10 000 AfD-Mitglieder, die als rechtsextremistisch bewertet werden, über den Nazi im Wehrmachts-T-Shirt,

(Frank Otto Lizureck, AfD: Das ist ja lächer- lich!)

der in Sonneberg in der Kita Ihre AfD-Ballons verteilt hat

(Beifall bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN - Zuruf von der AfD: Das war doch einer vom Verfassungsschutz! - Marg- ret Wendt, AfD: Das Interesse an Kindern ist bei anderen Parteien größer! - Weitere Zu- rufe von der AfD)

oder über die Tatsache, dass in Sachsen-Anhalt doppelt so viele Rechts- wie Linksextremisten aktiv sind. Wenn die AfD-Fraktion irgendwann einmal so weit ist, auch das als Problem anzuerkennen und nicht klein zu reden, dann können wir gerne weiterreden.

Der demokratische Rechtsstaat ist bereits sehr effektiv bei der Bekämpfung des Linksextremis-

mus. Die Szene hat in Sachsen-Anhalt erheblich an Bedeutung verloren. Ihr Antrag zündet dementsprechend nur Nebelkerzen. Wir als Koalition lehnen ihn daher ab.

(Zustimmung bei der SPD - Zuruf von Frank Otto Lizureck, AfD)

Vielen Dank, Herr Dr. Grube. - Es folgt Frau Quade als Rednerin für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich könnte mich in dieser Rede am Offensichtlichen des Antrages abarbeiten, ähnlich wie es Herr Grube getan hat. Ich könnte etwa sagen, dass selbst dann, wenn dieser Antrag beschlossen würde, sich in der Realität exakt nichts im Sinne der Antragsteller ändern würde, dass Sie mit diesem Antrag in gewisser Weise auch gezielte Wählerinnen- und Wählertäuschung betreiben.

(Zuruf von Matthias Büttner, Staßfurt, AfD)

Der Staat darf linke Militanz nicht fördern und er tut es nicht. Linke Straftaten werden schon jetzt mit teils drastischen Mitteln verfolgt.

(Tobias Rausch, AfD: Auch Ihnen kann gehol- fen werden! - Zuruf von der AfD: Das sind ja auch drastische Mittel!)

Das gerade zeigt ja das Urteil in Dresden. Es geht hierbei nicht um den Inhalt dieses Antrages, es geht hier ausschließlich um die Debatte, um das Bild, das erzeugt wird. Deswegen darf man sich auch nicht ausschließlich am Antrag abarbeiten.

Es geht darum, dass die extreme Rechte in diesem Haus uns alle in eine Positionierung zwingen will, obwohl die Positionen längst klar sind. Keine demokratische Fraktion in diesem Haus unterstützt Militanz und Gewalt.

(Zustimmung bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zuruf von der AfD: Das hat man auf dem Parteitag gesehen! - Tobias Rausch, AfD: Wer hat denn die Hausbesetzer legalisiert?)

Wir haben das in den letzten Jahren zig-fach festgestellt.

Auf die Einzelheiten des Antrages einzugehen, ist am Ende jedoch müßig; denn darum geht es nicht. Wer wissen will, womit wir es zu tun haben, der braucht sich nur die ersten drei Fußnoten des Antrages anzuschauen. In allen dreien wird das rechtsextreme „Compact“-Magazin zitiert, jenes Magazin, das Freiheit für die Rechtsterroristin und Mörderin Beate Zschäpe forderte.

(Zustimmung bei den LINKEN und bei den GRÜNEN - Zuruf von der AfD: Was?)

Jedes Mal, wenn sich Demokratinnen und Demokraten von der extremen Rechten in eine Debatte und in eine Positionierung treiben lassen, gewinnt die extreme Rechte; wie sehr, das sehen wir erneut anhand der erschreckenden Ergebnisse der Studie zu politischen Einstellungen in Ostdeutschland.

Während in Sonneberg bereits ein extrem Rechter als Landrat gewählt wurde, diskutieren hier noch Tillschneider und Loth darüber, ob bei der Wahl eines AfD-Mitgliedes als Bürgermeister ein Sturm losbrechen sollte wie 1933, wie zu Beginn des Nationalsozialismus.

(Zuruf von der AfD: Unsinn!)

Freiheit für eine neonazistische Mörderin, Bezugnahme auf den Nationalsozialismus - von diesen Leuten darf man sich nie etwas über Demokratie erzählen lassen.

(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN - Zuruf von der AfD: Von diesen Leuten!)

Es gibt kein Nachgeben im Zusammenhang mit der extremen Rechten.

(Zuruf von der AfD: Mit Linksextremen! Ge- nau!)

Es gibt für uns alle, für alle Demokratinnen und Demokraten, so unterschiedlich wir sein mögen, nur ein Einbrechen.

(Zurufe von der AfD: Ihr seid niemals Demo- kraten! - Ihr seid Antidemokraten!)

Das zeigt die Geschichte.

(Alexander Räuscher, CDU: Moment mal! Werden nicht links und rechts vom Verfas- sungsschutz beobachtet?)

Wir dürfen uns nicht von rechts treiben lassen, auch nicht in einer Debatte, in der manche verlockt sein dürften. Sie geben damit mehr auf, als Sie je wieder gewinnen können.