Protocol of the Session on June 29, 2023

Danke. - Wie gesagt, es ist vereinbart worden, keine Debatte zu führen. Deswegen können wir gleich zur

Abstimmung

kommen. Ich übernehme die dezenten Hinweise der Ministerin und schlage Folgendes vor: eine Überweisung zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Infrastruktur und Digitales und zur Mitberatung in die Ausschüsse für Finanzen und für Umwelt. Gibt es dazu alternative Positionen? - Das scheint nicht so zu sein.

Wer für die Überweisung ist, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das scheinen alle Fraktionen des Landtages zu sein. Gibt es Gegenstimmen? - Nein. Gibt es Stimmenthaltungen? - Nein. Dann ist die Überweisung in der beschriebenen Weise einstimmig beschlossen worden.

Dann kommen wir nunmehr zu dem

Tagesordnungspunkt 21

Zweite Beratung

Das Immaterielle Kulturerbe ist ein Schatz für unser Land

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 8/1977

Beschlussempfehlung Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten, Medien sowie Kultur - Drs. 8/2728

Änderungsantrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 8/2828

(Erste Beratung in der 33. Sitzung des Landtages am 15.12.2022)

Der Berichterstatter ist Herr Sturm. - Herr Sturm, Sie haben das Wort.

Vielen Dank. - Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Antrag in der Drs. 8/1977 wurde vom Landtag in der 33. Sitzung am 15. Dezember 2022 zur Beratung in den Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten, Medien sowie Kultur überwiesen. Mit diesem Antrag begehrt die Fraktion DIE LINKE die Herbeiführung eines Beschlusses des Land- tages, welcher die regionale und überregionale Bedeutung des immateriellen Kulturerbes des Landes sowohl für die regionale Identität und den gesellschaftlichen Zusammenhalt als auch für das Erscheinungsbild des Landes feststellt.

Die Landesregierung sollte aufgefordert werden, ein Landesverzeichnis „Immaterielles Kulturerbe Sachsen-Anhalt“ zu erstellen, welches die kulturelle Vielfalt des Landes abbildet. Darüber hinaus sollte ein Konzept zur Dokumentation, Sichtbarmachung und Archivierung des immateriellen Kulturerbes erstellt werden.

Der Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten, Medien sowie Kultur befasste sich erstmals in der 17. Sitzung am 20. Januar 2023 mit dem Antrag und beschloss, hierzu eine Anhörung durchzuführen. Diese fand in der 20. Sitzung am 21. April 2023 statt. Eingeladen wurden der Landesheimatbund Sachsen-Anhalt sowie diverse weitere Vereine, die sich für den Erhalt des immateriellen Kulturgutes einsetzen. An dieser Stelle möchte ich auf die Niederschrift über die Anhörung vom 21. April 2023 verweisen. Diese gibt den Inhalt der Redebeiträge der eingeladenen Gäste detailliert wieder und enthält einen Hinweis auf die vorliegenden Stellungnahmen. Die Niederschrift wurde im Internet veröffentlicht und ist somit allen Interessierten zugänglich.

In der 22. Sitzung am 26. Mai 2023 befasste sich der Ausschuss abermals mit dem Antrag. Ein Vorschlag der Koalitionsfraktionen für eine Beschlussempfehlung lag als Vorlage 5 vor und wurde zur Beratungsgrundlage erhoben. Mit 5 : 3 : 3 Stimmen fand diese die Zustimmung des Ausschusses. Sie liegt Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, in der

Drs. 8/2728 als Beschlussempfehlung vor. Im Namen des Ausschusses für Bundes- und Europaangelegenheiten, Medien sowie Kultur bitte ich um Ihre Zustimmung zu dieser Beschlussempfehlung. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung von Andreas Silbersack, FDP)

Es wurde eine Dreiminutendebatte vereinbart. Zuerst spricht für die Landesregierung Herr Staatsminister Robra. - Sie haben das Wort.

Rainer Robra (Staats- und Kulturminister):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich danke zunächst für die Berichterstattung. Alle wesentlichen Punkte sind dargestellt worden. Ich wäre Ihnen, Herr Gebhardt, dankbar, wenn wir den Beschlussvorschlag zunächst so übernehmen könnten - Sie wollen den alten hier noch einmal zur Abstimmung stellen. Ich will nicht alles wiederholen, worüber wir nun schon drei-, viermal diskutiert haben. Wenn Sie die Homepage des Landesheimatbundes kennen - ich möchte das gern von hier aus verstärken -, dann wissen Sie, dass Frau Dr. M., die das dort bearbeitet, gerade zur sechsten Bewerbungsrunde für das Bundesverzeichnis aufgerufen hat. Diese Bewerbungsrunde läuft vom 1. April bis zum 31. Oktober 2023.

Alle Träger von Kulturformen und Modellprogrammen im Land, die am Ende aufgenommen

werden können, sind aufgerufen, sich in diesem gut strukturierten Verfahren um die Aufnahme in das Bundesverzeichnis zu bewerben. Daraus entsteht Material, so wie auch in früheren Bewerbungsrunden schon Material entstanden ist. Damit können wir arbeiten. So haben wir es auch im Ausschuss zugesagt.

Daraus können wir allmählich ein Verzeichnis erstellen - aus meiner Sicht kein Landesverzeichnis, das dem Bundesverzeichnis ähnelt, sondern etwas viel weiter Weisendes. Ich komme gleich auf die Frage zu sprechen, warum es nicht so sein wird wie das Bundesverzeichnis. Das Bundesverzeichnis weist sieben Einrichtungen oder sieben Kulturformen aus Sachsen-Anhalt aus. Wenn Sie es mit einer einfachen Suchfunktion suchen wollen, dann finden Sie im Bundesverzeichnis ganze zwei aus Sachsen-Anhalt, den Grasedanz und die Spergauer Lichtmeß. Die anderen fünf sind zwar enthalten, aber erschließen sich nicht ohne Weiteres. Deswegen bin ich d'accord, dass man das Bundesverzeichnis allein nicht als ausreichende Grundlage betrachten kann.

Ich bin schon immer ein großer Freund dessen, was in der Schweiz gemacht worden ist. Das heißt dort „Liste der lebendigen Traditionen in der Schweiz“. Allerdings wird das dort auf na- tionaler Ebene gemacht. Das wächst von unten, aus den dortigen Kantonen, auf die nationale Ebene. Ich glaube, wenn wir dann gemeinsam mit dem Landesheimatbund mittelfristig so eine Art Web-Inventar mit einer Dokumentation dessen, was es dort gibt - daraus hat sich das in der Schweiz entwickelt -, hinbekommen, dann haben wir für Sachsen-Anhalt etwas Gutes bekommen. Das kann Bottom-up wachsen. Aber das ist eben nicht das Landesverzeichnis, von dem Sie immer gesprochen haben.

Wir haben den Auftrag bekommen und den nehme ich auch an. Ich habe jetzt einen kurzen

Ausblick dazu gegeben, wie wir damit umzugehen gedenken. Das soll es von mir aus dann auch schon gewesen sein. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der CDU)

Danke. Ich sehe keine Fragen aus dem Plenum. - Deswegen steigen wir jetzt in die Debatte der Fraktionen ein. Für die AfD wird der Kollege Wald sprechen. - Sie haben das Wort. Bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Werte Abgeordnete! Eines ist in den Ausschussgesprächen mit den unterschiedlichen Akteuren des immateriellen Kulturerbes in Sachsen-Anhalt deutlich geworden: Kulturelle Identität, das meint nicht die bloße Konservierung von Brauchtümern in verstaubten Aktenbergen und verfallenden Museen.

Wir in Sachsen-Anhalt haben das Glück, über einen ungewöhnlich reichhaltigen materiellen Kulturschatz aus der Vorgeschichte und dem Mittelalter zu verfügen: die Schamanin von Bad Dürrenberg, die Himmelsscheibe von Nebra und den Naumburger Dom, Stichwort Uta. Diese Zeugnisse der Geschichte unseres Volkes haben unser Land weltbekannt gemacht. Sie können bewahrt und erforscht werden, aber ihnen wohnt kein eigenes Leben mehr inne. Sie sind angewiesen auf Menschen und Gemeinschaften, die sich ihrer annehmen.

Das immaterielle Kulturerbe unseres Landes hingegen ist ein lebendiger Organismus, der sich auf die jeweils eigene Art und Weise stetig weiterentwickelt und verändert. Sich dessen

bewusst zu sein heißt, eine kulturelle Kontinuitätslinie zu erkennen, die z. B. im Falle der Salzwirker Brüderschaft der Halloren im Thale zu Halle bis in fränkische Zeit, im Falle des Südharzer Questenfestes vermutlich sogar bis in die vorgeschichtliche Zeit zurückreicht. Diese Kontinuitätslinie strebt nach einer eigenen Zukunft und nach stetiger Erneuerung. Für uns ist sie ein Stück Heimat, ein Stück regionale Identität und ein Stück Sicherheit gegen die um sich greifende Entfremdung.

Ein großes Hindernis für die Arbeit der engagierten Ehrenamtlichen in diesem Bereich, das in der Antragsfassung leider nicht zur Sprache kommt, sind die bürokratischen Hürden, die den vielfältigen Akteuren des immateriellen Kulturerbes in den Weg gelegt werden.

Das ist überhaupt etwas, das ich aus den Ausschusssitzungen mitnehmen konnte: Die Vereine und Kooperationen schaffen vieles aus eigener Kraft, sie sind lebendig und - vor allem - sie haben Nachwuchs.

Im Gegensatz zu großen Teilen des linken Kulturbetriebs verlassen sie sich nicht allein auf Spenden und staatliche Unterstützung, sondern haben eigene Modelle der Zusammenarbeit gefunden. Was fehlt, das ist oft Handlungsfreiheit und Wertschätzung als Teil unserer gemein- samen kulturellen Identität.

Lippenbekenntnisse des Landes helfen da weniger als beherzte Sachbearbeiter, die auch mal Fünfe gerade sein lassen oder die besondere Situation der Akteure nachvollziehen können.

Die AfD-Fraktion enthält sich daher bei der Abstimmung über die vorliegende Beschlussempfehlung der Stimme. Stattdessen begrüßen wir ausnahmsweise die überraschende Hartnäckigkeit unserer Kollegen von der LINKEN bei der Verteidigung deutscher Identität und Traditio-

nen. Wir stimmen daher für den Änderungsantrag und die Einrichtung eines Landesregisters für das immaterielle Kulturerbe unseres Volkes in Sachsen-Anhalt. - Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Es gibt auch hierzu keine Fragen. - Herr Hövelmann will für die Fraktion der SPD sprechen.

(Holger Hövelmann, SPD, schüttelt den Kopf)

- Er will es nicht. - Herr Aldag für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist auf dem Weg zum Rednerpult. - Es geht los.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind uns eigentlich alle darin einig, das immaterielle Kulturerbe ist für unser Land von großer Bedeutung; denn es sind regionale Traditionen, die von Generation zu Generation weitergetragen werden. Damit ist es ein fester Teil unserer kulturellen Identität. Es verdient Sichtbarkeit. Auch darin sind wir uns alle einig, zumindest wirkte es so, wenn man das Fachgespräch im Kulturausschuss verfolgt hat, als sich alle an- wesenden Abgeordneten einhellig für die Notwendigkeit eines Landesarchivs ausgesprochen haben.

Umso überraschender ist die dem Tagesordnungspunkt zugrunde liegende Beschlussempfehlung der Koalitionsfraktionen. Von den Erkenntnissen aus dem Fachgespräch und von den Bekenntnissen zu den konkreten Forderungen der angehörten Vereine des immateriellen Kulturerbes ist nur sehr wenig übrig geblieben. Viele warme Worte, nichts Konkretes - so kann man die vorliegende Beschlussempfehlung zusammenfassen.

Um das immaterielle Kulturerbe Sachsen-Anhalts zu fördern und zu stärken, braucht es mehr als nur Lippenbekenntnisse und warme Luft. Leider scheint die Koalition nicht mehr übrig zu haben als genau dies.

Sehr geehrter Herr Minister Robra! Liebe Koalitionsfraktionen! Ich finde es echt schwach, dass nicht mehr möglich ist. Sie haben erwähnt, mittelfristig wollen wir irgendetwas machen. Wenn man heute auf die Internetseite des Landes guckt, dann gibt es irgendwelche Links zum Bundesarchiv. Man kommt nicht direkt auf die Internetseiten der einzelnen Vereine. Das ist wirklich sehr, ja, unansehnlich und nicht wirklich attraktiv. Es ist schade, dass nicht mehr darin ist.

Den Vertreterinnen und Vertretern, die zum Fachgespräch geladen waren, zu suggerieren, dass man etwas machen wird, und dann diese Beschlussempfehlung vorzulegen, das ist wirklich ein Schlag ins Gesicht für all diejenigen, die sich in ehrenamtlicher Arbeit für das immaterielle Kulturerbe einsetzen.

Wir lehnen die Beschlussempfehlung ab, weil es wirklich weit hinter das zurückgeht, was im Kulturausschuss eigentlich geeint war unter den Abgeordneten, die dort saßen.

(Beifall bei den GRÜNEN)