Protocol of the Session on June 29, 2023

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Ich danke Ihnen. - Wir kommen damit zur Debatte mit einer Redezeit von drei Minuten je

Fraktion. Die SPD hat verzichtet. Für die LINKE spricht Frau Quade. - Bitte.

Danke schön, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Den vorliegenden Antrag und seine Begründung kann man ziemlich simpel zusammenfassen: Die Aktivistinnen und Aktivisten der Letzten Generation sollen in den Knast.

(Zuruf von der AfD: Ja!)

Exakt das ist es, was die AfD-Fraktion hiermit erreichen will.

(Zustimmung bei der AfD)

- Natürlich. - Sie gibt sich keinerlei Mühe zu verschleiern, dass es ihr um ein ganz klares Feindstrafrecht geht, und genauer, um ein Feindpolizeirecht. Denn der Unterbindungsgewahrsam bedeutet Freiheitsentzug, ohne dass eine Tat begangen wurde; er bedeutet Freiheitsentzug allein begründet auf der Prognose, dass die betroffene Person eine Tat begehen könnte.

Dass die AfD-Fraktion in ihrem Gesetzentwurf keinerlei verfassungsrechtliche Erwägungen vornimmt, ist in sich konsequent. Ihr geht es darum, den von ihr ausgemachten Feinden die Freiheit zu nehmen und dafür die Mittel des Staates zu nutzen. Wer Entwicklung, Programm und Personal der AfD aufmerksam beobachtet, kann sich vorstellen, wem sie gerne noch die Freiheit nehmen würde.

Doch der Freiheitsentzug ist regelmäßig nur dann zulässig, wenn eine Straftat begangen und ein Urteil gesprochen wurde. Der Unterbindungsgewahrsam durchbricht dies und muss aus verfassungsrechtlichen Gründen auf Ausnahmen beschränkt bleiben; seine Anwendung verhältnismäßig sein, auch hinsichtlich der

Dauer. Entsprechend treffen Vorschläge zur Ausweitung auf vielstimmige Kritik von der Rechtswissenschaft.

Wenn wir uns die Begründung des Gesetzentwurfes anschauen, dann finden wir dort die vermeintliche Legitimierung - Extremismus. Die Letzte Generation soll extremistisch sein. Es ist nicht neu, dass die AfD-Fraktion alles und jeden für extremistisch hält, der ihr nicht passt.

(Zuruf von Hannes Loth, AfD)

Ständig operiert sie mit diesem Begriff, als habe ihr Wortschatz Schaden genommen. Es ist jedoch hierbei besonders bizarr und zeigt, wie wenig Bedeutung dieser Begriff in der Verwendung durch die extremen Rechten hat.

(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Die Letzte Generation zielt mit all ihren Aktionen gerade nicht darauf ab, die staatliche Ordnung zu überwinden.

(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN - Zuruf von Sebastian Striegel, GRÜNE)

Im Gegenteil: Sie adressiert Exekutive und Legislative in ihren jeweiligen Rollen. Sie erkennt diese an. Sie erhebt Forderungen, die darauf zielen, dass eben jene Klimaziele eingehalten werden, denen sich die Bundesrepublik verpflichtet hat.

Zur Einordnung: Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts Prof. Voßkuhle sagt zur „Rheinischen Post“ - ich zitiere -: „Es veranstalten die Straßenkleber heute harmlose Sandkastenspiele, verglichen mit früheren Aktionen der Anti-Atom-Bewegung.“

(Lachen und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Es geht also nicht um Sicherheit, es geht nicht um Straftaten oder die öffentliche Ordnung. Nichts davon - das nur am Rande - lässt sich mit der Ausweitung des Unterbindungsgewahrsams besser schützten. Es geht um einen rechten Kulturkampf und die Hoffnung der AfD, in einer populistischen Debatte Punkte zu machen. Dieser Gesetzentwurf gehört deswegen abgelehnt. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Danke. - Für die FDP spricht Herr Kosmehl. - Bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich inhaltlich auf den Gesetzentwurf eingehe, erlauben Sie mir, kurz auf den Redebeitrag meiner Vorrednerin einzugehen.

Ich glaube, wir alle tun gut daran, die juristische Bewertung von Handlungen den Gerichten zu überlassen und dafür durchaus etwas Zeit in Kauf zu nehmen, bis das, vielleicht auch höchstrichterlich, entschieden ist. Ich kann jedenfalls noch nicht abschätzen, ob die von Ihnen so verharmlosten Aktionen der Letzten Generation straffrei bleiben werden; oftmals sind ja bereits Gerichtsverfahren ausgemacht worden. Deshalb, glaube ich, kann man durchaus, und sollte es auch, versuchen, diese Bereiche getrennt von der Frage des Polizeirechts abzuhandeln.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich gebe zu, als ich den Gesetzentwurf das erste Mal gelesen habe, musste ich kurz innehalten und hatte überlegt, wo die vier Tage herkom-

men. Es gab eine Diskussion während der Koalitionsverhandlungen im Jahr 2002 - an die habe ich mich in dem Moment erinnert. Als die FDP in den Landtag zurückgekehrt und sofort in die Regierungsverantwortung gekommen war,

waren unsere Freunde von der CDU gut vorbereitet und hatten eine ganze Reihe von Forderungen im Bereich der Sicherheitspolitik. Ich dachte mir: Ich muss jetzt einmal genau nachschauen, ob wir das irgendwie mitgetragen haben. - Nein, das haben wir nicht. Denn die vier Tage sind tatsächlich bereits seit Mitte der 1990er-Jahre Bestandteil des SOG in SachsenAnhalt.

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe mich daran erinnert, dass wir in den 2000er-Jahren durchaus häufig davon Gebrauch machen mussten: Rechtsrock-Konzerte, Hooligans-Aufmärsche, Fußball - damals gab es in Halle und Magdeburg eine sehr gewaltbereite Szene; viele Fußballfans der Kategorie C waren dabei.

(Hagen Kohl, AfD: Wir nicht!)

Dafür war das ein Instrument, um solche Zusammenstöße zu verhindern. Denn - das ist, glaube ich, auch richtig erwähnt worden - es liegt keine Straftat vor. Es ist die Prognose, dass eine Straftat begangen werden könnte. Deshalb hat es hohe Hürden, dass man gleichwohl eine freiheitsentziehende Maßnahme verhängt.

Deshalb, glaube ich, ist Sachsen-Anhalt im unteren Bereich der Länder. Wir tun gut daran, dass wir dort bleiben.

(Zustimmung bei der FDP und von Marco Tullner, CDU)

Eine Ausweitung auf 14 Tage halte ich absolut nicht für vertretbar.

(Zustimmung bei der FDP und bei der SPD)

Ein allerletzter Satz, Herr Präsident. - Werte Kollegen von der AfD! Der Gesetzentwurf verfolgt eine Änderung des Polizeigesetzes; also ist es ein innenpolitischer Gesetzentwurf. Und den wollen Sie federführend in den Rechtsausschuss überweisen anstatt in den zuständigen Fachausschuss. Sie denken Ihre Initiative nicht zu Ende. Deshalb werden wir den Überweisungsantrag ablehnen.

(Zustimmung bei der FDP - Ulrich Siegmund, AfD: Herr Kosmehl! Seid mal nicht so klein- lich!)

Danke, Herr Kosmehl. - Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Herr Striegel.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dort draußen, außerhalb unseres gut gekühlten Plenarsaals, gibt es eine nie da gewesene Dürre.

(Ulrich Siegmund, AfD: 80 l hatte es letzte Woche geregnet!)

Die Nordsee liegt aktuell bei rund 5 C über der saisonalen Durchschnittstemperatur und die CO2-Konzentration in unserer Atmosphäre hat inzwischen eine gefährliche Konzentration in Höhe von rund 422 ppm erreicht,

(Unruhe - Lachen bei der AfD - Zurufe von Guido Heuer, CDU, und von Daniel Roi, AfD)

die rund 50 % höher als vor Beginn der Industrialisierung liegt.

Während all das passiert, fordern Sie, die Menschen wegzusperren, die uns mit uns mit ihrem Protest auf die Klimakrise aufmerksam machen. Ihre rechtsextreme Ignoranz gegenüber der Wirklichkeit ist gefährlich und ein neuer intellektueller Tiefpunkt.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Zuruf von Daniel Roi, AfD)

Ihre Forderung ist Ausdruck eines nervösen Staats.

(Unruhe - Oliver Kirchner, AfD: Bünd- nis 90/Die Braunen!)

Dieser nervöse Staat nimmt als störend empfundene Aktionen zum Anlass, Restriktionen und die volle Härte des Rechtsstaats zu fordern.

Sie vergessen dabei: Die Aktionen der Letzten Generation sind vom Grundrecht auf Versammlungsfreiheit gedeckt

(Zuruf von der AfD: Sind Sie nicht!)

und der Rechtsstaat reagiert grundsätzlich nicht mit voller Härte, sondern rechtmäßig und insbesondere verhältnismäßig.