Vielen Dank. - Mit dem Härtefallfonds Renten des Bundes soll die Gerechtigkeitslücke für viele Ostrentnerinnen zumindest teilweise geschlossen werden. Helfen soll die Pauschale denen, die in der DDR z. B. bei der Reichsbahn, bei der Post, in der Braunkohleveredlung, im Gesundheitswesen oder als Balletttänzer gearbeitet haben, oder in der DDR geschiedenen Frauen. Wir haben im Landtag schon einmal darüber beraten. Der Bund stellt Mittel in Höhe von 500 Millionen € bereit. Die Bundesländer können diesem Fonds noch bis Ende März, also Ende dieses Monats, beitreten,
sodass Anspruchsberechtigte dann insgesamt Mittel in Höhe von 5 000 € statt 2 500 € erhalten können.
Von den Ostländern sind Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern dem Fonds bisher bei- getreten. In den Medien konnten wir lesen, der Ministerpräsident behält sich eine Positionierung bis zur Ost-Ministerpräsidentenkonferenz, die in der letzten Woche stattfand, vor. Meine Frage ist: Wie haben Sie, Herr Ministerpräsident, sich auf der Ost-Ministerpräsidentenkonferenz zu dieser Frage positioniert, und warum haben Sie sich so positioniert?
Sehr geehrte Damen und Herren! Wir hatten in der letzten Woche die Ministerpräsidentenkonferenz. Dieser Punkt stand nicht explizit auf der Tagesordnung, aber wir haben die Gesprächsmöglichkeiten am Rande und im Rahmen der Kamingespräche zu einigen Themen genutzt, um auch diesen Themenkomplex aufzurufen.
Ich will vorher noch sagen, was wir im Kabinett dazu für einen Austausch hatten bzw. in der Staatskanzlei im Anschluss an die Kabinettsitzung in der vorletzten Woche. Damals war die Staatsministerin Frau Ryglewski bei uns, die Koordinatorin für die Arbeit des Bundeskanzleramtes mit den Bundesländern bezüglich des Bundesrates. Das heißt, alles, was dort mehr oder weniger durch die Verfahren geschickt wird, Kabinett, Bundestag, Bundesrat, Ausschussbefassung usw., wird seitens des
Wir hatten im Kabinett ausreichend Zeit, um verschiedenste Themen mit ihr durchzusprechen. Ich will das nur andeuten. Es gibt gerade in den letzten anderthalb Jahren, sicherlich auch bedingt durch die letzten zwölf Monate und den Krieg in der Ukraine, eine Situation, mit der wir derzeit alle unzufrieden sind, nämlich dass es ständig Verkürzungsbitten gibt, was die Behandlung von Tagesordnungspunkten im Bundesrat anbelangt. Das heißt, es gibt keine originären Durchläufe mehr, wie wir sie gewöhnt sind, damit wir in den Ausschüssen und auf den Arbeitsebenen für uns die Beschlusslagen so vorbereiten, dass im Kabinett und dann auch im Bundesrat die Entscheidung getroffen werden kann.
Warum mache ich diese Schleife? - Genau dieses Thema ist sozusagen kein ostdeutsches Thema, sondern ein gesamtdeutsches Thema. Der Bund weiß, dass es eine ganze Reihe von ungelösten Problemen gibt, soziale Härtefälle in Ost und West, in Nord und Süd, und dass es dort verschiedene Personengruppen gibt, die, mit unterschiedlichsten historischen Kontexten verbunden, in unserem Sozialsystem vorfindbar sind.
Wir wissen - all die Diskussionen gibt es schon seit vielen Jahren -, dass wir an dieser Stelle gerade bezüglich der neuen Länder einen großen Handlungsbedarf haben. Dieser Handlungsbedarf ist nicht nur Ausfluss des Rentensystems, das sich sukzessive über die 32 Jahre mit unserem Beitritt zur alten Bundesrepublik entwickelt hat, sondern resultiert in Teilen auch aus der Schnelligkeit des damals erstellten Einigungsvertrages, als bestimmte Fallgestaltungen nicht transparent waren, auch der westdeutschen Seite nicht, sagen wir einmal, bewusst waren.
Ich sage es einmal so: Es sind Berufsbezeichnungen völlig anders belegt gewesen. Ein Ingenieurökonom ist - das wissen wir - eigentlich etwas anderes als ein Ingenieur im engeren Sinne. Physiker und Chemiker - das betrifft mich übrigens auch - sind anders behandelt worden als Diplomingenieure für Maschinenbau. So könnte man das durchdeklinieren. Damals sind, der Schnelligkeit geschuldet, viele Unwuchten hineingekommen.
Damals hat man sich, weil man eigentlich von kleinen Gruppen oder kleinen Problemlagen ausging, in einer allgemeinen Klausel darauf verständigt, dass man dieses dann einvernehmlich, aber vor allen Dingen in einer Mitfinanzierung durch die beitretenden neuen Bundesländer, die gerade frisch gegründet wurden, zu regulieren versucht.
Wenn wir gewusst hätten, was damit auf die beim Unterschreiben des Einigungsvertrages noch gar nicht existenten Bundesländer zukommt, dann hätte man damals reingrätschen können. Das kann man niemandem vorwerfen. Das war nicht bekannt. Niemand wusste, wie z. B. bestimmte Klageverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ausgehen, als es darum ging, wie die Renteneinstufung von zum originär engeren System der alten DDR gehörenden Personen ausgeht. Diese sind zu großen Teilen hochgepunktet worden, sage ich einmal.
Wir zahlen inzwischen die Hälfte - ich glaube, wir sind jetzt bei 50 : 50; wir hatten einen wesentlich höheren Anteil - in dieses Sonderrentensystem ein - oder, Herr Robra? Wir könnten jetzt in den Haushalt gucken. Ich schätze, um die 430 Millionen € bis 450 Millionen € haben wir in dem nachher zu beschließenden Haushalt für dieses Sonderrentensystem zu bezahlen. Das sind für alle neuen Länder pro Jahr übrigens knapp 2,5 Milliar-
den €, wenn ich richtig gerechnet habe. Darauf kommt man zumindest, wenn man es anhand der Bevölkerungszahl hochrechnet.
Das heißt übrigens - das muss man wissen; es ist vielleicht ganz gut, wenn man das vor der Behandlung des Haushaltsplans hier einmal durchnimmt -: Saldiert über die Jahre haben wir faktisch die gesamten europäischen Strukturfördermittel, die in Sachsen-Anhalt und auch in den anderen ostdeutschen Ländern angekommen sind, komplett in das Rentensystem überführt. Originär haben wir, anders als Polen, Ungarn, die Tschechische Republik usw., die das einsetzen konnten - zumindest rein mathematisch, wenn ich die Mengenverhältnisse ins Verhältnis setze -, die gesamten Strukturfördermittel für das Rentensystem verwendet.
- Nein, das muss alles im Zusammenhang gesehen werden, weil wir genau darüber auch verhandeln. - Denn es gibt noch die alte Zu- sage der alten, also der früheren Bundeskanzlerin - „alt“ bezüglich der alten Legislaturperiode; ansonsten ist sie genauso alt wie ich und natürlich stehe ich zu meinem Alter; das mache ich auch gern.
- Richtig. - Aber das ist die Altbundeskanzlerin. Ich bin noch im Dienst, auch dank Ihrer freundlichen Stimme, die Sie mir mehrheitlich gegeben haben.
Wir wollten in Zehnprozentschritten genau das herausnehmen. Das sind - über mehrere Jahre gerechnet - Hunderte Millionen Euro, um wieder einen Freiheitsgrad zu haben, damit wir nachher nicht überlegen müssen, bei wem wir die entsprechenden Millionen Euro dann wegnehmen müssen. So ist es doch. Das ist ein Umverteilen. Sie - und auch ich mit meiner einen Stimme - haben, wenn wir einen Haus- halt verabschieden wollen, auch die freundliche Aufgabe, zu sortieren.
Um eine Problemlage - das ist bezüglich des Mengengerüstes, das eigentlich dahintersteht, fast schon symbolisch - offensiv oder proaktiv zu verhandeln - - Ich will durchaus erst ein- mal positiv sagen, auch mit Blick auf die Verhandlungsführer, vor allen Dingen Carsten Schneider als Ostbeauftragtem der Bundesregierung: Das, was denen gelungen ist, ist, dass wir jetzt einen Sonderfonds haben, dem übrigens alle 16 Bundesländer beitreten können. Bisher haben einige ihre Bereitschaft erklärt, allerdings noch nicht haushalterisch wirksam, auch Thüringen nicht. Dort überlegt man, wie man das im nächsten Jahr in den Haushalt aufnimmt. Man braucht dort immer auch Stimmen von der Opposition; denn sie haben eine Minderheitsregierung. Dazu kann man jetzt noch vieles sagen.
(Stefan Gebhardt, DIE LINKE: Drei Minuten! Drei Minuten ist die Redezeit! - Susan Szi- borra-Seidlitz, GRÜNE: Die Frage war, wie Sie sich positioniert haben! - Unruhe)
- Gut. - Dann sage ich Ihnen eines: Vergessen Sie alles wieder. Ich arbeite Ihnen das schriftlich zu.
Wir haben mit Frau Ryglewski, die genau gesagt hat - - Stellen Sie eine Nachfrage dazu, dann kann ich dazu ausführen. Dieses Thema lässt sich nicht in drei Minuten beantworten, weil es hoch komplex ist.
Wir wollen soziale Härten nicht nur für 10 % der für uns in Rede stehenden Personen ab- gearbeitet sehen, sondern wenn wir das so- zusagen politisch durchfechten, dann wollen wir das Problem für all diejenigen, für die derzeit keine gute Lösung da ist, lösen. Darum kämpfen wir.
Der 31. März ist keine Ausschlussfrist - das hat uns Frau Ryglewski gesagt, auch mir persönlich im Nachgespräch in der Staatskanzlei noch einmal -, sondern da ist noch eine Gesprächsmöglichkeit gegeben; da kann nach- verhandelt werden.
Genauso hat uns im Prinzip der Zentralrat der Juden am Anfang gebeten, diese Personengruppe nicht über den Sonderfonds laufen zu lassen, sondern die Kontingentflüchtlinge und die Nachgezogenen, also die, die später gekommen sind, einem anderen Förderschema zuzuordnen, damit sozusagen nicht alles in einen Gesamtzusammenhang gepackt wird und nachher niemand mehr sortieren kann, auch bezüglich der politischen und der sozialen Betroffenheit, wie das Problem gelöst wird.
Es gibt derzeit keine für unsere Bürgerinnen und Bürger, die es betrifft, akzeptable Lösung. Und für 10 % waren wir derzeit nicht bereit, dort etwas zu machen, wenn 90 % zu Recht fragen: Und was wird mit uns? Wir wissen, wenn wir jetzt zugeschlagen hätten, dann wäre eine weitere Verhandlungsmöglichkeit mit dem Bund kaum noch gegeben.
Herr Ministerpräsident, Sie haben ausgeführt, dass die Unwuchten, die Ungerechtigkeiten bei den Rentenansprüchen kein rein ostdeutsches
Problem, sondern ein gesamtdeutsches Thema seien. Aber gerade im Rahmen der Wiedervereinigung - das weiß man - ist es zu Versäumnissen bei den Rentenüberleitungen gekommen, sodass insbesondere Frauen benachteiligt wurden.
Sie sprachen auch die jüdischen Kontingentflüchtlinge an. Diese und auch in der DDR geschiedene Frauen haben ihr Anliegen sogar vor den UN-Ausschuss zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung von Frauen getragen.
All das sind Entwicklungen, die zeigen, dass diese Ungerechtigkeiten bestehen. Meine Frage ist: Was sagen Sie diesen Menschen, diesen Frauen zum 1. April, wenn das Land Sachsen-Anhalt dem Fonds nicht beigetreten sein sollte?
Erstens: Die wenigen, die derzeit zum Zuge kommen - es ist ein begrenztes Budget; dabei geht es gar nicht um den Faktor zwei, den einzelne Bundesländer noch aufpunkten können -, sind antragsberechtigt und bekommen ihr Geld. Jeder, auch aus Sachsen-Anhalt, kann Geld aus diesem Fonds beantragen, nur bekommt er nicht noch einmal den gleichen Betrag von uns obendrauf. Wir meinen - das ist meine persönliche Meinung; das ist auch ab- gestimmt mit den noch nicht beitrittswilligen Kollegen in Ostdeutschland, in den neuen Ländern -: Es gibt erst einmal ein Grundprinzip: Rentenrecht ist Bundesrecht. Hierbei geht es nicht um irgendwelche Almosen, die wir ein- malig verteilen,
sondern hierbei geht es um Rentenrecht, ein Recht auf Rente und auf Anerkennung der Lebensleistung. Das ist eine Bundessache. Wir als Bundesländer sind nicht der Rechtsnachfolger der DDR, sondern das ist im Rahmen des Einigungsvertrages und auch verfassungsrechtlich anders gelaufen und entschieden worden. In dem Moment, wo wir über die Zusatzrentenversicherung ohnehin schon im Rentenrecht sind, sind wir der Meinung - - Als ich das dem Kollegen Kretschmann in der MPK erklärt habe, ist er bald nicht mehr geworden.