Absatz 2 muss aber bei Vorliegen eines Ausschlussgrundes auch umgesetzt werden. Ich glaube, es wäre vermessen, wenn hier behauptet würde, dass es in diesem Bereich keine Vollzugsdefizite in den deutschen Behörden gäbe. Diese gibt es.
Kollege Kosmehl wird in seinem Redebeitrag sicherlich noch etwas eingehender dazu aus- führen, was die Bundesregierung macht und was insbesondere der neue Beauftragte im Bundesinnenministerium diesbezüglich an Druck entfaltet. Denn Ausreisepflichten müssen auch wirklich umgesetzt werden, auch die nach § 4 Abs. 2 des Asylgesetzes.
Das wurde in den vielen Jahren der Verantwortung der CDU/CSU im BMI weniger erfolgreich getan - um das sehr höflich zu formulieren. Deswegen würde dem einen oder anderen Innenpolitiker der Union auch etwas mehr Demut gut zu Gesicht stehen.
(Zustimmung von Matthias Büttner, Staß- furt, AfD, und von Daniel Roi, AfD - Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Tja!)
Und gerichtet an die antragstellende AfD: Hören Sie auf, so zu tun, als würde § 4 des Asylgesetzes jeden schützen, der es erst ein- mal bis nach Deutschland geschafft hat.
(Daniel Roi, AfD: Aschermittwoch ist vorbei, Herr Erben! - Oliver Kirchner, AfD: Für ihn noch nicht! - Zuruf von Rüdiger Erben, SPD)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wann immer schwere Verbrechen geschehen und Menschen, wie im Fall des schweren Angriffs im Regionalzug bei Brokstedt, das Leben verlieren und zu Schaden kommen, steht Politik in der Verantwortung - in der Verantwortung zu prüfen, was geschehen ist, in Verantwortung zu prüfen, was sich hätte ändern und verhindern lassen, und um zu entscheiden, was in der Zukunft anders sein muss.
Diese Verantwortung wiegt schwer, weil sich Taten nicht ungeschehen machen lassen, weil Worte das Leid der Familien der beiden getöteten Jugendlichen und der Verletzten nicht abwenden können und weil, wann immer schwere Verbrechen geschehen, auch die Stunde derer schlägt, die daraus politisches Kapital schlagen wollen und das Geschehene in die eigene politische Agenda einpassen.
Altbekannt ist der Versuch, Kriminalität, Verbrechen und Konflikte zu ethnisieren. Die Frage, wer eine Straftat begeht, ist dabei immer relevanter als die Straftat selbst, geschweige denn als die Opfer.
Neu ist: Ob jemand kriminell wird und ob jemand Straftaten begeht, soll nicht mehr an der Zugehörigkeit zu einer völkisch definierten Gruppe liegen, sondern soll an einem spezifischen Aufenthaltsstatus festgemacht werden. Genau das tut der vorliegende Antrag. Jedes, wirklich jedes Wort des Entsetzens und der Verurteilung von Verbrechen ist deshalb scheinheilig und heuchlerisch. Die Rede und der Antrag machen klar, worum es der AfD geht: es sind weder die Opfer von Verbrechen noch ihre Angehörigen.
Die einbringende Fraktion tut so, als sei der Status des subsidiären Schutzes eine Erfindung der Bundesregierung, um wahllos an geltendem Recht vorbei mehr Menschen ein Aufenthaltsrecht in Deutschland zu verleihen. Das Gegenteil ist der Fall: Der subsidiäre Schutz ist un- mittelbar aus der europäischen Menschenrechtskonvention und aus der Genfer Flüchtlingskonvention abgeleitet.
Er ist Kernbestandteil von internationalem und europäischem Recht. Das ist gut so; denn als die EU-Asylrichtlinie im Jahr 2004 erlassen wurde, bestand Einigkeit darin, dass der Schutz der Genfer Flüchtlingskonvention der einheitliche Mindeststandard für humanitären Schutz in Europa werden sollte.
Dieser hat aber Lücken. Er schützt nicht vor der Todesstrafe, die in allen EU-Staaten geächtet ist. Er schützt nicht vor Folter und nicht ausreichend vor der individuellen Gefahr für Leib und Leben durch kriegerische Konflikte. Der europäische Gesetzgeber entschloss sich da- her, den GFK-Schutz unter Rückgriff auf die europäische Menschenrechtskonvention um den Schutz vor Folter, Todesstrafe und Lebensgefahr in kriegerischen Konflikten zu ergänzen, was mit Blick auf die Konflikte und das Leid in der Welt auch dringend nötig ist.
Der Landesregierung den Auftrag zu erteilen, sich zu bemühen, den subsidiären Schutz aus der Rechtsordnung zu streichen, würde nicht nur bedeuten, gegen Europa- und Unionsrecht zu verstoßen, sondern es würde auch bedeuten, Menschen, die nach jedem humanitären Standard Schutz und Hilfe brauchen, sich selbst zu überlassen. Es würde bedeuten, Syrerinnen und Syrer, die sich dem Assad-Regime, dem seit Jahren andauernden Krieg der Hisbollah entziehen wollen, dem Tod, sei es durch Krieg, Folter oder Todesstrafe, zu überlassen.
Den subsidiären Schutz als Schutzstatus infrage zu stellen, weil Menschen, die den Status haben, Straftaten begehen, wäre absurd und falsch, ganz abgesehen von der Tatsache, dass wir finden, dass Straftaten und Verbrechen in
Im konkreten Fall Brokstedt würde die Aberkennung des Aufenthaltsstatus für den Täter und die Entscheidung für eine Abschiebung, die die Regelung im Asylgesetz vorsieht, nichts daran ändern, dass er hier ist. Als Staatenloser gäbe es für ihn keine realistische Option auf eine tatsächliche Abschiebung.
Die Tat von Brokstedt mit dem Aufenthaltsstatus des Täters zu begründen, ist nicht nur rassistisch, sondern es heißt, sich nicht wirklich dafür zu interessieren, ob und wo tatsächlich falsche Entscheidungen getroffen worden sind. Es heißt auch, sich nicht wirklich dafür zu interessieren, ob die psychologischen Begutachtungen ausreichend und zutreffend waren, ob der Täter nicht längst im Maßregelvollzug oder in einer anderen psychiatrischen Einrichtung hätte sein müssen und ob die zuständigen Behörden ihre Aufgaben so gut erfüllt haben, wie sie es hätten tun können und müssen.
Es heißt, die dringend zu stellenden Fragen, wie die Zusammenarbeit zwischen dem Justizvollzug und anderen Behörden aussah und was verändert werden müsste, um Gefährdungen besser zu erkennen, nicht zu stellen. Es heißt, den Tod der Jugendlichen in Brokstedt zu instrumentalisieren und den Tod von Menschen, z. B. in Syrien, in Kauf zu nehmen. Dieser Antrag ist abzulehnen. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, nachdem die Innenministerin und unser Kollege Erben bereits auf die rechtliche Dimension hingewiesen haben, will ich das vielleicht etwas kürzer machen.
In der Konsequenz zeigt sich, dass Sie mit Europa und mit der Europäischen Union nichts am Hut haben.
Die Europäische Union hat sich Regeln gegeben. Diese Regeln setzen die Mitgliedstaaten in nationales Recht um. So ist auch § 4 des Asylgesetzes in deutsches Recht umgesetzt worden. Diesen Paragrafen zu streichen, würde uns als Bundesrepublik Deutschland zu europarechtswidrigem Handeln zwingen. Das wollen wir nicht, weil wir an Europa glauben. Wir glauben vor allen Dingen an die Chancen, die Europa bietet.
Deshalb will ich als Zweites sagen: All das, was sich der Europäische Rat jetzt hinsichtlich einer besseren Migrationspolitik vorgenommen hat, unterstütze ich ausdrücklich. Ich habe seit vielen Jahren gefordert, dass wir insbesondere Frontex besser ausstatten müssen, dass wir unsere Außengrenzen konsequenter schützen müssen,
damit wir den Binnenmarkt und den Schengenraum genießen können, damit wir im Inneren der Europäischen Union keine Schlagbäume mehr brauchen, sondern nur noch unsere Außengrenzen sichern. Dieser Weg muss jetzt weiter begangen werden.
Ich gebe zu, ich bin so lange in der Europapolitik tätig, dass ich erst an eine neue DublinVerordnung glaube, wenn wir sie auch im europäischen Gesetzblatt haben. Aber sich an der Stelle immer wieder zu sagen und sich immer wieder vorzunehmen, wir brauchen eine bessere, eine solidarische Verteilung auf die Mitgliedstaaten,
das ist allemal richtig. Wir werden, glaube ich, daran mitwirken, auch die Bundesrepublik Deutschland und die Bundesregierung.
Der Kollege Erben hat so mich nett gebeten, doch noch einmal auf den Sonderbevollmächtigten für Migrationsabkommen einzugehen. Das mache ich natürlich sehr gern,