Protocol of the Session on February 23, 2023

Vielen Dank, Herr Striegel. Es gibt eine Intervention von Herrn Dr. Tillschneider - Herr Dr. Tillschneider, bitte.

Herr Striegel hat viel von Werten schwadroniert. Es gibt einen Wert, von dem Sie keine Ahnung haben, und dieser Wert findet Ausdruck in dem Sprichwort: Der größte Lump im ganzen Land, das ist und bleibt der Denunziant.

(Zustimmung bei der AfD und von Olaf Feu- erborn, CDU)

Ach, Herr Tillschneider, ich glaube, dass Sie als Vertreter einer Partei, die geistig eher im 19. Jahrhundert verhaftet ist und jedenfalls über das Jahr 1945 definitiv nicht hinausgekommen ist, von moderner Organisationskultur keine Ahnung haben.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Eine moderne Organisationskultur nimmt Hinweise von Beschäftigten auf, schaut sie an, prüft, was über den Einzelfall hinaus konkret zu lernen ist, und entwickelt dann die Organisation weiter. Ich glaube Ihnen gern, dass die AfD davon wirklich keinerlei Ahnung hat.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und von Hen- riette Quade, DIE LINKE)

Bevor wir in die Fünfminutendebatte einsteigen, erteile ich der Ministerin für Inneres und Sport Frau Zieschang als Vertreterin der Landesregierung das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! In der letzten Woche habe ich über einen WhatsApp-Klassenchat einer ehemaligen Ausbildungsklasse der Fachhochschule Polizei informiert, in dem nationalsozialistische, antisemitische, rassistische, gewaltverharmlosende und -verherrlichende sowie menschen- und frauenverachtende Äußerungen, Bilder und Videos geteilt wurden. Auf die Inhalte selbst möchte ich an dieser Stelle nicht eingehen. Es bleibt bei meiner Feststellung, dass die Inhalte dieses Klassenchats eine Schande für die Landespolizei sind.

(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Derartige Pflichtverletzungen werden nicht toleriert, weder jetzt noch in Zukunft.

Die Information der Öffentlichkeit erfolgte zum frühestmöglichen Zeitpunkt. Über die vorliegenden Erkenntnisse und die beabsichtigten Maßnahmen wurde die Öffentlichkeit transparent informiert. Diese Transparenz können Sie auch weiterhin von mir erwarten. Hierzu gehört, dass auf meine Anregung und meine Bitte hin für morgen eine Sondersitzung des Ausschusses für Inneres und Sport stattfinden wird, in der ich ausführlicher berichten werde, sowohl zum Sachverhalt als auch zu den eingeleiteten Maßnahmen und notwendigen Schritten.

Ich möchte unterstreichen, dass es die Pflicht jeder Beamtin und jedes Beamten ist, sich durch ihr bzw. sein gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu bekennen und für deren Erhalt einzutreten. Dieses Bekenntnis verträgt keine Trennung zwischen Dienst und Freizeit. Jede Bürgerin und jeder Bürger muss darauf vertrauen können, dass jede Polizistin und jeder Polizist ihr bzw. ihm unvoreingenommen gegenübersteht. Menschen mit Behinderung müssen darauf vertrauen können, dass sie denselben Schutz er- halten wie Menschen ohne Behinderung und dass auch in privaten Chats ihre Würde gewahrt wird.

(Zustimmung bei der CDU, bei der LINKEN, bei der SPD, bei der FDP und bei den GRÜ- NEN)

Menschen mit Migrationshintergrund oder ausländische Staatsangehörige müssen darauf vertrauen können, dass sie denselben Schutz er- halten wie deutsche Staatsangehörige und dass nicht nach Dienstschluss im privaten Umfeld gegen sie rassistisch gehetzt wird.

(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Das Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und dem Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Landespolizei jederzeit gerecht werden.

(Zustimmung von Olaf Meister, GRÜNE, und von Sebastian Striegel, GRÜNE)

Einige Anwärterinnen und Anwärter des Einstellungsjahrgangs 2017 sind in der Vergangenheit leider bereits negativ aufgefallen. So mussten überdurchschnittlich viele Bedienstete aus dem Vorbereitungsdienst entlassen werden. Dem lagen diverse Vorfälle zugrunde,

auch im Zusammenhang mit Betäubungsmitteln. Hierüber wurde im Mai 2018 auch der Ausschuss für Inneres und Sport informiert.

Nicht zuletzt aufgrund dieser Vorfälle ist das Eignungsauswahlverfahren an der Fachhochschule Polizei erweitert worden. Im Jahr 2018 wurde es um einen psychologischen Eignungstest ergänzt. Seit 2020 wird die Zuverlässigkeitsprüfung nach dem Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes SachsenAnhalt und seit dem Einstellungsjahr 2022 die Regelabfrage nach dem Gesetz über den Verfassungsschutz im Land Sachsen-Anhalt durchgeführt. Insbesondere in den Ausbildungsklassen wurde darüber hinaus ein Klassenleitersystem implementiert und fortentwickelt, um die Auszubildenden enger zu begleiten und zu betreuen. Es wurden Elternabende für minderjährige Auszubildende durchgeführt.

Seit 2020 besuchen die Auszubildenden im Rahmen des Unterrichtsfachs „Politische Bildung“ die Moses-Mendelssohn-Akademie in Halberstadt im Rahmen einer ganztägigen Veranstaltung, in der sie sich mit jüdischer Kultur und Geschichte auseinandersetzen. Im Sommer 2022 erfolgte erstmals eine Fahrt zur Gedenkstätte Auschwitz mit zwei Klassen des Abschlusskurses.

Auch ich bin bestürzt darüber, dass ein über vier Jahre hinweg existierender Klassenchat mit solchen Inhalten von keinem der Mitglieder an Vorgesetzte oder Lehrkräfte an der Fachhochschule Polizei gemeldet wurde. An der Fachhochschule Polizei und auch in den Behörden der Landespolizei werden die Anwärterinnen und Anwärter nochmals sensibilisiert, und alle Polizeibeamtinnen und -beamte werden ermutigt, entsprechende Inhalte an die zuständigen Stellen, insbesondere Vorgesetzte, zu

melden. Ein solches Meldeverhalten stellt kein unkollegiales Verhalten dar, sondern ist die Pflicht eines jeden Polizeibeamten.

(Zustimmung bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

In den vergangenen Jahren wurde eine Vielzahl von Maßnahmen initiiert, um die interkulturelle Kompetenz und die demokratische Resilienz der Landespolizei zu stärken. Hierüber, Herr Abg. Striegel, wurden Sie bereits unter anderem in der Sitzung des Innenausschusses im Juni 2022 ausführlich informiert. Dort haben wir ausführlich dargelegt, welche Maßnahmen auch aufgrund des Berichtes der Sonderkommission bereits ergriffen wurden und welche weiteren vorgesehen sind.

Aber ich sage auch: Auch wenn in den letzten Jahren sehr viele Maßnahmen angeschoben wurden, werden wir nach diesen Vorfällen in der Landespolizei und insbesondere an der Fachhochschule Polizei nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Wir werden in allen Bereichen und allen Hierarchieebenen an uns arbeiten und uns verbessern. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU, bei der SPD, bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Ministerin Dr. Zieschang. - Als ersten Debattenredner rufe ich Herrn Erben für die SPD-Fraktion auf.

Frau Präsidentin! Sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Letzte Woche Mittwoch infor-

mierte uns Ministerin Dr. Zieschang, dass bei strafrechtlichen Ermittlungen in einem anderen Zusammenhang nationalsozialistische, antisemitische, rassistische, gewaltverharmlosende, gewaltverherrlichende, menschenverachtende, frauenverachtende sowie pornografische Nachrichten in einem Chat einer ehemaligen Klasse von Anwärterinnen und Anwärtern für den mittleren Dienst an der Fachhochschule Polizei entdeckt wurde. In den Chats sollen, beginnend ab 2017, ca. vier Jahre lang Nachrichten ausgetauscht worden sein. Von der Generalstaatsanwaltschaft wurden strafrechtliche Ermittlungen gegen vier Beteiligte eingeleitet. Gegen 18 Chatteilnehmer, die sich aktuell im Polizeidienst befinden, wurden dienstrechtliche Maßnahmen eingeleitet, an deren Ende eine Entlassung der Beamten auf Probe aus dem Dienst stehen soll. Eine Unterrichtung des Innenausschusses ist für morgen Mittag vorgesehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist leider ein weiterer schwerwiegender Vorgang in einer längeren Kette von Vorkommnissen mit Anwärterinnen und Anwärtern der Fachhochschule Polizei. Es ist völlig berechtigt, dass wir uns heute hier auf Antrag einer Oppositionsfraktion im Hohen Haus mit diesem Vorgang beschäftigen.

Ich selbst sehe diese Kette von Vorkommnissen mit großer Sorge.

Ich verweise darauf - Frau Ministerin hat es auch schon getan -, dass dieses Vorkommnis eine ganz besondere Dimension hat. Eine ganze Klasse findet sich in einem Chat. Wenige Wochen nach Ausbildungsbeginn wird dort nationalsozialistisches Gedankengut ausge

tauscht. Das geht dann über Jahre hinweg so weiter und keiner der Chatteilnehmer kommt auf die Idee, hiergegen etwas zu unternehmen. Niemand wendet sich in dem Chat dagegen und

fordert, dass das aufhört. Offensichtlich informiert kein Angehöriger der Anwärterklasse einen Vorgesetzten oder eine andere Vertrauensperson. Das muss uns alle besorgen und wir müssen herausfinden, was die Ursache für ein solches Nichthandeln ist.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Lieber Kollege Striegel, ein weisungsunabhängiger Polizeibeauftragter ist wichtig. Wir haben ihn in dieser Koalition, in diesem Koalitionsvertrag durchgesetzt, nicht die GRÜNEN in der Kenia-Koalition. Wenn aber niemand der 26 Beteiligten bei den aktuell aufgeflogenen Vorkommnissen Anstalten macht, etwas zu unternehmen, dann ist es auch sehr unwahrscheinlich, dass sich jemand an einen Polizeibeauftragten gewandt hätte.

(Zuruf von der CDU: Das war ja unser Pro- blem!)

Das heißt nicht, dass wir keinen Polizeibeauftragten brauchen. Aber dafür wäre es zweifelsohne nicht die richtige und notwendige Maßnahme gewesen.

(Zustimmung bei der CDU - Zuruf von der CDU: Genau!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nicht nur die Zahl der Anwärter in der Fachhochschule hat sich in den letzten sieben Jahren drastisch erhöht, auch ihre Struktur hat sich völlig geändert. Die Anwärter waren früher deutlich älter. Sie hatten häufig vorher Wehr- oder Zivildienst geleistet. Sie haben einen anderen Beruf erlernt. Sie waren als Persönlichkeit deutlich gereifter. Ich sage das aus eigener Erfahrung heraus.

Damals waren viele der Anwärter, wenn sie an die Fachhochschule kamen, 21 oder 22 Jahre alt

und heute sind sie häufig erst 16 Jahre alt. Wer so wie ich heute erwachsene Söhne hat und einmal zurückschaut, welche Persönlichkeitsentwicklung zwischen 16 und 22 Jahren statt- findet, der wird bestätigen können, wie wichtig es ist, dass wir mit den entsprechenden Maßnahmen mit den jungen Leuten arbeiten. Sie brauchen Vorbilder.

(Zustimmung von Guido Kosmehl, FDP)

Die müssen an die Hand genommen werden. Deren Persönlichkeitsentwicklung muss positiv unterstützt werden. Dazu braucht man erfahrene Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte, die den jungen Leuten beibringen, dass die Fachhochschule der Polizei nicht irgendeine Berufsschule ist und dass der Polizistenberuf nicht irgendein Beruf ist. Es muss ein ganz besonderes Berufsethos vermittelt werden. Dafür müssen wir mehr Ressourcen einsetzen. Klassenleiter sind dabei sicherlich wichtig, aber wir brauchen vor allem die erfahrenen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, die nicht nur Fachkenntnisse, sondern auch dieses Berufsbild in der Polizeiausbildung erfolgreich vermitteln.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Über die jüngst bekannt gewordenen Vorkommnisse müssen wir uns ernsthaft Sorgen machen. Sie schädigen das Bild der Fachhochschule bei potenziellen Bewerbern, die wir dringend brauchen. Sie schädigen das Vertrauen der Polizisten in unserem Land darin, dass sie in den nächsten Jahren geeigneten Nachwuchs in ihren Dienststellen bekommen. Sie kratzen am positiven Bild der Polizei bei den Menschen in unserem Land. Hierbei gegenzusteuern, ist zuvorderst Aufgabe der Polizeiführung. Es ist

aber auch eine Aufgabe des Landtages. Die morgige Sitzung in der Mittagspause wird ganz sicher nur ein Auftakt sein können. Der Klassenchat muss uns ein Weckruf sein.

Nicht alles, was der Antrag der GRÜNEN zu diesem Tagesordnungspunkt enthält, genießt unsere Unterstützung. Es gibt aber auch viel Richtiges darin und deshalb beantrage ich die Überweisung in den Ausschuss für Inneres und Sport.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)