Protocol of the Session on January 26, 2023

Sie selbst ist Katholikin. Sie führt aus religiösen Gründen selbst keine Schwangerschaftsabbrüche durch; und davor habe ich Respekt. Dennoch hat sie betont, dass sie jeder Schwangeren hilft, die einen Schwangerschaftsabbruch benötigt, dass sie ihnen dabei hilft, Konfliktberatungsstellen und Ärztinnen, die Abbrüche durchführen, zu finden. Sie sagte, dass es selbst für sie immer schwieriger wird, ihren Patientinnen zu helfen, weil die Anzahl an Kliniken und Praxen immer weiter abnimmt.

Genau deshalb sagt sie selbst als Katholikin, § 218 muss weg. Und warum? - Weil der Paragraf Schwangere kriminalisiert und stigmatisiert, weil der Paragraf Ärztinnen kriminalisiert und stigmatisiert und weil er letztendlich dazu führt, dass Schwangere keinen Zugang zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen haben.

Sie fordert dies, weil ihr die Gesundheit der Schwangeren wichtiger ist als ihre eigenen religiösen Ansichten, weil auch sie der Überzeugung ist, dass Schwangere die Möglichkeit haben müssen, Schwangerschaften zu beenden, weil es bei Schwangerschaftsabbrüchen letztendlich nicht um Religion, um Ethik oder um

Moral geht, sondern um Gesundheit und weil die aktuelle Regelung als Konsequenz hat, dass viele Ärztinnen aufgrund der Angst, kriminalisiert und stigmatisiert zu werden, keine Schwangerschaftsabbrüche mehr durchführen.

Sehr verehrte Mitglieder der Landesregierung, deshalb fordern wir, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Sie auf: Setzen Sie sich bitte auf Bundesebene dafür ein, dass Ärztinnen und Schwangere aufgrund eines Gesundheitseingriffes nicht mehr kriminalisiert werden! Kämpfen Sie mit uns dafür, dass der Schwangerschaftsabbruch endlich außerhalb des Strafgesetzbuches geregelt wird!

Es geht uns Bündnisgrünen in unserem Antrag darum, die Gesundheit von Frauen, vor allem von allen Schwangeren in unserem Bundesland, zu schützen, die aus welchen Gründen auch immer einen Schwangerschaftsabbruch benötigen. Schwangerschaftsabbrüche sind ein wesentlicher Bestandteil der Frauengesundheit und müssen auch so behandelt werden.

Setzen Sie sich gemeinsam mit uns dafür ein, dass alle ungewollt Schwangeren in SachsenAnhalt einen sicheren Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen haben! Kämpfen Sie mit uns für mehr Frauengesundheit! Wir bitten Sie, dem Antrag zuzustimmen. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei den GRÜNEN, bei der LIN- KEN und bei der SPD)

Für die Landesregierung spricht die Ministerin Frau Grimm-Benne. Wir führen eine Dreiminutendebatte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Zum vorliegenden Antrag möchte ich grundsätzlich feststellen, unser Land setzt das Schwangerschaftskonfliktgesetz des Bundes gesetzeskonform um. Sowohl der Zugang von ungewollt Schwangeren zur Beratung als auch die Sicherstellung eines ausreichenden Angebots ambulanter und stationärer Einrichtungen für Abbrüche ist gegeben.

Die Förderung der Schwangerenberatungsstellen in Sachsen-Anhalt richtet sich nach dem Landesausführungsgesetz zum Schwanger

schaftskonfliktgesetz des Bundes. Dieses verlangt eine angemessene Landesförderung. In unserem Ausführungsgesetz ist das so geregelt, dass mindestens 80 % der Personal- und Sachkosten einer Beratungsstelle durch eine Landespauschale abgegolten werden.

Diese Regelung basiert auf der Auslegung der höchstrichterlichen Rechtsprechung, welche einen gewissen Eigenanteil, genauer gesagt, bis zu 20 %, mit dem Trägerinteresse begründet. In diesem Zusammenhang sei angemerkt, dass eben diese Träger - das vergessen Sie immer zu sagen - auch Zuweisungen aus Mitteln der Konzessionsabgabe, nämlich in Höhe von 6,8 Millionen € im Jahr 2023, erhalten.

Dabei finden regelmäßige Überprüfungen statt, ob und inwieweit die Förderung unter dem Blickwinkel der Angemessenheit ausreichend ist. In den letzten Jahren wurde die Pauschale auch erhöht. So beträgt die Förderung zurzeit 72 550 € für die sogenannte erste Beratungsfachkraft. Sie soll in diesem Jahr auf 78 445 € erhöht werden.

Nach der letzten Überprüfung der Angemessenheit wurde festgestellt, dass die Förderpauschalen im Jahr 2020 ganz überwiegend kostendeckend und damit auskömmlich waren. In drei von 39 Beratungsstellen lagen sie sogar über dem Deckungsgrad von 100 %, sodass bei diesen eine Rückforderung erfolgen musste.

Wenn die jetzige Landesförderung - ich will mich überhaupt nicht dagegen sperren - von 80 % auf 100 % der Gesamtkosten angehoben werden soll, dann muss selbstverständlich das Landesausführungsgesetz geändert werden. Zu bedenken ist dabei aber auch, dass das Fest- halten an einer Förderung über Pauschalen dann auch vermehrt zu Rückforderungen im Einzelfall führen wird. Das heißt, bei einer 100-prozentigen Landesfinanzierung müsste man zur aufwendigen Spitzabrechnung über- gehen, um Überzahlungen zu vermeiden.

Eine zielführende Lösung des Problems könnte ohne Gesetzesänderung - das war auch in der Gleichstellungsministerkonferenz im letzten Jahr Thema - in der Weise erfolgen, dass die Ausführungsverordnung geändert wird. Die dort bislang geltende Bezugsgröße bei den Personalkosten, nämlich die Tarifgruppe E 9, könnte fachlich begründet aufgrund der dort beschäftigten Professionen durch die höhere Entgeltgruppe E 10 ersetzt werden.

So ist das in den meisten anderen Bundesländern auch geschehen. Damit würde sich Sachsen-Anhalt bei der öffentlichen Förderung im Geleitzug der Länder befinden.

Zu den Forderungen unter den Punkten 2 und 3 des Antrags ist auszuführen, dass die Versorgung mit Einrichtungen mit frauenheilkundlichen Abteilungen bzw. mit Geburtshilfeeinrichtungen in Krankenhäusern im Land, welche stationäre Abbrüche durchführen, gesichert ist.

In der Antwort der Landesregierung zu einer Großen Anfrage aus dem Jahr 2018 sind umfangreiche Ausführungen zur Versorgungssicherheit gemacht worden. Die Kliniken sind dort aufgeführt, unter anderem auch die Universitätsklinik Magdeburg als landeseigene Einrichtung.

Ein öffentlich einzusehendes Verzeichnis der Ärztinnen und Ärzte sowie der Krankenhäuser, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, gibt es bereits bei der Bundesärztekammer. Es wird permanent aktualisiert. Daher erübrigt es sich, noch ein landeseigenes Verzeichnis einzuführen.

Meine frühere Staatssekretärin Beate Bröcker hat sich sehr dafür eingesetzt, dass wir die Adressen im Land auf unserer eigenen Webseite des Ministeriums veröffentlichen. Das wollten die Personenkreise nicht, weil sie genau diese Repressalien, die Sie vorhin beschrieben haben, befürchteten. Deswegen verweisen wir auf das Verzeichnis der Bundesärztekammer.

Ich könnte noch einige Ausführungen machen. Aber ich denke, wir haben im Ausschuss noch die Möglichkeit, darüber zu reden. Sie haben mich ja hier auf eine Dreiminutendebatte verpflichtet. Es gäbe sicherlich noch einige Dinge, über die wir uns im Ausschuss austauschen könnten. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der SPD)

Danke. Ich sehe keine Fragen. - Deshalb können wir jetzt in die Debatte der Fraktionen ein- treten. Für die CDU spricht Herr Redlich. Es würde das Verfahren etwas beschleunigen, wenn die nachfolgenden Redner immer schon

in den Startlöchern ständen. - Herr Redlich, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um es gleich am Anfang ganz deutlich zu sagen: Artikel 2 des Grundgesetzes garantiert einen Anspruch auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit, und darunter fällt auch das Begehren auf reproduktive Selbstbestimmung des vorliegenden Antrags. Der gleiche Artikel legt aber auch ein Recht auf Leben fest. Der Schutz des ungeborenen Lebens ist in unserer Verfassung also ebenso ein hohes Gut. Davon liest man in Ihrem Antrag nichts.

(Beifall bei der CDU und bei der AfD - Zuruf von der AfD: Richtig!)

Im Gegenteil. Die Begründung Ihres Antrags lässt alle Eingriffe gegen das menschliche Leben lapidar als Teil der Frauengesundheit erscheinen. Aber wenn eine schwangere Frau ohne einen medizinischen Grund abtreiben will, dann geht es auch um grundlegende ethische Fragen des Schutzes des ungeborenen Lebens.

(Beifall bei der CDU und bei der AfD - Zurufe von der AfD: Jawohl!)

Die Beratung ist in dem Fall auch kein individuelles Recht, das man ausüben kann oder nicht, wie es Ihr Antrag suggeriert, sondern vor einem Schwangerschaftsabbruch eben eine Pflicht. Diese Beratung dient - und ich zitiere § 219 des Strafgesetzbuches - „dem Schutz des ungeborenen Lebens“. Sie hat sich von dem Bemühen leiten zu lassen, die Frau zur Fortsetzung der Schwangerschaft zu ermutigen. Das ist die bundesrechtliche Vorgabe, an die wir uns halten müssen.

Natürlich bedeutet das auch, dass Möglichkeiten zum sicheren Schwangerschaftsabbruch vorhanden sein müssen und dass alle Möglichkeiten mit den jeweiligen Risiken in der Beratung thematisiert werden. Ein öffentlich einsehbares Verzeichnis von Kliniken und Praxen, die das durchführen, kann dabei die Versorgungslage auch verschlechtern, nämlich immer dann - das haben Sie schon angesprochen -, wenn Abtreibungsgegner damit vor Ort Widerstand organisieren.

(Zustimmung von Ministerin Eva Feußner)

Auf die lebensbedrohlichen Konsequenzen unsicherer Schwangerschaftsabbrüche werden sicher gleich noch andere Redner eingehen. Die Debatte über die Abschaffung oder die Veränderung der betreffenden Regelung des Strafgesetzbuches sollte aber dort geführt werden, wo sie hingehört, im Bundestag.

(Zuruf von der CDU: Genau!)

Bei den sonst von Gleichstellungsforderungen geprägten Debatten bin ich gespannt, inwiefern dann die Mitentscheidungsrechte der Väter, also der Männer, eine Rolle spielen werden.

Bis sich die Rechtsgrundlage verändert, haben wir uns im Land an die derzeit geltenden Regelungen zu halten. Konfliktberatung ist dabei nicht, wie der Antrag suggeriert, die Hauptaufgabe, sondern nur ein Teil der Aufgaben der Schwangerschaftsberatungsstellen in diesem Land. Am besten ist es, wenn es gar nicht erst zum Schwangerschaftskonflikt kommt. Ein wichtiger Aspekt ist dabei die Bildung zur Verhütung, also reproduktive Selbstbestimmung im Sinne der Vermeidung ungewollter Schwangerschaften, und dies bezieht auch die Männer ein.

Lassen Sie uns dazu gern die Argumente im Ausschuss austauschen. Wir plädieren für eine Überweisung. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der AfD)

Dann gehen wir weiter. Für die AfD-Fraktion spricht Herr Köhler. - Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die grüne Landtagsfraktion begehrt mit ihrem Antragsanliegen einen ganzen Maßnahmenkatalog, um den Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen in Sachsen-Anhalt zu vereinfachen. Das ist zum einen die Forderung nach einer hundertprozentigen Ausfinanzierung der Konfliktberatungsstellen durch das Land. Die Ministerin hat dazu schon ausgeführt. Das ist auch unserer Auffassung nach völlig unnötig. Die Antwort haben Sie schon in der in der Antwort auf die Kleine Anfrage erhalten, dass der Kostendeckungsgrad regelmäßig überprüft und im Zweifel, falls Bedarf besteht, durch das Land angepasst wird.

Ferner ist Ihrem Antrag zu entnehmen, dass Sie ein öffentlich einsehbares Verzeichnis verlangen. Auch das wurde von Kollegen Redlich bereits angesprochen. Wer Google bedienen kann, wird schnell feststellen, dass bspw. die Ärztekammer ein 75 Seiten umfassendes Dossier hat, in dem man Anlaufstellen in SachsenAnhalt finden kann.

Mit Punkt 5 Ihres Antrags kommt dann der tatsächliche Paukenschlag, die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen. Das ist letztlich

der Traum von rot-grünen Genossen. Das kann man dem Bundestagswahlprogramm von 2021 entnehmen. Sowohl die SPD als auch die LINKEN und die GRÜNEN haben eine ähnliche Formulierung gefasst, und zwar die Regelung der Schwangerschaftsabbrüche außerhalb des Strafgesetzbuches.

Doch was bedeutet das? Mit der Formulierung in Nr. 5 Ihres Antrags wird die Forderung nach der Abschaffung des § 218 ff. StGB erhoben. Eine Abschaffung des § 218 ff. hätte daher zur Konsequenz, dass eine Abtreibung ab dem vierten Monat nicht mehr strafbar wäre. Das umschließt auch die Abtreibung von Kleinlebewesen bis kurz vor der Geburt, also jene Kinder, die selbstständig und außerhalb des Mutterleibs lebensfähig wären. Man sollte sich vergegenwärtigen, was mit Kindern bzw. ungeborenem Leben im vierten Monat passiert. Sie verfügen über ein funktionierendes Muskel- und Nervensystem. Sie können mit ihrer Hand schon eine kleine Faust bilden. Das Herz pocht. Sie können auf Musik reagieren und die Sprache der Eltern verstehen. Ich habe den persönlichen Eindruck, dass das in dieser Debatte bisher völlig in Vergessenheit geraten ist.

(Beifall bei der AfD - Oliver Kirchner, AfD: So ist es!)

Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes - auch das wurde schon angeschnitten - hat klar herausgearbeitet, dass auch dieser Embryo bereits durch das Grundgesetz geschützt ist. Durch das Grundgesetz werden dem Staat also nicht nur unmittelbare Eingriffe in das menschliche Leben untersagt, er wird zugleich verpflichtet, sich schützend und fördernd vor jedes menschliche Leben zu stellen. Das um- fasst auch das ungeborene Leben. Eine Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen bis zur Geburt ist nichts anderes, als ungeborenes

Leben auf etwas zu reduzieren, das den Anforderungen unseres Grundgesetzes nicht gerecht wird. Deshalb werden wir Ihren Antrag komplett ablehnen. - Danke.

(Beifall bei der AfD)

Herr Pott für die FDP-Fraktion. - Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Antrag greift ein sehr emotionales Thema auf. Das hat man in der Debatte schon gemerkt. Ich glaube und bin fest davon überzeugt, dass sich keine Frau in diesem Land leichtsinnig dazu entscheidet, einen Schwangerschaftsabbruch durchzuführen, sondern sich durchaus der Verantwortung bewusst ist und das sehr gut durchdenkt. Deshalb ist es richtig gewesen, dass auf der Bundesebene der § 219a abgeschafft wurde, was den Zugang zu diesen Informationen erleichtert