Protocol of the Session on January 26, 2023

Eine kleine Erläuterung dazu: Ganz praktisch wollen wir eine mit dem kleinen Dienstsiegel der Gemeinden gestempelte Papierstreifenlösung. Wir halten es für geboten, dass der Eingang und die Verwahrung der bei den Wahlämtern mit Beginn der Briefwahl eingehenden Wahlbriefe gesetzlich geregelt und vereinheitlicht wird. Wir wollen eine tägliche zahlen- mäßige Dokumentation der eingegangenen Wahlbriefe zum besseren Abgleich und ihre Verwahrung in einem verschlossenen Raum in den Verwaltungen, zu dem auch jeder Zugang dokumentiert werden muss.

Wir halten es für wichtig, solche zentralen Punkte der Wahlgesetzgebung wie die öffentliche Bekanntgabe von Ort und Beginn der Auszählung der Briefwahl nicht irgendwo in versteckten Anhängen und Anlagen, sondern unmittelbar im Gesetzestext zu regeln. Das steigert die Rechtssicherheit. Ich denke, Rechtssicherheit, Vertrauen und Transparenz sind hierbei die Schlüsselworte.

Uns ist bewusst, dass die von uns vorgeschlagenen Ergänzungen des Kommunalwahlgesetzes auch künftig keinen hundertprozentigen Schutz vor Manipulationen bieten. Aber Fälschungen

werden schwieriger und das Risiko aufzufliegen steigt wegen des begrenzten und nachverfolgbaren Zugangs zu amtlichen Siegeln der Gemeinden. Abgesehen davon erweitert sich bei der Aufdeckung der Strafrahmen und dämpft damit hoffentlich die kriminelle Energie potenzieller Täter.

Sehr geehrte Abgeordnete! Was im Jahr 1957 als Ausnahme gedacht war, wird mit den Wahlunterlagen heute ohne jede Begründung für einen Antrag auf Briefwahl versendet. Damit werden die Briefwahl und die Frühwahl immer bedeutender und entscheidender. Die Briefwahlquote lag bei der Bundestagswahl 2021 bei 47,3 %. Das lag sicherlich an der Sondersituation der Coronamaßnahmen. Aber damit sollte auch die Sensibilität im Umgang mit Wahlbriefen und -urnen einhergehen. Diese Sensibilität sollte sich in unseren Wahlgesetzen niederschlagen, zumal das Landesverfassungsgericht in Sondersituationen die ausschließliche Briefwahl für verfassungskonform hält. Auch für solche Fälle müssen wir unser Wahlrecht möglichst wasserdicht ausgestalten.

Ich möchte, dass Sie diese Botschaft mitnehmen. Wer sich nicht zur Demokratie bekennt, der wird ohnehin gegen unseren Gesetzentwurf stimmen, weil er meint, die alten, durchlässigen Gesetze verschaffen ihm einen Vorteil. Aber das hat nichts mit Demokratie zu tun.

(Ulrich Siegmund, AfD: Richtig!)

Vorab verwahre ich mich gegen den absehbaren Einwand, wir würden die Briefwahl an sich verunglimpfen und die Wähler absichtlich verunsichern. Das hätten wir nach dem langen Weg, nach dem Wahlchaos am 26. September 2021 bis hin zum nunmehr 12. Februar 2023 gar nicht mehr nötig. Das hat eine breite Mischung aus Inkompetenz, Gleichgültigkeit und Sabotage in Berlin am 26. September 2021

ganz allein geschafft. Das wollen wir in Sachsen-Anhalt ganz sicher unter gar keinen Umständen. Genau deshalb wollen wir Sicherheitsvorkehrungen gegen absichtliche Manipulationen treffen und diese klipp und klar in die Wahlgesetze schreiben.

Ich weiß, die große Masse der Beamten und Angestellten in den Wahlämtern der Gemeinden arbeitet pflichtbewusst und gewissenhaft. Deswegen lege ich Wert darauf festzuhalten, dass unser Gesetzentwurf kein Ausdruck des Misstrauens gegen die vielen haupt- und ehrenamtlichen Wahlhelfer ist. Es sind immer nur ganz wenige schwarze Schafe, denen wir aber die Manipulation so schwer wie möglich machen wollen, um ein Stück weit auch unsere Demokratie zu schützen.

Die Wahl sollte vor dem Bürger als unangreifbar gelten. Machen wir sie also unangreifbar. Der damit verbundene kleine Mehraufwand für Wahlämter und Wahlleiter steht doch in keinem Verhältnis zu dem Mehr an Vertrauen, das Sie mit einer möglichst sicheren Brief- und Urnenwahl wiederherstellen können. Denken Sie daran, dass es hierbei um die härteste Währung geht, die wir als Volksvertreter kennen: das Vertrauen der Bürger und der Wähler. Wir dürfen keine Gelegenheit verstreichen lassen, darum zu ringen. Daher bitte ich dar- um, den vorliegenden Gesetzentwurf zur weiteren Beratung in den Ausschuss für Recht, Verfassung und Verbraucherschutz zu über- weisen. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank für die Einbringung, Herr Lizureck. - Es wurde verabredet, eine Dreiminuten-

debatte zu führen. Der erste Debattenredner ist Herr Erben für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Landesregierung hat soeben einen Gesetzentwurf zur Änderung kommunalwahlrechtlicher Vorschriften eingebracht, der viele Details regelt, bei den Detailregelungen aber auch Entbürokratisierungen und Vereinfachungen vornimmt. Samt und sonders sind es Vorschläge aus der kommunalen Praxis, die nach meinem Überblick am Ende auch so Gesetz werden sollten und die sich in der kommunalen Praxis als tauglich erweisen werden. Ich beantrage eine Überweisung in den Ausschuss für Inneres und Sport, damit dort über den Gesetzentwurf beraten werden kann.

(Beifall bei der SPD - Ulrich Siegmund, AfD: Waren Sie jetzt dafür, oder was?)

Vielen Dank, Herr Erben. - Als nächste Rednerin kommt Frau Buchheim für die Fraktion DIE LINKE nach vorn. - Frau Buchheim, bitte.

Vielen Dank. - Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wie bereits vorgetragen, soll rechtzeitig vor den anstehenden Kommunalwahlen eine Fortentwicklung und Optimierung der gesetzlichen Vorschriften erfolgen und damit eine bessere praktische Umsetzung ermöglicht werden.

Soweit gesetzgeberische Klarstellungen und allgemeine Rechtsanpassungen erfolgen, können

wir diese grundsätzlich mittragen. So halten wir es für grundsätzlich richtig, Fristen und Termine für Direktwahlen zu entzerren und damit den Prozess der gesamten Wahlorganisation in den Kommunen zu erleichtern. Ob die angestrebten Fristen zu kurz oder zu lang bemessen sind, sollte an den Erfahrungswerten aus der kommunalen Praxis gemessen werden. Deshalb beantragen wir bereits jetzt eine mündliche Anhörung.

Kritisch sehen wir, dass Wahlberechtigte unter Erfüllung bestimmter Voraussetzungen ein Recht auf Einsicht in das Wählerverzeichnis zur Überprüfung der Richtigkeit oder der Vollständigkeit der Daten von anderen Wahlberechtigten haben sollen. Woraus leitet die Landesregierung eine entsprechende Notwendigkeit ab? Auch der Städte- und Gemeindebund hat diesbezüglich bereits eine ausdrückliche Normierung einer schriftlichen Glaubhaftmachung bzw. eines Vortrages zur Niederschrift gefordert. Hierzu sehen wir noch Beratungsbedarf.

Auch im Hinblick auf die ersatzlose Streichung der Regelung über die Verbindung von Wahlvorschlägen sehen wir Beratungsbedarf bezüglich der seitens der Landesregierung geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken. Soweit nach dem Gesetzentwurf der fixe Zeitpunkt zur öffentlichen Bekanntmachung der zugelassenen Bewerbungen wegfallen soll, plädieren wir weiterhin für eine feste Fristsetzung.

All diese Fragen sollen im Rahmen einer mündlichen Anhörung ausführlich erörtert werden. Einer Überweisung des Gesetzentwurfs stimmen wir zu.

Der Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN trifft auf unsere Zustimmung. Wir selbst waren diesbezüglich in der siebenten Wahlperiode parlamentarisch aktiv. Allerdings hat die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE

GRÜNEN eine entsprechende Gesetzesänderung damals abgelehnt.

(Guido Kosmehl, FDP: Aha!)

Der Gesetzentwurf der AfD-Fraktion verfolgt weiterhin deren Kritik an der Briefwahl. Er greift ihren alten Antrag aus der Drs. 8/221 erneut auf. Von daher verweise ich auf meinen damaligen Redebeitrag, an dem sich inhaltlich nichts geändert hat. Wir lehnen diese Initiative erneut ab. - Vielen Dank.

Vielen Dank, Frau Buchheim. - Der nächste Redner ist Herr Kosmehl für die FDP-Fraktion. - Herr Kosmehl, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! - Mein geschätzter Kollege Erben hat bereits gesagt, wie wir mit dem Gesetzentwurf der Landesregierung umgehen wollen. Ich kann Ihnen, Frau Buchheim, versichern: Natürlich werden wir in den Beratungen im Innenausschuss auch eine Anhörung durchführen. Das muss sich selbstverständlich ergeben; denn wir wollen uns nicht nur auf die Ergebnisse der Gespräche in Vorbereitung des Gesetzentwurfs der Landesregierung zurückziehen, sondern wir wollen ebenfalls mit den kommunalen Spitzenverbänden und mit den Betroffenen reden.

Ich will an dieser Stelle bereits auf einen Punkt hinweisen - Rüdiger Erben hat gesagt, es gibt viele Detailregelungen -, über den wir vielleicht auch im Parlament reden sollten. Das betrifft die Änderung in § 5 Abs. 3 des Kommunalwahlgesetzes. Darin wurde eine Vorkehrung

getroffen. Sie alle, die sich auch mit Politik außerhalb von Sachsen-Anhalt beschäftigen, wissen, dass wir beim Wahlrecht auf europäischer Ebene wahrscheinlich eine Änderung bekommen werden. Dort gibt es die Diskussion: Wir legen e i n e n Wahltag fest, nicht wie bisher vier Tage. Wir konnten den Wahltag bisher immer auf einen Sonntag legen. Es kann sein, dass man - so wird es im Europäischen Parlament diskutiert - den 9. Mai festlegen möchte, den Europatag. Das wäre im Jahr 2024 ein Donnerstag, ein gesetzlicher Feiertag, nämlich Christi Himmelfahrt. Das würde den Gesetzestext tatsächlich treffen.

Wenn wir die Europawahl und die Kommunalwahl ernst nehmen - ich finde es gut, dass wir das zusammen durchführen -, dann müssen wir bedenken, dass es schwierig ist, unsere Bürgerinnen und Bürger an einem Donnerstag zu den Wahlurnen zu bekommen. In dem Fall würde ich gern auch im laufenden Prozess schauen, ob wir Informationen bekommen, wie das Europäische Parlament das einschätzen wird, ob es tatsächlich weg von einem Sonntag, hin zu einem Donnerstag oder Freitag gehen wird. Denn das wäre für das Wählen in Deutschland und in Sachsen-Anhalt ein Novum. Deshalb würde ich schon gern das Augenmerk darauf richten.

Ansonsten stimmen wir einer Überweisung des Gesetzentwurfs der Landesregierung in den Innenausschuss zu. Den Gesetzentwurf der AfDFraktion lehnen wir ab.

(Zustimmung bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kosmehl. - Als nächster Redner ist Herr Striegel für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN an der Reihe.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Gesetzentwurf der Landesregierung zur Änderung des Kommunalwahlgesetzes und des Kommunalverfassungsgesetzes greift zentrale Punkte auf. In Vorbereitung auf die nächsten Kommunalwahlen ist es richtig, das Wahlgesetz auf notwendige praktische Änderungen durchzusehen. Diese sollten erörtert und verabschiedet werden, ohne dass dies in die Zeit des Wahlkampfes hineinragt. Wir werden daher einer Überweisung des Gesetzentwurfs in die Ausschüsse zustimmen und ihn dort konstruktiv und kritisch begleiten.

Schon heute muss aber ein grundsätzlicher Mangel Ihres Gesetzentwurfes benannt werden: Sie haben vergessen, dass es in SachsenAnhalt Jugendliche gibt, deren gutes Recht es ist, an Entscheidungen beteiligt zu werden, gerade auf kommunaler Ebene. Das politische Interesse junger Menschen ist hoch und der Wunsch nach Beteiligung an den eigenen Angelegenheiten ungebrochen. Politische Entscheidungen bilden die Bedürfnisse Jugendlicher jedoch zu selten ab. Die Anliegen der jungen Generation werden in einer zunehmend vergreisenden Gesellschaft kaum gehört und zu wenig berücksichtigt.

Der demografische Wandel formt die Gruppe der Wahlberechtigten einseitig zugunsten älterer Menschen um. Zukunft wird in Sachsen- Anhalt zunehmend ohne echte Beteiligung der jungen Generation gemacht. Wir sehen das an den Versäumnissen der heute lebenden alten Leute in Sachen Klimaschutz oder in der Bildungspolitik.

Der Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl gibt uns auf, jede Begrenzung des Wahlalters besonders zu rechtfertigen. Ich kann kein stichhaltiges Argument erkennen, das dafür spricht,

junge Menschen von der Wahl fernzuhalten. Jugendliche im Alter von 14 Jahren haben sehr wohl die Möglichkeit,

(Lachen bei der AfD)

ihre politischen Präferenzen im Rahmen des Angebots der Wahl zum Ausdruck zu bringen.

(Oliver Kirchner, AfD: Beim Strafrecht auch, Herr Striegel?)

Wir halten sie für strafmündig; sie sind auch entscheidungsmündig.

Den Gesetzentwurf der AfD lehnen wir ab.

(Zuruf von Guido Heuer, CDU)

- Nein, Herr Heuer, das ist nicht unglaublich. Es ist in einer Demokratie eine Selbstverständlichkeit,

(Guido Heuer, CDU: Ach so!)

dass Menschen, die von Herrschaft betroffen sind, an ihr auch beteiligt werden. Das ist vielleicht eine neue Information für Sie. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Junge Menschen haben das Recht mitzuentscheiden und sie sollten es ab dem Alter von 14 Jahren tun können.

(Guido Heuer, CDU: Wenn sie 18 sind, sind sie alt, oder was? - Zuruf von Siegfried Borg- wardt, CDU - Lachen bei der AfD)

Den Gesetzentwurf der AfD lehnen wir. Er entspringt der Verschwörungserzählung, dass Briefwahlen manipuliert würden. Dieses