Protocol of the Session on January 26, 2023

Ich wollte das gerade mit einem Wunsch an den Kollegen Silbersack verbinden: Ich würde mir fast das Diskussionsniveau vom November 2021 zurückwünschen. Damals hat nämlich

Ihr Kollege Christian Lindner via „FAZ“ - zum wiederholten Male, aber ich hatte die Hoffnung, dieses Mal sei es endgültig - die Atomdebatte beerdigt. Ich darf zitieren:

„Persönlich sehe ich die Kernenergie ordnungspolitisch kritisch, da es sich um eine Energiequelle handelt, die im Markt nicht zu versichern ist und daher die Staatshaftung gegen den GAU braucht. Jenseits der abstrakten Debatte gibt es in Deutschland weder einen privaten Betreiber noch Standorte. Zudem würde man einen beendeten gesellschaftlichen Großkonflikt“

- das ist nicht zu verachten -

„wieder eröffnen. Deshalb komme ich“

- also Herr Lindner -

„zu dem Schluss, dass die Kosten einer Laufzeitverlängerung in jeder Hinsicht den Nutzen übersteigen würden.“

(Zustimmung bei der FDP - Sebastian Strie- gel, GRÜNE: Lindner hat recht!)

- Ja, das muss man ehrlicherweise sagen. Da muss man schon fair bleiben.

(Zuruf von Guido Kosmehl, FDP)

In Europa werden in diesem Jahr Windenergieanlagen und PV- Anlagen mit einer Leistung von 60 GW installiert. Allein diese werden so viel zusätzlichen Strom liefern wie 15 AKW.

(Alexander Räuscher, CDU: Wo ist die Grund- last? - Zuruf von Guido Heuer, CDU)

Vorhin ist das Beispiel Polen erwähnt worden. Dort hat man beschlossen, neue AKW zu bauen. Das wird mindestens zehn Jahre dauern. Es wird

die Staatsfinanzen in Polen belasten. Dabei sind ungeplante Verzögerungen und Teuerungen noch nicht einmal eingerechnet.

(Unruhe)

Ich glaube, es ist ziemlich klar: Atomkraft war, ist und bleibt riskant, schmutzig, teuer und unzuverlässig.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Auch Frankreich ist heute bereits mehrfach erwähnt worden. Frankreich hat im Gegensatz zu Deutschland in diesem Winter rollierende Stromabschaltungen durchgeführt, weil nicht einmal mehr die Zuleitung aus den umgebenden Ländern gereicht hat, um die Stromversorgung dort sicherzustellen. Frankreich war nämlich im Gegensatz zu Deutschland im letzten Jahr monatelang Nettostromimporteur. Wir wissen das.

(Zuruf: Das war aber so geplant!)

Mehr als die Hälfte der Atomkraftwerke in Frankreich war nicht zuletzt wegen der nicht möglichen Kühlung abgeschaltet. Deutscher erneuerbarer Strom war die Rettung für Frankreich,

(Guido Kosmehl, FDP: Nein, nein, das war Gas! - Zuruf von Ulrich Thomas, CDU)

obwohl 16 Jahre lang - vielleicht noch ein bisschen Kohle; da will ich auch ganz ehrlich sein -

(Zurufe von Guido Kosmehl, FDP, und von Ul- rich Thomas, CDU)

die Energiewende hier verspielt wurde.

(Zurufe von der CDU und von der FDP)

Letzte Woche hat Süddeutschland dann auch einige Probleme bekommen, weil die unionsgeführten Regierungen den Netzausbau verpennt haben - so deutlich muss man das sagen. In Norddeutschland gab es ordentlich viel Windstrom,

(Zurufe von der CDU und von der FDP - Hen- drik Lange, DIE LINKE: Ruhe da drüben jetzt!)

aber er konnte nicht nach Süddeutschland transportiert werden. Die Kollegin Kleemann hat schon einiges dazu gesagt.

(Zustimmung von Olaf Meister, GRÜNE)

Es musste Gegendruck aufgebaut werden, weshalb Verbraucherinnen und Verbraucher in Süddeutschland gebeten wurden, den Verbrauch zu drosseln. Die Lage wäre noch entspannter, wenn es bereits größere dezentrale Speicherstrukturen geben würde,

(Zuruf von der CDU: Na, also!)

entweder um im Norden die Energie aufzunehmen oder um im Süden beim Gegendruck zu helfen. Auch das haben Altmaier und Co. bei ihrer Fossilbestandswahrung verpennt.

Ein großflächiger Stromausfall hat zu keinem Zeitpunkt gedroht. Und auch die Bundesnetzagentur hat nie davon gesprochen.

(Alexander Räuscher, CDU: Wieso sollen die Fossilen Speicher bauen? Die muss die Wind- kraftanlagenseite bauen!)

Sie hat immer davon gesprochen, dass mit der zur Verfügung stehenden Energie sparsam und effizient umgegangen werden soll. Und das ist bei jeder Ressource immer eine gute Idee.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es musste allerdings ins Netz eingegriffen werden. Damit das unseren Netzbetreibern möglichst leicht fällt und die Versorgungssicherheit auf Rekordniveau bleibt, brauchen wir in Zukunft schnell regelbare Leistung. Übersetzt heißt das: Wir brauchen mehr Speicher an jedem Ort. Sie sind das passende Gegenstück zu Sonne, Wind und Co., den sogenannten volatilen Energien. Was wir aber nicht brauchen, sind schlecht regelbare Kraftwerke, welche die die Netze verstopfen, übersetzt also: AKW.

Früher war unser Stromnetz so aufgebaut: Es gab eine Menge Kraftwerke, die mit nahezu gleichbleibender Leistung betrieben wurden, historisch vor allem Atom- und Braunkohlekraftwerke,

(Zuruf von der AfD: Das nennt sich Grund- last!)

wobei man letztere noch ein Stück weit regeln kann. Dann gab es für die normale Tagesschwankung im Verbrauch ein paar MittellastSteinkohlekraftwerke, und wenn diese nicht ausgereicht haben, die sogenannten Spitzenlastkraftwerke, z. B. Gas-oder Pumpspeicherkraftwerke. Das ist das System, welches die Grundlastfetischisten noch immer meinen, hochhalten zu müssen. Aber das ist eben das überholte Verständnis von einem Netzbetrieb. Kollegin Kleemann hat schon ausgeführt, was wir an dezentralen Netzen brauchen.

Grundlast wird weiter an Bedeutung verlieren und durch Kraftwerke ersetzt werden, welche Residuallast liefern können, also Restlast im Netz. Das ist die Energie, die nach Abzug der fluktuierenden Einspeisung, also Sonne und

Wind, übrig bleibt. Diese Restlast - derzeit stellen wir das noch mit Gas- und Kohlekraftwerken sicher - wird mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien, den die Koalition - in gewissem Sinne ist es ja eine große Koalition mit der FDP - auf der Bundesebene beschlossen hat, und dem Ausbau der Batteriespeicher vorankommen.

Im Jahr 2022 wurden immerhin mehr als 1,6 GWh an Batteriekapazität allein bei den Heimspeichern, die schon jetzt existieren, an die Bundesnetzagentur gemeldet, und die Tendenz steigt. Wir haben auch in diesem Land gesehen, wie viele Menschen sich gern noch mehr Speicher zu Hause installieren würden. Auch der Großspeichermarkt für Windparks oder Industriestandorte wächst. Der Gewerbespeichermarkt war relativ konstant, aber die Nachfrage steigt jetzt deutlich an.

(Jörg Bernstein, FDP: Aha!)

Ich habe hier schon mehrfach auf die heimische Firma Tesvolt hingewiesen. Deren Geschäftsmodell wächst enorm; sie kann die Nachfrage gar nicht bedienen, weil auch sie ein Fachkräfteproblem hat. Allen, die das nicht glauben, kann ich nur empfehlen, diese Firma in Wittenberg einmal zu besuchen. Das ist Energiewende made in Sachsen-Anhalt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Erwähnt sei ebenfalls, dass auch das Lastmanagement zunehmen wird. Das Paradebeispiel dafür ist das Elektroauto, das in- zwischen erkennt, wann es genug Strom im Netz gibt, damit es laden kann, und wann es etwas langsamer lädt. Ein neues Strommarktdesign, das das auch auf europäischer Ebene

regelt, ist gerade im Entstehen. Das soll wirtschaftlich attraktiv werden. Der Konsultationszeitraum auf der EU-Ebene ist gestern gestartet. Auch hier hat die neue Bundesregierung den Schalter sehr schnell umgelegt und das Versagen von Altmaier und Co. aufgearbeitet.

Hier im Land - ich muss es leider sagen - kommt Ministerin Hüskens nicht einmal mit der Ausweisung der Windflächen voran.

(Zuruf von Guido Kosmehl, FDP)

Die von Minister Willingmann vorhin vorgetragene Rede war sehr schön und sehr nett. Ich kann ihn jetzt leider nicht fragen. Er redet immer gern von der Solarpflicht, aber passiert ist leider auch hierbei noch nichts.