Protocol of the Session on January 26, 2023

(Zustimmung von Hendrik Lange, DIE LINKE)

Außerdem kommen Bauzeiten von mindestens 15 Jahren hinzu; aber wir sind doch in der Situation, dass wir CO2 sofort drastisch reduzieren müssen. Dabei helfen uns solche langfristigen Projekte überhaupt nicht. Sie sind also keine Option.

Nun kommen wir noch einmal zu der Behauptung, dass Atomstrom unabdingbar sei. Die Ministerin hat in Vertretung des zuständigen Ministers vorgetragen, dass heute in Deutschland und weltweit nur noch rund 10 % der Stromproduktion aus Atomenergie kommen und wir damit eigentlich keinen großen Player mehr vor uns haben. Flexibel, Herr Silbersack, ist diese Technologie überhaupt nicht.

(Zustimmung von Hendrik Lange, DIE LINKE)

Sieht man sich an, mit welchen Problemen Kernkraftwerke z. B. im vergangenen Sommer allein wegen des Wassermangels in Frankreich zu kämpfen hatten und dass wegen anderer technischer Mängel fast die Hälfte abgeschaltet werden musste, dann erscheint die Grundlastfähigkeit in einem ganz anderen Licht. Und ja, billig ist der Atomstrom eben auch nicht; denn ohne massive Subventionen - also Steuergeld - wäre dies überhaupt nicht möglich und würde sich nicht rechnen.

(Zustimmung von Hendrik Lange, DIE LINKE - Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Genau!)

Im Übrigen wäre Atomstrom heute viermal so teuer wie Strom aus Windkraftanlagen.

(Tobias Rausch, AfD: Stimmt doch gar nicht!)

Und ja, die Sicherheitsrisiken bei Kernkraft sind immens. Niemand versichert heute überhaupt solch ein Atomkraftprojekt. Die Risiken sind einfach zu hoch - und wer bezahlt dann dafür, wenn etwas passiert? Hinzu kommt, dass mit der zivilen Entwicklung immer auch die militärische Verwendung, also Atombomben, einhergeht.

(Tobias Rausch, AfD: Wir haben Atombom- ben in Deutschland!)

Das ist wiederum kaum kontrollierbar und muss endlich beendet werden. Wenn wir dann noch in die Ukraine schauen, wo eines der größten Kernkraftwerke der Welt in Saporischschja, mitten im Kriegsgebiet, liegt und hart umkämpft war und ist, dann wird doch deutlich, wie wenig die Sicherheit von Kernkraftwerken gewährleistet werden kann. Die Welt hat aus meiner Sicht absolut berechtigt Angst vor einem Super-GAU durch die Kriegshandlungen.

Außerdem stellt sich noch eine Frage: Woher kommen die tollen und viel gerühmten Brennstäbe? Einer der größten Exporteure ist Russland, und, meine sehr geehrten Damen und Herren, das wollen Sie wirklich in Erwägung ziehen? Also, das kann man überhaupt nicht mehr nachvollziehen.

(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Ja, dann sind da noch so tolle, angeblich viel- gepriesene Technologien wie Transmutation; auch das ist eher ein Irrglaube und mehr Fiktion als Realität. Das würde im Endeffekt natürlich auch bedeuten, dass die Atomindustrie wiederaufgebaut werden müsste, und das lehnen wir aus den oben genannten Gründen ab. In Bezug auf die Kernfusion, na ja, sind wir meilenweit von der technischen Umsetzung entfernt. Das hilft uns bei der aktuellen Klimakatastrophe auch nicht.

(Andreas Silbersack, FDP: Unglaublich! - Zu- ruf von Tobias Rausch, AfD)

Ich finde, dass wir in dieser Legislaturperiode schon viel zu viel Energie dafür verschwendet haben, über Atomkraft zu debattieren, statt diese Energie in den dringenden Ausbau der erneuerbaren Energien hier im Land zu stecken.

Meine sehr geehrten Damen und Herren der FDP-Fraktion, mit dieser Aktuellen Debatte haben Sie aber wirklich in die Mottenkiste gegriffen.

(Unruhe bei der FDP - Tobias Rausch, AfD: So ein Quatsch!)

Verantwortung für die Landesentwicklung, die Menschen, die Energieversorgung und die

Umwelt, die Wirtschaft und den Klimaschutz sieht wahrlich anders aus. - Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Frau Eisenreich, jetzt gab es hier - - Ach, Herr Lizureck, okay, alles klar. - Frau Eisenreich, wollen Sie - - Sie wollen nicht. Hat sich erledigt, Herr Lizureck. Okay. - Nun kommen wir zur SPD. Für sie spricht Frau Kleemann. - Bitte sehr.

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Aktuelle Debatte um die Frage der Laufzeiten von Atomkraftwerken ist schon überraschend. „Was hat Atomkraft mit nachhaltiger Energieversorgung zu tun?“ war eine der Fragen, die ich mir beim Lesen des Textes zur Aktuellen Debatte gestellt habe.

(Zurufe von der AfD: Viel! - Alles! - Weitere Zurufe von der AfD)

Auf der Suche nach Lösungen auf ein Auslaufmodell zu setzen, ist aus meiner Perspektive weder innovativ noch kreativ. Die derzeit noch am Netz befindlichen drei Atomkraftwerke in der Bundesrepublik liegen alle drei nicht in Sachsen-Anhalt: Emsland in Niedersachsen, Neckarwestheim in Baden-Württemberg und Isar 2 in Bayern. Soweit mir bekannt ist, sind die Bewohnerinnen und Bewohner in diesen Regionen richtig froh, wenn diese Atommeiler endlich abgeschaltet werden.

(Zuruf von der AfD)

Als Altmärkerin - das sage ich Ihnen - bin ich hoffnungsvoll, dass aus Arneburg weiterhin

Toilettenpapier, Küchenrollen und andere Papiererzeugnisse kommen und dass der alte Traum vom Kernkraftwerk Arneburg-Stendal nicht doch Wirklichkeit wird.

(Zustimmung bei der SPD und von Olaf Meis- ter, GRÜNE)

Ich glaube auch nicht, dass Mercer den Standort Arneburg freiwillig räumt, dass die Waldbauern sich freiwillig einen neuen Abnehmer für ihr Holz suchen und dass der ohnehin mühsame Rückbau der Kühltürme aufgegeben wird und dass die Kühltürme dann wieder aufgebaut werden.

Wir aktivieren die Kernkraft in der Altmark und wärmen die Elbe. - Ehrlich gesagt, liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist kein nachhaltiges Zukunftsszenario. Die Betreiberfirmen der noch am Netz befindlichen drei Werke sind mit Blick auf Atomenergie längst im Ausstiegsszenario, sind längst im Einstieg in erneuerbare Energien unterwegs und bauen ihre Konzerne sukzessive um.

Für die Grundlast sind diese drei Atommeiler nicht nötig, wenn wir weiter in gesteigertem Maße in den Ausbau der Erneuerbaren investieren. Die Zögerlichkeit der vergangenen Jahre kommt uns jetzt teuer, sehr teuer zu stehen.

(Zuruf von Alexander Räuscher, CDU)

Für die Grundlastfähigkeit des deutschen und des europäischen Energienetzes ist eine flächendeckende Produktion von grünem Strom aus Wind, Sonne, Biomasse und Wasserkraft nötig. Die Grundlastfähigkeit hängt an der Fähigkeit, dass der Strom dort ankommt, wo er gebraucht wird. Das geschieht eben nur dann, wenn die Verteilung funktioniert, sprich: Wir brauchen einen Ausbau der Stromnetze.

(Zurufe von der AfD: So ein Quatsch! - Ein Stromnetz kann keinen Strom speichern! - Das ist Blödsinn!)

Wir brauchen keinen neuen Atommüll, von dem wir bis heute nicht wissen, wohin damit.

Stichwort: Dunkelflauten. Sie sind eher ein lokales als ein überregionales Phänomen.

(Zuruf von der AfD: Völliger Schwachsinn! - Weitere Zurufe von der AfD)

Sie treten auf, wenn weder Wind noch Sonne zur Stromerzeugung nutzbar sind. Sie sind ein zeitlich begrenztes Phänomen. Und mit einem sogenannten Blackout, also einem großflächigen und lang anhaltenden Stromausfall, ist aufgrund des Stromnetzes und des europäischen Stromverteilnetzes und -marktes nicht zu rechnen.

(Zurufe von der AfD - Unruhe)

Mit Dunkelflauten ist umso weniger zu rechnen, je besser das Netz der Erneuerbaren über eine große Fläche ausgebaut ist und je besser das Netz also über die gesamte Bundesrepublik und über Gesamteuropa existiert.

(Alexander Räuscher, CDU: Wer hat ihr das aufgeschrieben?)

Der Deutsche Wetterdienst veröffentlichte bereits im März 2018 in einer Pressemitteilung, in der er der Frage der Flauten für Deutschland mit Blick auf den Energieausfall nachging, Folgendes - Zitat -: Der DWD kommt zu dem Schluss, dass die entsprechenden Ausfallereignisse sich schon bei deutschlandweitem Ausbau von Windkraft- und Solaranlagen etwa um den Faktor 11 gegenüber reiner Inland-

Windkraftnutzung von durchschnittlich 23 mal 48-Stunden-Dunkelflaute pro Jahr auf zwei mal 48-Stunden-Dunkelflaute pro Jahr reduzieren lassen. Bei europaweiter Betrachtung reduziert sich dieses Risiko abermals um den Faktor 10 auf 0,2 mal 48-Stunden-Dunkelflaute pro Jahr.

(Unruhe)

In einer Studie aus dem Jahr 2019 wird dies noch einmal detaillierter betrachtet. In einem Rückblick auf 21 Jahre konnten nicht einmal fünf Ereignisse ausgemacht werden, in denen es eine Problemlage von 48 Stunden für Deutschland gegeben hat. Für Europa gab es null entsprechende Ereignisse, und das bei einer nicht 100-prozentigen Auslastung der Nennleistung von Wind und Sonne.

(Zustimmung von Olaf Meister, GRÜNE)

Die Herausforderung, vor der wir also stehen, ist der weitere Ausbau des Stromnetzes und der erneuerbaren Energien. Wichtig bleibt eine gut funktionierende Abstimmung der unterschiedlichen Stromerzeuger untereinander und die Regulierbarkeit der unterschiedlichen Kraftwerkstypen. Diese ist bei Kernkraft und Kohlekraft eben so stark nicht gegeben.

(Unruhe)

Der Ausbau der Erzeugung von Erneuerbaren und der Ausbau der Netze sowie der Aufbau einer Speicherinfrastruktur ist weiterhin das, was jetzt zu tun ist. Die Nachhaltigkeit, die die Antragstellerin mit ihrer Aktuellen Debatte anmahnt, kann ohne Atomstrom, ja, sie muss sogar ohne Atomstrom hergestellt werden. Es geht um Versorgungssicherheit und um Daseinsvorsorge, ja. Darin sind wir uns sicherlich

alle einig. Aber um zu diesem Ziel zu kommen, braucht es verschiedene andere Perspektiven, aber ganz klar nicht den Ausbau von Atomstrom.