Das ist doch ein Prozess, der von unten wachsen muss. Ich bin stolz darauf, dass es uns gelungen ist - Herr Erben hat es im Grunde genommen auch so dargestellt -,
dass sich die Landräte und der Bürgermeister verständigt haben, und wir nicht von oben ex cathedra verkündet haben: Aber wir finden, die Auswirkung ist so und so. Ich glaube, Sie hätten uns mit viel größerem Recht kritisiert, wenn wir in die Richtlinie einfach irgendwelche Budgets oder Proportionen hineingeschrieben hätten.
Wir haben jetzt im Landesarm 15 Bewilligungen. Es handelt sich überwiegend, wie gesagt, um Gewerbegebiete, Industriestraßen und vieles andere mehr. Wie weit diese jetzt im Einzelnen sind, damit bin ich im Moment überfragt. Ich bitte um Verständnis. Wir führen eine Aktuelle Debatte. Ich bereite mich auf die Themen vor, die aktueller Natur sind. Ich bin gern bereit - wenn Sie sich die Mühe machen wollen -, eine Kleine oder Große Anfrage zu diesem Thema zu beantworten. Von mir aus kann es gern eine Große Anfrage sein; dann müssen Sie einmal alles aufschreiben, was Ihnen auf dem Herzen liegt. Ich habe ein Interesse daran, dass das kommuniziert wird. Aber ich kann jetzt nicht zu jedem einzelnen Projekt
sagen, welchen Erledigungsstand es hat. Das wäre aus der Sicht der Landesregierung auch übertrieben.
Das ist ein Programm für die Reviere. Das ist ein Programm für die Menschen - das kann ich auch nur noch einmal unterschreiben -, denen jetzt Unternehmen verlustig gehen, die qualifizierte, gut bezahlte Arbeitsplätze anzubieten haben. Wir wollen, dass auch für die kommende Generation qualifizierte und gut bezahlte Arbeitsplätze zur Verfügung stehen, vor allen Dingen auch Ausbildungsplätze. Das bedrückt mich persönlich am allermeisten. Einer der ausbildungsintensivsten Betriebe dort unten war die MIBRAG, die nicht nur für den Bergbau ausgebildet hat, sondern die die unterschiedlichsten Berufsbilder in ihrem Portfolio hatte. Wenn ein solches Unternehmen ausfällt, dann muss man eine Menge neuer Unternehmen ansiedeln, die das zu ersetzen vermögen.
Ich will es nicht immer wieder beklagen, aber lassen mich an der Stelle doch noch einmal sagen: Für uns ist es nach wie vor unbefriedigend, dass das Investitionsgesetz Kohleregion nicht direkt die Wirtschaft fördern kann. Des- wegen waren wir so glücklich, dass wir bei der EU nach langen Gesprächsrunden und Verhandlungen im JTF auch die einzelbetriebliche Förderung unterbringen konnten - mit Maßgaben, wie immer. Aber das ist das Thema.
Vielen Dank, Herr Robra. Es gibt keine weiteren Fragen. - Als nächster Redner kommt für die AfD-Fraktion Herr Waehler ans Mikrofon.
(Lachen bei der CDU und bei der AfD - Lothar Waehler, AfD: Ich warte auch noch ein biss- chen, kein Problem!)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kollegen! Das Thema Strukturwandel hat bei uns im Land leider einen schalen Geschmack. Für den Begriff „Strukturwandel“ lassen sich mehrere Definitionen finden. Eine allumfassende kurze Erklärung in Bezug auf den Strukturwandel lautet: eine dauerhafte Veränderung der Wirtschaftsstruktur einer Branche, Region oder Einkommensschicht; langfristig.
Die Menschen bei uns und vor allem auch bei mir vor Ort im südlichen Landesteil verbinden den Begriff „Strukturwandel“ mit Versprechungen, leider auch mit gebrochenen. Daran hat und hatte die Politik einen sehr wesentlichen Anteil, vor allen Dingen nach der Wende. In den Produktionsstätten und Orten kam es zu ein-
schneidenden Veränderungen. Die Menschen haben den Strukturwandel nicht nur als einen Ausstieg eines industriellen Ballungsraums aus der Kohle erlebt, sondern auch mit Arbeitslosigkeit, Wegzug und persönlicher Not. Vor diesen Tatsachen darf niemand die Aussagen verschließen.
Ich komme aus dem jetzt besonders vom beschlossenen Kohleausstieg betroffenen südlichen Sachsen-Anhalt. Meine Heimat befindet sich seit annähernd 33 Jahren in einem solchen permanenten Strukturwandel. Die Auswirkungen der Deindustrialisierung etwa am Wirtschaftsstandort Zeitz und im gesamten heutigen Burgenlandkreis sind heute im ganzen Land Sachsen-Anhalt deutlich wahrzunehmen.
Auch der Fachkräftemangel in Sachsen-Anhalt muss in diesem Zusammenhang gesehen werden. Da Unternehmen abgewickelt wurden und zahlreiche Jobs verloren gingen, hatten die Menschen kaum eine andere Wahl und waren gezwungen, sich beruflich und schließlich auch privat in den alten Bundesländern neu zu orientieren, um ihre Existenzen neu aufzubauen.
Selbst im Handwerk stellte sich nach anfänglicher Euphorie recht schnell Ernüchterung ein. Die fehlende finanzielle Grundlage ließ die Menschen an die Grenzen ihrer Möglichkeiten stoßen, was wiederum die Auftragslage der Firmen sehr schnell beeinträchtigte. Diese Aspekte führten zu einer weiteren Abwanderung der Fachkräfte in Richtung Westen.
Einen Punkt möchte ich an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen, der gerade für meine Heimatregion als bezeichnend stehen soll: das Thema der unabhängigen Energieversorgung, was uns heute mit Blick auf Russland so sehr beschäftigt. Warum die Regierung damals unsere ureigene Energieversorgung, also die
Braunkohle, in fremde Hände gegeben hat - obwohl ausreichend eigene Kompetenz im Land vorhanden war -, ist fraglich.
Am 1. Januar 1994 war das Unternehmen MIBRAG durch die Treuhandanstalt, die den ganzen Osten verramscht hat, an ein angloamerikanisches Unternehmen verkauft worden. Wahrscheinlich wäre es möglich gewesen, das für die Region so bedeutsame Unternehmen MIBRAG ohne Ausverkauf weiterführen zu können; das wäre für viele Bürger auch wesentlich verständlicher gewesen.
Die Experten, die technische Intelligenz, die wir durchaus hatten, waren in der Lage, mit den Herausforderungen umzugehen. Vor allen Dingen waren sie in der Lage, Krisensituationen zu meistern. Das bewiesen sie im Winter 1978/ 1979, als die DDR nur ganz knapp an einem Blackout vorbeigeschrammt war. Der einzig wahre Fachkräftemangel schien schon damals bei den politischen Entscheidungsträgern geherrscht zu haben, die aus Mangel an Fachkompetenz die Verantwortung schnell von sich geschoben haben.
Ich vergleiche diesen Strukturwandel immer mit einem Bauern, der seinen Wald verkauft, weil er keine Lust mehr hat, ihn weiter zu bewirtschaften, dem dann aber später schmerzlich einfällt, dass er sein ganzes Brenn- und Bauholz aus diesem Wald bezogen hat.
Grundlage sind nun das Kohleausstiegsgesetz und das Strukturstärkungsgesetz. Vorgesehen sind Entschädigungen für die Betreiber von Braunkohlekraftwerken in Höhe von 4,35 Milliarden € für die vorzeitige Stilllegung. Für den Kohleausstieg erhalten die Länder Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Sachsen-Anhalt rund 40 Milliarden €. Davon entfallen auf Sachsen-Anhalt lediglich 12 %, also
4,8 Milliarden €. Zudem gibt es ein Sofortprogramm im Umfang von 240 Millionen €, mit denen bereits in den Jahren 2019 bis 2021 Strukturwandelprojekte in den Revieren gefördert wurden.
Die große Frage ist: Wie wird das Geld ausgegeben? Vor allen Dingen entscheidet der Bund über die Verwendung. Vor Ort, auf der Landesebene, sollen in Sachsen-Anhalt 1,68 Milliarden € vergeben werden. Das Land Sachsen- Anhalt hat seit Dezember 2020 die Landesrichtlinie „Sachsen-Anhalt Revier 2038“.
Eine überarbeitete Version ist am 1. Januar 2022 in Kraft getreten. Gefördert werden nur Projekte im Mitteldeutschen Revier, und zwar rechnerisch für den Zeitraum von 19 Jahren bis zum Jahr 2038 in Höhe von jährlich 88,4 Millionen €. Sie sehen: Wenn man das herunterbricht auf hier davon betroffene Kommunen und die Jahre, dann ist das mit den Milliarden nichts mehr; dann wird es leider ganz reell deutlich weniger.
Spannende Fragen dazu sind aber: Wie wird das Geld aufgeteilt? - Das weiß keiner. Wie wird das Land in den Landkreisen aufgeteilt? - Das weiß auch noch keiner. Niemand konnte das bisher verlässlich und nachhaltig beantworten. Es gibt verschiedene Lenkungs- und Arbeitsgruppen; die Entscheidungen fallen letztendlich zentral in der Staatskanzlei.
Die Praxis zeigt also riesige Probleme auf. Die ungleiche Verteilung unter den Landkreisen und innerhalb der Landkreise ist offensichtlich. Ich frage die Landesregierung: Können Sie eigentlich verbindlich regeln, dass nicht nur Antragsteller vielfach nach dem Windhundprinzip eine Förderung erhalten, sondern alle Kommunen und auch die sorgsam entwickelten späten Projekte?
Problematisch sind jene Projekte, die eigentlich anders hätten finanziert werden müssen. So werden Maßnahmen realisiert, die z. B. im Bundesverkehrswegeplan stehen, aber nicht realisiert wurden und jetzt als Kohlemaßnahmen verkauft werden - so hört man es in betroffenen Gemeinden und von den Bürgern. Das ist nicht in Ordnung.
Die Sinnhaftigkeit der Projekte für die Betroffenen ist oft fraglich. Es ist bisher nicht gelungen, vergleichbare industrielle Arbeitsmarktkonzepte mit entsprechenden Ansiedlungen zu erarbeiten. Die Aktivitäten sind meist Willensbekundungen, bei denen wirksam die Öffentlichkeit mit dem Blick auf die nächste Wahl gesucht wird - nicht mit einem Blick auf die Menschen, die die Arbeitsplätze verlieren.
Zu einem dieser Projekte darf man durchaus auch die Sanierung des Naumburger Doms zählen, welcher zwar später ins UNESCO-Welterbe aufgenommen wurde, indes aber der Bezug zum Strukturwandel und die Verwendung dieser Gelder nur schwer zu erklären ist - für Otto Normalverbraucher erst recht nicht.
Pläne scheinen nicht vorhanden zu sein. Mag sein, dass sich die Verantwortlichen stets bemüht haben. Aber, liebe Leute, das reicht doch nicht. Machen Sie die Regeln endlich klar und nicht im Nachhinein. Die Menschen und die Kommunen im Land erwarten Lösungen, an denen sie sich ausrichten können, und zwar transparente, gerechte und verlässliche Lösungen.
Das gilt nicht nur für die Förderrichtlinie „Sachsen-Anhalt Revier 2038“. Wenn ich sehe, dass für die Förderperiode von 2021 bis 2027 im EU-Maßnahmenprogramm LEADER, mit dem Entwicklungsprogramme gefördert werden, heute, zwei Jahre nach dem Maßnahmenbeginn, immer noch Entwürfe zu Richtlinien vorliegen, dann weiß ich doch, dass die Probleme hausgemacht sind.
Der aktuelle Transformationsprozess ist selbst verursacht. Es ist ein menschengemachter Strukturwandel; der zweite in meiner Heimat innerhalb einer Generation. Er beruht ausschließlich und durchweg auf politischen Entscheidungen, die von Ideologie geprägt sind, mit absurden Vorhaben, das Weltklima zu retten.
Ich weiß nicht, wer sich einmal die Mühe gemacht hat und an einem Kohlekraftwerk vorbeigefahren ist. Aber ich habe sie ganz in meiner Nähe. Das ist z. B. Lippendorf in Wählitz; dort kommt oben nur noch weißer Dampf raus,
Der direkte Vergleich zu Vergangenem ist mir noch im Gedächtnis. Wenn ich dagegen an entsprechende Dokumentationen über Millionenmetropolen auf anderen Kontinenten denke,
dann finde ich, für unser Tun gibt es in unserem Land leider keine plausiblen Erklärungen. Deutschland schafft sich ab - leider.