Protocol of the Session on January 26, 2023

(Zuruf von der CDU: So ist es!)

Zugleich soll mit der Überarbeitung der Förderrichtlinie eine Rückbesinnung auf das eigentliche Ziel des Strukturwandels, nämlich ein nach dem Jahr 2035 attraktives Revier, erfolgen; denn auch daran hat es in der Vergangenheit gehapert. Ich will das an einem Beispiel fest- machen. Wir haben die Situation, dass mein Heimatlandkreis, der Burgenlandkreis, wenn es zu der Reviervereinbarung kommt, dann 432 Millionen € Budget haben wird. Von den 432 Millionen € sind 124 Millionen € faktisch durch ein Denkmalschutzprogramm gebunden.

(Guido Kosmehl, FDP: Sandstrahlen ist wich- tig!)

Wir werden vermutlich sehen, dass die Maßnahmen deutlich teurer werden. Jetzt muss für den Rest die richtige Weichenstellung passieren. Wenn ich anschaue, welchen emotionalen Schaden dieses Abstrahlen des Naumburger Doms im Revier ausgelöst hat, dann steht das in keinem Verhältnis zu den Euros, die dort ausgegeben worden sind.

(Unruhe)

Herr Erben, einen Augenblick bitte. - Es wäre schon ganz gut, wenn der Geräuschpegel so wäre, dass jeder, der dem Redner zuhören will, es auch ohne Mühe kann. - Herr Erben, bitte.

Ich erinnere an die Aussage des Vertreters der Landesregierung im Ausschuss für Infrastruktur und Digitales. Auf die Frage, welchen wirtschaftlichen Mehrwert denn die Abstrahlung des

Naumburger Doms gehabt hätte, antwortete er - ich zitiere -: Es sei nicht auszuschließen, dass die Herrichtung des Doms als touristisches Ziel den Mehrwert der Reise in die Region erhöhe. - Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, reicht aus meiner Sicht als Begründung zweifelsohne nicht aus.

(Zustimmung und Zuruf von Stephen Gerhard Stehli, CDU)

Ich erinnere an das, was wir als Koalitionspartner im Koalitionsvertrag zu Beginn dieser Wahlperiode festgeschrieben haben, nämlich dass es uns darum geht, dass die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes, die industrielle Wirtschaft und damit die gut bezahlten Arbeitsplätze erhalten und auszubauen sind. Dabei geht es vor allem um das Kernrevier; denn sonst wird irgendwann die S-Bahn zwischen Leipzig und Gera, sollte sie denn jemals kommen, ziemlich leer bleiben, weil die Arbeitnehmer gleich direkt in die Großstädte ziehen, anstatt jeden Tag pendeln zu müssen.

Es geht uns um diese Rückbesinnung. Wir müssen jetzt sagen, was noch geht und was nicht geht; denn nur dann werden wir erreichen, dass die richtigen Weichenstellungen für die nächsten Jahre im Revier vorgenommen werden. Es dürfen keine Luftschlösser gebaut werden. Ich bin mir aber auch sicher, dass die Tendenz dazu bei den Kommunalpolitikerinnen und -politikern, auch bei den Bürgerinnen und Bürgern, mittlerweile gering ist. Wir müssen vor allem auch die Ideen beachten, die uns die Menschen bringen, die mit unserem heutigen Handeln konfrontiert sein werden, nämlich die junge Leute.

Viele hier werden, bis der Kohleausstieg passiert ist, die wohlverdiente Pension oder Rente genießen. Die jungen Leute müssen die richtigen oder die falschen Entscheidungen aus-

baden. Deswegen müssen wir auf die vielen guten Ideen, die bspw. im Gutachten „Jugend gestaltet den Strukturwandel“ vorgetragen worden sind, eingehen.

(Zustimmung von Katrin Gensecke, SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben in den nächsten Wochen hier im Lande wichtige Weichenstellungen für den Strukturwandel vorzunehmen;

(Zuruf: Das stimmt!)

denn dass der Braunkohleabbau beendet wird, wird in wahrscheinlich ziemlich genau zwölf Jahren so weit sein. Das mag für den einen oder für den anderen in diesem Raum angesichts der Tatsache, dass zwischendurch mindestens noch zwei Landtagswahlen stattfinden werden, ein langer Zeitraum sein. Doch die Zeit vergeht schneller, als wir denken. Des- wegen müssen wir jetzt die richtigen Weichenstellungen, die richtigen Weichenstellungen für Arbeitsplätze - ich sage: industrielle Arbeitsplätze - im Revier vornehmen. Es geht nicht um die Kür. Es geht um die Pflicht. Das sind die Arbeitsplätze. - Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

Vielen Dank, Herr Erben. Es gibt eine Frage vom Abg. Herrn Roi. - Herr Roi, bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Erben, über den Strukturwandel ist viel geredet worden. Jetzt haben wir eine Aktuelle Debatte dazu. Sie haben auch einige Aspekte angesprochen, die problematisch sind. Im Wesentlichen geht

es ja - das stelle ich fest, wenn ich das beleuchte - darum, dass in den vier Landkreisen und in Halle ein Streit über die Frage, wie das Geld verteilt wird, entbrannt ist.

Gibt es da seitens der SPD-Fraktion einen konkreten Vorschlag? Ich frage das, weil wir die Frage ja irgendwann mal beantworten müssen. Es gibt ja einen Vertrag, den der Saalekreis noch nicht unterschrieben hat. Dann geht es auch um die Frage, wie die Gelder innerhalb der Landkreise verteilt werden.

Sie haben jetzt auch den Dom kritisiert. Das hat die AfD auch schon angesprochen, welchen Mehrwert es dabei gibt.

Deshalb fehlt mir bei der SPD eigentlich ein bisschen Konkretes dazu, was genau Sie an der Richtlinie kritisieren und welche Kriterien Sie anlegen wollen, um genau die Ziele, die Sie eben skizziert haben, zu erreichen. Können Sie da vielleicht noch konkreter werden?

Herr Erben, bitte.

Herr Roi, das will ich gern tun. Ich werde des- halb zunächst erst mal auf die Punkte ein- gehen, die Sie hier unterstellt haben. Erstens. Die Budgetbildung unter den Landkreisen begrüße ich außerordentlich. Das ist im Übrigen auch ein Ansatz, den wir über Jahre hinweg so eingefordert haben.

Und ich bin ehrlich: Mein Glaube daran, dass die Landkreise sich am Ende darauf einlassen,

war nur noch gering. Ich glaube, es ist auch eine große Leistung desjenigen - man hört, es war vor allem Staatssekretär Jürgen Ude -, der die Verhandlungen mit den Landräten geführt hat. Man hat den Landräten das so einbalsamiert, dass man sich überhaupt auf so etwas einlässt. Man musste das tun, weil sich natürlich jeder bei einer solchen Verteilung erst mal schlecht behandelt fühlt.

Ich habe im Burgenlandkreis als Kommunalpolitiker an vielen Gesprächen teilgenommen, in denen wir unseren Landrat gefragt haben, wie weit er denn noch gehen kann. Da haben wir immer gesagt, dass eine verlässliche Zahl, nämlich ein Budget, sodass wir in etwa wissen, womit wir handeln können, besser ist als die Frage, ob wir 30 %, 31 % oder 28 % haben. Wir haben deutlich gemacht, dass das viel wichtiger ist.

Der Streit besteht ja - in Klammern - nur noch mit dem Saalekreis. Der Konflikt muss auf- gelöst werden. Die Budgetbildung ist richtig. Und ich finde, wenn am Ende des Tages irgendwie alle mit der Zahl unzufrieden sind, dann ist da dein gewisser Ausgleich, den man sinnvollerweise schaffen kann.

Zweitens haben Sie die Situation, dass die Dinge mittlerweile erheblich teurer geworden sind. Deshalb müssen wir viel stärker als bisher Prioritäten setzen. Wir hatten ja eine Situation, in der gesagt wurde: Bringt Ideen, wir haben 1,6 Milliarden €. Mittlerweile haben wir Ideen, deren Investitionsvolumen weit darüber liegt. Wir haben auch Anträge, deren Fördervolumen weit darüber liegt.

Wenn wir wissen, dass alles teurer wird und wir damit weniger machen können, ist es umso wichtiger, Prioritäten zu setzen. Die habe ich vorhin hier genannt.

Vielen Dank, Herr Erben. - Für die Landesregierung spricht Herr Staatsminister Robra.

Rainer Robra (Staats- und Kulturminister):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Für mich ist zunächst einmal unabhängig von der Frage, wie sich der Ausstieg aus der Braunkohle entwickelt, das Wichtigste, dass wir einen verlässlichen Planungshorizont brauchen. Der muss für uns bis zum Jahr 2038 gehen.

(Zustimmung bei der CDU)

Wir müssen die Dinge, die jetzt in Angriff genommen worden sind - wir sind da in der Tat zurzeit in den Mühen der Ebenen -, jetzt so in die Zeitachse stellen, dass sie dann vernünftig realisiert werden können.

Was wir jetzt überhaupt nicht gebrauchen können, ist hektische Betriebsamkeit, bei der der Zweite dem Ersten in die Hacken tritt usw. Das ist, ehrlich gesagt, der Kern der Vereinbarung zwischen den Kommunen, die sie von sich aus, unterstützt durch uns, unter das Stichwort Reviergerechtigkeit gestellt haben. Das ist in der Tat ein großer Fortschritt.

Ich will gern die Zahlen wiederholen: Der Burgenlandkreis erhält 28 % und damit 432,5 Millionen €, der Saalekreis und der Landkreis Mansfeld-Südharz erhalten jeweils 20 % und mithin 308,9 Millionen € - das ist ja alles kein Pappenstiel -, der Landkreis Anhalt-Bitterfeld erhält 18 % und damit 278 Millionen € und die Stadt Halle erhält 14 %, also 216,2 Millionen €. Wer weiß, welche Anträge da in den jeweiligen Gebietskörperschaften in der Erwägung waren,

der hat eine ungefähre Vorstellung davon, was das in der Realität bedeutet, nämlich abspecken, auf das eine oder andere verzichten.

Ich gebe gerne zu, dass uns da das JTF-Programm, also das Programm der Europäischen Union, mit dem ein gerechter Ausstieg aus der Kohlewirtschaft herbeigeführt werden soll, sehr geholfen hat; denn diese Größenordnungen beziehen sich auf das Kohleinvestitionsgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Der JTF gibt uns gewissermaßen noch weitere Spielräume, über die wir gesondert sprechen, aber in denen eben auch schon einige der Projekte, die vorher hier waren, mittlerweile vorangemeldet sind.

Genau da liegt das Problem. Vier Vertreter von Gebietskörperschaften, drei Landräte und ein amtierender Oberbürgermeister, haben das Ergebnis, das gemeinsam ausgehandelt worden ist, unterzeichnet. Der Landrat des Saalekreises Herr Handschak zögert noch, obwohl sein Kreistag, wie wir wissen, ihm schon längst grünes Licht gegeben hat. Er zögert, weil er bei zwei Vorhaben immer noch nicht glaubt, sich auf die Zusagen des Landes verlassen zu können.

Das ist zum einen der „MerInnoCampus“ in Merseburg, ein wirklich seit Langem verfolgtes Thema. Dazu gibt es in den nächsten Tagen - das ist schon festgemacht worden- einen Termin, an dem Staatssekretär Dr. Ude, der zu Recht hier schon gelobt worden ist, der Landrat Herr Handschak, Prof. Krabbes als Vertreter der Hochschule und Vertreter der Entwicklungsgesellschaft des Saalekreises teilnehmen werden. Ferner werden Vertreter des MWU und der Staatskanzlei, speziell des Referates, das sich mit dem Strukturwandel befasst, teilnehmen, damit der Innocampus Hochschule Merseburg auf der Grundlage der Richtlinie des MWU „Wissenschaft JTF“ gelöst wird.

Der Landrat wollte es über die Entwicklungsgesellschaft des Saalekreises machen. Das geht technisch nicht, weil der JTF - die Regeln hat die EU festgelegt - keine Förderung von kommunalen Gebietskörperschaften vorsieht. Alle sind vor Ort damit einverstanden, dass es die Hochschule macht. Da gibt es kein Ziehen, Zerren oder Spreizen. Das wird kommen.

Beim zweiten Projekt handelt es sich um den Bioeconomy Hub. Da muss man mal ehrlicherweise zugeben, Herr Erben, dass wir uns in Bewegung befinden. Das ist kein statischer Prozess, bei dem wir heute schon genau wissen, wie es in fünf oder in zehn Jahren aussehen wird. Es ist bei allen Beteiligten völlig unstrittig, dass nach der Genehmigung des CTC, also des Großforschungszentrums für eine ChemieKreislaufwirtschaft, der Bioeconomy Hub noch einmal neu gedacht werden muss.

(Zustimmung von Guido Heuer, CDU)

- Ja. Der wird sich da eingliedern. Auch dazu gibt es Gespräche. Auch die CTC-Leute sind dazu bereit. Die Dinge werden also kommen; das wird gelöst. Deswegen appelliere ich von hier aus noch einmal an den Landrat Herrn Handschak: Unterschreiben Sie bitte.

Jetzt komme ich zum Stichwort Antragsstopp, der bei mir in den Vorgängen immer nur in Anführungsstrichen stand. Dazu sage ich, keiner hat sich darüber, wie es kommuniziert worden ist, mehr geärgert als ich selbst. Mir ging es ja nicht viel anders. Ich habe das als, sagen wir mal, Arbeitsbegriff schon verstanden und auch abgehakt. Aber das war unter den Gebietskörperschaften abgesprochen worden.

Das Problem ist schlicht und ergreifend: Wir haben im Landesarm noch 33 Anträge, die bearbeitet werden. Davon sind 15 Anträge

auch schon bewilligt worden. Es war ein Antrag dabei, den die Stadt Halle eigentlich in den JTF verschieben wollte. Wir wollten das auch.

Er ist aber von einem freien Träger schon vor geraumer Zeit nach dem Investitionsgesetz Kohleregionen angemeldet worden. Aber unsere Bewilligungsstellen - das sind die Investitionsbank, das Landesverwaltungsamt und die NASA - haben gesagt, wir können das nicht länger zurückhalten. Da gab es schon die Androhung einer Untätigkeitsklage. Der Antrag ist im Dezember dann noch nach dem Investitionsgesetz Kohleregionen genehmigt worden. Das Vorhaben wird das Budget der Stadt Halle belasten.

Das zeigt, dass das Thema Reviergerechtigkeit und Vereinbarungen zwischen den Kommunen natürlich jetzt auch auf unsere Richtlinie ausstrahlt. Wenn alle unterschrieben haben, ändern wir die Richtlinie. Dann ist es vorbei - Sie haben den Begriff selbst verwendet - mit dem Windhundrennen.