Protocol of the Session on December 15, 2022

(Beifall bei der AfD - Chris Schulenburg, CDU: Kein Wunder, dass Sie vom Verfassungs- schutz beobachtet werden! - Susan Sziborra- Seidlitz, GRÜNE: Und zwar wegen Rechts- extremismus, nicht wegen Delegitimierung!)

Wir haben damit die Einbringung zu dem Antrag gehört und können nunmehr in die Dreiminutendebatte einsteigen. Zuvor spricht als Erste für die Landesregierung Frau Zieschang als Ministerin. - Bitte sehr.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder sind unverzicht- barer Bestandteil der wehrhaften Demokratie.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Oliver Kirchner, AfD: Da sitzt ja der richtige Präsident vorn!)

Eine Demokratie kann nur dauerhaft Bestand haben, wenn deren Feinde rechtzeitig erkannt und bekämpft werden.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Wie wichtig und aktuell das ist, zeigt uns z. B., auch wenn Sachsen-Anhalt nicht betroffen war, der bundesweite Großeinsatz von Sicherheitsbehörden am 7. Dezember 2022.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Daniel Rausch, AfD: Jetzt kommt der Rolla- tor! Das kann doch nicht wahr sein! - Dr. Hans-Thomas Tillschneider, AfD: Jetzt kommen Sie damit!)

Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern haben in den letzten Monaten eine unter Terrorverdacht stehende Gruppierung sogenannter Reichsbürger festgestellt

(Guido Kosmehl, FDP: Und Querdenker!)

und am 7. Dezember 2022 umfangreiche Durchsuchungsbeschlüsse der Generalbundesanwaltschaft vollstreckt.

Ich habe gelesen, dass Teile der AfD diese Durchsuchungsmaßnahmen als Ablenkungs- manöver bezeichnet haben. Ich glaube, allein die Vorstellung ist absurd, dass solche umfangreichen Durchsuchungsmaßnahmen in mehreren Bundesländern binnen weniger Stunden organisiert werden können. Sie trauen offensichtlich den Polizeien von Bund und Ländern eine Menge zu, aber ich sage Ihnen, dazu bedarf es doch eines längeren zeitlichen Vorlaufs.

(Oliver Kirchner, AfD: Ist doch klar!)

Die Durchsuchungsmaßnahmen waren notwendig, weil die Planungen für den Tag X, ein Synonym für einen Systemumsturz, konkrete Züge angenommen hatten.

(Oliver Kirchner, AfD, lacht)

Dieses Beispiel zeigt exemplarisch, wie das Zusammenwirken der Sicherheitsbehörden in Deutschland funktioniert. Die Verfassungsschutzbehörden beobachten Reichsbürger

systematisch seit November 2016. Im Land Sachsen-Anhalt setzte die Beobachtung der sogenannten kommissarischen Reichsregierung wegen ihrer Verbindung zum Rechtsextremismus schon viel früher ein.

Deren Beobachtung erfolgte und erfolgt nicht, weil Reichsbürger eine andere Meinung als Vertreter von Bundesregierung oder Landesregierung haben, sie erfolgte, weil es sich um Bestrebungen handelt, die gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind.

Daher war und ist es der gesetzliche Auftrag der Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern, Informationen über diese Reichsbürger zu sammeln und auszuwerten. Dadurch werden die Verfassungsschutzbehörden ihrer Aufgabe gerecht, auch weit vor der Begehung konkreter Straftaten als Frühwarnsystem zu fungieren.

Was heißt das für den Phänomenbereich „verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“? Auch hierbei können aus Worten Taten werden, und sie sind es bereits geworden. Im Frühjahr dieses Jahres konnte eine Gruppe, die sich über „Telegram“ zusammenfand, daran gehindert werden, Anschläge auf Stromleitungen und Umspannwerke sowie die geplante Entführung des Bundesgesundheitsministers in die Tat umzusetzen. Sie wollten so bürgerkriegsähnliche Zustände verursachen und schließlich das demokratische System in Deutschland stürzen.

Demzufolge ist die Beobachtung von Personenzusammenschlüssen und Einzelpersonen dieses Phänomenbereichs „verfassungsschutzrele

vante Delegitimierung des Staates“ notwendig und geboten. Nur so kann die Verfassungsschutzbehörde ihrer Aufgabe als Frühwarn- system gerecht werden. Wer diese gesetzliche Aufgabe des Verfassungsschutzes abschaffen will, der will auch keine wehrhafte Demokratie.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Ich sehe keine Fragen.

(Ministerin Dr. Tamara Zieschang wendet sich dem Präsidium zu)

- Wir haben Sie gut verstanden, Frau Zieschang, also, zumindest akustisch, denke ich, hatten wir gerade kein Problem.

Dann kommen wir zur Debatte der Fraktionen. Für die SPD-Fraktion habe ich aufgeschrieben Herrn Erben. - Er verzichtet. Für die Fraktion DIE LINKE Frau Quade. - Sie verzichtet. Für die FDPFraktion stellvertretend für die gesamte Koalition Herr Kosmehl. - Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Der Verfassungsschutz dient dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes und der Länder.“ So steht es in § 1 Abs. 1 des Verfassungsschutzgesetzes.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat im April 2021 einen neuen Phänomenbereich eingerichtet, den Phänomenbereich „verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“. Zur Begründung heißt es:

Im Zuge der legitimen Proteste gegen Maßnahmen und insbesondere staatliche Schutzmaßnahmen im Zusammenhang mit der Coronapandemie war zu erkennen, dass in einzelnen Fällen diese Proteste auch als Vorwand und Hebel genutzt wurden, um die demokratische und rechtsstaatliche Ordnung als solches zu bekämpfen. Um in diesem Zusammenhang festzustellende Anhaltspunkte für verfassungsfeind- liche Bestrebungen adäquat bearbeiten zu können, wurde dieser neue Phänomenbereich eingerichtet.

Auch die am 7. Dezember 2022 durchgeführten Razzien gegen eine Gruppe von Reichsbürgern und Querdenkern zeigen, dass eine Wachsamkeit gegen Bestrebungen, die sich gegen unsere Verfassung richten, notwendig ist. Dass das Ihnen nicht gefällt, sehr geehrte Kollegen der AfD, ist offensichtlich; denn damit geraten neben den Rechtsextremen nämlich weitere Personen in den Fokus des Verfassungsschutzes.

(Zustimmung bei der FDP und von Dr. Katja Pähle, SPD - Oliver Kirchner, AfD: Das ist ja das Ziel!)

Lassen Sie mich zum Abschluss noch einen Hinweis geben zu Herrn Tillschneider. Sie haben einen Satz zitiert aus dem Verfassungsschutzbericht. Vielleicht hätten Sie den ganzen Absatz lesen sollen. Dann wäre vielleicht deutlicher geworden, warum dieser Phänomenbereich eingerichtet worden ist. Hierin heißt es weiter:

„Konkret werden ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweisen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gezeigt. Diese äußern sich bspw. in Form von agitatorischer Verächtlichmachung ohne Sachbezug, Gewaltandrohung gegen die Vertreterinnen und Vertreter der parlamentarischen Demokratie … “

Sehr geehrter Herr Kollege Tillschneider, ohne die verfassungsrechtliche Ordnung des Grundgesetzes hätten Sie nicht die Möglichkeit, Ihre Meinung zu sagen. Wenn Sie aber diese Meinungsfreiheit missbrauchen, um die freiheitlichdemokratische Grundordnung zu beseitigen, dann ist es eine verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates, und das wird jetzt beobachtet. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Dann habe ich jetzt für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Herrn Striegel. - Nein. Er verzichtet. Für die CDU-Fraktion würde jetzt entsprechend auch niemand mehr nach vorn kommen. - Wenn Sie wollen, Herr Tillschneider, dann können Sie jetzt noch einmal.

(Dr. Katja Pähle, SPD: Er muss aber nicht! - Angela Gorr, CDU: Nein!)

Sie haben das Wort.

Ja. Wunderbar. Ich stelle fest, die SPD hat verzichtet, die GRÜNEN haben verzichtet,

(Zuruf: Alle!)

die LINKEN haben verzichtet, die CDU hat verzichtet.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Herr Kosmehl hat ausnahmsweise einmal in meinem Na- men gesprochen! - Zuruf von Guido Kosmehl, FDP)

- Nein. Die FDP hat nicht verzichtet, aber alle anderen haben verzichtet. Das war sehr klug von Ihnen; denn Sie haben eingesehen, dass Sie der Auseinandersetzung hier einfach nicht gewachsen sind.

(Beifall bei der AfD - Lachen bei der CDU, bei der LINKEN, bei der SPD, bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Die Ministerin hat den Verfassungsschutz als unverzichtbar bezeichnet. „Unverzichtbar“, das war Ihr Begriff.

(Stefan Ruland, CDU: Korrekt!)

Ich muss sagen, ein Inlandsgeheimdienst, der lange, bevor strafbares Verhalten vorliegt, politische Strömungen aus der Opposition unterdrückt, an den Pranger der Demokratie stellt, bekämpft, der ist nicht unverzichtbar, der ist problematisch, und das ist eine Anomalie in einer freiheitlichen Demokratie. Das haben nur die wenigsten Staaten, die sich freiheitliche Demokratie nennen. Wir sollten das überwinden; denn Ihre Argumentation ist falsch.

Sie geben vor, die Demokratie schützen zu wollen, aber Sie verfahren damit nach dem sprichwörtlichen Selbstmord aus Angst vor dem Tode.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Sie sind übrigens Verfassungsfeind, ohne dass es den Verfas- sungsschutz braucht!)

Sie ersticken die Demokratie, um die Demokratie zu schützen. Sie schütten das Kind mit dem Bade aus.